Veronika Schüffelgen

Bonner Blumenfrau (1845–1937)

Barbara Hausmanns (Wachtberg)

Veronika Schüffelgen in der typischen Kleidung einer Blumenfrau, Porträtfoto, 1890er Jahre. (Privatbesitz)

Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen, be­kannt auch als „Mut­ter Schüf­fel­gen“, war ei­ne Blu­men­frau aus Vil­lip (heu­te Ge­mein­de Wacht­berg), die wäh­rend der Kai­ser­zeit we­gen ih­res Mut­ter­wit­zes zu ei­ner der Iko­nen der zahl­rei­chen Bon­ner Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen- und Corps wur­de. Bis heu­te gilt sie als Bon­ner O­ri­gi­nal. 

Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen kam am 27.5.1845 als Toch­ter von Pe­ter und Ur­su­la Münch, ge­bo­re­ne Hoff­mann, in Vil­lip - da­mals ein 500-See­len-Dorf na­he Bonn – zur Welt. Die Be­völ­ke­rung der Bür­ger­meis­te­rei Vil­lip, zu der das Dorf ge­hör­te, be­stand vor al­lem aus Klein- und Kleinst­bau­ern, de­ren wirt­schaft­li­che La­ge pre­kär war, so­dass viel Haus­we­be­rei im Ne­ben­er­werb be­trie­ben wur­de. Auch Ve­ro­ni­kas Va­ter war ne­ben der Be­wirt­schaft sei­nes bäu­er­li­chen Klein­be­triebs We­ber, wie wohl schon vor ihm sein Va­ter. Ve­ro­ni­ka be­such­te die ört­li­che Dorf­schu­le, wo sie Le­sen und Schrei­ben lern­te. Ihr Re­chen­ta­lent soll­te sie spä­ter als er­folg­rei­che Ge­schäfts­frau un­ter Be­weis stel­len. 

 

Am 20.7.1868 hei­ra­te­te sie den eben­falls aus Vil­lip stam­men­den Ar­bei­ter Theo­dor Schüf­fel­gen (1837-1918). Aus der Ehe gin­gen sechs Töch­ter und vier Söh­ne her­vor. Theo­dor Schüf­fel­gen er­ziel­te aus sei­ner Ar­beit als Ta­ge­löh­ner oder Na­gel­schmied (hier sind die Quel­len nicht ein­deu­tig) wohl nur ein un­re­gel­mä­ßi­ges und ge­rin­ges Ein­kom­men, so­dass die Fa­mi­lie Mü­he hat­te, ih­re statt­li­che Kin­der­schar durch­zu­brin­gen. Das könn­te Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen da­zu ge­bracht ha­ben, als Blu­men­frau für ei­ne zu­sätz­li­che Ein­nah­me­quel­le zu sor­gen. Denk­bar ist auch, dass sie sich schon vor ih­rer Hei­rat als Blu­men­frau in Bonn be­tä­tigt hat­te. Ih­re Ge­schäfts­idee war so ge­ni­al wie ein­fach, denn gro­ße In­ves­ti­tio­nen wa­ren da­für nicht nö­tig, Blu­men lie­ßen sich zu­min­dest von Früh­jahr bis Herbst aus dem ei­ge­nen Gar­ten in Vil­lip und aus der Um­ge­bung be­schaf­fen. Bonn, seit der Uni­ver­si­täts­grün­dung im Jahr 1818 ei­ne auf­blü­hen­de Stu­den­ten­stadt, bot da­für ein gu­tes Pflas­ter. 

Den 15 Ki­lo­me­ter lan­gen Weg nach Bonn leg­te Mut­ter Schüf­fel­gen bis ins ho­he Al­ter in der Re­gel zu Fuß zu­rück. Mit ih­rer Ar­beit, die sie wohl spä­tes­tens An­fang der 1920er Jah­re be­en­de­te, er­wirt­schaf­te­te sie für ih­re Fa­mi­lie ein klei­nes Ver­mö­gen. Für Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen wa­ren die Stu­den­ten ein wich­ti­ger Teil ih­rer Kund­schaft, denn de­ren Be­darf an Blu­men war im Um­gang mit jun­gen Da­men na­tur­ge­mäß be­son­ders groß. Ähn­lich wie die be­rühm­te Lin­den­wir­tin Aenn­chen Schu­ma­cher, mit der sich die Vil­li­per Blu­men­frau gut ver­stand, ge­hör­te Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen wie selbst­ver­ständ­lich zu­r Bon­ner Stu­den­ten­sze­ne. Bei­de Frau­en, so ver­schie­den sie auch wa­ren, ver­ban­den ei­ne ge­sun­de Ge­schäfts­tüch­tig­keit mit viel Herz und Ver­stand und ge­wan­nen so mit müt­ter­li­chem Rat das be­son­de­re Ver­trau­en der Stu­den­ten.

Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen war im­mer dort an­zu­tref­fen, wo stu­den­ti­sches Le­ben statt­fand. Sie ver­kauf­te ih­re Blu­men bei den Früh­schop­pen der Kor­po­ra­tio­nen, bei den Ex­amens­fei­ern „der Hä­re Dok­to­re“, bei den Stif­tungs­fes­ten und den üb­ri­gen Fei­er­lich­kei­ten der zahl­rei­chen Corps und Ver­bin­dun­gen. Die (al­te) Kai­ser­hal­le, die (al­te) Beet­ho­ven­hal­le, das „Hähn­chen“, die Go­des­ber­ger Gast­stät­te „Zur Lin­den­wir­tin“ und vie­le an­de­re Bon­ner Wirt­schaf­ten wa­ren die Or­te, wo „Mut­ter Schüf­fel­gen“ ein- und aus­ging. Ve­ro­ni­ka hat­te – wie sich vie­le ih­rer stu­den­ti­schen Kun­den spä­ter er­in­ner­ten – ei­ne un­nach­ahm­li­che Art in brei­tem Platt mit rol­len­dem „R“ ein Ver­kaufs­ge­spräch zu be­gin­nen: „E Strü­ßche, Herr Dok­ter“ war ein be­lieb­ter Ein­stieg ins Ge­schäft, wo­bei sie al­le Stu­den­ten grund­sätz­lich mit die­sem aka­de­mi­schen Ti­tel be­dach­te. Bes­ser ge­klei­de­te „Zi­vi­lis­ten“ wur­den von vorn­her­ein in den Adels­stand er­ho­ben und mit „Herr Ba­ron“ an­ge­spro­chen. Er­schie­nen die jun­gen Her­ren in Da­men­be­glei­tung, setz­te sie noch „Nämmt doch e Strü­ßche für Üe­her Fräu­lein Braut!“ hin­zu, und für „nen Jro­schen“ wech­sel­te dann ga­ran­tiert ein klei­nes Blu­men­ge­bin­de zu ei­ner lä­cheln­den jun­gen Frau. 

Ne­ben den stu­den­ti­schen Stamm­kun­den zähl­ten auch vie­le an­ge­se­he­ne Bon­ner Bür­ger und der Adel zu ih­rer Kund­schaft. Als Stu­den­ten und Mit­glie­der des „Corps Bo­rus­si­a“ wa­ren dar­un­ter auch die Ho­hen­zol­lern­prin­zen. So hat­te Kai­ser Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918) die Blu­men­frau wäh­rend sei­ner Bon­ner Stu­den­ten­zeit von Herbst 1877 bis 1879 auf dem Bon­ner Ge­mü­se­markt ken­nen ge­lernt. Ihr Ein­druck auf ihn war of­fen­sicht­lich so nach­hal­tig, dass er bei kei­nem Bonn-Be­such ver­gaß, ihr Grü­ße be­stel­len zu las­sen. 

Zu ih­rer Gold­hoch­zeit im Kriegs­jahr 1918 gra­tu­lier­ten dann auch der Kai­ser mit ei­nem Te­le­gramm so­wie ei­nem Bild­nis mit Wid­mung wie auch Kron­prinz Wil­helm (1882–1951) – auch er hat­te in Bonn stu­diert und kann­te die Blu­men­frau - mit ei­nem Päck­chen, das der ört­li­che Bür­ger­meis­ter über­rei­chen durf­te. Sei­ne Ma­jes­tät der Kai­ser und Kö­nig ha­ben er­fah­ren, dass die Al­ler­höchst ih­nen von Bonn her be­kann­te Frau Theo­dor Schüf­fel­gen sen. dort am 20. Ju­li d. Js. ih­re gol­de­ne Hoch­zeit fei­ert, und ihr aus die­sem An­laß das bei­lie­gen­de Bild­nis mit Al­ler­höchs­tem Na­mens­zug und Wid­mung zu ver­lei­hen ge­ruht. Im Al­ler­höchs­ten Auf­tra­ge er­su­che ich Sie, für die Be­hän­di­gung des Bil­des an die Ju­bi­la­rin am 20. d. Mts. Sor­ge zu tra­gen, hei­ßt es in dem kai­ser­li­chen Schrei­ben an den Bür­ger­meis­ter der Bür­ger­meis­te­rei Vil­lip, Wil­helm Ha­cken­broch. Auch der Schrift­stel­ler Ru­dolf Her­zog (1869–1943) schick­te ei­nen Gruß zur Gold­hoch­zeit der Schüf­fel­gens. 

