Stephan von Sarter

Erbauer von Schloss Drachenburg (1833-1902)

Ansgar S. Klein (Bonn)

Stephan von Sarter, Porträtfoto. (Schloss Drachenburg GmbH)

Ste­phan von Sar­ter er­warb als Bör­sen­fach­mann ein gro­ßes Ver­mö­gen. Er er­bau­te 1882 bis 1884 für sich im Sie­ben­ge­bir­ge Schloss Dra­chen­burg, heu­te ei­ne der be­lieb­tes­ten At­trak­tio­nen am Rhein.

Cor­ne­li­us Ste­phan von Sar­ter wur­de am 20.12.1833 als fünf­tes und  jüngs­tes Kind de­s Bon­ner Gast­wir­tes Jo­hann Gott­fried Sar­ter (1788-1862) un­d ­s­ei­ner Ehe­frau Ca­ro­li­ne (1802-1880) ge­bo­ren. Als der Va­ter 1834 nach ei­nem Streit mit ei­nem zah­lungs­säu­mi­gen Stu­den­ten und dem fol­gen­den Boy­kott durch die Stu­den­ten­schaft der Bon­ner Uni­ver­si­tät das Gast­haus „Zum Hel­m“ auf­ge­ben muss­te, zog die Fa­mi­lie zu Ver­wand­ten nach Köln. Dort über­nahm an­stel­le des an ei­nem Herz­lei­den er­krank­ten Va­ters die Mut­ter die Ver­sor­gung der Fa­mi­lie durch die Her­stel­lung von Knöp­fen.

Ste­phan Sar­ter be­such­te in Köln die Volkschu­le und von 1846 bis 1849 das Kö­nig­li­che Fried­rich-Wil­helm-Gym­na­si­um, wel­ches er mit der Mitt­le­ren Rei­fe ver­ließ. Er be­gann noch im glei­chen Jahr ei­ne Leh­re im Bank­haus Leo­pold Se­lig­mann. 1856 wech­sel­te er zum grö­ße­ren Bank­haus Sa­lo­mon Op­pen­heim jr. & Comp, das vie­le in­ter­na­tio­na­le Ver­bin­dun­gen be­saß. Die In­ha­ber ent­sand­ten ihn nach Pa­ris, wo er 1857 in die dor­ti­ge Fi­lia­le de­s­ Bank­hau­ses Leo­pold Wer­ner ein­trat. Schon im nächs­ten Jahr wur­de er in des­sen Lon­do­ner Fi­lia­le ver­setzt.

Sei­ne Auf­ga­be war es, Un­ter­neh­men auf ih­re Kre­dit­wür­dig­keit zu über­prü­fen. Er ana­ly­sier­te de­ren Fi­nanz- und Ge­schäfts­plä­ne, um die Ri­si­ken für ein En­ga­ge­ment sei­ner Bank ein­zu­schät­zen. Aus die­sem Grund reis­te er un­ter an­de­rem nach Ma­drid, New York und Kon­stan­ti­no­pel. Durch sei­ne Tä­tig­kei­ten in Pa­ris und Lon­don, den gro­ßen Bör­sen­plät­zen Eu­ro­pas, lern­te Sar­ter das in­ter­na­tio­na­le Bör­sen­ge­schäft gut ken­nen. Ver­mut­lich spe­ku­lier­te er auch auf ei­ge­ne Rech­nung.

Nach vier Jah­ren Lon­don kehr­te Sar­ter 1862 nach Pa­ris zu­rück. Dies­mal moch­te er sich nicht mehr an ein Bank­haus bin­den, son­dern mach­te sich, sei­ne bis­he­ri­gen Er­fah­run­gen nut­zend, als Bör­sen­ana­lyst selb­stän­dig. Ein Jahr spä­ter gab er ei­ne ers­te ei­ge­ne Bro­schü­re her­aus, mit der er vor dem Kauf spa­ni­scher Ei­sen­bahn­ak­ti­en warn­te. Sei­ne im ei­ge­nen Bör­sen­blatt für An­le­ger ver­öf­fent­lich­ten Ex­per­ti­sen zu Wert­pa­pie­ren er­wie­sen sich meist als rich­tig und sorg­ten für sei­nen gu­ten Ruf.

