Peter Hintze

CDU-Politiker (1950–2016)

Stefan Marx (Berlin)

Peter Hintze als Mitglied des Bundestags, 18.3.2013. (CC BY-SA 3.0 de / CDU/CSU-Fraktion)

Der Christ­li­che De­mo­krat Pe­ter Hint­ze be­klei­de­te mehr als drei Jahr­zehn­te lang ver­schie­de­ne Äm­ter in Par­tei, Par­la­ment und Re­gie­rung und ge­stal­te­te da­bei die Po­li­tik in Deutsch­land mit. Er ist vor al­lem durch sei­ne Ar­beit als letz­ter CDU-Ge­ne­ral­se­kre­tär Hel­mut Kohls (1930-2017) be­kannt ge­wor­den. Der stu­dier­te Theo­lo­ge hat­te es an der Sei­te des über­mäch­ti­gen Kohl nicht leicht. Bei kaum ei­nem Po­li­ti­ker ist der Un­ter­schied zwi­schen öf­fent­li­cher Wahr­neh­mung und wah­rer Be­deu­tung grö­ßer als bei ihm. Be­deu­tung und Ein­fluss von Pe­ter Hint­ze in der zwei­ten Hälf­te der Kanz­ler­schaft Kohls so­wie in der Ära Mer­kel war nicht ge­bun­den an die Aus­übung ei­nes Staats­am­tes.

Pe­ter Paul Wolf­gang Hint­ze kam am 25.4.1950 als zwei­tes Kind des Land­ge­richts­rats Wolf­gang Hint­ze (1904-1971) und des­sen Ehe­frau An­ne­lie­se ge­bo­re­ne Over­dieck (1917-1976), in Hon­nef (heu­te Stadt Bad Hon­nef) zur Welt. Mit sei­ner sie­ben Jah­re äl­te­ren Schwes­ter Dör­te wuchs er in den Jah­ren des Wirt­schafts­wun­ders wohl­be­hü­tet in ei­ner christ­lich ge­präg­ten Fa­mi­lie auf. Be­reits in jun­gen Jah­ren er­wach­te in ihm das In­ter­es­se für die Po­li­tik. Ge­mein­sam mit Freun­den pil­ger­te er in das na­he­ge­le­ge­ne Rhön­dorf, um die Gro­ßen der Welt wie Charles de Gaul­le (1890-1970) Fähn­chen schwen­kend zu be­grü­ßen, wenn sie im Pri­vat­haus von Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er zu Gast wa­ren.

Nach dem Ab­itur am Städ­ti­schen Sie­ben­ge­birgs­gym­na­si­um in Bad Hon­nef 1968 stu­dier­te Hint­ze 1968-1977 an der Uni­ver­si­tät Bonn und der Kirch­li­chen Hoch­schu­le Wup­per­tal Evan­ge­li­sche Theo­lo­gie. Wie bei sei­ner Schwes­ter Dör­te, die eben­falls ein Stu­di­um der Theo­lo­gie ab­sol­vier­te und Leh­re­rin wur­de, war die­ser be­ruf­li­che Weg vor­ge­zeich­net. Seit sei­ner Ju­gend war er kirch­lich vor Ort ak­tiv und ins­be­son­de­re in der evan­ge­li­schen Ju­gend­ar­beit en­ga­giert. 1977 leg­te er das ers­te Theo­lo­gi­sche Ex­amen ab, 1979 das zwei­te.

