Peter Reichensperger

Zentrumspolitiker (1810-1892)

Georg Arnold (Mönchengladbach)

Peter Reichensperger, Gemälde von Julius Friedrich Anton Schrader (1815-1900), 1865. (Gemeinfrei)

Pe­ter Franz Rei­chen­sper­ger war ein Ju­rist und ka­tho­li­scher Po­li­ti­ker. Sei­ne po­li­ti­sche Kar­rie­re be­gann im Re­vo­lu­ti­ons­jahr 1848. Nach sei­ner Teil­nah­me am im Vor­par­la­ment in Frank­furt am Main und der Ab­ge­ord­ne­ten­tä­tig­keit in der preu­ßi­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung in Ber­lin ge­hör­te er 1850 dem Er­fur­ter Uni­ons­par­la­ment an und wur­de 1858 in das preu­ßi­sche Ab­ge­ord­ne­ten­haus ge­wählt. Von 1867 bis zu sei­nem Tod ge­hör­te er zu­erst dem Nord­deut­schen Reichs­tag, dann dem Deut­schen Reichs­tag an. Pe­ter Rei­chen­sper­ger war Geg­ner ei­ner preu­ßi­schen Vor­herr­schaft in Deutsch­land und Ver­fech­ter ei­ner fö­de­ra­ti­ven Ord­nung. Auf po­li­ti­scher Ebe­ne ar­bei­te­te er häu­fig mit sei­nem äl­te­ren Bru­der Au­gust Rei­chen­sper­ger zu­sam­men. Ob­wohl er ei­ne ei­gen­stän­di­ge Po­li­tik be­trieb, stand er zu Leb­zei­ten oft in des­sen Schat­ten.

1870/1871 war Pe­ter Rei­chen­sper­ger an der Grün­dung der Zen­trums­par­tei be­tei­ligt, des­sen Pro­gramm er ma­ß­geb­lich be­ein­fluss­te. Bis zu sei­nem Tod ge­hör­te er zum Frak­ti­ons­vor­stand der Par­tei. Rei­chen­sper­ger ver­öf­fent­lich­te ei­ne Viel­zahl von ju­ris­ti­schen und po­li­ti­schen Schrif­ten.

Pe­ter Rei­chen­sper­ger wur­de am 28.5.1810 in Ko­blenz ge­bo­ren. Sein Va­ter war Rich­ter und Prä­fek­tur­rat in Ko­blenz, dem Sitz der Prä­fek­tur des Rhein-Mo­sel-De­par­te­ments. Er starb, als sein Sohn zwei Jah­re alt war. Nach dem Ab­itur stu­dier­te Rei­chen­sper­ger in Bonn und Hei­del­berg Wirt­schaft, Phy­sik, Che­mie und Rechts­wis­sen­schaf­ten. Nach sei­nem Stu­di­um ab­sol­vier­te er ei­ne ju­ris­ti­sche Aus­bil­dung als Aus­kulta­tor (Ge­richts­re­fe­ren­dar) in Trier. Von 1839 bis 1841 war er As­ses­sor in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) und wech­sel­te dann nach Ko­blenz, wo er bis 1850 am Land­ge­richt tä­tig war. In der Fol­ge­zeit ar­bei­te­te er als Rat am Ap­pell­hof in Köln und wur­de 1859 Rat am preu­ßi­schen Ober­tri­bu­nal in Ber­lin. Die­se Tä­tig­keit üb­te er bis 1879 aus.

