Walter Först

Journalist und Landeshistoriker (1920-1993)

Katrin Minner (Siegen/Münster)

Walter Först, Fotografie vom 11.9.1954. (© WDR)

Wal­ter Först avan­cier­te durch sei­ne lang­jäh­ri­ge Tä­tig­keit als Lei­ter der WDR-Hör­funk-Lan­des­re­dak­ti­on zu ei­nem pro­fi­lier­ten Ex­per­ten der Lan­des­ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens. Es war sein An­lie­gen, über den re­gio­na­len Rund­funk die In­te­gra­ti­on der drei Lan­des­tei­le Rhein­land, West­fa­len und Lip­pe in das 1946 ge­grün­de­te Bun­des­land zu för­dern. Als er 1985 in den Ru­he­stand trat, wur­de wür­di­gend her­vor­ge­ho­ben, dass er durch sein en­ga­gier­tes Wir­ken in Be­ruf und ne­ben­amt­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten den „Bin­de­strich“ zwi­schen den Lan­des­tei­len kür­zer ge­macht ha­be. Sein be­son­de­res In­ter­es­se galt der rhei­ni­schen Lan­des­ge­schich­te des 19. und 20. Jahr­hun­derts.

Wal­ter Karl Ma­ria Först wur­de am 20.12.1920 in Düs­sel­dorf ge­bo­ren. Sei­ne El­tern wa­ren der Stadt­ober­inspek­tor Fried­rich Wil­helm Först (ge­bo­ren 1886) und sei­ne Frau An­na Hu­ber­ti­ne, ge­bo­re­ne Stö­cker (ge­bo­ren 1892). Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. Försts Schul­zeit in Düs­sel­dorf fiel in die letz­ten Jah­re der Wei­ma­rer Re­pu­blik und die Pha­se der Macht­er­grei­fung der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten. 1936 ver­ließ er das Staat­li­che Ho­hen­zol­lern-Gym­na­si­um mit dem Zeug­nis der mitt­le­ren Rei­fe. Sei­ne Ju­gend­jah­re präg­ten Ak­ti­vi­tä­ten in Ju­gend­ver­bän­den: Vom Som­mer 1930 bis Som­mer 1934 ge­hör­te er dem ka­tho­li­schen Ju­gend­bund Neu­deutsch­land (ND) an. 1934 wech­sel­te er in die Hit­ler-Ju­gend (HJ), laut ei­ge­ner Aus­sa­ge im Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren als Fol­ge der „Zwangs­auf­lö­sun­g“ des ND, bei der „den Mit­glie­dern die Über­füh­rung in die Hit­ler-Ju­gend na­he­ge­leg­t“ wor­den sei.

Über sei­ne Mit­glied­schaf­ten in der NS-Zeit mach­te Först nach 1945 fol­gen­de An­ga­ben: Der HJ ha­be er vom 1.4.1934 bis Mai 1938 an­ge­hört. Auch ha­be er am Pro­gramm des Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kraft­fahr­korps (NSKK) teil­ge­nom­men. Zwi­schen Ja­nu­ar 1937 und Mai 1939 sei er Mit­glied der Deut­schen Ar­beits­front (DAF) ge­we­sen, fer­ner der NS-Volks­wohl­fahrt (NSV) und 1931-1935 des Volks­bun­des für das Deutsch­tum im Aus­land (VDA). Für die Auf­nah­me sei­ner li­te­ra­ri­schen Tä­tig­keit ha­be er ab Ja­nu­ar 1936 der Reichs­schrift­tums­kam­mer an­ge­hört. Wäh­rend für Wal­ter Först kei­ne Mit­glied­schaft in der NS­DAP do­ku­men­tiert ist, fun­gier­te sein Va­ter als Block­wal­ter der NS­DAP in Düs­sel­dorf-Ober­kas­sel.