Der Be­ginn sei­nes Stu­di­ums fiel zu­sam­men mit Stu­den­ten­un­ru­hen in Deutsch­land. Er selbst ver­stand sich als „Al­ter­na­ti­ver 68er“, trat der CDU bei und mach­te als Mit­glied des RCDS Hoch­schul­po­li­tik. 1971 wur­de er in den Bun­des­vor­stand des RCDS ge­wählt, im fol­gen­den Jahr Stell­ver­tre­ter des Bun­des­vor­sit­zen­den Gerd Lang­guth (1946-2013), der ihm ein treu­er Freund und lang­jäh­ri­ger po­li­ti­scher Weg­ge­fähr­te war. Auf dem Bun­des­par­tei­tag der CDU in Saar­brü­cken im Ok­to­ber 1971 un­ter­stütz­te Hint­ze mit sei­nen Freun­den aus dem RCDS die Kan­di­da­tur von Hel­mut Kohl für den Par­tei­vor­sitz, wes­halb er sich spä­ter auch ger­ne als „Kohl-Mann der ers­ten Stun­de“ be­zeich­ne­te.

Auf das hoch­schul­po­li­ti­sche En­ga­ge­ment folg­te 1975 mit der Wahl in den Stadt­rat von Bad Hon­nef, den Kreis­tag de­s Rhein-Sieg-Krei­ses und die Land­schafts­ver­samm­lung Rhein­land der Ein­tritt in die Kom­mu­nal­po­li­tik. Der nächs­te Schritt auf sei­nem po­li­ti­schen Weg soll­te mit der Land­tags­wahl 1980 der Ein­zug in den Land­tag von Nord­rhein-West­fa­len sein. Doch un­ter­lag er be­reits bei der Auf­stel­lung des CDU-Kan­di­da­ten für den Wahl­kreis 28, der die Städ­te Bad Hon­nef, Kö­nigs­win­ter und Sankt Au­gus­tin um­fass­te, sei­nem par­tei­in­ter­nen Mit­be­wer­ber Franz Ri­scop (1933-2016) aus Kö­nigs­win­ter.

1980 wur­de er in die ers­te Pfarr­stel­le der Evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­de Kö­nigs­win­ter be­ru­fen, wo er seit 1977 nach der ers­ten Theo­lo­gi­schen Prü­fung zu­nächst im Vi­ka­ri­at, da­nach im Hilfs­dienst tä­tig war. Glaub­wür­dig­keit, Dia­log­be­reit­schaft und Ein­sicht in die ver­schie­de­nen Pro­blem­be­rei­che der mo­der­nen Ge­sell­schaft hielt Hint­ze für wich­ti­ge Ei­gen­schaf­ten ei­nes Pfar­rers, des­sen we­sent­li­che Auf­ga­be es sei, „zwi­schen bib­li­scher Tra­di­ti­on und den Er­fah­run­gen der Men­schen in der mo­der­nen Welt Brü­cken zu schla­gen“. Ak­zen­te setz­te er in der Ju­gend­ar­beit vor Ort, wirk­te aber auch im Kon­fir­ma­ti­ons-Aus­schuss der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land mit. Er schien al­so bes­te Vor­aus­set­zun­gen mit­zu­brin­gen, als ihn im No­vem­ber 1983 der da­ma­li­ge Bun­des­mi­nis­ter für Ju­gend, Fa­mi­lie und Ge­sund­heit, Hei­ner Gei­ß­ler (1930-2017), zum Bun­des­be­auf­trag­ten für den Zi­vil­dienst be­rief. Sein Amts­an­tritt am 1.1.1984 fiel mit dem In­kraft­tre­ten des neu­en, po­li­tisch um­strit­te­nen Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rungs­ge­set­zes zu­sam­men, das die bis da­hin gel­ten­de Ge­wis­sens­prü­fung ab­schaff­te und mit dem die Dau­er des Zi­vil­diens­tes von 16 auf 20 Mo­na­te er­höht wur­de.

