Valentinian I.

Römischer Kaiser (321-375 n.Chr.)

Markus Kirschbaum (Koblenz)

Eine vermutete Darstellung Kaiser Valentinians I. in Form einer Marmorbüste, Original: Ny Carlsberg Glyptothek Kopenhagen. (Marco Prins / CC0 1.0)

Es war den Zeit­um­stän­den ge­schul­det, dass Fla­vi­us Va­len­ti­nia­nus, ein tüch­ti­ger Sol­dat ein­fachs­ter Her­kunft, an die Spit­ze des Welt­rei­ches ge­lan­gen konn­te. Va­len­ti­ni­an I. sta­bi­li­sier­te durch Ge­walt und Ver­hand­lun­gen die Gren­zen des Rei­ches und be­ru­hig­te des­sen in­ne­re Ver­wer­fun­gen, die sich im Zu­ge re­li­giö­ser In­to­le­ranz auf­ge­tan hat­ten. Die Zu­ge­hö­rig­keit des Rhein­lan­des zu die­sem zi­vi­li­sa­to­ri­schen Gro­ß­ver­band wur­de durch Va­len­ti­ni­ans klu­ge Stra­te­gie noch ein­mal ge­fes­tigt und ge­si­chert. 

Fla­vi­us Va­len­ti­nia­nus wur­de 321 n. Chr. in Ci­ba­lae (heu­te Vin­ko­vci in Kroa­ti­en) im Sü­den der rö­mi­schen Pro­vinz Pan­no­ni­en ge­bo­ren. Sein Va­ter Gra­tia­nus Fu­na­ri­us (nach 280-367) ent­stamm­te ei­ner ein­fa­chen christ­li­chen Fa­mi­lie der Stadt und war ein Sei­ler­bur­sche. Dar­auf wie auf sei­ne enor­me Kör­per­kraft ver­wies sein Bei­na­me Fu­na­ri­us. Schon als Jun­ge hat­te er ei­nen so star­ken Griff, dass fünf Sol­da­ten ihm ein Seil (fu­nis) nicht aus der Hand rei­ßen konn­ten.[1] Mit sei­ner heu­te un­be­kann­ten Ehe­frau hat­te Gra­ti­an min­des­tens ei­nen wei­te­ren Sohn, Fla­vi­us Iu­li­us Va­lens (328-378), der wie sein äl­te­rer Bru­der die Kai­ser­wür­de er­hal­ten soll­te. Va­len­ti­ni­an und sein Bru­der Va­lens wuch­sen im Gol­de­nen Zeit­al­ter des spät­an­ti­ken Pan­no­ni­en auf, das seit der Zeit Dio­kle­ti­ans (nach 236-312) zu ei­ner Pro­vinz von gro­ßem Wohl­stand auf­blüh­te.[2] 

Gra­ti­an mach­te Kar­rie­re im Be­we­gungs­heer Kon­stan­tins des Gro­ßen. In den 320er Jah­ren, wohl kurz vor der Ge­burt des Va­lens 328, er­hielt Gra­ti­an die höchs­te Kom­man­do­stel­le der Pro­vinz Af­ri­ca (Co­mes Af­ri­cae). Sein äl­te­rer Sohn be­glei­te­te ihn auf den neu­en Pos­ten. Hier kam Va­len­ti­ni­an erst­mals mit dem Le­ben in der Ar­mee in Be­rüh­rung. Gra­ti­an wur­de je­doch bald un­ter dem Ver­dacht der Ver­un­treu­ung sei­nes Pos­tens ent­ho­ben und kehr­te nach Ci­ba­lae zu­rück, wo er ei­nen an­sehn­li­chen Be­sitz er­warb. Kai­ser Cons­tans (320/323-350) rief Gra­ti­an zu­rück in den ak­ti­ven Dienst und er­nann­te ihn um 343 zum In­ha­ber der höchs­ten Kom­man­do­stel­le in Bri­tan­ni­en (Co­mes Bri­tan­niar­um). Nach sei­ner Kar­rie­re setz­te sich Gra­ti­an in Ci­ba­lae hoch­ge­ach­tet zur Ru­he. Aber der Gang der Er­eig­nis­se hol­te ihn ein. Kai­ser Con­stan­ti­us II. (317-361) kon­fis­zier­te sei­nen Be­sitz, weil Gra­ti­an ver­däch­tigt wur­de, an der Usur­pa­ti­on des Ma­gnen­ti­us (303-353) be­tei­ligt ge­we­sen zu sein. Va­len­ti­ni­an und Va­lens wa­ren nun die Söh­ne ei­nes be­rühm­ten, aber ver­arm­ten Ge­ne­rals.