Nach dem Schul­ab­schluss wur­de Först im Ok­to­ber 1936 Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter bei der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer Düs­sel­dorf, wo er bis Mai 1939 ein­fa­che Bü­ro­ar­bei­ten er­le­dig­te. Für sei­nen spä­te­ren Le­bens­weg ent­schei­den­der war, dass er ne­ben­be­ruf­lich be­gann, für das Feuille­ton ur­sprüng­lich bür­ger­li­cher Pres­se­or­ga­ne wie die Köl­ni­sche Zei­tung, die Frank­fur­ter Zei­tung und die Deut­sche All­ge­mei­ne Zei­tung zu schrei­ben. Im Früh­jahr 1939 er­hielt Först ei­nen Vor­ver­trag des Pro­py­lä­en-Ver­lags in Ber­lin für ein Ro­man­ma­nu­skript und das An­ge­bot, als Lek­tor im Deut­schen Ver­lag mit­zu­ar­bei­ten. 1939 ver­ließ er sei­ne Ver­wal­tungs­stel­le in Düs­sel­dorf und wur­de haupt­be­ruf­lich frei­er Schrift­stel­ler und Jour­na­list. Trotz der po­li­tisch stark re­gle­men­tier­ten und ge­steu­er­ten Rah­men­be­din­gun­gen der Pres­se- und Ver­lags­land­schaft in der NS-Dik­ta­tur ent­schied er sich, zu­künf­tig al­lein mit die­sem Be­ruf sei­nen Le­bens­un­ter­halt zu ver­die­nen. Im Sep­tem­ber 1939 sie­del­te er nach Ber­lin über und schrieb für Pres­se­or­ga­ne mit dem Be­stre­ben um ho­he Qua­li­tät, wie bei­spiels­wei­se die im Früh­jahr 1940 ge­grün­de­te Wo­chen­zei­tung „Das Reich“, das „In­tel­li­genz­blatt der Dik­ta­tur“ (Sonn­tag). We­gen der ge­ra­de auf­ge­nom­me­nen Tä­tig­keit be­müh­te sich Först zu­nächst um ei­ne Be­frei­ung vom Mi­li­tär­dienst, wur­de aber im Ok­to­ber 1940 zur Wehr­macht ein­ge­zo­gen. Sei­ne im Kriegs­dienst er­wor­be­nen tech­ni­schen Kennt­nis­se als Fern­spre­cher und Fun­ker wa­ren ver­mut­lich für sei­ne spä­te­re Ar­beit als Rund­funk­jour­na­list hilf­reich. Wäh­rend der Kriegs­zeit griff er, so­weit die Um­stän­de es zu­lie­ßen, wei­ter zur Fe­der. Er steu­er­te bei­spiels­wei­se ei­nen Bei­trag zu dem von Wil­fried Ba­de (1906-1945) und Wil­mont Haa­cke (1911-2008) im Sin­ne der NS-Pro­pa­gan­da her­aus­ge­ge­be­nen Sam­mel­band „Das hel­di­sche Jahr“ (1941) bei und plan­te die Her­aus­ga­be ei­ner Kriegs­feuille­ton­samm­lung. Nach ei­ner Ver­wun­dung ver­brach­te Först ei­ne Re­kon­va­les­zenz­zeit zwi­schen März und Sep­tem­ber 1943 in Ber­lin und be­gann, für die Pro­pa­gan­da­zeit­schrift „Si­gnal“ zu ar­bei­ten, die im deutsch be­setz­ten be­zie­hungs­wei­se ver­bün­de­ten Aus­land für das na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land wer­ben soll­te. Ver­su­che des Deut­schen Ver­lags, Först als Schrift­lei­ter für die „Ber­li­ner Il­lus­trier­te“ vom Wehr­dienst be­frei­en und sei­ne Be­schäf­ti­gung un­ter dem Si­gnum von „Si­gnal“ lau­fen zu las­sen, blie­ben er­folg­los. Först wur­de wie­der zum Kriegs­dienst ab­ge­ord­net. Das Kriegs­en­de er­leb­te er, kurz nach­dem er sei­ne Frau, Ve­ra ll­se ge­bo­re­ne Ja­bel (1921-1993), ge­hei­ra­tet hat­te, in Prem­nitz-West­ha­vel­land. Im Ju­ni 1945 kehr­te er mit sei­ner Frau nach Ber­lin zu­rück und nahm wie­der ei­ne Tä­tig­keit als frei­er Jour­na­list auf. Für die­se Zeit ist erst­mals be­legt, dass er für den Rund­funk tä­tig wur­de: 1945 war er beim Ber­li­ner Rund­funk für die Rei­he „Li­te­ra­tur und Mu­sik der Völ­ker“ ver­ant­wort­lich. 