Ge­ra­de vor dem Hin­ter­grund der po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die Neu­ord­nung des Zi­vil­diens­tes war die Be­ru­fung von Hint­ze auch von Skep­sis be­glei­tet: zu jung, zu un­er­fah­ren, po­li­tisch zu un­be­kannt. Doch Hint­ze be­lehr­te sei­ne Skep­ti­ker schnell ei­nes Bes­se­ren. Sei­nem Ge­schick war es haupt­säch­lich zu ver­dan­ken, dass die um­strit­te­ne Neu­re­ge­lung des Rechts auf Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung in der Öf­fent­lich­keit ak­zep­tiert wur­de. Par­al­lel zu sei­ner Ar­beit als Bun­des­be­auf­trag­ter für den Zi­vil­dienst stieg er in­ner­par­tei­lich auf. Im Mai 1987 wur­de er ei­ner der Stell­ver­tre­ter des neu­en CDU-Lan­des­vor­sit­zen­den Nor­bert Blüm (1935-2020) in Nord­rhein-West­fa­len und schaff­te 1990 den bun­des­po­li­ti­schen Durch­bruch, als er im März auf der Bun­des­ta­gung in Wup­per­tal als Nach­fol­ger von Al­brecht Mar­tin (1927-2014) den Vor­sitz des Evan­ge­li­schen Ar­beits­krei­ses der CDU/CSU (EAK) über­nahm, im Ok­to­ber auf dem Ver­ei­ni­gungs­par­tei­tag in Ham­burg in den Bun­des­vor­stand der CDU Deutsch­lands ge­wählt wur­de und im De­zem­ber bei der ers­ten frei­en ge­samt­deut­schen Par­la­ments­wahl seit 1932 ein Man­dat im Deut­schen Bun­des­tag er­rang.

Die 31. Bun­des­ta­gung des EAK am 23. und 24.3.1990 stand im Zei­chen der tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen in Deutsch­land. Der un­er­war­te­te und deut­li­che Sieg der in der „Al­li­anz für Deutsch­lan­d“ zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Par­tei­en CDU, De­mo­kra­ti­scher Auf­bruch und Deut­sche So­zia­le Uni­on war ein Vo­tum für ei­ne schnel­le Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands. Mit sei­nem Vor­schlag zur Ein­rich­tung ei­nes „Deutsch­land-Fo­rums des EAK“ setz­te Hint­ze ei­nen weg­wei­sen­den Ak­zent. Ab­wech­selnd im Wes­ten und im Os­ten Deutsch­lands ta­gend, soll­te die­ses Ge­sprächs­fo­rum „in gu­ter evan­ge­li­scher Tra­di­ti­on“ Po­si­tio­nen be­stim­men, „die spä­ter durch­aus auch in ta­ges­po­li­ti­sche Fra­gen ein­ge­hen kön­nen“. Be­reits am 4.6.1990 ver­an­stal­te­te der EAK das ers­te Deutsch­land-Fo­rum zum The­ma „Ein Volk durch Ge­rech­tig­keit“ in der Kon­gress­hal­le am Alex­an­der­platz in Ost-Ber­lin. In der Amts­zeit von Hint­ze folg­ten im Ok­to­ber 1990 in Bonn, im No­vem­ber 1991 in Dres­den und im Mai 1992 in Frank­furt am Main wei­te­re Ver­an­stal­tun­gen im Rah­men die­ser Rei­he.

Im Ja­nu­ar 1991 wur­de Hint­ze zum Par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tär bei der Bun­des­mi­nis­te­rin für Frau­en und Ju­gend be­ru­fen. Die Mi­nis­te­rin hieß An­ge­la Mer­kel (ge­bo­ren 1954), die von ih­rem Par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tär in den Bon­ner Po­li­tik­be­trieb ein­ge­führt wur­de. Wäh­rend ih­rer knapp ein­ein­halb Jah­re dau­ern­den Zu­sam­men­ar­beit im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Frau­en und Ju­gend ent­wi­ckel­te sich je­ne ver­trau­ens­vol­le Be­zie­hung, die Hint­ze zu ei­nem der wich­tigs­ten po­li­ti­schen Weg­be­glei­ter Mer­kels wer­den ließ.

