Rudolf Amelunxen

Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (1888-1969)

Michael A. Kanther (Duisburg)

Rudolf Amelunxen, Porträtfoto. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

Ru­dolf Ame­lun­xen war ein de­mo­kra­tisch und so­zi­al ein­ge­stell­ter Ver­wal­tungs­ju­rist und Po­li­ti­ker und ge­hör­te der Zen­trums­par­tei bis zu de­ren Auf­lö­sung 1933 an. Im Zu­ge des Staats­strei­ches in Preu­ßen im Ju­li 1932 wur­de er, da­mals Re­gie­rungs­prä­si­dent in Müns­ter, in den Ru­he­stand ver­setzt. Als Geg­ner des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus blieb ihm ei­ne Tä­tig­keit in öf­fent­li­chen Äm­tern bis zum Kriegs­en­de 1945 ver­sagt. Im Ju­li 1945 be­rief ihn die bri­ti­sche Be­sat­zungs­macht zum Ober­prä­si­den­ten von West­fa­len und am 24.7.1946 zum ers­ten Mi­nis­ter­prä­si­den­ten von Nord­rhein-West­fa­len. Nach sei­nem Rück­tritt im April 1947 dien­te er, nun Mit­glied der neu ge­grün­de­ten Zen­trums­par­tei, dem Land in den Ka­bi­net­ten Ar­nold und im Ka­bi­nett Stein­hoff als So­zi­al­mi­nis­ter (1947 bis 1950) und Jus­tiz­mi­nis­ter (1950 bis 1958). 

Der aus ei­ner west­fä­li­schen Fa­mi­lie stam­men­de Wil­helm Ru­dolf Kon­rad Ame­lun­xen wur­de am 30.6.1888 in Köln ge­bo­ren. 1909 bis 1913 und 1919 stu­dier­te er Rechts­wis­sen­schaf­ten, Ge­schich­te und wei­te­re Fä­cher in Frei­burg, Ber­lin und Bonn (1914 Pro­mo­ti­on zum Dr. iur. in Er­lan­gen). Geis­ti­ge For­mung emp­fing er auch durch den ka­tho­li­schen Seel­sor­ger und So­zi­al­re­for­mer Carl Son­nen­schein. Nach ei­nem Un­fall wäh­rend sei­nes Mi­li­tär­diens­tes 1913/1914 als kriegs­dienst­un­taug­lich ein­ge­stuft, wur­de er nach Kriegs­be­ginn 1914 zum Ver­tei­di­ger bei ­dem Au­ßer­or­dent­li­chen Kriegs­ge­richt in Köln und 1915 in die Zi­vil­ver­wal­tung im be­setz­ten Bel­gi­en be­ru­fen. Von 1916 bis No­vem­ber 1918 war er stell­ver­tre­ten­der Zi­vil­gou­ver­neur der Stadt und des Krei­ses Na­mur. Nach dem As­ses­sor­ex­amen im Au­gust 1919 trat Ame­lun­xen in den preu­ßi­schen Staats­dienst ein und ar­bei­te­te in ver­schie­de­nen Mi­nis­te­ri­en in Ber­lin. Zu­letzt (1926) war er Per­sön­li­cher Re­fe­rent des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Ot­to Braun (1872-1955). Von 1926 bis 1932 fun­gier­te er als Re­gie­rungs­prä­si­dent in Müns­ter. Am 20.7.1932 wur­de er in­fol­ge des Staats­strei­ches in Preu­ßen (des so ge­nann­ten „Preu­ßen­schla­ges") die­ses Am­tes ent­ho­ben und in den Ru­he­stand ver­setzt. Ame­lun­xen ge­hör­te dem Zen­trum an, bis sich die­ses im Ju­li 1933 auf­lös­te. In der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus wur­de er wahr­schein­lich von der Ge­sta­po be­ob­ach­tet und wech­sel­te mehr­fach den Wohn­sitz. 1944 wur­de er als Me­tall­ar­bei­ter in ei­ner Schlos­se­rei in Fre­de­burg (Sau­er­land), sei­nem da­ma­li­gen Wohn­ort, dienst­ver­pflich­tet. 

Nach der Be­set­zung West­fa­lens durch bri­ti­sche Trup­pen er­nann­te die Mi­li­tär­re­gie­rung Ame­lun­xen am 5.7.1945 zum Ober­prä­si­den­ten der Pro­vinz West­fa­len. Er war der letz­te In­ha­ber des Am­tes. Schon vor der of­fi­zi­el­len Grün­dung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len am 23.8.1946 be­rief ihn der bri­ti­sche Gou­ver­neur Wil­liam As­bu­ry am 24.7. zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten. Die pro­ble­ma­ti­sche Re­gie­rungs­bil­dung führ­te zu ei­nem Ka­bi­nett, dem Ver­tre­ter der FDP, des Zen­trums, der SPD und der KPD an­ge­hör­ten. Ame­lun­xen war zu die­sem Zeit­punkt noch par­tei­los und trat erst An­fang 1947 in die neu ge­grün­de­te Zen­trums­par­tei ein. Nach der ers­ten ­Ka­bi­netts­sit­zung am 30.8.1946 rich­te­te das Ka­bi­nett ei­nen von Ame­lun­xen ent­wor­fe­nen Auf­ruf an die Be­völ­ke­rung des Lan­des, in dem die ka­ta­stro­pha­le La­ge (Hun­ger, ver­brei­te­te Krank­hei­ten, Man­gel an Woh­nun­gen, Klei­dung, Haus­rat, Land­ma­schi­nen und Dün­ge­mit­teln, zu ge­rin­ge Stein­koh­len­för­de­rung u.a.) be­schrie­ben und die Schuld der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten klar be­nannt wur­de, je­doch auch et­was Zu­ver­sicht im Hin­blick auf die Über­win­dung der Not an­klang. Wäh­rend sei­ner neun­mo­na­ti­gen Amts­zeit als Mi­nis­ter­prä­si­dent wa­ren die enor­men Pro­ble­me der Er­näh­rung und Ver­sor­gung, der noch recht not­dürf­ti­ge Wie­der­auf­bau und die Ent­na­zi­fi­zie­rung die haupt­säch­li­chen The­men der Po­li­tik. Po­li­ti­sche Ge­stal­tung im ei­gent­li­chen Sinn war nicht mög­lich. Ame­lun­xen hat­te die Wei­sun­gen der Mi­li­tär­re­gie­rung ent­ge­gen­zu­neh­men, für Kon­sens­bil­dun­gen in dem Mehr­par­tei­en­ka­bi­nett zu sor­gen und die Ar­beit der Res­sorts zu ko­or­di­nie­ren. Beim Ein­tritt der CDU in die Lan­des­re­gie­rung im De­zem­ber 1946 wur­de das 2. Ka­bi­nett Ame­lun­xen ge­bil­det. 

