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Walter Simons war ein deutscher Jurist, Diplomat und Verbandsfunktionär. Zu Beginn der 1920er Jahre fungierte er kurzzeitig als Reichsaußenminister und übte 1925 das Amt des geschäftsführenden Reichspräsidenten aus. Verdienste erwarb sich der Protestant Simons auch als ein Vorkämpfer der ökumenischen Bewegung im Deutschen Reich.
Walter Simons wurde am 24.9.1861 in Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) als ältestes von sieben Kindern des Kaufmanns und Fabrikbesitzers Louis Simons (1831-1905) und dessen Ehefrau Helene Henriette Kyllmann (1842-1916) geboren. Sein Großvater Friedrich Wilhelm Simons-Köhler (1802-1856) hatte der Handelskammer von Elberfeld und Barmen (heute Stadt Wuppertal) als Präsident vorgestanden. Auch die Mutter entstammte als Tochter des Kaufmanns und Landtagsabgeordneten Gottlieb Kyllmann (1803-1878) einer angesehenen und wohlhabenden protestantischen Unternehmerfamilie. Die pietistische Lebensführung der Eltern sollte sich für den Lebensweg Simons als prägend erweisen.
Nach dem Bestehen des Abiturs am Gymnasium in Elberfeld zu Ostern 1879 immatrikulierte sich Walter Simons im Sommersemester 1879 an der Kaiser-Wilhelm-Universität in Straßburg zum Studium der Rechte sowie der Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie. Hier schloss er sich dem „Straßburger Kreis“ an, einem formlos organisierten Gesprächskreis von Studenten verschiedener Fachrichtungen. Zum Sommersemester 1881 wechselte Simons an die Universität Leipzig und beendete sein Studium im Wintersemester 1882/1883 an der Universität Bonn, wo er Mitglied des „Philologischen Vereins“ wurde. Von seinen akademischen Lehrern wurde er besonders nachhaltig durch den Leipziger Professor für Kirchenrecht Rudolf Sohm (1841-1917) geprägt.
Nachdem er 1882 das Referendarexamen bestanden hatte, absolvierte er bis 1883 seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim I. Garde-Dragoner-Regiment in Berlin. 1888 erlangte er die Befähigung zum Assessor und war in diesem Rang vorübergehend am Amtsgericht in Bonn tätig. Noch im selben Jahr erfolgte die Versetzung an das Amtsgericht in Solingen. Ab 1893 fungierte Simons als Amtsrichter in Velbert, ab 1897 als Landrichter in Meiningen im Herzogtum Sachsen-Meiningen. Nachdem er 1903 in den Rang eines Landesgerichtsrats erhoben worden war, wechselte er im April 1905 an das Oberlandesgericht in Kiel. Hier erfolgte im gleichen Jahr die Ernennung zum Oberlandesgerichtsrat. Noch im gleichen Jahr trat er als kommissarischer Hilfsarbeiter beim Reichsjustizamt in den Verwaltungsdienst ein und erlangte 1907 den Rang eines Geheimen Regierungsrates. 1911 wurde er Justiziar in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes.
Am 20.5.1891 hatte Simons in Berlin Erna Rühle (1870-1954), eine Tochter des Bonner Medizinprofessors Hugo Ernst Heinrich Rühle (1824-1888) geheiratet. Aus der Ehe gingen vier Söhne und drei Töchter hervor. Der 1934 emigrierte Sohn Hans Simons (1893-1972) war Jurist und nahm nach dem Zweiten Weltkrieg als Verbindungsoffizier der US-Militärregierung eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes ein. Die Tochter Tula Simons (1905-2000) war mit dem Staatsrechtler Ernst Rudolf Huber verheiratet.
Am 4.10.1918 wurde Simons durch den Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867-1918, Reichskanzler Oktober-November 1918) als Ministerialdirektor in die Reichskanzlei berufen. In dieser Funktion war er maßgeblich an den Verhandlungen mit Friedrich Ebert (1871-1925) über die Bedingungen eines Regierungseintrittes der SPD beteiligt. Im Dezember 1918 übernahm Simons die Leitung der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes und wurde im Januar 1919 als Generalkommissar der deutschen Delegation zur Pariser Friedenskonferenz entsandt. Nach der für ihn unannehmbaren Ratifizierung des Versailler Vertrages trat er im Juli 1919 von seinem Amt zurück. Den Ausschlag für diese Entscheidung gaben nicht nur die als Demütigung empfundenen Friedensbedingungen der Siegermächte, sondern auch die Differenzen mit dem Chef der Waffenstillstandskommission Matthias Erzberger (1875-1921).
Nachdem er 1919 in das Amt des Geschäftsführers des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI) gewählt worden war, kehrte Simon am 25.6.1920 als parteiloser Außenminister in der bürgerlich-konservative Minderheitsregierung des Reichskanzlers Konstantin Fehrenbach (1852-1926, Reichskanzler 25.6.1920-4.5.1921) auf die politische Bühne zurück. Auf den internationalen Entwaffnungs- und Reparationskonferenzen der Jahre 1920 und 1921 erwies er sich als ein auch von den Siegermächten anerkannter Fachmann und Verhandlungspartner, der die deutschen Interessen mit Nachdruck und diplomatischem Geschick vertrat. Sein Eintreten für eine maßvolle und sachbezogene Friedensregelung verlief dennoch glücklos und war auch in der eigenen Koalition umstritten. Seine Amtszeit endete mit dem Rücktritt des Kabinetts Fehrenbach am 4.5.1921, nachdem sich die Koalitionsparteien zu keiner einheitlichen Reaktion auf das Londoner Ultimatum vom 31.3.1921 hatten einigen können.