 

Nach dem Rück­tritt von Ger­hard Stol­ten­berg (1928-2001) als Bun­des­mi­nis­ter der Ver­tei­di­gung im April 1992 und dem Wech­sel von Vol­ker Rü­he (ge­bo­ren 1942) aus der Par­tei­zen­tra­le auf die Bon­ner Hardthö­he über­nahm Pe­ter Hint­ze das Amt des Ge­ne­ral­se­kre­tärs. Der Be­griff „Po­li­tik­ver­dros­sen­heit“, der zum „Wort des Jah­res 1992“ er­klärt wur­de, war in al­ler Mun­de, und die De­mo­sko­pen mach­ten der CDU für das Su­per­wahl­jahr 1994 mit den Wah­len zum Deut­schen Bun­des­tag als Hö­he­punkt kei­ne gro­ßen Hoff­nun­gen. Wie er in sei­ner Vor­stel­lungs­re­de in der Sit­zung des Bun­des­aus­schus­ses am 15.6.1992 in Bonn aus­führ­te, war sich Hint­ze be­wusst, dass die Par­tei vor ih­rer grö­ß­ten Her­aus­for­de­rung seit den 1950er Jah­ren stand.  Die – auch in­ner­par­tei­lich – um­strit­te­ne Ro­te-So­cken-Kam­pa­gne Hint­zes, mit der er vor ei­nem rot-rot-grü­nen Bünd­nis auf Bun­des­ebe­ne warn­te, brach­te im Wahl­jahr den Stim­mungs­um­schwung und ließ die CDU bei den Bun­des­tags­wah­len am 16.10.1994 re­üs­sie­ren, so dass Hel­mut Kohl in sei­ne vier­te Amts­zeit ge­hen konn­te. Der CDU-Vor­sit­zen­de und Bun­des­kanz­ler wuss­te, wem er auf dem Bun­des­par­tei­tag am 28.11.1994 in be­son­de­rer Wei­se zu dan­ken hat­te.

Nach der er­folg­rei­chen Bun­des­tags­wahl von 1994 trat der Ge­ne­ral­se­kre­tär als Par­tei­re­for­mer her­vor. Auf dem Bun­des­par­tei­tag in Karls­ru­he im Ok­to­ber 1995 konn­ten wich­ti­ge Be­schlüs­se ge­fasst wer­den: ei­ne ein­jäh­ri­ge „Gast­mit­glied­schaf­t“, die Be­schrän­kung der Zahl der Par­tei­äm­ter auf drei, wo­bei die Äm­ter in den Ver­ei­ni­gun­gen aus­ge­nom­men wer­den, so­wie ei­ne Mit­glie­der­be­fra­gung bei wich­ti­gen Per­so­nal­ent­schei­dun­gen. Mit sei­nem Her­zens­an­lie­gen, der Ein­füh­rung ei­nes Frau­en­quo­rums, schei­ter­te Hint­ze: an der er­for­der­li­chen Mehr­heit für ei­ne ent­spre­chen­de Än­de­rung des Sat­zungs­rechts von 501 Stim­men fehl­ten fünf Stim­men. Da­von ließ er sich nicht ab­schre­cken, son­dern hielt be­harr­lich an sei­nem Ziel ei­ner recht­li­chen und tat­säch­li­chen Gleich­stel­lung von Frau­en und Män­nern in der CDU fest, da er die Gleich­be­rech­ti­gungs­fra­ge für ent­schei­dend für die Zu­kunfts­fä­hig­keit der CDU hielt. Auf dem Bun­des­par­tei­tag in Han­no­ver im Ok­to­ber 1996 wur­de schlie­ß­lich die Ein­füh­rung ei­nes Frau­en­quo­rums be­schlos­sen. Da­nach sol­len Frau­en an Par­tei­äm­tern in der CDU und an öf­fent­li­chen Man­da­ten min­des­tens zu ei­nem Drit­tel be­tei­ligt sein.