Va­len­ti­ni­an such­te sein Glück eben­falls in der Ar­mee. Die Sol­da­ten, die un­ter Va­len­ti­ni­an dien­ten, ver­ehr­ten sei­nen hü­nen­haf­ten Va­ter, der ih­nen wie ein zwei­ter Mi­lon aus Kro­ton er­schien.[3] Va­len­ti­ni­an wie­der­um kam mit sei­ner Ge­stalt, sei­nen blon­den Haa­ren und blau­en Au­gen ganz nach dem Va­ter.[4] Zur ers­ten greif­ba­ren mi­li­tä­ri­schen Ak­ti­on Va­len­ti­ni­ans kam es 357 in Gal­li­en. Der frän­ki­sche Heer­meis­ter Sil­va­nus hat­te sich am 11.5.355 in Köln zum Kai­ser aus­ru­fen las­sen. Nach 28 Ta­gen wur­de er von loya­len frän­ki­schen Sol­da­ten er­mor­det. Dar­auf­hin er­nann­te Kai­ser Con­stan­ti­us II. am 6. No­vem­ber sei­nen Vet­ter Iu­li­an (331-363) zum Cae­sar (Un­ter­kai­ser) und sand­te ihn nach Gal­li­en, um die Au­to­ri­tät Roms wie­der­her­zu­stel­len.[5] 357 schick­te Con­stan­ti­us zwei rö­mi­sche Ar­me­en, wel­che un­ter dem Kom­man­do Iu­li­ans in ei­ner Zan­gen­be­we­gung die in das Rhein­land ein­ge­fal­le­nen Ala­man­nen ein­kes­seln und matt­set­zen soll­ten. Ob­schon völ­lig un­schul­dig, wur­de Va­len­ti­ni­an ein tak­ti­scher Feh­ler wäh­rend die­ser Ope­ra­ti­on an­ge­las­tet, wor­auf­hin er ent­las­sen wur­de und sich in sei­ne Hei­mat zu­rück­zog.

In Sir­mi­um (heu­te Srems­ka Mitro­vica in Ser­bi­en) wur­de ihm und sei­ner Frau Ma­ri­na Se­ve­ra (ge­stor­ben vor 375) am 18.4.359 der Sohn Gra­ti­an (ge­stor­ben 383) ge­bo­ren. Im glei­chen Jahr wur­de Va­len­ti­ni­an von Kai­ser Con­stan­ti­us in den ak­ti­ven Hee­res­dienst zu­rück­ge­ru­fen. Durch die Meu­te­rei der Trup­pen in Gal­li­en ein Jahr spä­ter und den Tod des Con­stan­ti­us am 3.11.361 wur­de Iu­li­an Al­lein­herr­scher des Rö­mi­schen Rei­ches. Die­ser kann­te die Hin­ter­grün­de der Ver­schwö­rung ge­gen Va­len­ti­ni­an in Gal­li­en und re­ha­bi­li­tier­te ihn öf­fent­lich, in­dem er ihn in die kai­ser­li­che Leib­wa­che auf­nahm.[6] 

Dass Va­len­ti­ni­an kurz dar­auf ver­bannt wur­de, weil er ein nicht­christ­li­ches Ri­tu­al ver­wei­ger­te, ist rei­ne Le­gen­de. Die­se An­ek­do­te of­fen­bart aber Va­len­ti­ni­ans Stel­lung in der His­to­rio­gra­phie. Trotz sei­ner her­aus­ra­gen­den Be­deu­tung ver­schwin­det er deut­lich hin­ter dem Ge­gen­satz, den die Ge­schichts­schrei­ber zwi­schen dem to­le­ran­ten Iu­li­an und dem fa­na­ti­schen Chris­ten Theo­dosi­us (347-395) kon­stru­ier­ten.

