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Der Journalist Wilhelm Sollmann war in der Weimarer Republik ein bekannter rheinischer Sozialdemokrat und ein profilierter Vertreter des Reformflügels der SPD.
Wilhelm Sollmann wurde am 1.4.1881 als erstes von vier Kindern des Bierbrauers und Pachtwirts Johannes Sollmann (1853-1930) und seiner Ehefrau Anna Christiane, geborene. Schuhmann (1854-1922), in Oberlind im Herzogtum Sachsen-Meiningen geboren. Von 1887 bis 1891 besuchte er dort die Bürgerschule und anschließend das Herzogliche Gymnasium Casimirianum in Coburg. 1896 zog die Familie in die damals noch selbstständige Stadt Kalk im heutigen Köln. Sollmann folgte 1897 nach Abschluss des Schuljahres in Coburg. Eine Fortführung der Gymnasiallaufbahn war in Köln aus finanziellen Gründen nicht möglich. Er begann 1897 eine kaufmännische Lehre; anschließend war er als Handlungsgehilfe bei der Ölwerke Stern-Sonneborn AG tätig. Zwischen 1901 und 1903 belegte er Abendkurse an der Kölner Handelshochschule. Ab 1903 war er in der Anti-Alkohol-Bewegung aktiv, zunächst im Guttempler-Orden und ab 1906 im Arbeiter-Abstinentenbund als Vorsitzender des Rheinischen Gaus. In der Anti-Alkohol-Bewegung lernte er auch seine Frau Anna Katharina, geborne Grümmer (1883-1972), kennen, die er 1906 heiratete. Aus dieser Ehe ging eine Tochter, Elfriede (1912-1997), hervor.
Bereits 1903 war Sollmann in die SPD eingetreten und betätigte sich zunächst in der Jugendarbeit und der Lebensreformbewegung. Er war 1907 Mitbegründer der „Freien Jugend" in Köln und der führende Kopf der Ortsgruppe. Noch als Parlamentarier in der Weimarer Republik setzte er sich für den politischen Nachwuchs ein.
Ein Meilenstein in seinem Leben war die Anstellung als Lokalredakteur 1911 bei der „Rheinischen Zeitung". Nur unterbrochen von einem halbjährigen Intermezzo beim „Fränkischen Volksfreund" 1913, blieb er der Zeitung bis 1933 treu, ab 1920 als Chefredakteur. Im Journalismus fand Sollmann seine Bestimmung. Er gehörte zu den herausragenden Publizisten der Sozialdemokratie. Mit seinem eleganten, durch Ironie und Witz geprägten Stil hob er sich deutlich von den oft stark theoretisierenden Parteiblättern ab. Sein Einsatz für eine Reform der Parteipresse, die er leserfreundlicher gestalten wollte, blieb jedoch erfolglos.
Zur Führungsfigur der oberrheinischen Sozialdemokratie avancierte Wilhelm Sollmann durch die Ereignisse im November 1918. Als die revolutionäre Bewegung Köln erreichte, gelang es ihm als geistiger Kopf des Arbeiter- und Soldatenrates in Zusammenarbeit mit dem Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (1876-1967), die Ereignisse in geordnete Bahnen zu lenken. Die gute Zusammenarbeit mit Adenauer setzte sich in den folgenden Jahren fort. Sollmann stand von 1918 bis 1924 der Kölner Ratsfraktion der SPD vor und kooperierte bei vielen Entscheidungen mit dem Stadtoberhaupt.
Ab 1924 konzentrierte er sein parlamentarisches Engagement auf die Reichsebene. Sollmann war zwischen 1919 und 1933 ununterbrochen Mitglied zunächst der Weimarer Nationalversammlung und danach des Reichstags. Als begabter Redner machte er schnell auf sich aufmerksam. Sein parteiinterner Aufstieg zeigte sich in seiner Ernennung zum Reichsinnenminister im August 1923, allerdings eher gedrängt als gewollt. Die Weimarer Republik befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Staatskrise. Es erwies sich, dass Sollmann zwar ein Meister des geschriebenen und gesprochenen Wortes, aber kein Verwaltungsmensch, kein Machtpolitiker war, der ein Ministerium führen konnte. Nach nur drei Monaten war dieses Intermezzo beendet und Sollmann erleichtert, seiner Tätigkeit als Journalist und Parlamentarier auf gewohnte Weise nachgehen zu können.
Politisch war Sollmann auf dem rechten, aktivreformistischen Flügel der Sozialdemokratie beheimatet. Er gehörte zu den entschiedenen Befürwortern einer Regierungsbeteiligung und favorisierte eine Zusammenarbeit mit dem republikanischen Bürgertum, besonders dem Zentrum, nicht zuletzt geprägt durch seine Erfahrungen aus der Zusammenarbeit in Köln. Ein Bündnis mit den Kommunisten war für ihn freilich undenkbar; Kommunismus war für ihn „weltanschaulicher Terror". Er propagierte stattdessen den Wert der geistigen Freiheit. Sozialist zu sein und weltanschauliche Pluralität und religiöse Toleranz zu fordern, war für ihn kein Gegensatz.
