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Richeza war eine Verwandte des ottonischen Herrscherhauses, die im Rahmen der kaiserlichen Heiratspolitik 1013 mit dem späteren polnischen König Mieszko II. (Regierungszeit 1025-1034) verheiratet und 1025 zur polnischen Königin gekrönt wurde. Nach Mieszkos Tod im Jahr 1034 übernahm sie gemeinsam mit ihrem Sohn Kasimir Karl I. (Regierungszeit 1034-1058) die Regierung in Polen, musste aber bald vor ihren Gegnern fliehen und verbrachte den Rest ihres Lebens auf den Eigengütern ihrer Familie an Rhein und Mosel. Seit 1047 war sie ezzonische Gesamterbin und erwies sich vor allem als Förderin des Klosters Brauweiler.
Richeza wurde um die Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert als Tochter des Pfalzgrafen Ezzo von Lothringen (954-1034) und dessen Frau Mathilde (978-1025), einer Tochter Kaiser Ottos II. (Regierungszeit 973-983) und der Kaiserin Theophanu geboren. Sie war damit eine Nichte Kaiser Ottos III. (Regierungszeit 983-1002). Ihre Mutter Mathilde, die einzige Tochter des Kaiserpaares Otto II. und Theophanu, die verheiratet wurde, hatte wie ihre dem Klosterleben geweihten Schwestern eine kirchlich geprägte Erziehung genossen, die sie auch ihren Kindern zukommen ließ. Richezas Bildung wird von Gallus Anonymus (gestorben nach 1116), dem Geschichtsschreiber Polens im 12. Jahrhundert, gerühmt. Alle sechs Schwestern Richezas wurden Äbtissinnen, ihr jüngster Bruder war der Kölner Erzbischof Hermann II.
Für die Ezzonenfamilie bedeutete die Eheverbindung mit dem Ottonenhaus eine erhebliche Steigerung ihrer Bedeutung. Über das Heiratsgut von Richezas Mutter kamen höchstwahrscheinlich neben anderen sächsischen Gütern auch die thüringischen Besitzungen um Saalfeld an die bis dahin zwischen Niederrhein, Mittelmosel und Alzey begüterte Familie. Die Namen von zwei Brüdern (Liudolf, Otto) und von fünf der sechs Schwestern Richezas (Mathilde, Theophanu, Adelheid, Sophie, Ida) bezeugen die von der Familie mit Stolz gepflegte verwandtschaftliche Verbindung zum ottonischen Kaiserhaus.
Die wahrscheinlich schon unter Otto III. im Jahr 1000 vereinbarte eheliche Verbindung zwischen Richeza und Mieszko, dem zweiten Sohn des Polenfürsten und ersten polnischen Königs Boleslaw Chrobry (967-1025) wurde trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Boleslaw und Kaiser Heinrich II. (Regierungszeit 1002-1024), dem Nachfolger Ottos III., nach dem Merseburger Frieden von 1013 realisiert. Der gemeinsame Sohn Kasimir wurde 1016 geboren und erhielt, wie Gallus Anonymus bezeugt, auf Betreiben Richezas eine sorgfältige Erziehung. Außerdem gingen aus der Ehe zwei Töchter hervor, von denen die Ältere 1043 mit dem Großfürsten Izjaslaw I. von Kiew (1024-1078) und die Jüngere 1045 von Kasimir mit seinem Bundesgenossen und späteren ungarischen König Béla I. (1015/1020-1063) verheiratet wurde.
Nach dem Tod des Boleslaw Chrobry 1025 wurde, trotz erfolgter Königskrönung, Mieszkos Herrschaft von seinem älteren Halbbruder Bezprym (986-1032) angefochten. Zum Bruderkrieg kamen militärische Auseinandersetzungen mit dem Reich unter Konrad II. (Regierungszeit 1024-1039) hinzu, die erst 1032 beendet wurden. Die internen Streitigkeiten in Polen brachen jedoch nach Mieszkos Tod 1034 wieder aus, gefährdeten die Herrschaft des Königssohnes Kasimir und der Königinwitwe Richeza, die sich schließlich zur Flucht ins Reich gezwungen sah. Kasimir wich nach Ungarn aus, floh aber wegen der anhaltenden Kämpfe in Polen ebenfalls zur Familie der Mutter. Während Richeza im Reich verblieb, kehrte Kasimir 1038 nach Polen zurück, konnte sich dort durchsetzen und verlorene Gebiete zurückgewinnen.
Gallus Anonymus, der seine Chronik zwischen 1113 und 1117 verfasste, schöpfte für die Zeit Mieskos II., Richezas und Kasimirs offenbar nur aus karger mündlicher Überlieferung; er nennt nicht einmal Richezas Namen, was allerdings in mittelalterlichen Quellen für Fürstinnen nicht ungewöhnlich ist, denn nur ihre Funktion und nicht die Person wurden für wichtig erachtet. Außerdem beschreibt er sie fälschlicherweise als Schwester Ottos III.. Richezas hohe Abstammung dient ihm jedoch vor allem zur Aufwertung und Glorifizierung des Piastenhauses. In den wichtigsten historiografischen Werken Deutschlands, der Chronik des Thietmar von Merseburg (975-1018) und Wipos (gestorben 1046) Lebensbeschreibung Kaiser Konrads II., findet Richeza hingegen keine Erwähnung. Die meisten Nachrichten über Richeza und die Ezzonenfamilie sind durch den Bericht über die Gründung der Abtei Brauweiler, die von Ezzo und seiner Frau Mathilde als pfalzgräfliches Eigenkloster gestiftet, als Familiengrablege ausersehen und von Richeza reich beschenkt wurde, überliefert. Richeza verfügte gegenüber Brauweiler nicht nur Güterschenkungen, sondern leitete im Jahr 1048 auch den Neubau von Kloster und Kirche ein, der 1061 vollendet wurde.
