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Peter Joseph Osterhaus erging es wie anderen „Achtundvierzigern“, die nach dem gescheiterten Kampf für Freiheit und Demokratie von 1848/1849 aus Europa fliehen mussten. In seiner alten Heimat fast vergessen, gelangte er in den Vereinigten Staaten zu hohem Ansehen. Die dankbare Nation bewahrt sein Andenken bis heute.
Peter Joseph Osterhaus wurde am 4.1.1823 in Koblenz als zweiter Sohn des aus Ahaus stammenden Baumeisters Joseph Adolph Oisterhusz (1797-1868) und der Koblenzer Metzgerstochter Eleonora Oisterhusz, geborene Kraemer (1795-1838), geboren. Der ältere Bruder Anton Heinrich (1821-1896) und der jüngere Lorenz Joseph Adolph (1829-1884) wurden gleichfalls in Koblenz geboren. Der Vater war durch Vermittlung des preußischen Architekten Johann Claudius von Lassaulx am Fundamentbau der katholischen Pfarrkirche St. Johannes in Treis beteiligt. Von 1847 bis etwa 1852 gehörte Joseph Adolph Oisterhusz dem Koblenzer Stadtrat an. Der Nachname deutet auf seine niederländische Herkunft hin, jedoch beschlossen er und seine Frau, den Familiennamen der Kinder einzudeutschen.
Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Johann Heinrich, der später das Geschäft seines Vaters weiterführte, wollte Peter Joseph Geschichtsprofessor an einer Universität werden. Obwohl er in Koblenz kein Abitur abgelegt hat, muss er über eine höhere Schulbildung verfügt haben, denn er beherrschte Latein, Englisch und Französisch. Zudem eignete er sich während eines dreijährigen Aufenthaltes der Familie in den 1830er Jahren in Rotterdam Holländisch an. Der Vater jedoch verdonnerte ihn zu einer Kaufmannslehre. Als Handelslehrling lebte er 1840 im Hause seiner Eltern in der Neustadt 19, das sein Vater 1830 errichtet hatte. Nach der Lehrzeit unternahm er Reisen durch Deutschland, nach Frankreich und in die Schweiz. 1844 meldete er sich als Einjährig-Freiwilliger zum 3. Rheinischen Infanterieregiment Nr. 29 in Koblenz und wurde ein Jahr später beim 29. Landwehr-Regiment in Neuwied zum Leutnant der Reserve ernannt. Im April 1845 reiste Osterhaus nach Mannheim, um seinen Einstieg in die Firma Carl Nestler & Co. - einer Schokoladenfabrikation - vorzubereiten. 1847 wechselte er vom preußischen in den badischen Staatsverband und erhielt am 24.9.1847 das Mannheimer Bürgerrecht. Osterhaus´ Interesse an historisch-politischen Zusammenhängen sowie seine erworbenen militärischen Kenntnisse sollten ihm schon bald nützlich werden.
Nach der Februarrevolution 1848 in Frankreich wurde auch Baden ein Schauplatz des Kampfes für bürgerlich-demokratische Rechte im Deutschen Bund. Der Versuch des Radikaldemokraten Friedrich Hecker (1811-1881) – an dem sich auch Osterhaus und sein späterer Kriegskamerad Franz Sigel (1824-1902) beteiligten – mit Gewalt eine Republik zu errichten, scheiterte jedoch. Hecker musste im September 1848 in die USA fliehen. Osterhaus hingegen wurde Kommandant der Bürgerwehr in Mannheim. Auf die Loyalität der Offiziere des dort stationierten 2. Dragoner-Regimentes konnte die badische Revolutionsregierung allerdings nicht zählen. Angesichts der Ausweglosigkeit der Lage legte Osterhaus, nachdem die Unruhen 1849 erneut aufflammten und er auch den Befehl über das Dragoner-Regiment übernommen hatte, am 20.6. des Jahres seine Kommandos nieder und zwei Tage später wurde Mannheim von Bundestruppen besetzt.
