Sophie Haehner

Netzwerkerin im monarchistischen Milieu der Weimarer Republik (1872-1943)

Jessica Bredemeier (Wuppertal) & Antonia Hütten (Wuppertal) & Sabine Mangold-Will (Wuppertal)

Brief der Kaiserin Hermine an Sophie Haehner vom 25.2.1932, Vorderseite (Historisches Archiv der Stadt Köln, 1193A, A 110).

So­phie Ha­eh­ner war die Toch­ter des rhei­ni­schen Stadt­pla­ner­s Her­mann Jo­sef Stüb­ben und Ehe­frau des Leib­arz­tes des letz­ten Deut­schen Kai­ser­s Dr. Al­fred Ha­eh­ner. Er­folg­reich er­wies sie sich als Netz­wer­ke­rin und Brief­part­ne­rin in­ner­halb des mon­ar­chis­tisch-kul­tu­rel­len Mi­lieus der Wei­ma­rer Re­pu­blik jen­seits der po­li­ti­schen Eli­ten. Ihr sym­bo­li­sches Ka­pi­tal be­stand da­bei aus ih­rer Her­kunft aus dem ge­ho­be­nen rhei­ni­schen Bür­ger­tum wie aus ih­rem Zu­gang zu Mit­glie­dern des Exil­ho­fes der Ho­hen­zol­lern in den Nie­der­lan­den.

So­phia (ge­nannt So­phie) Ju­lia Vic­to­ria Stüb­ben wur­de am 3.9.1872 als äl­tes­tes von fünf Ge­schwis­tern in Holz­min­den ge­bo­ren. Ih­re El­tern wa­ren der Ar­chi­tekt Her­mann Jo­sef Stüb­ben (1845-1936) und Ot­ti­lie Stüb­ben ge­bo­re­ne Wort­mann (1845-1916). Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. Der Va­ter war ab 1881 Köl­ner Stadt­bau­meis­ter und da­durch in­ten­siv an städ­ti­schen Hy­gie­ne­kon­zep­ten in­ter­es­siert, wes­halb meh­re­re Ärz­te zum so­zia­len Um­feld der Fa­mi­lie ge­hör­ten. Sei­ne Toch­ter So­phie hei­ra­te­te am 16.10.1893 den Au­gen­arzt Dr. Au­gust Pröbs­ting (1860-1944), der spä­ter Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät zu Köln wur­de. Aus der Ehe gin­gen zwei Töch­ter her­vor: Ot­ti­lie (ge­bo­ren 1893) und Do­ro­thea (ge­bo­ren 1899). Im Jahr 1900 ent­warf Jo­sef Stüb­ben im Auf­trag des bel­gi­schen Kö­nigs den Be­bau­ungs­plan für die bel­gi­sche Küs­ten­re­gi­on Du­in­ber­gen. Ei­nes der Häu­ser kauf­te er selbst und be­nann­te es nach sei­ner Toch­ter „Vil­la So­phie“. Die­se nutz­te den Ort als per­sön­li­ches Re­fu­gi­um wie ge­sell­schaft­li­chen Re­prä­sen­ta­ti­ons­raum ge­gen­über Fa­mi­li­en der Köl­ner Ober­schicht. Nach ih­rer Schei­dung im De­zem­ber 1913 folg­te So­phie ih­ren El­tern nach Ber­lin-Gru­ne­wald. Der Tod der Mut­ter ver­an­lass­te sie vor­über­ge­hend zum Aus­bruch in die Selb­stän­dig­keit. So­phie nahm 1916 ei­ne Ar­beit in Pfalz­burg im El­sass auf, ver­mut­lich als Kran­ken­schwes­ter im Kriegs­ein­satz.

 

Am 20.5.1920 hei­ra­te­te So­phie in Ber­lin den Me­di­zi­ner Dr. Al­fred Ha­eh­ner. Die Ehe blieb kin­der­los. Zwar wa­ren die bei­den nach­weis­lich erst seit 1914 en­ger ver­bun­den, doch ge­hör­ten die Ha­eh­ners, ei­ne ka­tho­lisch-preu­ßi­sche Mi­li­tär­me­di­zi­ner-Fa­mi­lie, schon lan­ge zu ih­rem so­zia­len Um­feld. Nicht nur die Fa­mi­li­en­vä­ter Stüb­ben und Ha­eh­ner kann­ten sich be­reits seit den 1880er Jah­ren in Köln, auch die Töch­ter So­phie und Ida (1884-1976), Al­fred Ha­eh­ners jün­ge­re Schwes­ter, stan­den seit spä­tes­tens 1912 in nä­he­rer Be­kannt­schaft. Da ihr zwei­ter Ehe­mann als Leib­arzt für das ab 1918 exi­lier­te deut­sche Kai­ser­paar tä­tig war, zog So­phie nach ih­rer Hoch­zeit mit ih­rer jün­ge­ren Toch­ter zu ihm nach Doorn in die Nie­der­lan­de. Dort leb­ten die Ha­eh­ners bis 1925. Auch da­nach riss der Kon­takt zum kai­ser­li­chen Exil­hof nicht ab, was nicht zu­letzt So­phies Ver­eh­rung für Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918) ge­schul­det war. 1926 schrieb sie über ei­nen Be­such in Doorn an ei­nen gleich­ge­sinn­ten Brief­part­ner: „Mein Mann und ich fan­den hier bei­de ho­he Herr­schaf­ten äus­serst huld­voll und herz­lich. Das Ver­hält­nis zu uns ist wie­der in al­ter Wär­me her­ge­stellt. Bei mei­ner gros­sen Hin­nei­gung zum Kai­ser freut mich das aus­ser­or­dent­lich.“ Nach dem Tod ih­res Va­ters 1936 ver­wal­te­te So­phie des­sen Nach­laß und sorg­te für sei­nen Er­halt. Of­fen­bar hin­der­ten ge­sund­heit­li­che Schwie­rig­kei­ten und der aus­bre­chen­de Zwei­te Welt­krieg sie je­doch an wei­te­rer pro­duk­ti­ver Ar­beit. 