Gleich­wohl folg­te Va­len­ti­ni­an sei­nem Kai­ser auf ei­nem der grö­ß­ten Feld­zü­ge der Spät­an­ti­ke nach Per­si­en, der zu­nächst er­folg­reich ver­lief.[7] Die an­ge­spann­te Ver­sor­gungs­la­ge zwang je­doch die rö­mi­sche Ar­mee zum Rück­zug ent­lang des Ti­gris. Bei ei­nem Ge­fecht wur­de Iu­li­an so schwer ver­letzt, dass er am 26.6.363 im Mar­an­ga-Tal in der Nä­he des heu­ti­gen Samar­ra starb – wie sein Idol Alex­an­der der Gro­ße im Al­ter von 32 Jah­ren. Mit Iu­li­an, ei­nem Nef­fen Kon­stan­tins des Gro­ßen, starb der letz­te männ­li­che Nach­fah­re der kon­stan­ti­ni­schen Dy­nas­tie. Iu­li­ans Nach­fol­ger Io­vi­an (331-364) über­trug Va­len­ti­ni­an so­gleich die heik­le Mis­si­on, die gal­li­schen Le­gio­nen, die Iu­li­an sehr ver­ehrt hat­ten, auf den neu­en Kai­ser ein­zu­schwö­ren und Ge­rüch­te über ei­ne Usur­pa­ti­on Io­vi­ans zu zer­streu­en.

 

Nach dem er­folg­rei­chen Ab­schluss des Auf­tra­ges wur­de Va­len­ti­ni­an von Io­vi­an zum Tri­bun der Ge­schil­de­ten (Tri­bu­nus scho­lae se­c­un­dae scu­ta­rio­rum) be­för­dert, ei­ner Eli­te­ein­heit der Leib­wa­che, was ihm den Weg in die höchs­ten mi­li­tä­ri­schen Rän­ge öff­ne­te. Er be­glei­te­te Io­vi­an, der mit den Sas­sa­niden ein Ab­kom­men ge­schlos­sen hat­te, nach An­cy­ra (heu­te An­ka­ra). Dort blieb er zu­rück, wäh­rend der Kai­ser wei­ter nach Kon­stan­ti­no­pel zog. Am 17.2.364 je­doch ver­starb Io­vi­an in Da­da­stana in Bithy­ni­en (im Nord­wes­ten der heu­ti­gen Tür­kei) an ei­ner Koh­len­mon­oxyd-Ver­gif­tung. Die Hee­res­ver­samm­lung, die in der Spät­an­ti­ke auch de iu­re die Kai­ser­wür­de ver­gab, ei­nig­te sich schlie­ß­lich auf Va­len­ti­ni­an als Io­vi­ans Nach­fol­ger. Am 26.2.364 wur­de er in Ni­caea zum Kai­ser (Pi­us Fe­lix Au­gus­tus Pon­ti­fex Ma­xi­mus Pa­ter Pa­triae Pro­con­sul Vic­tor Ma­xi­mus et Tri­um­pha­tor Sem­per Au­gus­tus) aus­ge­ru­fen. Noch wäh­rend der Fei­er­lich­kei­ten der Amts­ein­füh­rung er­nann­te er am 28.3.364 sei­nen Bru­der Va­lens zu Mit­kai­ser.

Bei­de Kai­ser reis­ten über Kon­stan­ti­no­pel nach Nais­sus (heu­te Niš in Ser­bi­en), der Ge­burts­stadt Kon­stan­tins des Gro­ßen. Dort leg­ten sie ih­re Auf­ga­ben­be­rei­che fest: Va­len­ti­ni­an über­trug Va­lens die Wacht über den Os­ten, wäh­rend er selbst sich um die Gal­li­sche Prä­fek­tur küm­mern woll­te, zu der das heu­ti­ge links­rhei­ni­sche Deutsch­land, Eng­land, Frank­reich, Spa­ni­en und Tei­le von Ma­rok­ko und Al­ge­ri­en ge­hör­ten. Zu­züg­lich der Pro­vin­zen Ita­lia und Il­ly­ri­cum bil­de­ten die­se Län­der den Wes­ten des Rei­ches. Nach­dem die Zu­stän­dig­kei­ten ver­ab­re­det wa­ren, trenn­ten sich die Brü­der in Sir­mi­um. Sie soll­ten sich nicht wie­der­se­hen.