Für Osterhaus begann eine Zeit der Verfolgung und Flucht. Schon am 28. Juni. erging Haftbefehl gegen ihn wegen der Verleitung des 2. Dragoner-Regiments zum Treuebruch. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, die Mannheimer Bürgerwehr außerhalb der Stadt gegen die Bundestruppen in Stellung gebracht, die holländischen Freiwilligen bewaffnet, die Munitionierung der städtischen Artillerie organisiert und Ludwigshafen beschossen zu haben.
Osterhaus war da bereits nach Kreuznach (heute Bad Kreuznach) geflüchtet. Angeblich half ihm dabei ein befreundeter Rheindampferkapitän. Aus Kreuznach stammte Osterhaus´ Frau Mathilde Born, die er dort am 25.8.1848 geheiratet hatte. In der letzten Juliwoche erreichte Osterhaus zusammen mit dem Schwager Heckers, Karl Eisenhardt, über Straßburg kommend Nancy. Hecker selbst, der aus den USA zurückgekehrt war, hielt sich nach dem Scheitern der Bewegung in Paris versteckt. Am 4. August kamen Osterhaus, Eisenhardt und ein weiterer Schwager von Hecker, Dr. Heinrich Tiedemann (gest. 1895), in Paris an. Hecker war bereits weiter nach Le Havre geflohen, und so begab sich die Fluchtgruppe noch in der Nacht auf den 5. August dorthin. Am 11. August verließen Heckers Familie und Tiedemann Europa. Osterhaus und Eisenhardt hielten sich in Le Havre versteckt, bis Mathilde Osterhaus, die am 29. August das Töchterchen Anna zur Welt brachte, wieder in der Lage war, eine Reise anzutreten. Als die junge Familie vereint war, buchte Osterhaus eine Zweite-Klasse- Passage auf dem Schiff „Argo“. Am 1.10.1849 verließen Peter Joseph, Mathilde und Anna Osterhaus sowie Karl Eisenhardt Le Havre. Mathilde sollte ihre alte Heimat nie wiedersehen.
Als die „Argo“ am 6. November in New York ankam, wartete auf die Familie Osterhaus eine weitere lange Reise von 1.000 Meilen durch die winterliche Neue Welt. Ihr Ziel war die Stadt Belleville in St. Clair County im südlichen Illinois. Das Reiseziel entsprach einerseits der allgemeinen Siedlungsbewegung deutscher Immigranten, die ins Ohio-Tal, an die Großen Seen und in Städte wie St. Louis führte. Andererseits besaß Friedrich Hecker im nur wenige Meilen entfernten Summerfield eine Farm. Zum Dritten war das St. Clair County als Siedlungsgebiet der Deutschen so bekannt, dass es auch das „Rheinland Amerikas“ genannt wurde. Ebenso wurden vor dem Hintergrund der humanistischen Bildung, die viele Deutsche von ihren Gymnasien in die Neue Welt mitbrachten, die dortigen Bauern landläufig als „Latin Farmers“ bezeichnet. Die Übersiedlung der Familie Osterhaus vollzog sich innerhalb der Spitzenzeit der Einwanderung in die USA der Jahre 1847-1852. Auf 10.000 Einwohner kamen in diesen Jahren jeweils über 100 Einwanderer, was proportional zur Bevölkerungszahl die höchste Einwanderungsrate in der Geschichte der USA bedeutete.
