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Wilhelm Kisky erwarb sich als erster Leiter der 1928 gegründeten Archivberatungsstelle der Provinzialverwaltung, des heutigen LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums, in den gut 20 Jahren an der Spitze dieser Institution bleibende Verdienste um das nichtstaatliche Archivwesen im Rheinland.
Geboren am 29.11.1881 in Köln als Sohn des Buchdruckers Joseph Kisky und seiner Ehefrau Gertrud, geborene Kautz, besuchte er das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in seiner Vaterstadt und studierte anschließend Geschichte und historische Hilfswissenschaften an den Universitäten Freiburg, Berlin und Bonn. Bei Aloys Schulte entstand seine Dissertation „Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten in ihrer persönlichen Zusammensetzung im 14. und 15. Jahrhundert“ (1906), die die Bonner Philosophische Fakultät auszeichnete. Die Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde betraute Kisky daraufhin mit der Bearbeitung der Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. 1915 erschien der Band über den Erzbischof Heinrich II., der allgemeine Anerkennung fand.
Kisky heiratete am 10.11.1910 Margarete Becker. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Margareta (geboren 25.9.1911), Wilma (geboren 13.7.1913) und Hans (30.6.1920).
Kisky, der die Archivarbeit im Stadtarchiv Köln kennen gelernt hatte, fand 1913 eine Anstellung als Direktor des bedeutenden Archivs der Fürsten von Salm in Anholt, die 1915 mit der Einberufung zum Kriegsdienst in der Verwaltung des Generalgouvernements in Belgien unterbrochen wurde. Nach dem Krieg setzte Kisky seine Archivlaufbahn fort und wechselte im Dezember 1920 zum neu geschaffenen Reichsarchiv nach Berlin. Dort schied er 1924 freiwillig aus, um sich seinen wissenschaftlichen Studien zur rheinischen Geschichte und zum katholischen Pressewesen widmen zu können.
Als 1928 die rheinische Provinzialverwaltung eine Archivberatungsstelle gründete, wurde Kisky wegen seiner Archiverfahrungen und seiner Kenntnisse der rheinischen Geschichte zum Leiter ernannt. Mehr als 20 Jahre prägte er die Arbeit der neu geschaffenen Institution, die große Bedeutung für das rheinische Archivwesen bis heute besitzt.
Die Archivberatungsstelle sollte sich um die nichtstaatlichen Archive, die nicht hauptamtlich besetzten Kommunal-, die Kirchen- und die Adelsarchive, kümmern. Bei systematischen Bereisungen durch die ganze Provinz galt es, vor Ort vorhandene Missstände durch Rat und Hilfe abzustellen. Ferner wollte man die Ordnung und Verzeichnung der Bestände veranlassen oder selbst vornehmen und entsprechende Inventare veröffentlichen. Insgesamt sah die Archivberatungsstelle ihre Aufgabe darin, „überall Interesse für die Erhaltung der Schriftdenkmäler zu wecken und Aufklärung über ihren Wert und ihre Bedeutung“ zu betreiben. Es war ein ehrgeiziges Vorhaben, über das Kisky regelmäßig in der „Rheinischen Heimatpflege“ berichtete, doch er war mit seinem Mitstreiter Otto R. Redlich (gestorben 1939) , dem ehemaligen Leiter des Staatsarchivs in Düsseldorf (heute Abteilung Rheinland des Landesarchivs NRW), durchaus erfolgreich. Ihrer Arbeit wurde allgemein Lob gezollt. Dennoch wurde 1933 die Existenz der Beratungsstelle in Frage gestellt. Wegen der schlechten finanziellen Lage der Provinzialverwaltung wollten die neuen Machthaber sie auflösen. Es bedurfte der Interventionen der staatlichen Archive in der Rheinprovinz, die auf die Bedeutung der Archivalien für die von den Nationalsozialisten propagierte Rassenforschung verwiesen, um den neuen Landeshauptmann Heinrich Haake umzustimmen. Dank dieser Unterstützung blieb eine unabhängige nichtstaatliche Archivpflege erhalten. Kisky trat vehement für diese Organisationsform ein, weil, so seine Argumentation, nur sie den Zugang zu vielen Kirchen- und Adelsarchiven gewährleiste, denn deren Besitzer fürchteten vielfach Eingriffe seitens des Staates. Die Unabhängigkeit geriet 1937 abermals in Gefahr. Die preußische Archivverwaltung beabsichtigte, alle Archive der staatlichen Aufsicht zu unterstellen und damit auch die Archivpflege zu verstaatlichen. Der Kampf um die Selbstständigkeit der Archivberatungsstelle, der nicht frei war von gehässigen persönlichen Angriffen, zog sich über Jahre hin und endete 1942 mit einem Kompromiss, der die Position von Kisky nicht erschütterte.