Seit der Grün­dung des li­be­ra­len „Ta­ges­spie­gel­s“ im Sep­tem­ber 1945 im west­li­chen Teil Ber­lins schrieb Först zu­nächst ge­le­gent­lich für die Zei­tung, von Ju­ni bis De­zem­ber 1946 dann als stän­di­ger Mit­ar­bei­ter im in­nen­po­li­ti­schen Res­sort. Först sah den Her­aus­ge­ber des „Ta­ges­spie­gel­s“ Erik Re­ger (ei­gent­lich Her­mann Dan­nen­ber­ger) (1893-1954) so­wie den Feuille­to­nis­ten der Wo­chen­zei­tung „Die Zeit“ Paul Fech­ter (1880-1958) als sei­ne „Men­to­ren“. Um sei­nen Be­ruf wei­ter aus­üben zu kön­nen, stell­te er im Mai 1946 bei der Ber­li­ner Ent­na­zi­fi­zie­rungs­kom­mis­si­on für Künst­ler ei­nen An­trag auf Ent­na­zi­fi­zie­rung. Auf An­ord­nung der ame­ri­ka­ni­schen Mi­li­tär­re­gie­rung muss­te er am 31.12.1946 sei­ne Tä­tig­keit als Jour­na­list beim „Ta­ges­spie­gel“ ein­stel­len. Först selbst führ­te dies in sei­nem Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren auf sei­ne frü­he­re NSKK-Mit­glied­schaft zu­rück und ver­such­te, sich ar­gu­men­ta­tiv zu ent­las­ten. Er gab auch an, dass das der ame­ri­ka­ni­schen Mi­li­tär­be­hör­de bei An­tritt der Ar­beit für den „Ta­ges­spie­gel“ im Ju­ni 1946 be­kannt ge­we­sen sei. Aus­schlag­ge­ben­der für die Sus­pen­die­rung dürf­ten aber wohl an­de­re Vor­ga­ben ge­we­sen sein: Nach dem „Hand­buch für die Kon­trol­le der deut­schen In­for­ma­ti­ons­diens­te“ vom Mai 1945, das un­ter an­de­rem ein Leit­fa­den für die Ein­stel­lung deut­schen Per­so­nals im Nach­rich­ten­we­sen war, galt für die Re­kru­tie­rung im Me­di­en­be­reich, dass sämt­li­che Jour­na­lis­ten, die für den Deut­schen Ver­lag ge­ar­bei­tet hat­ten, prin­zi­pi­ell ei­nem Be­rufs­ver­bot un­ter­lie­gen soll­ten. Wäh­rend des ge­mein­sa­men bri­tisch-ame­ri­ka­ni­schen Ober­kom­man­dos hat­te das wohl den ver­bind­li­chen Cha­rak­ter ei­ner Dienst­an­wei­sung, in­wie­weit das in der Pra­xis aber kon­se­quent um­ge­setzt wur­de, bleibt un­klar. Försts Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren wur­de im Ja­nu­ar 1948 ab­ge­schlos­sen. Da war er schon in sei­ne Hei­mat­stadt Düs­sel­dorf zu­rück­ge­kehrt und ar­bei­te­te zwi­schen 1948 und 1951 als frei­er Jour­na­list. Als Kor­re­spon­dent für ver­schie­de­ne Zei­tun­gen in Nord­rhein-West­fa­len und für die „All­ge­mei­ne Zei­tun­g“ (Vor­läu­fer der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tun­g“), die „Ba­di­sche Zei­tun­g“, die „Deut­sche Zei­tun­g“, die „Wirt­schafts­zei­tun­g“ und den „Mann­hei­mer Mor­gen“ be­rich­te­te er aus Düs­sel­dorf und ins­be­son­de­re über die Ver­hand­lun­gen des Par­la­men­ta­ri­schen Ra­tes aus Bonn.

Bei der Tä­tig­keit im Rhein­land kam Först mit de­m Nord­west­deut­schen Rund­funk (NW­DR) in Kon­takt und war seit 1947 für den Sen­der als frei­er Mit­ar­bei­ter tä­tig, bei­spiels­wei­se für Thea­ter­re­zen­sio­nen und Fea­tures. Zum 1.10.1951 er­hielt er ei­ne An­stel­lung als Nach­rich­ten­re­dak­teur in der Ab­tei­lung Po­li­tik in Köln. Er spe­zia­li­sier­te sich auf die re­gio­na­le Be­richt­er­stat­tung aus Nord­rhein-West­fa­len, die das Bun­des­land in dem von Ham­burg aus ge­steu­er­ten über­re­gio­nal aus­strah­len­den Sen­der der bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne ab­de­cken soll­te. Be­stre­bun­gen der nord­rhein-west­fä­li­schen Lan­des­re­gie­rung, mit ei­nem ei­ge­nen Rund­funk­sen­der mehr re­gio­na­les Ei­gen­ge­wicht ein­zu­brin­gen und für ei­ne stär­ke­re In­te­gra­ti­on des 1946 ge­grün­de­ten Bun­des­lan­des zu sor­gen, führ­ten 1954/1955 zur Ab­tren­nung des West­deut­schen Rund­funks (WDR) als ei­gen­stän­di­ger Sen­der. Ei­ne Kon­se­quenz der stark auf das Re­gio­na­le ab­zie­len­den Aus­rich­tung war die Grün­dung ei­ner Hör­funk-Lan­des­re­dak­ti­on 1960/1961 un­ter dem Hör­funk­di­rek­tor Fritz Brühl (1909-1982). Wal­ter Först wur­de Lei­ter die­ser Re­dak­ti­on, die der Hör­funk-Haupt­ab­tei­lung Po­li­tik un­ter­ge­ord­net war. Er blieb in die­ser Po­si­ti­on bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung En­de 1985.