Die dringlichste Aufgabe für Peter Joseph Osterhaus bestand darin, eine Arbeit zu finden, um den Unterhalt seiner Familie zu sichern. Es war ein glücklicher Umstand, dass der badische Revolutionär mit dem mächtigen Rechtsanwalt, Mitherausgeber der deutschsprachigen „Belleviller Zeitung“, Veteranen des Hambacher Festes und späteren Vizegouverneur von Illinois, Gustave Koerner (1809-1896), einen Bruder im Geiste fand. Zunächst arbeitete Osterhaus als Angestellter in einem Textilgeschäft, aber schon im April 1850 war er Besitzer eines eigenen Haushaltswarengeschäftes für Porzellan, Glas und Keramik in der Main-Street von Belleville. Dass Osterhaus im Zensus dieses Jahres mit 1.000 Dollar veranschlagt wurde, zeigte die gesicherte wirtschaftliche Situation, in der sich die Familie schon ein Jahr nach der Immigration befand. Die beunruhigenden Nachrichten aus der alten Heimat konnten ihn nun nicht mehr schrecken. Das Hofgericht zu Mannheim verurteilte ihn am 2.10.1850 wegen Hochverrats zu vier Jahren Gefängnis, nachdem ihm bereits am 22. Juli das badische Staatsbürgerrecht entzogen worden war. 1857 wurde er begnadigt, drei Jahre, nachdem er die amerikanische Staatsangehörigkeit erlangt hatte.
Mit der Geburt des ersten Sohnes Hugo (1851-1927) und dem sich ankündigenden zweiten Kind - Adolph Otto (geboren 1852) - zog die Familie 1852 in ein großzügiges Haus in der kleinen Stadt Lebanon. Dort lebte die Familie die nächsten acht Jahre, erhielt mit Alexander (geboren 1855), Emma (geboren 1857) und Carl (1859-1904) weiteren Zuwachs, verlor aber Adolph durch Krankheit. Der älteste Sohn Hugo, der erste Amerikaner der Familie, machte Karriere in der US-Navy. 1906 wurde er Kommandant des Schlachtschiffes USS Connecticut, das als Flaggschiff mit Theodore Roosevelts „Weißer Flotte“ zwischen 1907 und 1909 die Welt umrundete. Von 1911 bis 1913 war er Oberkommandierender der US-Atlantikflotte. Mit 31 Schlachtschiffen, fünf Schlachtkreuzern und 88 kleineren Schiffen sowie U-Booten war dies der größte Flottenverband in der Geschichte der USA, der jemals unter einem einzelnen Kommando stand. Für seine Arbeit als Director of Naval Districts wurde Hugo Osterhaus während des Ersten Weltkrieges mit dem Navy Cross ausgezeichnet, der zweithöchsten Auszeichnung der USA. Ihm zu Ehren wurde am 18.4.1943 in Port Newark, New Jersey, durch sein Enkelkind Helen Osterhaus der Geleitzerstörer USS Osterhaus (DE-164) getauft und am 12. Juni in den Dienst gestellt. Hugo Osterhaus fand seine letzte Ruhe auf dem Ehrenfriedhof von Arlington. Sein Sohn Hugo Wilson Osterhaus (1878-1972) wurde gleichfalls Konteradmiral der US-Navy und setzte die maritime Tradition der Familie fort. Carl Osterhaus wurde Major der deutschen Artillerie und fiel 1904 während des Herrero-Aufstandes in Deutsch Südwest-Afrika.
Peter Joseph Osterhaus hatte auch in Lebanon einen guten Start in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Hier profitierte er das erste und einzige Mal vom amerikanischen Patronagesystem. Er wurde zum Postmeister bestellt, eine Stellung, die nur durch Protektion vergeben wurde. Er verkaufte seinen Laden in Belleville und errichtete in Lebanon eine Brennerei (The Lebanon Destillery), deren Bau 40.000 Dollar kostete.
Zum wichtigsten Ereignis für die Familie Osterhaus in dieser Zeit aber wurde ein Dinner: 1856 wurde das Ehepaar von den führenden Bürgern der Stadt zu einem gesellschaftlichen Ereignis eingeladen, das Peter Josephs Leben nachhaltig beeinflussen sollte. Die Stadt Lebanon veranstaltete anlässlich der Präsidentschaftskandidatur von John C. Frémont (1813-1890) ein Festessen für einen Mann, der als Kongressabgeordneter von Illinois Wahlkampf für Frémont machte: Abraham Lincoln (1809-1865). Mathilde saß während des Dinners neben Lincoln, der sich später an sie as a delightful German Woman who spoke very little English erinnerte[1]. Die Einfachheit Lincolns und die Wärme seines Charakters machten auf Peter Joseph einen starken Eindruck.
