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Sigibert war ein in Köln residierender fränkischer Kleinkönig. Im Kampf mit den Alemannen bei Zülpich 496/ 497 verwundet und seitdem hinkend, erhielt er den Beinamen „der Lahme". Nach der sagenhaften Überlieferung bei Gregor von Tours (538-594) stiftete der salfränkische König Chlodwig (466-511) Sigiberts Sohn zum Vatermord an und ließ diesen anschließend ebenfalls umbringen, um sich selbst zum König der Rheinfranken zu erheben.
Mit dem Zuge des Hunnenherrschers Attila (gestorben 453) und dem Tod des römischen Heermeisters Aetius (390-454) sowie Kaiser Valentinians III. (Regierungszeit 425-455) ging die Römerherrschaft in Gallien und am Rhein zu Ende.
Die Wirren um die römische Thronfolge nutzen die Rheinfranken, die bisher als Föderaten Roms rechts des Rheins gesiedelt hatten, um in der Gegend des Mittelrheins auf linksrheinisches Gebiet überzuwechseln. Nachdem fränkische Gruppen bereits 274 und 355 die römische Civitas Köln geplündert und gebrandschatzt hatten, gelang es ihnen um 455 endgültig, die Stadt und ihr Umland einzunehmen. Zudem fielen ihnen Mainz und kleinere nördliche Städte in die Hände; vereinzelt unternahmen sie sogar Vorstöße bis nach Trier.
Sigibert von Köln war der erste namentlich bekannte König der ripuarischen Franken, an deren Spitze er vermutlich seit 480 stand. Sein Regierungssitz befand sich in Köln, wo er den ehemaligen römischen Statthalterpalast (Prätorium) als Residenz nutzte. Über seine Herkunft ist nur wenig bekannt, nach den Berichten Gregor von Tours war er jedoch ein Vetter Chlodwigs und gehörte daher ebenso wie dieser zum Geschlecht der Merowinger.
Sein Herrschaftsgebiet umfasste wahrscheinlich die einstigen römischen Stützpunkte im Rheindelta, Nimwegen, Xanten, Köln, Mainz, das Maasgebiet von Nassogne bis Maastricht, sowie das Moseltal von Toul bis Koblenz. Zudem grenzte Sigiberts Herrschaft am oberen Mittelrhein direkt an das Gebiet der Alemannen. Damit reichte sie im Süden über die alten Grenzen der Kölner Civitas hinaus.
Der Salfranke Chlodwig hatte bereits kurz nach seinem Regierungsantritt im Jahr 482 damit begonnen, seine merowingische Familie systematisch zu eliminieren, um auch deren Herrschaften zu übernehmen. Durch den Sieg über den aus einer römischen Familie stammenden Syagrius (gestorben 486) im Jahre 486 und die Einverleibung der letzten gallo-römischen Enklave in Gallien in sein eigenes Herrschaftsgebiet, konnte er die von seinem Vater Childerich (gestorben 482) übernommene Machtstellung in Nordgallien erheblich ausbauen. Mit dem Untergang des Syagriusreiches hatte sich auch das Mächtegleichgewicht zwischen den zahlreichen fränkischen Kleinkönigen, zu denen neben Sigibert von Köln auch Ragnachar von Cambrai und Chararich zählten, empfindlich zu Chlodwigs Gunsten verschoben. Auf dieser Grundlage begann Chlodwig seine merowingischen Verwandten auszuschalten und zu beseitigen. Sigibert von Köln kämpfte zusammen mit seinem mächtigen Vetter Chlodwig in der berühmten Schlacht gegen die Alemannen, die wahrscheinlich um das Jahr 496 bei Zülpich stattfand, da sein Reich direkt an das Land der Alemannen grenzte und mehrfach von diesen bedroht worden war. Die Nähe zum Gebiet der Alemannen hatte mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Sigibert und den Alemannen geführt, möglicherweise kann der Kölner Frankenkönig daher sogar als deren Hauptkontrahent angesehen werden. Vermutlich war er es auch, der Chlodwig gegen die von der Eifel heranziehenden Alemannen zu Hilfe rief. Durch die Schlacht von Zülpich wurden die Expansionsbestrebungen der Alemannen entscheidend geschwächt, jedoch stärkte der Sieg Chlodwigs Position bei den Rheinfranken erheblich. Während der Schlacht wurde Sigibert am Knie verletzt und trug seither den Beinamen „der Lahme" oder „der Hinkende".