Den Auf­stieg Sar­ters zu ei­nem rei­chen Mann be­grün­de­te sein En­ga­ge­ment für die Fi­nan­zie­rung des Su­es­ka­nal­pro­jek­tes von Fer­di­nand de Les­seps (1805-1894). Er warb pu­bli­zis­tisch für den Kauf der Ak­ti­en und kauf­te selbst An­tei­le. Bei der Er­öff­nung am 17.11.1869 war Sar­ter als Eh­ren­gast an­we­send. Als die Ge­win­ne der Be­trei­ber­ge­sell­schaft Jahr für Jahr mit dem zu­neh­men­den Ver­kehr durch den Ka­nal stie­gen, wuchs auch Sar­ters Ver­mö­gen. Bei der Fi­nan­zie­rung des Baus des Pa­na­ma­ka­nals war er vor­sich­tig und ver­kauf­te sei­ne Ak­ti­en recht­zei­tig.

Der Aus­bruch des Deutsch-Fran­zö­si­schen Krie­ges 1870/1871 un­ter­brach sei­ne ge­wohn­te Tä­tig­keit kaum. Sar­ter be­fand sich in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka, um die An­ga­ben ei­ner ame­ri­ka­ni­schen Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft zu über­prü­fen, die Ak­ti­en an der fran­zö­si­schen Bör­se plat­zie­ren woll­te. Er reis­te zu­rück nach Eu­ro­pa, zu­nächst zu sei­ner Schwes­ter in Deutsch­land. Als­bald nach Kriegs­en­de kehr­te er nach Pa­ris zu­rück, das ihm zur Hei­mat ge­wor­den war. Wäh­rend er ei­ner­seits durch die Ver­eh­rung Bis­marcks ei­ne pa­trio­ti­sche Hal­tung ein­nahm und auch den „Deut­schen Hilfs­ver­ein in Pa­ris“, der not­lei­den­den Deut­schen in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt half, mit Spen­den un­ter­stütz­te, be­müh­te er sich an­de­rer­seits seit 1876 um die fran­zö­si­sche Staats­bür­ger­schaft. Er er­hielt sie ihm am 15.9.1890.

Für das wohl­ha­ben­de Bür­ger­tum des 19. Jahr­hun­derts war der Le­bens­stil des herr­schen­den Adels Vor­bild und der Auf­stieg in den Adels­stand da­her ein an­ge­streb­tes Ziel. Sar­ter war nur ei­ner un­ter vie­len, die die­ses Ziel dank ih­rer gu­ten fi­nan­zi­el­len Aus­stat­tung er­reich­ten. Mit Hil­fe des deut­schen Bot­schaf­ters in Pa­ris und ei­ner Spen­de von 40.000 Mark wur­de er am 22.5.1881 durch Her­zog Ge­org von Sach­sen-Mei­nin­gen-Hild­burg­hau­sen in den Frei­her­ren­stand er­ho­ben. Mei­nin­gen, der Re­si­denz­stadt des Her­zogs, ließ er wei­te­re 25.000 Mark für ein Ar­men­haus zu­kom­men, das den Na­men Sar­ter-Stift trägt.

Im glei­chen Jahr er­warb Sar­ter in Kö­nigs­win­ter ein gro­ßes Grund­stück, auf dem die für ei­nen Frei­herrn re­prä­sen­ta­ti­ve Re­si­denz ent­ste­hen soll­te. En­de 1881 konn­te er per­sön­lich den Grund­stein für sei­ne Pri­vat­vil­la le­gen, die er „Schloss Dra­chen­bur­g“ nann­te. Die ers­ten Plä­ne stamm­ten von den Düs­sel­dor­fer Ar­chi­tek­ten Bern­hard Tüs­haus (1846-1909) und Leo von Ab­be­ma (1852-1929). Für die wei­te­re Aus­ge­stal­tung en­ga­gier­te Sar­ter Wil­hel­m Hoff­mann, den in Pa­ris le­ben­den ehe­ma­li­gen Schü­ler des Köl­ner Dom­bau­meis­ter­s Ernst Fried­rich Zwir­ner.