Först eta­blier­te die Lan­des­re­dak­ti­on mit un­ter­schied­li­chen Sen­de­plät­zen. Von be­son­de­rer Be­deu­tung für die Lan­des­ge­schich­te wa­ren das sams­täg­li­che halb­stün­di­ge „Lan­des­fea­ture“ und das For­mat „Aus der Lan­des­ge­schich­te“ (15 Mi­nu­ten), das in Ein­zel­bei­trä­gen und the­ma­ti­schen Rei­hen aus der Ge­schich­te des jun­gen Bun­des­lan­des und sei­ner Vor­gän­ger­län­der seit dem 19. Jahr­hun­dert be­rich­te­te. Was Först aus­zeich­ne­te, war die Ver­bin­dung, neu­es his­to­ri­sches Wis­sen zu pro­du­zie­ren und es mit jour­na­lis­ti­scher Kom­pe­tenz at­trak­tiv für ein brei­te­res Pu­bli­kum me­di­al auf­zu­be­rei­ten und in die Zir­ku­la­ti­on zu brin­gen. Nicht we­ni­ger wich­tig wa­ren die po­li­tisch-ge­sell­schaft­li­chen Bei­trä­ge mit Ta­ges- und mitt­le­rer Ak­tua­li­tät. Seit 1974 ran­gier­ten die ver­schie­de­nen Sen­de­plät­ze der Re­dak­ti­on un­ter dem Dach „Fo­rum Wes­t“. Zur breit an­ge­leg­ten Au­to­ren­schaft ge­hör­ten Jour­na­lis­ten, His­to­ri­ker und Wis­sen­schaft­ler be­nach­bar­ter Fä­cher, Ar­chi­va­re und Schrift­stel­ler.

Der Re­dak­ti­ons­lei­ter avan­cier­te durch sei­ne um­trie­bi­ge Ar­beit als Jour­na­list an der Schnitt­stel­le zwi­schen Po­li­tik mit mitt­le­rer zeit­li­cher Reich­wei­te und Ge­schichts­wis­sen­schaft schnell zu ei­nem an­er­kann­ten Ex­per­ten der Lan­des­ge­schich­te – wenn­gleich eta­blier­te Lan­des­his­to­ri­ker wie Franz Pe­tri zu­nächst dem ‚New­co­mer‘ oh­ne aka­de­mi­schen Ab­schluss und sei­ner neu­en Her­an­ge­hens­wei­se an die Lan­des­zeit­ge­schich­te skep­tisch ge­gen­über­stan­den, sei­ne Ar­beit je­doch auf­merk­sam ver­folg­ten. Ob­wohl Först kein Ab­itur hat­te und ihm da­mit der Zu­gang zu ei­nem ord­nungs­ge­mä­ßen Stu­di­um der Ge­schichts­wis­sen­schaft ver­wehrt war, was er als Gast­hö­rer in sei­ner Ber­li­ner Zeit zu kom­pen­sie­ren ver­sucht hat­te, er­ar­bei­te­te er sich schnell ei­ne an­er­kann­te Kom­pe­tenz für die Lan­des­ge­schich­te, ins­be­son­de­re des 20. Jahr­hun­derts. Spä­ter wur­de er auch Lehr­be­auf­trag­ter an der Uni­ver­si­tät Düs­sel­dorf.