Während des Krieges sorgte die Archivberatungsstelle erfolgreich für die Auslagerung von gefährdeten Archiven. Dank der guten Kontakte Kiskys zum rheinischen Adel konnten einige Schlösser als Depots genutzt werden. Eine weitere Aufgabe betraf die Archivpflege in Luxemburg, wo Kisky die umfangreiche Sammlung der „Historischen Sektion des Großherzoglichen Instituts“ inventarisierte.
Der historische Zufall machte Kisky nach Kriegsende zum Staatsarchivar. Die rheinische Archivberatungsstelle wurde im Mai 1945 als Archivverwaltung der Nordrheinprovinz beim Oberpräsidenten weitergeführt und nach der Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom Ministerpräsidenten zur Landesarchivverwaltung erhoben. Ihr unterstellt waren die Staatsarchive, die neuen Personenstandsarchive und das Archivdepot auf Schloss Gymnich, das als vorläufiger Sammlungsort für die während des Krieges ausgelagerten Archive diente. Der Konflikt Kiskys mit dem Staatsarchiv in Düsseldorf und dessen Leiter, Bernhard Vollmer (1886-1958), fand nun seine Fortsetzung. Die für Düsseldorf schmerzhafteste Entscheidung war die erzwungene Abgabe von etwa 17.000 Urkunden der Kölner Stifte und Klöster an das Historische Archiv der Stadt Köln. Letztlich ging der Streit zuungunsten von Kisky aus. Am 31.1.1951 trat er in den Ruhestand. Nach längerem, schwerem Leiden verstarb er am 30.4.1953.
Kisky, der als Leiter der Archivberatungsstelle keine Zeit mehr für umfangreiche historische Studien besaß, hat sich zweifelsohne um die rheinischen Kommunal- und Adelsarchive verdient gemacht. Wenngleich er sein hochgestecktes Ziel, in jeder rheinischen Stadt „ein wohlgeordnetes, gut untergebrachtes, ordnungsgemäß verwaltetes und bequem benutzbares Stadtarchiv“ zu errichten, nicht erreicht hat, so konnte er das Bewusstsein für die Bedeutung von Archivalien bei vielen Archivträgern wecken und stärken. Er legte die Basis für die bis heute fruchtbringende Arbeit der Archivpflege beim Landschaftsverband Rheinland.
Werke (Auswahl)
Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten in ihrer persönlichen Zusammensetzung im 14. und 15. Jahrhundert, Weimar 1906.
Das freiherrliche Stift St. Gereon in Köln, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 82 (1907), S. 1-50.
Die Akten der Abteilung „Köln contra Köln“ (Verhältnis der Stadt zum Erzbischof), in: Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Köln 34 (1912), S. 111-186.
Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Band 4, Bonn 1915, Nachdruck 1964.
Der Augustinusverein zur Pflege der katholischen Presse von 1878 bis 1928, Düsseldorf 1928.
Die Archivberatungsstelle der Rheinprovinz und ihre Tätigkeit für die Sicherung von Archivalien und anderen Kulturgütern während des Krieges, Düsseldorf 1949.
Die Landesarchivverwaltung von Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1950.
Literatur
Wilkes, Carl, Landesarchivar i.R. Dr. Wilhelm Kisky zum Gedenken, in: Der Archivar 7 (1954), Spalte 211-218.
Wisotzky, Klaus, Der Vollmer-Kisky-Streit. Nicht nur ein Kapitel rheinischer Archivgeschichte, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 210 (2007), S. 181-222.
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Wisotzky, Klaus, Wilhelm Kisky, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-kisky-/DE-2086/lido/57c9353e1f5c04.58831674 (abgerufen am 10.12.2024)