Der Be­ruf des Va­ters so­wie die Be­ru­fe ih­rer Ehe­män­ner brach­ten es mit sich, dass So­phie häu­fig den Wohn­ort wech­sel­te. Das bot ihr zu­gleich die Mög­lich­keit, vie­le eu­ro­päi­sche Or­te und be­deu­ten­de Per­sön­lich­kei­ten ih­rer Zeit ken­nen­zu­ler­nen, u. a. den Schrift­stel­ler Emil Lud­wig (1881-1948) und den Wel­fisch ge­sinn­ten Ju­ris­ten und Braun­schwei­gi­schen Mi­nis­ter Au­gust Ham­pe (1866-1945). Bei al­ler so­zia­len Weit­läu­fig­keit blieb ihr per­sön­li­ches Netz­werk zu­nächst auf das Um­feld ih­res Va­ters be­grenzt, spä­ter pro­fi­tier­te sie von den Ver­bin­dun­gen ih­res zwei­ten Ehe­man­nes, ins­be­son­de­re des­sen Kon­takt zum Haus Ho­hen­zol­lern. Wie­wohl oh­ne ei­ge­nen Be­ruf und Be­kannt­heit ge­lang es ihr so, ein klei­nes mon­ar­chis­tisch-kul­tu­rel­les Netz­werk zu schaf­fen. Denn ihr Haupt­in­ter­es­se galt der Kunst, vor al­lem der Er­folgs­li­te­ra­tur des Kai­ser­rei­ches und der frü­hen Wei­ma­rer Re­pu­blik. Wäh­rend ih­rer Zeit in Ber­lin be­such­te sie Ver­an­stal­tun­gen des Goe­the-Bun­des, ei­ner li­te­ra­ri­schen Ver­ei­ni­gung, die ur­sprüng­lich aus Pro­test ge­gen Zen­sur­be­stre­bun­gen im Kai­ser­reich ge­grün­det wor­den war. Hier be­geg­ne­te sie dem Best­sel­ler­au­tor Her­mann Su­der­mann (1857-1928), mit dem sie über Jah­re hin­weg in freund­schaft­li­chem Brief­kon­takt ver­bun­den blieb. Von Doorn aus un­ter­stütz­te sie mit sei­ner Hil­fe die deut­schen Li­te­ra­tur-Ver­ei­ne in Hol­land und sam­mel­te in Deutsch­land bei po­pu­lä­ren Au­to­ren wie zum Bei­spiel Ru­dolf Pres­ber (1868-1935) Buch­spen­den. Zu­gleich dien­te sie als Ver­bin­dungs­frau für ein Tref­fen zwi­schen Su­der­mann und Her­mi­ne von Schö­naich-Ca­rol­ath, ge­bo­re­ne Prin­zes­sin Reuß (1887-1947), seit 1922 zwei­te Ehe­frau Wil­helms II. Auch bei der Kon­takt­auf­nah­me und frü­hen Ver­bin­dung zwi­schen Wil­helm II. und dem auch als Afri­ka­for­scher be­kann­ten Eth­no­lo­gen Leo Fro­be­ni­us (1873-1938) er­wies sich So­phie Ha­eh­ner ne­ben ih­rem Mann als Ver­mitt­le­rin hin­ter den Ku­lis­sen. Ih­re Ein­drü­cke über das Le­ben der Ho­hen­zol­lern im Exil hielt sie in Brie­fen und ei­nem lei­der bis­her nicht auf­find­ba­ren Ta­ge­buch fest. So­phie Ha­eh­ner starb am 4. März 1943; ihr Ster­be­ort ist un­be­kannt.

Quellen

Deut­sches Li­te­ra­tur­ar­chiv Mar­bach, Cot­ta Nach­lass Su­der­mann, Kor­re­spon­denz So­phie Pröbs­ting-Ha­eh­ner.

Ge­sell­schaft Deut­scher Na­tur­for­scher und Ärz­te (1889): Ta­ge­blatt der 61. Ver­samm­lung deut­scher Na­tur­for­scher und Ärz­te in Köln vom 18. bis 23. Sep­tem­ber 1888. Ge­schäft­li­cher Teil, Köln.
 
Leo Fro­be­ni­us In­sti­tut Frank­furt, Nach­lass Leo Fro­be­ni­us, LF 1507, 2-6 und 9 (Kor­re­spon­denz zwi­schen Leo Fro­be­ni­us und Al­fred und So­phie Ha­eh­ner so­wie Do­ro­thee Pröbs­ting). 

His­to­ri­sches Ar­chiv der Stadt Köln, Best. 542/ A 8173: To­des­an­zei­ge I 3741 v. 27.10.1949 Al­fred Ha­eh­ner.
 
Uni­ver­si­täts­ar­chiv Köln, Be­stand Au­gust Pröbs­ting.  

Literatur

Karnau, Oli­ver, Her­mann Jo­sef Stüb­ben Städ­te­bau 1878-1930. Braun­schweig/Wies­ba­den 1996.

Brief der Kaiserin Hermine an Sophie Haehner vom 25.2.1932, Rückseite (Historisches Archiv der Stadt Köln, 1193A, A 110).

 
Zitationshinweis

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Bredemeier, Jessica, Hütten, Antonia, Mangold-Will, Sabine, Sophie Haehner, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/sophie-haehner-/DE-2086/lido/62567fc94411e2.74432432 (abgerufen am 19.04.2024)