Die Mo­der­ni­sie­rung der Par­tei konn­te den Macht­ver­lust nach der Bun­des­tags­wahl von 1998 nicht mehr ab­wen­den. Pe­ter Hint­ze trat von sei­nem Amt als Ge­ne­ral­se­kre­tär zu­rück, denn der neue Par­tei­vor­sit­zen­de Wolf­gang Schäu­b­le (ge­bo­ren 1942) brauch­te freie Hand für den Neu­an­fang.

Pe­ter Hint­zes Ar­beits­schwer­punkt ver­la­ger­te sich nach dem Gang in die Op­po­si­ti­on von der CDU-Bun­des­ge­schäfts­stel­le in die Uni­ons­frak­ti­on im Deut­schen Bun­des­tag, die ihn zu ih­rem Eu­ro­pa­po­li­ti­schen Spre­cher wähl­te. In den fol­gen­den Jah­ren stieg er zu ei­nem der füh­ren­den Eu­ro­pa­po­li­ti­ker der Uni­on auf. Die Eu­ro­päi­sche Volks­par­tei wähl­te ihn 2002 zu ei­nem ih­rer Vi­ze­prä­si­den­ten. Wei­te­re Füh­rungs­auf­ga­ben auf in­ter­na­tio­na­ler Ebe­ne nahm er als stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der In­ter­na­tio­na­len De­mo­kra­ti­schen Uni­on und Vi­ze­prä­si­dent der Christ­lich De­mo­kra­ti­schen In­ter­na­tio­na­len wahr.

Mit eu­ro­pa­po­li­ti­schen Fra­gen war er auch nach 2005 be­fasst, als er in der Gro­ßen Ko­ali­ti­on, die CDU, CSU und SPD un­ter der neu­en Bun­des­kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel bil­de­ten, zum Par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tär beim Bun­des­mi­nis­ter für Wirt­schaft und Tech­no­lo­gie be­ru­fen wur­de, 2007 er­wei­tert um die Funk­ti­on des Ko­or­di­na­tors der Bun­des­re­gie­rung für die Luft- und Raum­fahrt. In die­ser Funk­ti­on sorg­te Hint­ze 2009 mit sei­nem Vor­schlag ei­ner mo­du­la­ren Mond­lan­de-Mis­si­on für Auf­se­hen. Er war über­zeugt, dass ei­ne sol­che Mis­si­on her­vor­ra­gend ge­eig­net sei, die Ex­zel­lenz der deut­schen Wis­sen­schaft und die ho­he tech­no­lo­gi­sche Leis­tungs­fä­hig­keit Deutsch­lands als Raum­fahrt­na­ti­on in­ter­na­tio­nal un­ter Be­weis zu stel­len. Wäh­rend sei­ner acht­jäh­ri­gen Amts­zeit stan­den mit Mi­cha­el Glos (ge­bo­ren 1944), Karl-Theo­dor von und zu Gut­ten­berg (ge­bo­ren 1971), Rai­ner Brü­der­le (ge­bo­ren 1945) und Phil­ipp Rös­ler (ge­bo­ren 1973) nicht we­ni­ger als vier Mi­nis­ter an der Spit­ze des Mi­nis­te­ri­ums. Gleich­zei­tig war Hint­ze Vor­sit­zen­der der Lan­des­grup­pe Nord­rhein-West­fa­len der CDU/CSU-Frak­ti­on im Deut­schen Bun­des­tag. In die­ses Amt wur­de er 2006 als Nach­fol­ger des neu­en Bun­des­tags­prä­si­den­ten Nor­bert Lam­mert (ge­bo­ren 1948) ge­wählt. Als Vor­sit­zen­der der mäch­ti­gen nord­rhein-west­fä­li­schen Lan­des­grup­pe galt er als ei­ner der ein­fluss­reichs­ten Strip­pen­zie­her in Ber­lin. Zu­gleich war er ein ge­frag­ter Rat­ge­ber über den Po­li­tik­be­trieb der Haupt­stadt hin­aus. Ar­min La­schet er­in­ner­te sich an­läss­lich des 70. Ge­burts­tags von Hint­ze am 25.4.2020 mit gro­ßer Dank­bar­keit an per­sön­li­che Be­geg­nun­gen und lan­ge Te­le­fo­na­te.