1857 wurde nicht nur für Osterhaus ein schweres Jahr. Politisch und ökonomisch trieben die USA in einen Sturm. Osterhaus war von den Demokraten zur 1856 neu gegründeten Republikanischen Partei geschwenkt und hatte Frémont als Präsidentschaftskandidaten unterstützt. Mit dem Amtsantritt des 15. US-Präsidenten, des Demokraten James Buchanan (1791-1868), verfinsterten sich nicht nur Osterhaus´ wirtschaftliche Perspektiven, sondern es legte sich auch ein Schatten über das Schicksal der ganzen Nation. Die Gegensätze in den USA mit Blick auf die Frage der Sklaverei und die Repräsentation der einzelnen Bundesstaaten im Kongress wurden immer stärker. Kurz nachdem Buchanan seinen Amtseid geleistet hatte, wurde Osterhaus als Postmeister abgesetzt. Am 24.8.1857 löste der Zusammenbruch der Ohio Life Insurance & Trust Company einen Börsenkrach aus, der sich zu einer Wirtschaftskrise auswuchs. 5.000 Unternehmen und Banken gingen landesweit zu Grunde. Osterhaus verlor seine Brennerei. Drei Jahre lang hielt er seine Familie als Angestellter leidlich über Wasser. Als 1860 ein Jobangebot in St. Louis anstand, siedelte die Familie dorthin über.
Die Stadt im seit 1821 existierenden Bundesstaat Missouri hatte eine doppelt so große deutschsprachige Bevölkerung wie Mannheim. Die Unternehmerschaft aus dem Osten und Norden, zu der viele deutschstämmige gehörten, bildete ein Gegengewicht zu den Südstaateneliten. Damit einher ging auch die Ablehnung der Sklaverei in dieser Gruppe. So hielten es auch die Kurzwarenfabrikanten George Pomeroy und William Benton, die Osterhaus als Buchhalter einstellten. Was es bedeutete, in einem Staat zu leben, der die Haltung von Sklaven erlaubte, erfuhr Osterhaus erstmals, als er auf dem Weg zur Arbeit eine Sklavenauktion sah. Das erniedrigende Schauspiel prägte sich ihm tief ein für die Zeiten, die kommen sollten.
Kurz nachdem Osterhaus seine neue Arbeit angetreten hatte, standen die Präsidentschaftswahlen von 1860 an. Die Deutsch-Amerikaner waren allein durch ihre Anzahl ein Faktor, der für die Wahlen ausschlaggebend werden konnte. Darüber hinaus kontrollierten die eloquenten politischen Führer dieser Bevölkerungsgruppe, Gustave Koerner, Franz Sigel und Carl Schurz (1829-1906) eine Fraktion von Delegierten auf dem Republikanischen Nationalkonvent. Dieser Block war maßgeblich für die Nominierung Abraham Lincolns als Kandidat für die Präsidentschaft verantwortlich. Dinge gerieten jetzt in Gang, die nicht mehr aufzuhalten waren. Kurz nach der Wahl Lincolns zum 16. US-Präsidenten löste sich South Carolina am 20.12.1860 aus der Union. Damit fiel der Startschuss für die Sezession weiterer Staaten, vor allem des tiefen Südens wie Mississippi und Alabama. Die kraftlose Administration Buchanan konnte diese Auflösung bis zur Inauguration Lincolns nicht aufhalten.
Osterhaus hatte sofort seinen Platz als Anhänger der Union gefunden, denn kein zweites Mal sollte der Kampf um die nationale Einheit vergebens sein. Die Bevölkerung in Missouri war sich dessen noch nicht so sicher. Die Mehrheit sympathisierte mit dem Süden und sah in der Sklaverei und dem Baumwollhandel die Grundlage für ihren Wohlstand. Die Geschäftsleute aus dem Osten und Norden hingegen standen dem Süden ablehnend gegenüber. Der Konflikt heizte sich auf, und die Unionsaktivisten - unter ihnen viele deutschstämmige - organisierten sich im Untergrund. Eine der geheimen paramilitärischen Organisationen waren die „Schwarzen Jäger“ (Black Guards). Bei diesem Freikorps, das im Januar 1861 gegründet wurde, übernahm Osterhaus bald Führungsaufgaben.