Schon in Nais­sus trat zum ers­ten Mal der We­sens­zug zu Ta­ge, der das ge­sam­te Re­gie­rungs­pro­gramm Va­len­ti­ni­ans prä­gen soll­te. Er fass­te die Fra­ge der Re­li­gi­on als ein po­li­ti­sches Mit­tel zum Zweck der in­ne­ren Sta­bi­li­tät auf. Da­her pro­kla­mier­te er am 11.6.364 die Re­li­gi­ons­frei­heit. Über­dies ver­wei­ger­te er sein Ein­grei­fen in re­li­giö­se Dis­pu­te. Al­le Ent­schei­dun­gen Va­len­ti­ni­ans in Re­li­gi­ons­fra­gen tru­gen fort­an po­li­ti­sche Zü­ge. Va­len­ti­ni­an hielt kon­se­quent an die­ser Pro­gram­ma­tik fest. Das zeig­te sich bei der Papst­wahl 366 oder sei­ner Schei­dung und Wie­der­ver­hei­ra­tung 370. Ziel die­ser In­nen­po­li­tik war die Er­neue­rung der na­tio­nal-po­li­ti­schen In­te­gri­tät des Rö­mi­schen Rei­ches als staats­recht­li­che Ein­heit. 

Zu­nächst aber „er­klan­gen fast im gan­zen rö­mi­schen Erd­kreis die Kriegs­trom­pe­ten“ (velut per uni­ver­sum or­bem Ro­ma­num ca­nen­ti­bus bu­ci­nis).[8] Im Jahr 365 wur­de das Rö­mi­sche Reich an al­len Gren­zen be­drängt. Über­dies em­pör­te sich Pro­co­pi­us, der mit dem kon­stan­ti­ni­schen Haus ver­wandt war, und ließ sich am 28.9.365 in Kon­stan­ti­no­pel zum Kai­ser aus­ru­fen. Das war der er­schre­cken­de Be­fund zu Be­ginn der Herr­schaft der bei­den Kai­ser, die in die­sem Jahr zum ers­ten Mal das Kon­su­lat an­nah­men. Va­len­ti­ni­an er­fass­te die La­ge blitz­schnell und han­del­te. Er be­gab sich um­ge­hend nach Pa­ris und über­ließ Va­lens die An­ge­le­gen­heit Pro­co­pi­us. Va­lens er­wies sich als tüch­ti­ger Ver­wal­ter sei­nes Auf­ga­ben­ge­bie­tes und ließ Pro­co­pi­us am 27.5.366 hin­rich­ten.[9]

Va­len­ti­ni­an blieb den Rest des Jah­res und die ers­te Hälf­te des Jah­res 367 in Reims. 366 griff er zu­guns­ten des mehr­heit­lich ge­wähl­ten Da­ma­sus (um 305-384) in die Papst­wahl ein. Die An­hän­ger des Ge­gen­kan­di­da­ten Ursi­nus (ge­stor­ben nach 387) wur­den der Stadt Rom ver­wie­sen. Va­len­ti­ni­an er­laub­te aber ih­re Rück­kehr un­ter der Vor­aus­set­zung, Frie­den zu hal­ten. Gleich­zei­tig ver­wei­ger­te er Da­ma­sus als Bi­schof von Rom ei­ne recht­lich pri­vi­le­gier­te Stel­lung. An­ge­sichts der ge­spann­ten La­ge in Gal­li­en konn­te er kei­ne Un­ru­he in die­ser wich­ti­gen Stadt dul­den.[10]

Wäh­rend des Win­ters er­krank­te er schwer und war dem To­de na­he. An­ge­sichts die­ser Er­fah­rung er­nann­te er nach sei­ner Ge­ne­sung sei­nen Sohn Gra­ti­an am 24.8.367 in Ami­ens zum Mit­kai­ser. Den Win­ter 367/368 ver­brach­ten die bei­den Kai­ser in Trier. Dies war der ers­te dau­er­haf­te Auf­ent­halt Va­len­ti­ni­ans in der Stadt des Au­gus­tus. Da­mit be­gann für Trier ei­ne letz­te nach­hal­ti­ge Blü­te­zeit.