Zwi­schen 1882 und 1884 wur­de der Bau un­ter der Lei­tung von Franz Lan­gen­berg (1842-1895) er­rich­tet, der auch am Ent­wurf der In­nen­aus­stat­tung be­tei­ligt war. Deut­sche und fran­zö­si­sche Spe­zi­al­fir­men über­nah­men die Ge­stal­tung der In­nen­räu­me. Die Ge­mäl­de und Kar­tons für die Farb­fens­ter schu­fen Münch­ner Künst­ler. Die tech­ni­sche Aus­stat­tung mit Gas­lam­pen und zen­tra­ler Warm­luft­hei­zung ent­sprach dem mo­derns­ten der Zeit. An Geld man­gel­te es Sar­ter für sein Pro­jekt nicht. Die Bau­kos­ten be­tru­gen schlie­ß­lich ins­ge­samt 1,7 Mil­lio­nen Mark. D­a­für er­hielt Sar­ter ei­ne dem zeit­ge­nös­si­schen Ge­schmack des His­to­ris­mus ent­spre­chen­de Vil­la, die mit vie­len Tür­men und Türm­chen, Er­kern und Zin­nen ei­nen mit­tel­al­ter­li­chen Ein­druck her­vor­ruft oh­ne wirk­lich mit­tel­al­ter­lich zu sein. Fi­gu­ren und Re­li­efs mit Per­so­nen aus der Ge­schich­te (Ju­li­us Cae­sar, Karl der Gro­ße, Wil­helm I.) und der Sa­gen­welt (Sieg­fried, Lo­re­ley) schmü­cken die Fas­sa­den, wo­bei stets auch der lo­ka­le Be­zug zum Dra­chen­fels her­ge­stellt wird (Jung­frau vom Dra­chen­fels). Die künst­le­ri­sche Ge­stal­tung der In­nen­räu­me nimmt die­se The­men wie­der auf. Der Ein­tre­ten­de wird im Ves­ti­bül von Va­ter Rhein und sei­nen Töch­tern emp­fan­gen. Im Spei­se­saal dient ei­ne Jagd­sze­ne des Rit­ters vom Dra­chen­fels gar da­zu, die im Hin­ter­grund sicht­ba­re Dra­chen­burg ins Mit­tel­al­ter zu ver­set­zen. Dem Ni­be­lun­gen­lied ist ein ei­ge­nes Zim­mer ge­wid­met, denn der Dra­chen­fels galt als der Ort, an dem Sieg­fried den Dra­chen er­schlug. Der im Trep­pen­haus the­ma­ti­sier­te Bau­be­ginn des Köl­ner Doms schlug den Bo­gen zur Voll­endung des Dom­baus im 19. Jahr­hun­dert, ver­band die rhei­ni­sche Ge­schich­te mit der deut­schen Na­tio­nal­ge­schich­te.

Sar­ter hat Schloss Dra­chen­burg nie­mals be­wohnt, wohl aber ab und zu be­sucht. Ge­gen­über den Kö­nigs­win­te­rern zeig­te er sich gro­ßzü­gig: dem Kran­ken­haus stif­te­te er ei­ne jähr­li­che Zu­wen­dung von 1.000 Francs, der Schüt­zen­ge­sell­schaft zwei Po­ka­le zur Er­in­ne­rung an das Schüt­zen­fest 1882. Sein Le­bens­mit­tel­punkt blieb wei­ter Pa­ris. In der deut­schen Pres­se wur­de 1887 über Fehl­spe­ku­la­tio­nen und Zah­lungs­un­fä­hig­keit ge­schrie­ben. Tat­säch­lich hat er wohl ei­nen Teil sei­nes Ver­mö­gens ver­lo­ren, aber Schloss Dra­chen­burg blieb in sei­nem Be­sitz und er konn­te nach wie vor die Un­ter­hal­tungs­kos­ten da­für auf­brin­gen. Ein Ver­wal­ter sorg­te für das Ge­bäu­de und be­rich­te­te re­gel­mä­ßig nach Pa­ris. Al­ler­dings hat er in der Zeit der Kri­se ver­geb­lich ei­ne Ver­äu­ße­rung ver­sucht: Als 1888 ein Denk­mal der Rhein­pro­vinz für Kai­ser Wil­helm I. ge­plant wur­de, bot er Schloss Dra­chen­burg als „Kai­ser-Wil­helm-Bur­g“ dem preu­ßi­schen Staat zum Kauf an.

