René König

Soziologe (1906-1992)

Hedda Acker (Münster)

René König, Porträtfoto. (Philipps-Universität Marburg)

Re­né Kö­nig war ei­ner der be­deu­tends­ten deut­schen So­zio­lo­gen der Nach­kriegs­zeit und hat ins­be­son­de­re die Köl­ner Schu­le der So­zio­lo­gie ma­ß­geb­lich ge­prägt.

Ge­bo­ren wur­de Re­né Kö­nig am 5.7.1906 in Mag­de­burg. Sein Va­ter, Gus­tav Kö­nig, war In­ge­nieur, die Mut­ter, Mar­gue­ri­te Kö­nig ge­bo­re­ne Go­de­froy Le­Boeuf, war Fran­zö­sin. Wäh­rend Kö­nigs frü­her Kind­heit hielt die Fa­mi­lie sich so­wohl in Mag­de­burg als auch in Pa­ris auf. Au­ßer­dem ver­brach­te sie län­ge­re Zeit in Ita­li­en und Spa­ni­en, wo der Va­ter als In­ge­nieur die Mon­ta­ge von Zu­cker­fa­bri­ken über­wach­te. Nach ei­ni­gen Jah­ren in Hal­le zog die Fa­mi­lie Kö­nig 1922 schlie­ß­lich nach Dan­zig. Gus­tav Kö­nig war dort als An­ge­stell­ter des Völ­ker­bun­des an ei­ner Werft be­schäf­tigt. In Dan­zig leg­te Sohn Re­né 1925 das Ab­itur ab.

Zum Stu­di­um ging er im April 1925 zu­nächst nach Wien, wie Dan­zig ei­ne Stadt, die von ver­schie­de­nen Kul­tu­ren ge­prägt war. Er stu­dier­te drei Se­mes­ter lang haupt­säch­lich Phi­lo­so­phie und Psy­cho­lo­gie, be­fass­te sich aber auch mit den Spra­chen is­la­mi­scher Län­der, nach­dem ihn be­reits die Ab­itu­ri­en­ten­rei­se in die Tür­kei ge­führt hat­te. Wei­te­re Rei­sen in die Tür­kei folg­ten. Zeit­le­bens blieb ein In­ter­es­se für Ent­wick­lungs­län­der be­son­ders des is­la­mi­schen Kul­tur­krei­ses, wel­chem er auf Vor­trags­rei­sen und im Rah­men ei­ner Part­ner­schaft der Uni­ver­si­tät Köln mit der Uni­ver­si­tät Ka­bul nach­ge­hen konn­te.

Zum Win­ter­se­mes­ter 1926/1927 wech­sel­te Re­né Kö­nig nach Ber­lin und be­leg­te dort Lehr­ver­an­stal­tun­gen in Phi­lo­so­phie, Kunst- und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten, Eth­no­lo­gie und Ro­ma­nis­tik. Zehn Jah­re lang leb­te er über­wie­gend in Ber­lin, wo er auch als Lek­tor des Ver­la­ges „Die Run­de“ ar­bei­te­te; in Ber­lin wur­de er 1929 auch mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on zum The­ma „Die na­tu­ra­lis­ti­sche Äs­the­tik in Frank­reich und ih­re Auf­lö­sun­g“ pro­mo­viert. Sein Le­ben in Ber­lin wur­de ab 1929 durch Stu­di­en­auf­ent­hal­te in Frank­reich un­ter­bro­chen, wo er sich ver­tieft mit der zeit­ge­nös­si­schen fran­zö­si­schen So­zio­lo­gie be­fass­te und un­ter an­de­rem mit Mar­cel Mauss (1872-1950), dem Nach­fol­ger Émi­le Durk­heims (1858-1917), zu­sam­men­ar­bei­te­te.