Valentinian I. mit Perlendiadem, Darstellung auf Münze aus Valentinians Herrschaft.

 

Um die fort­dau­ern­den Plün­de­rungs­zü­ge der Ala­man­nen zu be­en­den, ging Va­len­ti­ni­an im Ju­ni 368 von Trier aus in die Of­fen­si­ve. Im Sep­tem­ber traf das rö­mi­sche Heer auf die Haupt­macht der Ala­man­nen bei So­li­ci­ni­um (heu­te Wüs­tung bei Rot­ten­burg am Ne­ckar). Va­len­ti­ni­an griff die auf ei­ner An­hö­he ver­schanz­ten Ala­man­nen von zwei Sei­ten an und warf den Feind über den Fluss. Der Er­folg war teu­er er­kauft, hin­ter­ließ aber bei den Ala­man­nen ei­nen sol­chen Ein­druck, dass sie in den nächs­ten Jah­ren kei­ne Über­fäl­le mehr auf das Reichs­ge­biet wag­ten. Die Rhein­gren­ze war zu­rück­ge­won­nen und die De­mons­tra­ti­on rö­mi­scher Schlag­kraft brach­te Sta­bi­li­tät an den Strom. Die bei­den Kai­ser kehr­ten nach Trier zu­rück und die Stadt er­leb­te ei­nen präch­ti­gen Tri­umph­zug von Va­ter und Sohn.[11]  Va­len­ti­ni­an zog aber so­gleich wei­ter nach Köln, um von dort aus Auf­stän­de der Fran­ken in den Rhein­mün­dun­gen nie­der­zu­schla­gen. Zeit­gleich konn­te Bri­tan­ni­en ge­si­chert und die neue Pro­vinz mit dem Na­men Va­len­tia (in et­wa das heu­ti­ge Cum­bria) zu Eh­ren Va­len­ti­ni­ans ein­ge­rich­tet wer­den. Um die Rhein­gren­ze dau­er­haft zu si­chern, be­gann Va­len­ti­ni­an noch 368 mit ei­nem gro­ßan­ge­leg­ten Fes­tungs­bau­pro­gramm, das ei­ne Li­nie von Bou­lo­gne bis nach Rae­ti­en (das heu­ti­ge Bay­ern) vor­sah.

Grund­la­ge war die Wie­der­her­stel­lung kon­stan­ti­ni­scher Wehr­an­la­gen wie Deutz (heu­te Stadt Köln), Bop­pard, Ko­blenz o­der Haus Bür­gel bei Düs­sel­dorf. Fur­ten und Ein­mün­dun­gen von rechts­rhei­ni­schen Flüs­sen wur­den be­son­ders über­wacht. Da­zu bau­te man Schiffs­län­den wie in Lahn­stein bei Ko­blenz. Die­se klei­nen Fes­tun­gen wur­den rechts­rhei­nisch an den na­tür­li­chen An­prall­zo­nen der Strö­mung er­rich­tet und bo­ten mit ih­ren in den Fluss rei­chen­den Flü­gel­mau­ern ei­ne si­che­re Lan­de­stel­le für die Schif­fe der Fluss­flot­til­le (na­ves lu­so­riae). Die In­nen­be­bau­ung von Kas­tel­len ent­lang der Fern­stra­ßen, wie Bit­burg und Jün­kerath an der Stra­ße von Trier nach Köln, wur­de da­durch wi­der­stands­fä­hi­ger ge­macht, in­dem die Ge­bäu­de di­rekt an die di­cken Mau­ern an­ge­baut wur­den. Gro­ße Brü­cken­köp­fe wie Kas­tel (bei Mainz), Al­trip und Brei­sach er­füll­ten ei­nen dop­pel­ten Zweck: Ei­ner­seits wur­de der Zu­gang nach Trier ge­sperrt und an­de­rer­seits die Mög­lich­keit er­öff­net, of­fen­siv ge­gen die Ala­man­nen vor­zu­ge­hen.

