Zu den Kapiteln
Plektrud war die Ehefrau des fränkischen Hausmeiers Pippin des Mittleren (Regierungszeit 679-714) sowie die Gründerin der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol.
Plektrud entstammte einer vornehmen austrasischen Familie des Eifel-Mosel-Raums. Als Eltern werden die heilige Irmina, Äbtissin des Klosters Oeren bei Trier und Stifterin der Abtei Echternach, sowie der Seneschall und Pfalzgraf Hugobert (gestorben um 697) angenommen, als Schwestern unter anderem Bertrada, Gründerin des Klosters Prüm, und Adela, Gründerin und Äbtissin des Klosters Pfalzel bei Trier. Während diese Familienrekonstruktion in der Forschung nicht unwidersprochen blieb, herrscht Einvernehmen, dass Plektrud um 670 den späteren fränkischen Hausmeier Pippin den Mittleren heiratete. Diese Heirat war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Stellung des Hausmeiers im Merowingerreich und damit auch für den endgültigen Aufstieg der Karolinger. Die Güter Plektruds und ihrer Familie erstreckten sich von der mittleren Mosel über die Eifel bis an den linken Niederrhein und rundeten damit den bisherigen Besitz der Pippiniden an Maas und oberer Mosel ab. Diese Besitztümer „konnten Pippins d. M. politisches Agieren selbstverständlich erleichtern" (Eduard Hlawitschka).
In allen bekannten Urkunden ihres Ehemanns tritt Plektrud als Mitausstellerin auf. Aus dieser Tatsache ist ihre besitzrechtliche Stellung ablesbar, zugleich auch ihre Bedeutung bereits vor dem Tode Pippins. Zwischen 687 und 714 gründeten und begünstigten die Eheleute gemeinsam eine Reihe von Kirchen und Klöstern vor allem im Gebiet zwischen Rhein, Maas und Mosel, wobei auch Besitz aus dem Vermögen von Plektrud vergeben wurde. Unter anderem ermöglichten Pippin und Plektrud dem heiligen Suitbert die Gründung des Kloster Kaiserswerth (um 695), förderten die Abtei Echternach, an deren Gründung der heilige Willibrord (um 658-739) beteiligt war, und stellten sie unter ihren Schutz (706). Willbrord übertrugen sie auch das von ihnen gegründete Kloster Susteren bei Roermond (714).
Die letzten Lebensjahre Pippins waren überschattet von erfolglosen Versuchen einer Nachfolgeregelung, denn die beiden Söhne Drogo (um 670-708) und Grimoald (um 680-714) waren bereits vor ihm verstorben. Den aus einem Konkubinatsverhältnis stammenden Sohn Karl Martell (688/689-741) versuchte Plektrud von der Nachfolge auszuschließen. Folgerichtig ließ sie nach dem Tode Pippins am 16.12.714 Karl verhaften und half ihre beiden Enkel Arnulf (um 695-723) als „dux" für Austrasien und den noch unmündigen Theudoald (wohl 708-nach 715) als Hausmeier an die Macht zu bringen. Plektrud behielt sich die oberste Autorität vor und richtete ihre Residenz in Köln ein. In Neustrien regte sich Widerstand, so dass es am 26.9.715 im Wald von Compiègne zu einer Schlacht kam, bei der Theudoald nur knapp die Flucht gelang. Zudem gerieten der merowingische König Dagobert III. (Regierungszeit 711-715/716) beziehungsweise Chilperich II. (Regierungszeit 715/716-721) unter den Einfluss der Neustrier. Als dann auch noch Karl Martell aus der Haft entkommen konnte und sowohl gegen die Neustrier als auch gegen Plektrud vorging, entstand im Frankenreich eine äußerst instabile Lage. Zudem befand sich die von Pippin „begründete gesamtfänkische Suprematie der Familie in eine[r] existenzbedrohende[n] Krise" (Rudolf Schieffer).
716 rückten die Neustrier unter Chilperich und ihrem im Vorjahr gewählten Hausmeier Raganfrid (gestorben 731) nach Köln vor, wo sie Plektrud zur Herausgabe eines beträchtlichen Schatzes, womöglich des merowingischen Staatsschatzes zwangen. Auf dem Rückweg wurden sie von Karl angegriffen und erlitten eine Niederlage; auch die Schlacht bei Vinchy am 21.3.717 konnte Karl für sich entscheiden. Anschließend wandte er sich nach Köln, wo Plektrud ihm die restlichen Schätze Pippins aushändigen und Karls Herrschaftsanspruch anerkennen musste. Während Karl Martell in den folgenden Jahren seine Gegner endgültig niederwerfen konnte, geriet Plektrud vollkommen aus dem Blick der Quellen.