Sar­ter starb am 30.3.1902 in Pa­ris. Da der fran­zö­si­sche Staat die Stan­des­er­he­bung nicht an­er­kannt hat, steht auf dem To­ten­schein Cor­ne­li­us Eti­en­ne Sar­ter. Ein Jahr spä­ter ließ sein Nef­fe den Leich­nam nach Deutsch­land über­füh­ren. Sei­ne letz­te Ru­he fand er auf dem Kö­nigs­win­te­rer Fried­hof am Pa­last­wei­her. Die Stadt Kö­nigs­win­ter pflegt sein Grab. Auf dem Grab­stein in Deutsch­land steht: Ba­ron Ste­phan von Sar­ter.

Nach sei­nem Tod kauf­te 1903 sein Nef­fe Ja­kob Hu­bert Biesen­bach (1870-1947) Schloss Dra­chen­burg aus der Erb­mas­se und mach­te es der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich. Es folg­ten meh­re­re Be­sit­zer­wech­sel mit der Nut­zung als Ge­ne­sungs­heim (1923-1931), In­ter­nats­schu­le (1931-1945) und Ei­sen­bah­ner­schu­le (1947-1960). Das In­ter­es­se an dem ei­gen­wil­li­gen Ge­bäu­de ging zu­rück und die Vil­la ver­fiel. Das vom Ab­riss be­droh­te Ge­bäu­de kauf­te 1971 der Tex­til­fa­bri­kan­t Paul Spi­nat (1904-1989) für 500.000 DM. Als die­ser es 1989 wie­der ver­äu­ßern woll­te, nahm das Land Nord­rhein-West­fa­len sein Vor­kaufs­recht wahr. Nach um­fang­rei­chen Re­stau­rie­rungs­ar­bei­ten und der Re­mö­blie­rung fand im Ju­li 2010 die Wie­der­er­öff­nung statt. Schloss Dra­chen­burg kann seit­her als Bei­spiel groß­bür­ger­li­cher Wohn­kul­tur des 19. Jahr­hun­dert be­sich­tigt wer­den.

Literatur

Klein, Ans­gar Se­bas­ti­an, Ste­phan von Sar­ter (1833-1902), Er­bau­er von Schloss Dra­chen­burg, in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 19 (2013), S. 135-165.
Klöhs, Karl-Jo­seph, Ein ru­hi­ger, freund­li­cher Jung­ge­sel­le, in: rhein­kie­sel. Ma­ga­zin für Rhein und Sie­ben­ge­bir­ge, 6. Jg., März 2002, S. 12-13.
Schloss Dra­chen­burg. His­to­ri­sche Bur­gen­ro­man­tik am Rhein, hg. von der Nord­rhein-West­fa­len-Stif­tung, Ber­lin/Mün­chen 2010.
Schloss Dra­chen­burg. Das Schloss der 1001 Ge­schich­ten, Ma­ga­zin der NRW-Stif­tung 1 (2010).
Sto­ve­rock, Hel­ga, „Ein glän­zen­des Heim...“ Schloss Dra­chen­burg – Ein Denk­mal der spä­ten Rhein­ro­man­tik, in: Der Dra­chen­fels als ro­man­ti­sches Rei­se­ziel, Bonn 2002, S. 146-151.
Das Ver­mächt­nis des Bör­sen­ba­rons. Ste­phan Sar­ter und Schloss Dra­chen­burg, Ma­ga­zin der NRW-Stif­tung 3 (2009).
Weiss, Ste­fan, Ein Mann will nach oben – Ste­phan von Sar­ter, in: Schloss Dra­chen­burg. His­to­ri­sche Bur­gen­ro­man­tik am Rhein, hg. v. der Nord­rhein-West­fa­len-Stif­tung, Ber­lin/Mün­chen 2010, S. 35-47.

Online

Schloß Dra­chen­burg. Das Schloß der 1001 Ge­schich­ten. [On­line]
Schloß Dra­chen­burg in Kö­nigs­win­ter. Das Traum­schloß auf dem Feld des Dra­chen, Ma­ga­zin der NRW-Stif­tung 2 (2010). [On­line]
Ste­phan Sar­ter und Schloss Dra­chen­burg. Das Ver­mächt­nis des Bör­sen­ba­rons. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Klein, Ansgar S., Stephan von Sarter, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/stephan-von-sarter/DE-2086/lido/57c9425b3ab229.91898631 (abgerufen am 18.04.2024)