Först ver­fass­te und gab zahl­rei­che Ver­öf­fent­li­chun­gen zur Ge­schich­te des Rhein­lands und West­fa­lens be­zie­hungs­wei­se Nord­rhein-West­fa­lens her­aus, vor­nehm­lich zur Grün­dung des Lan­des, zu zahl­rei­chen pro­mi­nen­ten Lan­des­po­li­ti­kern und zum Ver­hält­nis von Land und Bund im bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Fö­de­ra­lis­mus. Die The­men sei­ner Sen­dun­gen und Bei­trä­ge reich­ten von der Ge­schich­te der bei­den Land­schafts­ver­bän­de Rhein­land und West­fa­len-Lip­pe über die De­mon­ta­ge bis hin zu den An­fän­gen der Staats­bür­ger­kun­de und Be­trach­tun­gen der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf. Die von ihm her­aus­ge­ge­be­nen Rei­hen „Rhei­nisch-West­fä­li­sche Le­se­bü­cher“ und „Bei­trä­ge zur neue­ren Lan­des­ge­schich­te des Rhein­lan­des und West­fa­len­s“ mach­ten die zu­nächst flüch­ti­gen Rund­funk­bei­trä­ge dau­er­haft ver­füg­bar. Be­son­ders ein­schlä­gig war sei­ne Mo­no­gra­phie „Ge­schich­te des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len. 1945-1949“ aus dem Jahr 1970. Ein zwei­ter Band, der fol­gen soll­te, kam al­ler­dings nicht zu­stan­de. Gro­ße Ver­brei­tung fand sei­ne „Klei­ne Ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­len­s“, die die Lan­des­zen­tra­le für po­li­ti­sche Bil­dung 1986 in ihr Pro­gramm auf­nahm. Sein be­son­de­res In­ter­es­se am Rhein­land ver­tief­te Först mit Bei­trä­gen zu rhei­ni­schen Städ­ten und ih­ren Ober­bür­ger­meis­tern wäh­rend der Wei­ma­rer Zeit (1976), zur rhein­län­di­schen Wirt­schaft (1973), mit der Mo­no­gra­phie „In Köln 1918-1936. Klei­ne Stadt­ge­schich­te im 20. Jahr­hun­der­t“ (1982) und als Her­aus­ge­ber des Ban­des „Das Rhein­land in preu­ßi­scher Zeit“ (1965).

Mit sei­ner Bei­trags­ein­wer­bung, The­men­steue­rung und Nach­wuchs­po­li­tik wur­de Först ein ak­ti­ver För­de­rer der Lan­des­ge­schichts­schrei­bung Nord­rhein-West­fa­lens. Im Zu­ge ei­nes Ge­ne­ra­ti­ons­wech­sels in der Wis­sen­schaft ge­wann er jün­ge­re Pro­fes­so­ren und Wis­sen­schaft­ler als Bei­trä­ger für sei­ne Sen­de­plät­ze mit his­to­ri­schen The­men, so bei­spiels­wei­se Ru­dolf Mor­sey (ge­bo­ren 1927), Wolf­gang Köll­mann (1925-1997), Wil­helm Treue (1909-1992), Ernst Deu­er­lein (1918-1971), Klaus Pabst (ge­bo­ren 1934), Horst Mat­z­er­ath (ge­bo­ren 1937). Auch Ar­chi­va­re, Jour­na­lis­ten und Schrift­stel­ler wirk­ten an sei­nem Ent­wurf der NRW-Lan­des­ge­schich­te mit. Först drang auch auf die Not­wen­dig­keit ei­ner Ver­an­ke­rung der Lan­des­zeit­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät. Die Ein­rich­tung ei­nes ent­spre­chen­den Lehr­stuhls an der Uni­ver­si­tät Düs­sel­dorf, der 1976 mit Pe­ter Hüt­ten­ber­ger (1938-1992) be­setzt wur­de, rech­ne­te er sich als Ver­dienst an.

Wei­te­re Im­pul­se für die Lan­des­ge­schichts­for­schung setz­te Först mit dem von ihm ins Le­ben ge­ru­fe­nen Brau­wei­ler Kreis für Lan­des- und Zeit­ge­schich­te. Seit 1978 tag­te die­ser jähr­lich zu­nächst als in­for­mel­ler Kreis von Lan­des- und Zeit­his­to­ri­kern, Ar­chi­va­ren und Leh­rern, die sich für ei­ne re­gio­na­le Zeit­ge­schich­te en­ga­gier­ten. Dass Först da­bei die Ver­an­ke­rung der re­gio­na­len Zeit­ge­schich­te an den Schu­len ein wich­ti­ges An­lie­gen war, spie­gel­te ei­ne drei­tä­gi­ge Ta­gung 1980 in Bonn mit 300 Ge­schichts­leh­rern aus NRW wi­der. Mit der In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung als Ver­ein wur­de Först der ers­te Vor­sit­zen­de (1983-1993). Nach dem En­de sei­ner Be­rufs­tä­tig­keit beim WDR 1985 konn­te er sei­ne wis­sen­schaft­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten um den Brau­wei­ler Kreis noch in­ten­si­vie­ren. Als In­itia­tor und Mit­her­aus­ge­ber schuf er mit der Zeit­schrift „Ge­schich­te im Wes­ten“ 1986 ein Or­gan, das bis heu­te zwei­mal jähr­lich ak­tu­el­le wis­sen­schaft­li­che The­men und De­bat­ten zur NRW-Ge­schich­te auf­greift.