Vor­sit­zen­der der Lan­des­grup­pe blieb Hint­ze auch nach der Bun­des­tags­wahl von 2013, als er aus der Bun­des­re­gie­rung aus­schied und in das Amt ei­nes Vi­ze­prä­si­den­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges ge­wählt wur­de - ei­ne Auf­ga­be, die er ger­ne wahr­nahm. 

Ei­ne be­deu­ten­de Rol­le mit ei­ge­nen par­la­men­ta­ri­schen In­itia­ti­ven spiel­te Hint­ze auch in den drei gro­ßen ethi­schen De­bat­ten der bei­den ers­ten Jahr­zehn­te des 21. Jahr­hun­derts: Stamm­zell­for­schung, Prä­im­plan­ta­ti­ons­dia­gnos­tik und Ster­be­hil­fe. Da­bei scheu­te der evan­ge­li­sche Theo­lo­ge nicht den Kon­flikt mit sei­ner Kir­che. Auch ver­trat er bis­wei­len von der Mehr­heits­mei­nung sei­ner Par­tei ab­wei­chen­de Po­si­tio­nen.

Für ei­ne „Ethik des Hei­len­s“ warb er in der De­bat­te um ei­ne No­vel­lie­rung des Stamm­zell­ge­set­zes 2008. Ähn­lich ar­gu­men­tier­te er in der Dis­kus­si­on über die Prä­im­plan­ta­ti­ons­dia­gnos­tik, de­ren Zu­las­sung er für ein „Ge­bot der Men­schen­wür­de“ hielt. In der Fra­ge der Ster­be­hil­fe war sei­ne Po­si­ti­on ein­deu­tig. Am Ver­bot der Tö­tung auf Ver­lan­gen (ak­ti­ve Ster­be­hil­fe) hielt er un­ein­ge­schränkt fest. Ihm ging es aus­schlie­ß­lich um „die Fäl­le, in de­nen un­heil­bar er­krank­te Men­schen an den Fol­gen ih­rer Er­kran­kung so stark lei­den, dass so­wohl die Pal­lia­tiv­me­di­zin wie auch an­de­re For­men der Hin­wen­dung und Un­ter­stüt­zung an ob­jek­ti­ve Gren­zen sto­ßen“. Für die­se Fäl­le plä­dier­te er für die recht­lich ab­ge­si­cher­te Mög­lich­keit ei­ner ärzt­li­chen Sui­zi­das­sis­tenz.

Für sich selbst woll­te Hint­ze, der 2013 an Lun­gen­krebs er­krank­te, den be­glei­te­ten Sui­zid nicht in Be­tracht zie­hen. So stell­te er sich auch der Her­aus­for­de­rung sei­ner Krebs­er­kran­kung, zog sich nicht zu­rück, son­dern ar­bei­te­te wei­ter. Krank­heits­be­ding­te Ab­we­sen­hei­ten von Ber­lin wur­den gleich­wohl häu­fi­ger. Pres­se­mit­tei­lun­gen stell­ten für ihn in die­ser Si­tua­ti­on ei­ne Mög­lich­keit dar, auf die Ta­ges­po­li­tik kom­men­tie­rend Ein­fluss zu neh­men – bis in die letz­ten Mo­na­te, ja Wo­chen und Ta­ge sei­nes Le­bens.