Es gilt jedoch als sicher, dass Plektrud in Köln die Kirche St. Maria im Kapitol gründete, die sich an genau gleicher Stelle wie der den drei kapitolinischen Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva geweihte Tempel aus römischer Zeit erhebt. Möglicherweise handelte es sich hierbei um merowingisches Königsgut, in dessen Besitz die fränkischen Hausmeier gelangt waren. Der Gründungsstatus der Kirche ist völlig unklar. Erst im 10. Jahrhundert bestand an St. Maria im Kapitol ein Benediktinerinnenkloster, welches sich im Verlauf des 12./13. Jahrhunderts zum adeligen Damenstift umwandelte. Bis zur Säkularisation 1802 war St. Maria im Kapitol nach Essen das größte Kanonissenstift im Erzbistum Köln und nach dem Dom und St. Gereon das reichste Stift in der Stadt Köln. Die Gründung der Kirche durch Plektrud wird erst seit Mitte des 12. Jahrhunderts in der örtlichen Tradition fassbar: Zwei um 1150/1160 sowie um 1300 entstandene Reliefplatten sowie urkundliche Zeugnisse belegen ihr Grab innerhalb der Kirche. In einem um 1300 angelegten Memorienbuch sowie in mehreren erzählenden Quellen wird Plektrud als Gründerin von St. Maria im Kapitol erwähnt. Eine Erhebung der Gebeine oder gar eine Kanonisation ist ihr nie zuteil geworden. Das Sterbedatum von Plektrud ist unbekannt; unterschiedliche Überlegungen der Forschung setzen es von bald nach 717 bis 726 an.
In den zeitgenössischen Quellen wird Plektrud je nach Tendenz einerseits als „grausam", „von weiblicher Verschlagenheit" und für die Regierung des Frankenreiches als ungeeigent geschildert („Annales Mettenses priores"), andererseits aber als „edle und ungemein kluge Ehefrau" Pippins („Fredegarii Continuator") und als „höchst weise" bezeichnet („Liber historiae Francorum").
Seit 1990 erinnert eine Statue Plektruds (Bildhauer: Thomas Torkler) am Kölner Rathausturm an die Klostergründerin.
Quellen
Annales Mettenses priores (MGH SS rer. Germ. in us. schol. X), bearb, von Bernhard von Simson, Hannover 1905.
Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici libri IV. cum Continuationibus (MGH SS rer. Merov. II, S.1-194), bearb. von Bruno Krusch, Hannover 1888.
Liber Historiae Francorum (MGH SS rer. Merov. II, S.215-329), bearb. von Bruno Krusch, Hannover 1888.
Literatur
Nonn, Ulrich, Plektrud, in: Lexikon des Mittelalters, Band 7, München/Zürich 1995, Sp. 19.
Oepen, Joachim, Plektrud in Köln: Die Stadt im Machtkampf der Karolinger, in: Rosen, Wolfgang/Wirtler, Lars (Hg.), Quellen zur Geschichte der Stadt Köln 1. Antike und Mittelalter. Von den Anfängen bis 1396/97, Köln 1999, S. 72–80.
Sauser, Ekkart, „Plektrudis", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 21 (2003), Sp. 1182-1183.
Werner, Matthias, Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Die Verwandtschaft Irminas von Oeren und Adelas von Pfalzel. Personengeschichtliche Untersuchungen zur frühmittelalterlichen Führungsschicht im Maas-Mosel-Gebiet, Sigmaringen 1982.
Online
Die digitalen Monumenta Germaniae Historica (dmgh) [Für eine Recherche innerhalb der dmgh siehe die jeweiligen Angaben unter der Rubrik Quellen]. [Online]
Schieffer, Rudolf, „Plektrud", in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 527-528. [Online]
St. Maria im Kapitol (Informationen über die Baugeschichte von St. Maria im Kapitol auf der Website des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e.V.). [Online]
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Oepen, Joachim, Plektrud, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/plektrud/DE-2086/lido/57c95abfdce8f5.67641451 (abgerufen am 10.10.2024)