Am 12.4.1861 begann mit dem Beschuss des Unionsforts Sumter im Hafen von Charleston, South Carolina, der Krieg. Die reguläre Armee der USA hatte zu diesem Zeitpunkt lediglich die Stärke einer preußischen Division, also etwa 16.000 Mann, und war lose an der Grenze verteilt. Die meisten ihrer Offiziere traten in den Dienst der sich formierenden Konföderation der Südstaaten. Präsident Lincoln, dem es oblag, die Verfassung zu verteidigen und die Union zu erhalten, rief deshalb in der Tradition der Amerikanischen Revolution von 1776 zur Bildung von Freiwilligenmilizen auf. Osterhaus meldete sich im April 1861 zur Armee der Nordstaaten und wurde als Hauptmann und Kompaniechef ins 3. Missouri-Regiment berufen, dessen Kommandeur Franz Sigel war. Bereits am 10. Mai konnte sich das Regiment bewähren.
Camp Jackson bei St. Louis, ein Arsenal der US-Armee, war mit 60.000 Musketen und anderen Waffen das größte Waffenlager im Bereich der Südstaaten. Der mit der Konföderation sympathisierende Gouverneur von Missouri, Claiborne F. Jackson (1806-1862), hatte das Fort durch eine Miliz besetzten lassen. Der Kommandeur der regulären US-Armee, Nathaniel Lyon (1818-1861), erzwang unter Aufbietung von vier Milizregimentern die unblutige Übergabe des Arsenals. Trotz der darauffolgenden Unruhen in Missouri übte die Regierung in Washington fortan die Kontrolle über den Staat aus, der in der Union verblieb.
Während des folgenden furchtbaren Bürgerkrieges stieg Osterhaus schnell in der Hierarchie der Armee auf. Am 9.6.1862 wurde er zum Brigadegeneral befördert. Besonders tat er sich hervor bei der Einnahme von Vicksburg am 4.7.1863. Seine Leistungen fanden bei einem Kommandeur Anerkennung, der wie kein anderer für den Sieg der Union stand – Ulysses S. Grant (1822-1885). Osterhaus war bekannt dafür, durch effektiven Einsatz seiner Artillerie die Verluste der Infanterie zu minimieren. Aber auch Osterhaus´ Charakter gefiel Grant. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen machte Osterhaus nicht viel Aufhebens wegen seiner Immigrantenvita und spielte keine politischen Spielchen. In anderen Einheiten führte das zu Unstimmigkeiten, nicht aber bei der Truppe von Grant, die sich nun anschickte, nach dem Sieg von Vicksburg gen Süden vorzurücken. Im August 1863 lag Osterhaus aber zunächst mit Malaria im Krankenbett in St. Louis. Am 1. September kehrte er ins Feld zu Grant zurück, der ihn sogleich zu William Tecumseh Sherman (1820-1891) schickte, welcher das XV. Korps kommandierte. Zu Osterhaus´ großer Überraschung und Freude gab Sherman ihm den Befehl über seine 1. Division. Besonders deren 1. Brigade bestand unter anderem mit dem 3., 12. und 17. Missouri-Regiment aus deutschstämmigen Soldaten. Vor allem freute sich Osterhaus, mit der 1. Iowa-Batterie über eine hervorragende Abteilung seiner Lieblingsgattung Artillerie zu verfügen.