Die­ses Sys­tem, des­sen Ein­rich­tung Va­len­ti­ni­an per­sön­lich in­spi­zier­te, hielt mehr als 40 Jah­re al­len An­grif­fen stand. Die La­ge in den Rhein­lan­den wur­de als der­art si­cher auf­ge­fasst, dass der Ora­tor Sym­ma­chus (342-402/03) im Fe­bru­ar 369 über den Strom sa­gen konn­te: A nos­tris Al­pi­bus in no­strum exit ocea­num ([Der Rhein flie­ßt] von un­se­ren Al­pen bis in un­se­ren Oze­an).[12] Wich­tig ist die­se Quel­le auch des­halb, weil so vie­le Neu- und Aus­bau­ten da­tiert wer­den kön­nen, wie Al­zey, Ko­blenz, Worms oder Kreuz­nach.

370 ver­ließ Va­len­ti­ni­an sei­ne Frau Ma­ri­na Se­ve­ra und hei­ra­te­te Ius­ti­na (ge­stor­ben 388), die Wit­we des Usur­pa­tors Ma­gnen­ti­us. 371 wur­de in Trier der Sohn Fla­vi­us Va­len­ti­nia­nus (ge­stor­ben 392) ge­bo­ren, der schon bald Kai­ser wer­den wür­de. Aus die­ser Ehe gin­gen noch die Töch­ter Gal­la (ge­stor­ben 394), Gra­ta und Ius­ta her­vor.

Nun stand für Va­len­ti­ni­an die Si­che­rung der Do­nau an. An­fang Ju­ni 375 ließ er Gra­ti­an in Trier zu­rück und zog mit sei­ner Frau und Va­len­ti­ni­an auf der Do­nauli­mes­stra­ße nach Pan­no­ni­en. Er ver­weil­te drei Mo­na­te in Car­nun­tum in Nie­der­ös­ter­reich, das er wie­der­her­stel­len ließ. Da­nach zog er ins Win­ter­la­ger nach Bri­ge­tio (heu­te Komárom in Un­garn). Im Ver­lauf ei­ner Ver­hand­lung mit ei­ner Ge­sandt­schaft der Qua­den ge­riet Va­len­ti­ni­an ob de­ren Aus­flüch­te in Zorn, und wäh­rend sei­ner wü­ten­den Er­wi­de­rung brach er in Fol­ge ei­nes Schlag­an­falls zu­sam­men. Sein To­des­tag war der 17.11.375. Va­len­ti­ni­an I., der letz­te er­folg­rei­che Sol­dat auf dem Kai­ser­thron, wur­de in der Apos­tel­kir­che (Άγιοι Απόστολοι, heu­te Fa­tih Mo­schee) von Kon­stan­ti­no­pel bei­ge­setzt.