Sein Ziel war es, das Wählerspektrum der Partei zu erweitern, aus der Klassenpartei eine „sozialdemokratische Volkspartei" zu entwickeln, die Mitglieder vieler sozialer Schichten vereint. Ebenso setzte er sich für eine Modernisierung der Parteistruktur ein. Er kritisierte, dass die SPD zwar ausreichend gute Organisationsleiter besitze, es mangele der Partei aber an phantasievollen geistigen Köpfen, die den aktuellen gesellschaftlichen Problemen gewachsen seien. Wie kaum ein anderer Sozialdemokrat zeigte er sich offen für Neuerungen, versuchte er Reformen anzustoßen. Mit diesen Ideen vertrat er in der Partei allerdings eine Minderheitenposition. Seine Gedanken waren zu fortschrittlich, um konsensfähig zu sein. Zwar gab es am Ende der Weimarer Republik eine heftige parteiinterne Diskussion über die Zukunft der SPD, die aber durch die Ereignisse im Januar 1933 ergebnislos blieb.
Wilhelm Sollmann hat aus seiner tiefen Abneigung gegen die Nationalsozialisten nie einen Hehl gemacht – in einer Reichstagsrede bezeichnete er sie als „Aufstand geistloser Barbarei". Nur vier Tage nach seiner Wiederwahl in den Reichstag überfiel ein Kommando aus SA- und SS-Mitgliedern Sollmann am 9.3.1933 in seiner Kölner Wohnung und verschleppte ihn in das „Braune Haus" der NSDAP-Gauleitung. Dort wurde er brutal gefoltert, bis er am Abend dem Polizeipräsidenten übergeben wurde. Mit Hilfe von Freunden gelang ihm die Flucht nach Luxemburg. Nach seiner Genesung ging er nach Saarbrücken – das Saarland stand unter der Kontrolle des Völkerbunds –, wo er als Redakteur der Tageszeitung „Deutsche Freiheit" arbeitete. Nach der Saarabstimmung im Januar 1935 folgte die erneute Flucht nach Luxemburg.
Seine Odyssee fand 1937 mit der Emigration in die USA ein Ende, wo er sich seinen Lebensunterhalt zunächst durch Vortragsreisen verdiente, die ihn quer durch die Vereinigten Staaten führten. Eine feste Anstellung fand er schließlich als Dozent am Quäker-College Pendle Hill in einem Vorort von Philadelphia. 1943 wurde er amerikanischer Staatsbürger und nannte sich fortan William Frederick Sollmann.
In der sozialdemokratischen Emigration war er, obwohl seit 1933 im Exilvorstand der Partei, ein Außenseiter. Sollmann beteiligte sich zwar weiter an den Debatten über den Sozialismus, spitzte aber seine in der Weimarer Republik entwickelte Position weiter zu. Dies führte letztlich zum Bruch mit vielen alten Weggefährten, denen er vorwarf, in der Vergangenheit zu leben, programmatisch zu verharren. Seine Vorstellungen von einer großen sozialen Volkspartei verfolgte er weiter. Er sah darin den richtigen Weg für den Aufbau eines demokratischen Deutschlands nach 1945 und plädierte auch weiterhin für eine Koalition mit dem politischen Katholizismus.
Für sich selbst sah Sollmann keinen Platz mehr in der deutschen Politik, unternahm aber mehrere Deutschlandreisen, während der er auch Vorlesungen an der Universität zu Köln hielt. An der Eröffnung des deutschen Bundestages 1949 nahm er als Ehrengast Adenauers teil. Im Juli 1950, Sollmann befand sich gerade wieder in Deutschland, stellte man eine Magenkrebserkrankung fest, eine Operation in den USA blieb erfolglos. Die letzten Monate verbrachte er in Obhut seiner Tochter. Am 6.1.1951 starb Wilhelm Sollmann in Mount Carmel/Connecticut. Sein Leichnam wurde eingeäschert und gemäß seinem Wunsch auf einem kleinen Quäkerfriedhof in der Nähe von Pendle Hill beigesetzt.
Literatur
Hirsch, Felix E., Wilhelm Sollmann (1881-1951), in: Rheinische Lebensbilder 6 (1975), S. 257-285.
Kühn, Heinz, Wilhelm Sollmann. Rheinischer Sozialist, Kölner Patriot, demokratischer Weltbürger, Köln 1981.
Nyassi, Ulrike, Der Nachlaß Wilhelm Sollmann, Köln u.a. 1985.
Walter, Franz, Wilhelm Sollmann (1881-1951). Der Parteireformer, in: Lösche, Peter u.a. (Hg.), Vor dem Vergessen bewahren: Lebenswege Weimarer Sozialdemokraten, Berlin 1988, S. 362-390.
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Ebert, Simon, Wilhelm Sollmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-sollmann/DE-2086/lido/57c95320037c32.21886311 (abgerufen am 12.12.2024)