Seit dem Wie­ner Kon­gress ge­hör­te das ka­tho­li­sche Rhein­land zum mehr­heit­lich pro­tes­tan­ti­schen Preu­ßen und vie­le Ein­woh­ner nah­men das neue preu­ßi­sche Re­gie­rungs­sys­tem nur sehr wi­der­wil­lig an. Auch Rei­chen­sper­ger fühl­te sich durch den preu­ßi­schen Staat be­vor­mun­det. Der un­ter­schwel­li­ge Kon­flikt ent­lud sich, als der Erz­bi­schof von Köln, Cle­mens Au­gust Dros­te Frei­herr zu Vi­sche­ring durch sei­ne Hal­tung in der so ge­nann­ten Misch­ehen­fra­ge 1837 die „Köl­ner Wir­ren" ein­lei­te­te. Ob­wohl die­se Kon­fron­ta­ti­on vor­der­grün­dig kon­fes­sio­nell mo­ti­viert war, ver­kör­per­te sie auch die po­li­ti­sche und ge­sell­schaft­li­che Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen dem rhei­ni­schen Bür­ger­tum und dem preu­ßi­schen Re­gie­rungs­sys­tem. Für Rei­chen­sper­ger war die­se Aus­ein­an­der­set­zung ein Im­puls, der ihn, wie vie­le Rhein­län­der, po­li­ti­sier­te. Sei­ne par­la­men­ta­ri­sche Kar­rie­re be­gann er im Vor­feld der Re­vo­lu­ti­on 1848/49 mit ei­ner Teil­nah­me am Vor­par­la­ment. 1848 wur­de er Mit­glied der preu­ßi­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung in Ber­lin für den Wahl­be­zirk Kem­pen, nach­dem er ein Kan­di­da­tur für die Frank­fur­ter Na­tio­nal­ver­samm­lung in May­en ver­lo­ren hat­te. 1850 ge­hör­te er dem Er­fur­ter Uni­ons­par­la­ment an. Rei­chen­sper­ger stimm­te ge­gen ein preu­ßi­sches Erb­kai­ser­tum und war Be­für­wor­ter ei­nes ge­mein­sa­men deut­schen Staa­tes mit Preu­ßen und Ös­ter­reich im Sin­ne der „gro­ß­deut­schen" Lö­sung. 1858 wur­de er in das Preu­ßi­sche Ab­ge­ord­ne­ten­haus ge­wählt und prä­sen­tier­te sich als un­er­müd­li­cher Ver­tre­ter des po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus. Im Jahr 1865 wur­de ihm hier­für das Kom­man­deur­kreuz des päpst­li­chen St.-Gre­go­ri­us-Or­dens ver­lie­hen.

Nach dem Sieg Preu­ßens über Ös­ter­reich und der Grün­dung des Nord­deut­schen Bun­des wur­de Rei­chen­sper­ger 1867 Mit­glied des Nord­deut­schen Reichs­tags. Im neu ge­grün­de­ten Deut­schen Reich von 1870/1871 ge­hör­te er dem neu­en Reichs­tag an. Be­reits in den 1860er Jah­ren hat­te er sich für die Bil­dung ei­ner ka­tho­li­schen Par­tei ein­ge­setzt. Zu­sam­men mit Po­li­ti­kern wie Her­mann von Mal­linck­rodt (1821-1874) und Karl Fried­rich von Sa­vi­gny (1814-1875) wirk­te er 1870 an der Grün­dung der Zen­trums­par­tei mit, des­sen Pro­gramm er ma­ß­geb­lich be­ein­fluss­te. Bis zu sei­nem To­de ge­hör­te er dem Frak­ti­ons­vor­stand der Par­tei und dem Deut­schen Reichs­tag an.

Ne­ben sei­ner ju­ris­ti­schen und po­li­ti­schen Ar­beit, war Rei­chen­sper­ger auch Pu­bli­zist. Sein be­kann­tes­tes Werk ist „Die Agrar­fra­ge aus dem Ge­sichts­punkt der Na­tio­nal­öko­no­mie, der Po­li­tik und des Rechts" von 1847. Als wich­ti­ge ju­ris­ti­sche Pu­bli­ka­tio­nen gel­ten „Über Öf­fent­lich­keit, Münd­lich­keit und Schwur­ge­rich­te" und „Die preu­ßi­sche Na­tio­nal­ver­samm­lung und die Ver­fas­sung vom 5. De­zem­ber 1848".

Pe­ter Rei­chen­sper­ger starb am 31.12.1892 in Ber­lin. 

Literatur

Fuchs, Kon­rad, Ar­ti­kel „Rei­chen­sper­ger, Pe­ter Franz", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 7 (1994), Spal­ten 1505-1506.
Hehl, Ul­rich von (Hg.), Pe­ter Rei­chen­sper­ger 1810-1892, Pa­der­born u.a. 2000.
Mer­gel, Tho­mas, Pe­ter Rei­chen­sper­ger, der ka­tho­li­sche Li­be­ra­le, in: Frei­tag, Sa­bi­ne (Hg.), Die 48er. Le­bens­bil­der aus der deut­schen Re­vo­lu­ti­on 1848/49, Mün­chen 1997, S. 185-199, S. 326-327.
Ru­ehl, Tho­mas, Ge­sell­schaft und Recht bei Pe­ter Franz Rei­chen­sper­ger, Bonn 1960.

 
Zitationshinweis

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Arnold, Georg, Peter Reichensperger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-reichensperger/DE-2086/lido/57cd1d1976e1d3.78103335 (abgerufen am 09.12.2024)