1936 mel­de­te er sei­ne Ha­bi­li­ta­ti­on in Ber­lin an, die er aber auf­grund der po­li­ti­schen La­ge dort nicht mehr vor­neh­men konn­te. Nach­dem er zu­nächst ver­sucht hat­te, dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus mit ei­ner Hal­tung der in­ne­ren Emi­gra­ti­on zu be­geg­nen und geis­ti­gen Wi­der­stand zu leis­ten, wie es vie­le sei­ner Freun­de und Kol­le­gen hiel­ten, ver­schärf­te sich die Si­tua­ti­on durch das Ver­bot sei­nes Bu­ches „Vom We­sen der deut­schen Uni­ver­si­tät“ im Jahr 1935: er galt den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten nun als miss­lie­bi­ge, dem Re­gime ab­leh­nend ge­gen­über­ste­hen­de Per­son, wur­de von der SS an­ge­fein­det und be­droht. Die Si­tua­ti­on wur­de für ihn zu­se­hends ge­fähr­li­cher, so dass er im Jahr 1937 den Tru­bel des Köl­ner Kar­ne­vals nutz­te, um in die Schweiz zu emi­grie­ren.

In Zü­rich wur­de er schlie­ß­lich ha­bi­li­tiert und konn­te dort an­schlie­ßend als Pri­vat­do­zent, ab 1947 als Ho­no­rar­pro­fes­sor leh­ren. 1947 hei­ra­te­te er Irm­gard Till­manns (ge­bo­ren 1922), am 12. No­vem­ber des Jah­res wur­de Sohn Ma­rio ge­bo­ren. Die bei­den fol­gen­den Jah­re wid­me­te Kö­nig sich der Grün­dung der In­ter­na­tio­nal So­cio­lo­gi­cal As­so­cia­ti­on (ISA). Schlie­ß­lich wur­de er 1949 in Köln zum or­dent­li­chen Pro­fes­sor für So­zio­lo­gie be­ru­fen und da­mit Nach­fol­ger von Leo­pold von Wie­se, der das Or­di­na­ri­at für So­zio­lo­gie zu­vor in­ne­hat­te. Am 30.9.1951 wur­de Sohn Oli­ver in Zü­rich ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie zog 1953 end­gül­tig nach Köln. Die Stadt am Rhein blieb, von Un­ter­bre­chun­gen durch Gast­pro­fes­su­ren, Vor­trags­rei­sen und For­schungs­auf­ent­hal­ten ab­ge­se­hen, von da an Wohn­ort und Le­bens­mit­tel­punkt Re­né Kö­nigs. Fast 20 Jah­re lang lei­te­te er das For­schungs­in­sti­tuts für So­zio­lo­gie und präg­te ent­schei­dend die „Köl­ner Zeit­schrift für So­zio­lo­gie und So­zi­al­psy­cho­lo­gie“, de­ren Her­aus­ge­ber er von 1955 an 30 Jah­re lang war. Von 1962 an wur­de er von der Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Köln mit der Auf­ga­be be­traut, die Part­ner­schaft mit der Uni­ver­si­tät Ka­bul zu be­treu­en, ei­ne Tä­tig­keit, die auch mit meh­re­ren Rei­sen in die af­gha­ni­sche Haupt­stadt ver­bun­den war. Nach sei­ner Eme­ri­tie­rung 1974 nahm er noch ei­ne Gast­pro­fes­sur in den USA wahr und hielt sich zwei­mal zu For­schungs­auf­ent­hal­ten in ei­nem In­dia­ner­re­ser­vat in Ari­zo­na auf, zu­letzt im Herbst 1981.

Re­né Kö­nig ver­starb am 21.3.1992 in Köln-Wid­ders­dorf.

Re­né Kö­nig hat ent­schie­den für die em­pi­ri­sche So­zi­al­for­schung und ei­ne ver­stärk­te Be­schäf­ti­gung mit Ver­tre­tern der fran­zö­si­schen So­zio­lo­gie, vor al­lem mit dem Werk Émi­le Durk­heims, ge­wor­ben. Sei­ne Be­deu­tung für die „Köl­ner Schu­le“ der So­zio­lo­gie ist be­son­ders her­vor­zu­he­ben. Ne­ben sei­nen so­zio­lo­gi­schen Ar­bei­ten forsch­te er im Be­reich der Eth­no­lo­gie und über­setz­te li­te­ra­ri­sche Wer­ke, bei­spiels­wei­se des si­zi­lia­ni­schen Au­tors Gio­van­ni Ver­ga (1840-1922). Die Viel­sei­tig­keit sei­ner For­schungs­in­ter­es­sen, sei­ne Mehr­spra­chig­keit und sei­ne zahl­rei­chen in­ter­na­tio­na­len Auf­ent­hal­te wei­sen ihn als ei­nen hoch­ge­bil­de­ten Welt­bür­ger aus.