Ein zwei­tes his­to­ri­sches Feld ne­ben der Lan­des­ge­schich­te be­stell­te Först mit der Rund­funk­ge­schich­te. Sein En­ga­ge­ment für den Stu­di­en­kreis Rund­funk & Ge­schich­te in en­ger Ver­bin­dung mit dem spä­te­ren Prä­si­den­ten des Bun­des­ar­chivs Fried­rich Kah­len­berg (1935-2014) so­wie dem Wirt­schafts- und So­zi­al­his­to­ri­ker Wil­helm Treue för­der­te die wis­sen­schaft­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit der Rund­funk- und Me­di­en­ge­schich­te auch über die Gren­zen des ei­ge­nen Bun­des­lan­des hin­aus. Die­se Be­schäf­ti­gun­gen flos­sen in zwei Pu­bli­ka­ti­ons­rei­hen ein: in die bis heu­te er­schei­nen­den „Mit­tei­lun­gen“ des Stu­di­en­krei­ses und in die „An­na­len des West­deut­schen Rund­funks“. Als Mit­be­grün­der und Vor­stands­mit­glied (Schrift­füh­rer) war Först auch im Stu­di­en­kreis an pro­mi­nen­ter Stel­le ver­tre­ten.

Als schreib- und sprach­af­fi­ner Lan­des­ge­schichts- und Po­li­tik­ex­per­te war Först häu­fig ge­fragt für Vor­trä­ge, Mo­dera­tio­nen von Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tun­gen so­wie als Au­tor lan­des­ge­schicht­li­cher oder lan­des­po­li­ti­scher Bei­trä­ge. Sein Wir­ken und sein Nach­lass spie­geln das Ge­schick, sich breit zu ver­net­zen. So wur­de er bei­spiels­wei­se auch Prä­si­di­ums­mit­glied der Frei­herr-vom-Stein-Ge­sell­schaft.

Sein lan­des­po­li­ti­sches und lan­des­ge­schicht­li­ches En­ga­ge­ment, sei­ne Ver­bin­dun­gen zu Po­li­tik, Ad­mi­nis­tra­ti­on, Wis­sen­schaft, Kul­tur und Me­di­en­welt und ins­be­son­de­re zu den bei­den Land­schafts­ver­bän­den tru­gen ihm Auf­merk­sam­keit, Be­ach­tung und schlie­ß­lich auch Wür­di­gun­gen ein. 1972 er­hielt er den Raiff­ei­sen-Kul­tur­preis für sei­ne pu­bli­zis­ti­schen Ar­bei­ten über das Rhein­land in Ge­gen­wart und Ge­schich­te. Im Ja­nu­ar 1982 wur­de er mit dem Ver­dienst­kreuz 1. Klas­se des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land aus­ge­zeich­net. Für sei­ne Leis­tun­gen um die Lan­des­ge­schich­te ver­lieh ihm das Land Nord­rhein-West­fa­len 1984 den Ti­tel Ho­no­rar­pro­fes­sor und 1986 den Ver­dienst­or­den des Lan­des. Da­mit soll­ten an­läss­lich des 40-jäh­ri­gen Be­ste­hens des Lan­des be­son­de­re Leis­tun­gen für das Land und des­sen Be­völ­ke­rung ge­wür­digt wer­den. In­itia­tiv ehr­te der Mi­nis­ter­prä­si­dent des Lan­des, Jo­han­nes Rau, den Jour­na­lis­ten.

Först und sei­ne Re­dak­ti­on er­reich­ten in der Rol­le von „Pu­blic His­to­ri­an­s“ über ih­re mas­sen­me­dia­len For­ma­te ei­ne er­heb­lich grö­ße­re Zahl von Men­schen als es ei­ne aka­de­mi­sche Lan­des­ge­schich­te ver­moch­te. An­ders als sei­ner­zeit noch letz­te­re wand­te sich Först vom mit­tel­al­ter­li­chen und früh­neu­zeit­li­chen Fo­kus ab und brach­te das Pro­gramm ei­ner Lan­des­zeit­ge­schich­te auf, das suk­zes­si­ve auf den uni­ver­si­tä­ren Be­reich zu­rück­wirk­te.