Noch vor der Kon­sti­tu­ie­rung des ers­ten ge­wähl­ten Land­ta­ges (19.5.1947) de­mis­sio­nier­te das 2. Ka­bi­nett Ame­lun­xen am 22.4.1947, am­tier­te aber wei­ter bis zum 17. Ju­ni, als ein neu­es Ka­bi­nett un­ter Füh­rung des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Karl Ar­nold (CDU) zu­sam­men­trat, dem Ame­lun­xen als So­zi­al­mi­nis­ter an­ge­hör­te. Nach der zwei­ten Land­tags­wahl 1950 wech­sel­te er am 27.7.1950 auf den Pos­ten des Jus­tiz­mi­nis­ters im 2. Ka­bi­nett Ar­nold (Ju­li 1950 bis Ju­li 1954). Die­ses Amt üb­te er auch im 3. Ka­bi­nett Ar­nold (Ju­li 1954 bis Fe­bru­ar 1956) und im Ka­bi­nett Stein­hoff (Fe­bru­ar 1956 bis 24.7.1958) aus. Die wohl wich­tigs­ten Vor­gän­ge sei­ner Amts­zeit als Jus­tiz­mi­nis­ter wa­ren die Re­for­men der Ju­ris­ten­aus­bil­dung, der Straf­ge­richts­bar­keit (u.a. Ein­füh­rung der Be­wäh­rungs­hil­fe) und des Gna­den­rechts. Von 1946 bis 1958 ge­hör­te Ame­lun­xen dem Land­tag von Nord­rhein-West­fa­len an. Bei den Wah­len von 1947, 1950 und 1954 wur­de er über die Re­ser­ve­lis­te sei­ner Par­tei ins Par­la­ment ge­wählt. Zeit­wei­lig ver­trat er Nord­rhein-West­fa­len im Bun­des­rat. 

Ame­lun­xen fühl­te sich dem Vor­bild der preu­ßi­schen Staats­re­for­mer am Be­ginn des 19. Jahr­hun­derts, vor al­lem dem des Reichs­frei­herrn vom Stein (1757-1831), ver­pflich­tet. Sein aus­ge­präg­tes so­zia­les Ethos wur­de auch von po­li­ti­schen Geg­nern an­er­kannt. Im Land­tags­wahl­kampf von 1958 be­zog er Stel­lung ge­gen die ato­ma­re Auf­rüs­tung der Bun­des­wehr. Er konn­te sein Man­dat nicht wie­der­ge­win­nen und zog sich aus der Po­li­tik zu­rück. 1960 ver­öf­fent­lich­te er sei­ne Me­moi­ren, die ihn als gu­ten Sti­lis­ten aus­wei­sen. Er starb am 21.4.1969 in Düs­sel­dorf. 

Quellen

Ame­lun­xen, Ru­dolf, Eh­ren­män­ner und He­xen­meis­ter. Er­leb­nis­se und Be­trach­tun­gen, Mün­chen 1960.
Die Ka­bi­netts­pro­to­kol­le der Lan­des­re­gie­rung von Nord­rhein-West­fa­len 1946 bis 1950 (Er­nen­nungs­pe­ri­ode und ers­ten Wahl­pe­ri­ode). Ein­ge­lei­tet und be­ar­bei­tet von Mi­cha­el Al­fred Kan­ther, Sieg­burg 1992, bes. S. 958.
We­ge zum Volks­staat. An­spra­chen des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Dr. Ame­lun­xen, Düs­sel­dorf 1947.

Literatur

Ro­meyk, Horst, Klei­ne Ver­wal­tungs­ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens, Sieg­burg 1988, S. 57, 115-116, 174.
Die Grün­dung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len und die ers­te Lan­des­re­gie­rung un­ter Ru­dolf Ame­lun­xen (1946. Po­li­tik und All­tag im Grün­dungs­jahr des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len. Ei­ne Aus­stel­lung des Lan­des­ar­chivs und des Land­tags Nord­rhein-West­fa­len).

 
Zitationshinweis

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Kanther, Michael A., Rudolf Amelunxen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/rudolf-amelunxen-/DE-2086/lido/57a9e44deefd74.37160668 (abgerufen am 01.12.2024)