Nach der Niederlage bei Chickamauga im September 1863 rief Präsident Lincoln die „Mississippi-Division“ ins Leben, um die Unionsarmeen im Westen zu reorganisieren. Mit den Armeen des Tennessee und des Cumberland umfasste diese Verwaltungseinheit alle Unionstruppen zwischen dem Mississippi und den Appalachen. Ihr erster Kommandeur mit seinem „Hauptquartier im Feld“ wurde Generalmajor Grant. Sherman führte die vorher von Grant befehligte Tennessee-Armee, und George H. Thomas (1816-1870) übernahm das Kommando über die Cumberland-Armee, die von einem Korps der Potomac-Armee unter Joseph Hooker (1814-1879) verstärkt wurde. Osterhaus 1. Division wurde Hookers Korps unterstellt, was sich als Glücksfall erweisen sollte. Derartig aufgestellt wollte Grant dem Feind bei Chattanooga begegnen.
General Braxton Bragg (1817-1876), Kommandeur der Tennessee-Armee der Südstaaten, belagerte die Stadt. Die Stellungen der Konföderierten waren gut ausgebaut. Vor allem die linke Flanke mit der hochragenden Anhöhe Lookout Mountain war fast unangreifbar. Hier sollte Hooker am rechten Unionsflügel vorrücken. Am 25.11.1863, dem zweiten Tag der Schlacht, befahl Grant einen Generalangriff auf das Zentrum der Konföderierten, da sein ursprünglicher Schlachtplan nicht aufging. Hooker hingegen kam gut voran und erteilte Osterhaus die Erlaubnis, gegen den Lookout Mountain vorzugehen. Osterhaus´ Division holte weit nach Süden aus und stürmte den Berg hinan. Durch heftigen Regen war der Berg auf halber Höhe von Nebel verschleiert. Was nun folgte, ging als die „Schlacht über den Wolken“ in die Geschichte ein, denn die Bergspitze war gut sichtbar. Als dort die Unionsfahne empor ging, hielt dies ein Mitglied von Grants Stab für die Tat von Joseph Hooker. Aber Grant, lakonisch durch sein Fernrohr blickend, sagte: I don´t think it´s Fighting Joe, I think it is Peter Joe[2] . Er hatte recht. Da auch wider Erwarten der Frontalangriff im Zentrum erfolgreich war, gerieten die Konföderierten in Panik und wichen zurück. Die Unionssoldaten verfolgten sie so dicht, dass die zweite und dritte Abfangstellung der Südstaatenarmee das Feuer einstellen musste, um nicht die eigenen Männer niederzuschießen. Für Grant war mit dem Sieg bei Chattanooga der Krieg im Westen zu Ende. Er wurde 1864 zum Generalleutnant befördert und Oberbefehlshaber aller Unionstruppen. Sein Nachfolger im Westen wurde Sherman.
Am 5.11.1863 war Mathilde überraschend in St. Louis verstorben. Osterhaus ließ sich beurlauben und reiste Anfang 1864 nach New York, um Mathildes Schwester Amalie Born (1828-1896) zu treffen. Das Motiv lag auf der Hand: Es galt, für die unversorgten Kinder eine neue Mutter zu finden. Mitte Januar trat Osterhaus mit Amalie die Rückreise nach St. Louis an. Bei einem Zwischenhalt in Washington traf Osterhaus am 27.1.1864 noch einmal Präsident Lincoln. Noch vor Ablauf des Trauerjahres heiratete Osterhaus Amalie Born am 28.7.1864, wenige Tage nach seiner Ernennung zum Generalmajor.
Zurück im Dienst führte Osterhaus das XV. Korps bis nach Savannah. Am 8.1.1865 gab er das Kommando ab, um am 16. Februar Stabschef beim Kommandeur des Bereichs westlicher Mississippi, Generalmajor Edward R. S. Canby (1817-1873), zu werden. In dieser Funktion war Osterhaus wesentlich an der Einnahme von Mobile in Alabama im April beteiligt. Gleichfalls organisierte er die Kapitulation der Konföderation unter Generalmajor Richard Taylor (1826-1879), dem Kommandeur des Wehrbereichs Alabama und Mississippi am 4. Mai Osterhaus´ bewunderter Freund in Frieden und Krieg erlebte diesen Triumph nicht mehr: Amerikas großer Präsident Abraham Lincoln wurde am 15.4.1865 ermordet.