Richeza wurde schließlich zur Gesamterbin des Familienbesitzes, da alle ihre Brüder vor ihr starben ohne rechtmäßige Erben zu hinterlassen. Früh war Richenzas Bruder Liudolf verstorben, Otto folgte 1047, Hermann im Jahr 1056. Dessen Nachfolger als Kölner Erzbischof, Anno II. erwies sich als energischer Gegner der mächtigen Ezzonenfamilie und führte 1059/ 1060 eine Fehde gegen den Pfalzgrafen Heinrich von Lothringen (gestorben 1060) um die territoriale Vorherrschaft im Rheinland. Der Konflikt endete mit einer schweren Niederlage der Ezzonen, die auch, die reichen Güter Richezas bedrohte. Diese verstand es jedoch, Annos territoriale Forderungen durch Schenkungen im thüringischen Saalfeld, in Coburg und Orla, für die sie sich allerdings lebenslange Nutzung vorbehielt, zunächst zufriedenzustellen. Dem Zugriff Annos auf ihre moselländischen Güter versuchte sie durch eine Schenkung an das Kloster Brauweiler zuvorzukommen. Der Würzburger Kirche schenkte sie 1057/ 1058 ihre, wahrscheinlich von der Mutter geerbten, Güter in Salz. Da ihr Sohn Kasimir auf sein mütterliches Erbe verzichtet hatte und auch keine Erbansprüche ihrer Töchter bekannt sind, sah Richeza offenbar verschiedene Kirchen als ihre Erben an.
In ihren letzten Lebensjahren zog sich Richeza auf ihre thüringischen Besitzungen in Saalfeld zurück, wo sie am 21.3.1063 verstarb. Ihr Leichnam wurde ins Rheinland überführt. Entgegen den Bestrebungen der Brauweiler Mönche, sie in der ezzonischen Familiengrablege Brauweiler beizusetzen, wurde sie, auf Geheiß Annos II. im Kölner Stift Maria ad gradus begraben.
Zugleich begabte er das Stift - zur Verbitterung des Klosters Brauweiler - mit dem ezzonischen Gut Klotten. Erst nach heftigen Auseinandersetzungen kam Klotten, wo sich ein lebhafter Richeza-Kult entwickelte, im Jahr 1090 an Brauweiler.
Einige im Zusammenhang mit dem Streit zwischen Brauweiler und Mariengraden beziehungsweise dem Erzbischof von Köln um die Besitzrechte an Klotten stehende Schenkungsurkunden haben sich als Fälschungen erwiesen. Auch die Echtheit der beiden besiegelten angeblichen Originale ist umstritten. Das Wachssiegel mit dem Siegelbild einer gekrönten Königin und mit der Umschrift RICHEZA REGINA wäre, könnte man es als echt betrachten, das früheste Siegel einer Fürstin in Deutschland, hätte aber auch dann keinesfalls Porträtcharakter. Urkunden, ob echt oder gefälscht, liefern ohnehin nur Nachrichten über Besitz und Aufenthaltsorte der Aussteller, kaum über deren Person.
Als die Kirche Maria ad gradus 1817 abgetragen wurde, wurde Richezas Leichnam in den Kölner Dom überführt, wo sie in der Johanneskapelle ihre letzte Ruhestätte fand.
Quellen
Bujnoch, Josef (Hg.), Gallus Anonymus. Polens Anfänge. Chronik und Taten der Herzöge und Fürsten von Polen, Graz, Wien, Köln 1978.
Pabst, Hermann, Fundatio monasterii Brunwilarensis in: Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 12 (1874), S. 147-192.
Szlachtowski, Jan/Koepke, Rudolf (Hg.), Gallus Anonymus. Chronicon Polonorum, in: Monumenta Germania Historica Scriptores 9 (1851) S. 428-439.
Literatur
Nikolay-Panter, Marlene, Richeza, Königin von Polen, in: Rheinische Lebensbilder 12 (1991), S. 25-46.
Schreiner, Peter, Richeza - Königin von Polen und Gönnerin der Abtei Brauweiler, in: Pulheimer Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde 11 (1987), S. 15-65.
Stieldorf, Andrea, Rheinische Frauensiegel. Zur rechtlichen und sozialen Stellung weltlicher Frauen im 13. und 14. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 71-76.
Online
Fößel, Amalie, Artikel "Richeza, Königin von Polen", in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003) S. 516-517. [Online]
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Heidrich, Ingrid, Richeza, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/richeza/DE-2086/lido/57cd1e9ba1e476.83090871 (abgerufen am 12.12.2024)