Am 16.10.1922 wurde Simons von Reichspräsident Friedrich Ebert (Amtszeit 1919-1925) zum Reichsgerichtspräsidenten und Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes ernannt. Da er in diesem Amt nicht nur der ranghöchste Jurist im Deutschen Reich, sondern gemäß der Weimarer Verfassung Stellvertreter des Reichspräsidenten im Rücktritts- oder Sterbefalle war, fungierte er nach dem Tode Eberts im Februar 1925 für die Dauer von zwei Monaten auch als geschäftsführender Reichspräsident. Seine geringe Popularität ließ ihn für eine über diesen Zeitraum hinausgehende Kandidatur jedoch als ungeeignet erscheinen. Ein Streit zwischen der Reichsregierung und dem Staatsgerichtshof über die Besetzung der Verwaltungsratsstellen der Deutschen Reichsbahngesellschaft veranlasste Simons im Dezember 1928 dazu, sein Abschiedsgesuch vom Amt des Reichsgerichtspräsidenten einzureichen.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Rechtsprechung wurde ihm anlässlich seines 70. Geburtstages am 24.9.1931 der Adlerschild des Deutschen Reiches verliehen. Er war darüber hinaus seit 1930 Ehrenmitglied der Amerikanischen Gesellschaft für internationales Recht, gehörte dem Institut de Droit internationale als Mitglied an und fungierte als Senator der Deutschen Akademie München. Er war ferner Träger des preußischen Roter-Adler-Ordens 3. Klasse mit Schleife, des preußischen Kronenordens 3. Klasse, der Landwehrdienstauszeichnung 1. Klasse, des Eisernen Kreuzes 2. Klasse und des russischen St.-Stanislaus-Ordens 2. Klasse mit Stern.
1925 hatte Simons in der Nachfolge seines Studienfreundes Otto Baumgarten (1858-1934) die Leitung des Evangelisch-Sozialen Kongresses (ESK) übernommen. Er übte dieses Amt bis 1936 aus und erwies sich in dieser Zeit vor allem als ein Förderer der ökumenischen Bewegung. Seit dem Sommersemester 1927 lehrte Simons, der Ehrendoktor der der Universitäten Kiel, Bonn, Marburg, Columbia und New York war, an der Universität Leipzig als Honorarprofessor für Völkerrecht.
Beginnend mit seiner Zugehörigkeit zum „Straßburger Kreis“ hatte er sich im Verlauf seines Lebens mehreren politischen und kulturellen Vereinigungen angeschlossen. Unter anderem war er bereits vor dem Ersten Weltkrieg dem Alldeutschen Verband beigetreten und gehörte zwischen 1903 und 1907 auch dessen geschäftsführendem Ausschuss an. Am 2.1.1922 gründete er mit dem Chef der Heeresleitung General Hans von Seeckt (1866-1936) und dem Diplomaten Wilhelm Solf (1862-1936) die elitäre „Se-Si-So“ Gesellschaft, an deren periodischen Gesprächsrunden im Berliner Kaiserhof führende Kräfte aus Wirtschaft, Politik und Reichswehr teilnahmen.
Die Ernennung Adolf Hitlers (1889-1945) zum Reichskanzler am 30.1.1933 begrüßte Simons ausdrücklich, wenngleich er die Rasseideologie der Nationalsozialisten zunächst ablehnte. Jedoch schien ihm von sämtlichen Parteien nur die NSDAP in der Lage zu sein, Staat und Gesellschaft vor dem „Bolschewismus“ zu schützen und die von ihm erstrebte Revision des Versailler Vertrages umzusetzen. Aus dieser Sichtweise heraus befürwortete er letztlich auch die Beseitigung der liberalen Rechtsordnung der Weimarer Republik zugunsten eines autoritären Rechtssystems.
Walter Simons starb am 14.7.1937 in seinem Haus in Neubabelsberg (heute Stadt Potsdam). Sein Grab befindet sich auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof in Stahnsdorf. Seit 1993 erinnert an ihn der Walter-Simons-Platz in Velbert, wo er 1893 erster Amtsrichter geworden war.
Schriften (Auswahl)
Die Belastung der deutschen Souveränität durch die fremden Kommissionen, Berlin 1920.
Kirchenvolk und Staatsvolk, Leipzig 1937.
Der Rechtsgedanke in der Politik, Berlin 1925.
Religion und Recht, Berlin 1936.
Christentum und Verbrechen. Vortrag gehalten auf der Weltkonferenz für Praktisches Christentum zu Stockholm am 22.8.1925, Leipzig 1925.
Literatur
Friedrich, Norbert/Jähnichen, Traugott (Hg.), Sozialer Protestantismus im Nationalsozialismus. Diakonische und christlich-soziale Verbände unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, Münster 2003.
Gründer, Horst, Walter Simons als Staatsmann, Jurist und Kirchenpolitiker, Neustadt an der Aisch 1975.
Gründer, Horst, Walter Simons, die Ökumene und der Evangelisch-Soziale Kongreß. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Soest 1974.
Online
Prof. Dr. h. c. Walter Simons (Tabellarische Biographie im Professorenkatalog der Universität Leipzig). [online]
Otto, Martin, Simons, Walter, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 441-443. [online]
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Thomann, Björn, Walter Simons, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/walter-simons/DE-2086/lido/5db6e9fa0143d6.64435435 (abgerufen am 10.12.2024)