Im Jahr 507 stand Sigiberts Sohn Chloderich (gestorben 508) an der Seite Chlodwigs. Die Schlacht von Vouillié bei Poitiers fand im Spätsommer 507 zwischen den Franken unter Chlodwig und den Westgoten unter Alarich II. (gestorben 507) statt. Den Franken gelang es, die Westgoten entscheidend zu schlagen und endgültig aus Gallien abzudrängen.
Spätestens nach den Siegen über die Alemannen und Westgoten war Chlodwig der mächtigste fränkische Teilkönig. Wie Gregor von Tours berichtet, beschloss Chlodwig nach der Schlacht von Vouillié auch das Teilkönigtum des Sigibert von Köln zu beseitigen. Daher entsandte er von Paris aus heimlich Boten zu Sigiberts Sohn Chloderich und ermutigte diesen, seinen Vater zu töten und so die Herrschaftsnachfolge zu beschleunigen.
Sigiberts Sohn ließ sich vom salfränkischen Herrscher tatsächlich anstacheln und plante die Ermordung seines Vaters. Als Sigibert auf die Jagd ging und sich zur Mittagszeit in einem Zelt zur Ruhe begeben hatte, wurde er durch Männer beseitigt, die sein Sohn angeheuert hatte. Sofort schickte Chloderich einen Kurier zu Chlodwig, der die vollbrachte Tat verkünden sollte. Außerdem bot ihm Chloderich einen Teil der ripuarischen Schätze für die Unterstützung bei der Ermordung seines Vaters.
Chlodwig, der die Herrschaft in Köln an sich reißen wollte, sandte 508 erneut Boten zu Chloderich, die den neuen ripuarischen König mit einer Axt erschlugen, als sich dieser gerade über eine der Schatztruhen beugte, um mit seinem Reichtum zu prahlen. Als Chlodwig einige Tage später persönlich nach Köln kam, wies er jegliche Beteiligung an den beiden Morden zurück, bot den Rheinfranken jedoch seine Unterstützung und seinen Schutz an. Daraufhin erhoben die ripuarischen Franken Chlodwig durch Schilderhebung zu ihrem neuen König, womit das Ende des Kölner Kleinkönigreichs besiegelt war. Die Stadt verlor ihre Funktion als ständiger Königssitz. Sie besaß zwar weiterhin den Status einer Residenz, befand sich im gesamtfränkischen Reich jedoch fortan in einer geographischen Rand- und Grenzlage.
Sigibert von Köln hatte es verstanden, in den Wirren des 5. Jahrhunderts eine vergleichsweise stabile Herrschaft zu errichten. Spätestens seit der Schlacht von Zülpich zeigte sich jedoch auch seine militärische Abhängigkeit von Chlodwig, der seinen Einfluss auf die ripuarischen Franken kontinuierlich ausbauen konnte. Über einen Zeitraum von fast 30 Jahren regierend, fiel Sigibert schließlich den blutigen Auseinandersetzungen innerhalb der merowingischen Königssippe zum Opfer. Insbesondere die Umstände seines Todes, eines Meuchelmordes während eines Jagdausfluges, lassen vermuten, dass Teile seiner Biographie in die Sage des Drachentöters Siegfried von Xanten eingeflossen sind.
Quellen
Gregor von Tours, Decem libri historiarum (MGH, Scriptores rerum Merovingicarum 1,2), hg. von Wilhelm Arndt und Bruno Krusch, Hannover 1885.
Literatur
Ewig, Eugen, Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart 2006.
Martin, Jochen, Spätantike und Völkerwanderung, München 2001.
Pohl, Walter, Die Völkerwanderung, Stuttgart/ Berlin/ Köln 2005.
Rosen, Klaus, Die Völkerwanderung, München 2002.
Steuer, Heiko, Die Franken in Köln, Köln 1980.
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Striewski, Jennifer, Sigibert von Köln, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/sigibert-von-koeln/DE-2086/lido/57c950780fcdd4.07810535 (abgerufen am 06.10.2024)