In der Ge­denk­re­de bei der Aka­de­mi­schen Ge­denk­fei­er der Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät zu Köln am 3.11.1993 sag­te der Münch­ner So­zio­lo­ge Rolf Zieg­ler (ge­bo­ren 1936) über Re­né Kö­nig: “Er hat weit über die so­zio­lo­gi­sche Pro­fes­si­on hin­aus ge­wirkt. Das war üb­ri­gens ei­ne be­wu­ßt, auch in zahl­rei­chen öf­fent­li­chen Vor­trä­gen über ei­ne Viel­zahl von The­men ver­folg­te Ab­sicht Re­né Kö­nigs. Er woll­te "So­zio­lo­gi­sche Ori­en­tie­run­gen" ge­ben in der schier un­über­seh­bar ge­wor­de­nen, hoch­kom­ple­xen, fort­ge­schrit­te­nen In­dus­trie­ge­sell­schaft un­se­rer Zeit und er woll­te die Kul­tur­kri­tik de­mas­kie­ren als das, was sie ist - ideo­lo­gi­sche Ab­wer­tung der Ge­gen­wart, in der wir le­ben, von Rechts aber auch von Links -, und die nur die Men­schen ih­res Selbst­ver­trau­ens be­raubt und sie an­fäl­lig macht für rück­wärts oder vor­wärts ge­wand­te Ver­hei­ßun­gen, die in letz­ter In­stanz im­mer nur mit Ge­walt durch­ge­setzt wer­den, weil eben die Men­schen nicht so sind, wie sie sein sol­len."

Werke

Schrif­ten. Aus­ga­be letz­ter Hand, hg. von Hei­ne von Ale­mann, Hans-Joa­chim Hum­mell, Oli­ver Kö­nig, Hans Pe­ter Thurn, Op­la­den 1998ff.
Ich bin Welt­bür­ger. Ori­gi­nal­ton­auf­nah­men 1954-1980. 2 Au­dio-CDs, hg. von Klaus San­der, Oli­ver Kö­nig, Eber­hard Ill­ner, Jür­gen Eli­as, Ber­lin, sup­po­sé 2006.
Le­ben im Wi­der­spruch. Ver­such ei­ner in­tel­lek­tu­el­len Au­to­bio­gra­phie, Mün­chen 1980 und Ber­lin 1984.

Festschrift; Schriftenverzeichnis, Herausgeberschaften

Ale­mann, Hei­ne von/Thurn, Hans Pe­ter (Hg.), So­zio­lo­gie in welt­bür­ger­li­cher Ab­sicht. Fest­schrift für Re­né Kö­nig zum 75. Ge­burts­tag, Op­la­den 1981.
Ale­mann, Hei­ne von/Kunz, Ger­hard (Hg.), Re­né Kö­nig: Ge­samt­ver­zeich­nis der Schrif­ten: iIn der Spie­ge­lung von Freun­den, Schü­lern, Kol­le­gen (Ent­hält sämt­li­che Vor­trä­ge des Sym­po­si­ums "Er­eig­nis­se und Wir­kun­gen - Re­né Kö­nig aus der Er­in­ne­rung sei­ner Freun­de, Schü­ler und Kol­le­gen", statt­ge­fun­den in Köln am 5. Ju­li 1991), Op­la­den 1992.

Online

Ge­denk­re­de auf Re­né Kö­ni­g (1906-1992) bei der Aka­de­mi­schen Ge­denk­fei­er der Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen ­Fa­kul­tät ­der Uni­ver­si­tät zu Köln am 3. No­vem­ber 1993 von Prof. Dr. Rolf Zieg­ler, In­sti­tut für So­zio­lo­gie, Lud­wig-Ma­xi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät, Mün­chen. Erst­ver­öf­fent­li­chung in: ZA-In­for­ma­ti­on, Heft 33, No­vem­ber 1993, S. 145-155. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Acker, Hedda, René König, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ren%25C3%25A9-koenig/DE-2086/lido/57c9374dcacc06.23693635 (abgerufen am 16.04.2024)