Die Dy­nas­tie Va­len­ti­ni­ans schau­te in die Ver­gan­gen­heit und wies in die Zu­kunft. Sei­ne Schwie­ger­toch­ter ent­stamm­te der Kon­stan­ti­ni­schen Dy­nas­tie. Con­stan­tia war die Toch­ter Kai­ser Con­stan­ti­us´ II. und En­ke­lin Kon­stan­tins des Gro­ßen. Über Va­len­ti­ni­ans Toch­ter Gal­la (ge­stor­ben 394) reich­te die Li­nie bis in die Theo­dosia­ni­sche Dy­nas­tie hin­ein. Gal­la wur­de die zwei­te Frau von Theo­dosi­us I. De­ren Toch­ter Gal­la Pla­ci­dia (390-450), Mut­ter von Kai­ser Va­len­ti­ni­an III. (419-455), war lan­ge Jah­re fak­tisch Re­gen­tin des West­rö­mi­schen Rei­ches. Aus dem Fa­mi­li­en­ver­band Va­len­ti­ni­ans gin­gen 14 Kai­ser her­vor. Die Li­nie er­losch im Os­ten mit Mar­ki­an (390-457) und im Wes­ten mit Ani­ci­us Oly­bri­us (ge­stor­ben 472). Aber auch das Van­da­len­reich in Nord­afri­ka (439-534) war mit dem Kai­ser­haus ver­bun­den. Eu­do­cia (439-471/472), ei­ne Toch­ter Va­len­ti­ni­ans III., hei­ra­te­te 455/456 Hu­ne­rich (420-484), Sohn und Nach­fol­ger Gei­se­richs (389-477), des Er­obe­rers Roms vom Jahr 455. Eu­do­ci­as und Hu­ne­richs Sohn Hil­de­rich (457-533), der Ur­ur­ur­en­kel Va­len­ti­ni­ans, war der vor­letz­te Van­da­len­kö­nig Afri­kas. So­mit herrsch­ten Va­len­ti­ni­ans Nach­fah­ren fast 200 Jah­re auf drei Kon­ti­nen­ten. 

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Solidus aus der Zeit Valentinians I., in Trier geprägt, Original: Musée d'archéologie nationale de Saint-Germain-en-Laye, Inv n° 1499 N. (Siren-Com / CC BY-SA 3.0)

 
Anmerkungen
  • 1: Ammianus Marcellinus 30,7,2-3. Seyfahrt, Wolfgang, Ammianus Marcellinus. Römische Geschichte. Vierter Teil, Darmstadt 1971.
  • 2: Lenski, Noel E., Failure of Empire. Valens and the Roman State in the Fourth Century, Berkely 2002, S, 45.
  • 3: Milon aus Kroton war ein griechischer Ringkämpfer aus dem 6. Jhd. v. Chr. und sechsfacher Periodonike, also im Vierjahreszyklus Sieger bei allen Panhellenischen Spielen.
  • 4: Ammianus Marcellinus 30,9,6. Wie Anm. 1.
  • 5: Ammianus Marcellinus 16,3,1-3. Seyfahrt, Wolfgang, Ammianus Marcellinus. Römische Geschichte. Erster Teil, Darmstadt 1968; Vgl. Dietmar, Carl/Trier, Marcus, Colonia. Stadt der Franken. Köln vom 5. Bis zum 10. Jahrhundert, Köln 2011, S. 35f.
  • 6: Sozomenos 6,6, Philostorgios 7,7. Hansen, Günter-Christian (Hg.), Sozomenos. Kirchengeschichte. Dritter Halbband (= Fontes Christiani, Band 73/3), Turnhout 2004; Bidez, Joseph (Hg.), Philostorgius. Kirchengeschichte. Mit dem Leben des Lucian von Antiochien und den Fragmenten eines arianischen Historiographen, Leipzig 1913.
  • 7: Vgl. Brodersen, Kai, Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung (= Spudasmata, Band 59), Hildesheim 1995, S. 191.
  • 8: Ammianus Marcellinus 26,4,5. Wie Anm. 1.
  • 9: Wanke, Ulrich, Die Gotenkriege des Valens. Studien zu Topographie und Chronologie im unteren Donauraum 366-378 n. Chr. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, 412. Band), Frankfurt a. M./Bern/New York/Paris 1990, S. 73.
  • 10: Vgl. Errington, Robert Malcolm, Roman Imperial Policy from Julian to Theodosius, Chapel Hill (N.C.), 2006, S. 192.
  • 11: Ausonius Mosella 423. Dräger, Paul (Hg.), Decimus Magnus Ausonius. Opera Omnia. Tomus II: Opera Trevirensia, Trier 2011.
  • 12: Symmachus, Laudatio in Gratiano Augustum, 9. Seeck, Otto, Q. Aurelii Symachii quae supersunt, Berlin 1883.
Zitationshinweis

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Kirschbaum, Markus, Valentinian I., in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/valentinian-i./DE-2086/lido/5ce3da303f9cf4.69465594 (abgerufen am 23.09.2023)