Vil­lip war den Ho­hen­zol­lern bes­tens ver­traut, denn sie pfleg­ten en­ge Be­zie­hun­gen zu Ge­heim­rat Theo­dor Ba­ron von Guil­leau­me (1861–1933), dem In­ha­ber ­der welt­weit agie­ren­den Köl­ner Ka­bel­fa­brik Fel­ten & Guil­leau­me und Be­sit­zer der bei Vil­lip ge­le­ge­nen Burg Gu­denau. 

Goldhochzeit von Theodor und Veronika Schüffelgen am 20.7.1918 in Villip im Kreise ihrer Kinder und Enkel. (Privatbesitz)

 

Die vie­len Glück­wün­sche zu ih­rem 90. Ge­burts­tag am 27.5.1935 zei­gen, dass Wir­ken und Per­sön­lich­keit der Mut­ter Schüf­fel­gen un­ver­ges­sen wa­ren. So er­reich­ten sie ne­ben Grü­ßen aus Vil­lip und Bonn auch wel­che aus Ber­lin und Tü­bin­gen, so­gar ein Schrei­ben aus New York war da­bei. Das Stu­den­ten­corps „Bo­rus­si­a“ dach­te an sie eben­so wie die Wit­we des Theo­dor von Guil­leau­me, die sich mit gu­ten Wün­schen von Burg Gu­denau mel­de­te. 

Brief von Ännchen Schumacher an Mutter Schüffelgen zu deren vermeintlichem 90. Geburtstag am 26.5.1934.

 

Ein Jahr zu­vor war ein ver­früh­ter Gruß zum 90. Ge­burts­tag von Aenn­chen Schu­ma­cher an­ge­kom­men, die Ve­ro­ni­ka mit lie­be­vol­len Wor­ten gra­tu­lier­te. Dar­in ver­wies die Lin­den­wir­tin, die ger­ne ein Ge­heim­nis aus dem ei­ge­nen Al­ter mach­te, auf ih­ren be­vor­ste­hen­den 75. Ge­burts­tag am 22.1.1935. Ve­ro­ni­ka hat über das klei­ne Ver­se­hen gro­ßzü­gig hin­weg­ge­se­hen und Aenn­chen freund­lich ge­dankt. 

Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen starb mit 92 Jah­ren am 22.7.1937 in Vil­lip und wur­de ne­ben ih­rem Mann auf dem dor­ti­gen Fried­hof be­gra­ben, wo ihr Grab bis heu­te er­hal­ten ist. 

Literatur

Haus­manns, Bar­ba­ra, „Den Preis be­stimmt der Här Dok­tor selvs“. Ein Por­trät der le­gen­dä­ren Vil­li­per Blu­men­frau Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen, in: Jahr­buch des Rhein-Sieg-Krei­ses 2008 (2007), S. 30–38.
Haus­manns, Bar­ba­ra, Wo Bon­ner Stu­den­ten ihr Herz aus­schüt­te­ten - ein Dop­pel­por­trät von zwei star­ken Frau­en: der le­gen­dä­ren Vil­li­per Blu­men­frau Ve­ro­ni­ka Schüf­fel­gen und der be­rühm­ten Lin­den­wir­tin Aenn­chen Schu­ma­cher, in: Go­des­ber­ger Hei­mat­blät­ter 45 (2008), S. 84–102.
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, Bonn 2007, S. 286-287.

2. Seite des Briefs mit Unterschrift von Ännchen Schumacher.

 
Zitationshinweis

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Hausmanns, Barbara, Veronika Schüffelgen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/veronika-schueffelgen/DE-2086/lido/57c94a9681a238.73780347 (abgerufen am 16.04.2024)