Die Sor­ge um die Zu­kunft der Eu­ro­päi­schen Uni­on und die trans­at­lan­ti­schen Be­zie­hun­gen trie­ben ihn um. Durch die Brex­it-Ent­schei­dung der bri­ti­schen Wäh­ler im Ju­ni 2016 sah er die EU „in die tiefs­te Kri­se ih­rer Ge­schich­te“ stür­zen. We­ni­ger dra­ma­tisch in der Wort­wahl, aber eben­so be­sorgt, kom­men­tier­te er im No­vem­ber 2016 we­ni­ge Ta­ge vor sei­nem Tod die Wahl von Do­nald Trump zum neu­en Prä­si­den­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka: Die Eu­ro­päi­sche Uni­on müs­se sich dar­auf ein­stel­len, mehr Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und zu­gleich ei­ge­ne In­ter­es­sen stär­ker zu ver­fol­gen.

Am Abend des 26.11.2016 er­lag Pe­ter Hint­ze im Al­ter von 66 Jah­ren sei­nem Krebs­lei­den. Die Trau­er­fei­er am 3.12.2016 in der Evan­ge­li­schen Er­lö­ser­kir­che Bad Hon­nef in An­we­sen­heit von Bun­des­kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel, Bun­des­tags­prä­si­dent Nor­bert Lam­mert, des ehe­ma­li­gen Bun­des­prä­si­den­ten Chris­ti­an Wul­ff (ge­bo­ren 1959) und fast al­ler Bun­des­mi­nis­ter der CDU glich der Be­er­di­gung ei­nes gro­ßen Staats­man­nes.

Der Nach­lass von Pe­ter Hint­ze be­fin­det sich im Ar­chiv für Christ­lich-De­mo­kra­ti­sche Po­li­tik der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung. 

Werke (Auswahl)

Über­le­gun­gen zur Hoch­schul­re­form, in: Lang­guth, Gerd/Hint­ze, Pe­ter (Hg.), Bil­dungs­re­form – kon­kret, Mün­chen-Wien 1973, S. 175-203.

Das neue Grund­satz­pro­gramm der CDU – Po­li­tik für die Zu­kunft, in: Göh­ner, Rein­hard (Hg.), Frei­heit und Ver­ant­wor­tung. Das CDU-Grund­satz­pro­gramm kon­tro­vers dis­ku­tiert, Mün­chen 1993, S. 257-276.

Wi­der­stand im to­ta­li­tä­ren Staat – Ver­mächt­nis und Auf­trag, in: Kohl, Hel­mut/Möl­ler, Horst/Hint­ze, Pe­ter/Schulz, Gün­ther/Lang­guth, Gerd, Der 20. Ju­li 1944 – Wi­der­stand und Grund­ge­setz, Sankt Au­gus­tin 1994, S. 53-66.

Christ­li­cher Glau­be und po­li­ti­sches Han­deln, in: Smid, Ste­fan/Fehl, Nor­bert (Hg.), „… ob das al­les so stimmt …“ Recht und Plu­ra­lis­mus. Hans-Mar­tin Paw­low­ski zum 65. Ge­burts­tag, Ber­lin 1997, S. 43-58.

Per as­pe­ra ad as­tra! Eu­ro­pa als Stand­ort der Luft- und Raum­fahrt­in­dus­trie, in: La­schet, Ar­min/Pflü­ger, Fried­bert (Hg.), Deutsch­land in Eu­ro­pa. Karls­preis 2008 an An­ge­la Mer­kel, Mons­chau 2008, S. 127-136.

Die Eu­ro­päi­sche Volks­par­tei, in: Vo­gel, Bern­hard (Hg.), Hei­mat – Va­ter­land – Eu­ro­pa. Fest­schrift zum 70. Ge­burts­tag von Hans-Gert Pöt­te­ring, Köln/Wei­mar/Wien 2015, S. 303-309.

Bundestagswahlplakat der "Rote-Socken-Kampagne" der CDU, 1994. (CC BY-SA 3.0 de / Konrad-Adenauer-Stiftung)

 
Zitationshinweis

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Marx, Stefan, Peter Hintze, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-hintze/DE-2086/lido/61af9443935385.92302780 (abgerufen am 19.04.2024)