Auch nach der endgültigen Kapitulation der Südstaaten im Westen am 2.6.1865 endete Osterhaus´ militärischer Dienst noch nicht. Canby ernannte ihn zum Militärgouverneur von Mississippi. Damit war Osterhaus bis zum 13. Juni, dem Tag der Ernennung des provisorischen Gouverneurs William L. Sharkey (1798-1873) durch Präsident Andrew Johnson (1808-1875), Inhaber der höchsten Gewalt in diesem Staat. Seine Aufgabe war es, den Frieden bei der Einrichtung der Zivilverwaltung zu garantieren, die Infrastruktur zu reparieren, bitterste Not zu lindern, die früheren Gegner auf die Loyalität zur Union zu verpflichten und die Verfassungsorgane bis zum Funktionieren des zivilen Apparates zu überwachen.
Am 15.1.1866 beendete Osterhaus seine aktive Laufbahn. Vor seiner Rückkehr nach St. Louis stattete er am 9. Februar dem Repräsentantenhaus in Washington einen Besuch ab, bei dem er enthusiastisch gefeiert wurde. Doch schon bald holte ihn die Regierung zurück. Präsident Johnson berief ihn am 18.6.1866 auf den Posten des Konsuls der Vereinigten Staaten in Frankreich. Sein Dienstsitz Lyon war in mehrfacher Hinsicht von Vorteil, lag er nicht allzu fern von seinem geliebten Rheinstrom, und auch die Entfernung nach Kreuznach war nicht groß. Dorthin reiste Osterhaus mit seiner schwangeren Frau Amalie, die hier am 28.9.1866 die Zwillinge Joseph Adolph und Ludwig Reichard zur Welt brachte. Für Osterhaus bedeutete diese Fahrt das Ende seines Lebens in dem Land, für das er sein Blut vergossen hatte.
Insgesamt elf Jahre versah er seinen Dienst als Konsul in Lyon. Allerdings waren ihm die Repräsentationspflichten eher zuwider. Am 17.1.1868 kam sein letztes Kind in Curie bei Lyon zur Welt. Bei dieser Tochter Mathilde Natalie sollte er seinen Lebensabend verbringen. Bei Ausbruch des Krieges 1870 stellte er die in seinem Konsularbezirk lebenden Deutschen unter den Schutz der amerikanischen Flagge, kritisierte aber scharf die deutschen Reparationsforderungen nach dem Krieg.
Die wachsende Unzufriedenheit mit seinem Posten ließ Osterhaus über einen Wechsel in die Wirtschaft nachdenken. Die Besitzer der American Rubber Company, allesamt Kameraden aus dem Bürgerkrieg, boten ihm 1877 den Direktorenposten ihrer Niederlassung in Deutschland an. Als Wohnort wählte Osterhaus Mannheim, die Stadt seiner wilden Zeit als Revolutionär. 1883 gründete er dort seine eigene Firma, die P. J. Osterhaus, Kohlen, Agentur und Spedition. 1898 schied er aus dem Geschäft aus, das sein Sohn Alexander weiterführte. Am 16.3.1898 erfolgte Osterhaus´ Akkreditierung als Vizekonsul der Vereinigten Staaten in Baden. Trotz seiner Abneigung gegen den diplomatischen Dienst schien er also seinen Wechsel in die Wirtschaft bereut zu haben. Auf diesem Posten verblieb er bis zu seinem endgültigen Abschied vom amerikanischen Staatsdienst am 8.9.1900 im Alter von 77 Jahren. Da er nach dem Tod seiner Frau Amalie am 1.7.1896 in Mannheim keine Verwandten mehr hatte – Alexander war inzwischen in die USA zurückgekehrt – siedelte Osterhaus Ende 1900 nach Bonn über. Dort lebte seine jüngste Tochter Mathilde Natalie, die am 9.3.1901 den Leiter der Bonner Chirurgie, Prof. Dr. Hermann Petersen geheiratet hatte.