Ne­ben dem jour­na­lis­ti­schen Ge­wicht als Teil der po­li­ti­schen Ab­tei­lung des Hör­funks zeich­ne­te Först ei­ne wei­te­re his­to­risch ori­en­tier­te Lei­den­schaft aus: Er schob die For­schung zur Ge­schich­te des Rund­funks all­ge­mein an.

Ein zen­tra­ler Bau­stein sei­ner Wirk­sam­keit wa­ren sei­ne Kom­pe­tenz als Kom­mu­ni­ka­tor, der sich in die Po­li­tik, die Ad­mi­nis­tra­ti­on, die Land­schafts­ver­bän­de so­wie in die aka­de­mi­sche His­to­ri­ker- und Ar­chi­vars­sze­ne ver­netz­te. Först sorg­te nicht nur für ei­ne In­ter­me­dia­li­tät der Re­dak­ti­ons­bei­trä­ge, die zum Teil in ver­schie­de­nen Pu­bli­ka­ti­ons­rei­hen ge­druckt wur­den, son­dern be­spiel­te auch For­ma­te wie Vor­trä­ge und Aus­stel­lun­gen. Mit dem Brau­wei­ler Kreis und dem Stu­di­en­kreis Rund­funk und Ge­schich­te schuf und steu­er­te er neue Aus­tausch- und Ver­net­zungs­platt­for­men.

Nach der Pen­sio­nie­rung blie­ben Wal­ter Först nur acht Jah­re, um wei­te­ren In­ter­es­sen und Pro­jek­ten nach­zu­ge­hen: Er starb am 10.10.1993 in Köln.

Quellen

Lan­des­ar­chiv Ber­lin C Rep. 031-01-02 Nr. 1714 (Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ak­te Wal­ter Först).

Lan­des­ar­chiv NRW Ab­tei­lung Rhein­land (LAV NRW R) RW 0497 (Nach­lass Wal­ter Först); NW O (Or­dens­ak­ten) Nr. 1675, 17378, 18805, 30727, 44079, 51551, 64091.

Un­ter­neh­mens­ar­chiv WDR, Pres­se­ma­te­ri­al zu Wal­ter Först (Dos­siers/Pres­se­ma­te­ri­al zu Re­dak­teu­ren und Re­dak­ti­on), Re­dak­ti­ons­ak­ten, Sen­de­ma­nu­skrip­te, Jah­res­be­rich­te des In­ten­dan­ten, Ak­ten der WDR-In­ten­danz und des Hör­funk­di­rek­tors, Au­dio-Ma­te­ri­al. 

Werke (Auswahl)

Lan­des­ge­schich­te neu ver­stan­den. Ein Rund­funk­pro­gramm macht Ge­schich­te, in: Bo­row­sky, Pe­ter/Vo­gel, Bar­ba­ra/Wun­der, Hei­de (Hg.), Ge­sell­schaft und Ge­schich­te I. Ge­schich­te in Pres­se, Funk und Fern­se­hen, Op­la­den 1976, S. 71-86.

Ro­bert Lehr als Ober­bür­ger­meis­ter. Ein Ka­pi­tel deut­scher Kom­mu­nal­po­li­tik, Düs­sel­dorf 1962.

Ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens, Band 1: 1945-1949, Köln 1970.

In Köln 1918-1936. Klei­ne Stadt­ge­schich­te im 20. Jahr­hun­dert, Band 1, Düs­sel­dorf 1982.

Klei­ne Ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens, Düs­sel­dorf 1986.

Zwi­schen Reichs­re­form­dis­kus­si­on und Wie­der­ver­ei­ni­gung. Die mit­tel­deut­schen Län­der von 1945 bis 1990, in: Staat und Par­tei­en. Fest­schrift für Ru­dolf Mor­sey zum 65. Ge­burts­tag, hg. v. Karl Diet­rich Bra­cher [u.a]., Ber­lin 1992, S. 935-959.

Herausgeberschaft

Das Rhein­land in preu­ßi­scher Zeit. 10 Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der Rhein­pro­vinz, Köln 1965.

Rhei­nisch-West­fä­li­sche Le­se­bü­cher, 5 Bän­de, Köln 1965-1978.

Bei­trä­ge zur neue­ren Lan­des­ge­schich­te des Rhein­lan­des und West­fa­lens, 12 Bän­de, Köln [u.a.] 1967-1987.

An­na­len des West­deut­schen Rund­funks. Bei­trä­ge zur Ge­schich­te und Ge­gen­wart des WDR, 8 Bän­de, Köln [u.a.] 1973-1993.

Aus drei­ßig Jah­ren. Rhei­nisch-West­fä­li­sche Po­li­ti­ker-Por­träts, Köln [u.a.] 1979.

Die Län­der und der Bund. Bei­trä­ge zur Ent­ste­hung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Es­sen 1989. 

Bibliographien

Kutsch, Ar­nulf, Wal­ter Först. Rund­funk­his­to­ri­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen. Ei­ne Aus­wahl­bi­blio­gra­phie, in: Mit­tei­lun­gen Stu­di­en­kreis Rund­funk und Ge­schich­te 19/4 (1993), S. 139-141.

Pabst, Klaus, Bi­blio­gra­phie Wal­ter Först, in: Ge­schich­te im Wes­ten 8/2 (1993), S. 142-145. 

Literatur

Bier­bach, Wolf, Wal­ter Först. Be­ob­ach­ter und Er­for­scher der Lan­des­ge­schich­te, in: neu­es rhein­land 27/5 (1984), S. 18-19.

Bier­bach, Wolf, Zum To­de von Wal­ter Först, in: Flamm, Leo, West­fa­len und der West­deut­sche Rund­funk. Ei­ne rund­funk­his­to­ri­sche Stu­die zu Re­gio­na­li­sie­rung, Köln 1993, S. 8.

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Först, Wal­ter, in: Deut­sche Bio­gra­phi­sche En­zy­klo­pä­die, Band 3, Mün­chen/Leip­zig 1996, S. 360-361.

Först, Wal­ter, in: Haun­fel­der, Bernd, Nord­rhein-West­fa­len. Land und Leu­te 1946-2006. Ein bio­gra­phi­sches Hand­buch, Müns­ter 2006, S. 154-155.

[Har­tung, Hans Ru­dolf], Aus dem Land für das Land. Die Lan­des­re­dak­ti­on des West­deut­schen Rund­funks be­steht seit 10 Jah­ren, in: neu­es rhein­land 14/3 (1971), S. 20-21.

Katz, Klaus [u.a.] (Hg.), Am Puls der Zeit. 50 Jah­re WDR, Band 2: Der Sen­der. Welt­weit nah dran 1956-1985, Köln 2006, S. 93, 409-412.

Köll­mann, Wolf­gang/Pabst, Klaus, Er­in­ne­rung an Wal­ter Först, in: Ge­schich­te im Wes­ten 9 (1994), S. 9-20.

Küs­ter, Tho­mas, Lan­des(zeit-)ge­schich­te im Ra­dio. Wal­ter Först und die Lan­des­re­dak­ti­on des WDR 1961-1995, in: West­fä­li­sche For­schun­gen 69 (2019), S. 101-126.

Mor­sey, Ru­dolf, Das Land und sei­ne Ge­schich­te. Wal­ter Först zum 65. Ge­burts­tag am 20. De­zem­ber 1985, in: Ge­schich­te im Wes­ten 8 (1993), S. 138-141.

Pabst, Klaus, Mit dem Her­zen Nord­rhein-West­fa­len. Wal­ter Först, Wolf­ram Köh­ler und Pe­ter Hüt­ten­ber­ger als Prot­ago­nis­ten des Lan­des­be­wusst­sein, in: Braut­mei­er, Jür­gen/Düwell, Kurt/Hei­nemann, Ul­rich/Pet­zi­na, Diet­mar (Hg.), Hei­mat Nord­rhein-West­fa­len. Iden­ti­tä­ten und Re­gio­na­li­tät im Wan­del, Es­sen 2012, S. 73-87.

Rutz, Rai­ner, Si­gnal. Ei­ne deut­sche Aus­land­sil­lus­trier­te als Pro­pa­gan­da­in­stru­ment im Zwei­ten Welt­krieg, Es­sen 2007.

Sonn­tag, Chris­ti­an, Me­di­en­kar­rie­ren. Bio­gra­fi­sche Stu­di­en über Ham­bur­ger Nach­kriegs­jour­na­lis­ten 1946-1949, Mün­chen 2006.

Wal­ter Först (1920-1993), in: Ge­schich­te im Wes­ten 8/2 (1993), S. 136-137. [Nach­ruf] 

 
Zitationshinweis

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Minner, Katrin, Walter Först, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/walter-foerst/DE-2086/lido/6278d20b1dba58.99940712 (abgerufen am 25.04.2024)