Das Jahr 1904 brachte für Osterhaus große Ehrungen und einen großen Verlust. Auf einem großen Empfang ihm zu Ehren im Hotel Rauscher in Washington am 29. April lernte er Präsident Theodore Roosevelt (1858-1919) kennen. Am 30. April reiste Osterhaus zur Weltausstellung nach St. Louis, und die Universität von Illinois verlieh ihm am 13. Mai die Ehrendoktorwürde. Nach einem kurzen Besuch in Belleville kehrte er nach Bonn zurück. Hier erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Sohnes Carl in Afrika. Er wurde am 24.6.1905 in der Familiengruft auf dem Koblenzer Friedhof beigesetzt. Dorthin lies Osterhaus am 20. Dezember auch seine Frau Amalie überführen.
Am 3.3.1905 wurde Peter Joseph Osterhaus per Gesetz zum Brigadegeneral der regulären Armee der USA befördert. Dies war eine weitere Ehrenbezeugung für den Bürgerkriegsgeneral. Seit 1906 lebte er in der Hindenburgstraße 19 in Duisburg, wohin Mathilde Natalie und ihr Mann übergesiedelt waren. Seine Wohnung glich einem Bürgerkriegsmuseum, der Schreibtisch war gar ein Geschenk von Präsident Johnson. Osterhaus´ Waffen gingen nach dem Tode Carls testamentarisch an Hugo Osterhaus.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Osterhaus 1915 vom Kongress als Generalmajor der regulären Armee wieder eingesetzt, was er als eine große Genugtuung für alle Bürgerkriegsveteranen empfand. Er war fest vom Sieg Deutschlands überzeugt und äußerte sich in seinem Briefwechsel mit Hugo gar über die Möglichkeit einer deutsch-amerikanischen Allianz. Den von ihm befürchteten Kriegseintritt der USA an der Seite der Entente erlebte er nicht mehr. Er starb am 2.1.1917 im Alter von 94 Jahren an einer Lungenentzündung. Mit Peter Joseph Osterhaus starb der letzte Nordstaatengeneral, und alle großen amerikanischen Zeitungen druckten einen Nachruf. Osterhaus wurde nach seiner Feuerbestattung in Krefeld am 31.5.1917 in Koblenz beigesetzt. An der Stelle, wo sich die Familiengruft befand, wurde 2012 ein Gedenkstein errichtet.
Das Lebensbild von Peter Joseph Osterhaus ist das eines großen Koblenzers und das eines großen Amerikaners. Für seine Ideale von Freiheit und Demokratie setzte er sein Leben auf beiden Seiten des Atlantiks ein. Zwei seiner Söhne waren Soldaten in den Armeen zweier verschiedener Nationen. Seine Vaterstadt Koblenz ehrte ihn erst spät, indem sie eine Straße nach ihm benannte.
Literatur
Heideking, Jürgen/Mauch, Christof, Geschichte der USA, 6. Auflage, Tübingen 2008.
Hess, Earl J., Peter J. Osterhaus. Grant's Ethnic General, in: Woodworth, Steven E., (Hg.), Grant's Lieutenants. From Cairo to Vicksburg, Lawrence 1990, S. 199–216.
Kaufmann, Wilhelm, Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege (Sezessionskrieg 1861-1865), München/Berlin 1911.
Kleber, Hans-Peter, Peter Joseph Osterhaus. Ein deutsch-amerikanisches Leben, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Neue Folge 2 (1992) S. 87–130.
McPherson, James M., Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges, Köln 2008.
Townsend, Mary Bobbit, Yankee Warhorse. A Biography of Major General Peter Osterhaus, Columbia 2010.
Online
Eintrag zu Peter Joseph Osterhaus auf der Website der Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA. [online]
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Kirschbaum, Markus, Peter Joseph Osterhaus, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-joseph-osterhaus/DE-2086/lido/5e0df277bba1e0.67452305 (abgerufen am 05.10.2024)