Wilhelm Sollmann

Journalist (1881-1951)

Simon Ebert (Bonn)

Wilhelm Sollmann, Porträtfoto.

Der Jour­na­list Wil­helm Soll­mann war in der Wei­ma­rer Re­pu­blik ein be­kann­ter rhei­ni­scher So­zi­al­de­mo­krat und ein pro­fi­lier­ter Ver­tre­ter des Re­form­flü­gels der SPD.

Wil­helm Soll­mann wur­de am 1.4.1881 als ers­tes von vier Kin­dern des Bier­brau­ers und Pacht­wirts Jo­han­nes Soll­mann (1853-1930) und sei­ner Ehe­frau An­na Chris­tia­ne, ge­bo­re­ne. Schuh­mann (1854-1922), in Ober­lind im Her­zog­tum Sach­sen-Mei­nin­gen ge­bo­ren. Von 1887 bis 1891 be­such­te er dort die Bür­ger­schu­le und an­schlie­ßend das Her­zog­li­che Gym­na­si­um Ca­si­mi­ria­num in Co­burg. 1896 zog die Fa­mi­lie in die da­mals noch selbst­stän­di­ge Stadt Kalk im heu­ti­gen Köln. Soll­mann folg­te 1897 nach Ab­schluss des Schul­jah­res in Co­burg. Ei­ne Fort­füh­rung der Gym­na­si­al­l­auf­bahn war in Köln aus fi­nan­zi­el­len Grün­den nicht mög­lich. Er be­gann 1897 ei­ne kauf­män­ni­sche Leh­re; an­schlie­ßend war er als Hand­lungs­ge­hil­fe bei der Öl­wer­ke Stern-Son­ne­born AG tä­tig. Zwi­schen 1901 und 1903 be­leg­te er Abend­kur­se an der Köl­ner Han­dels­hoch­schu­le. Ab 1903 war er in der An­ti-Al­ko­hol-Be­we­gung ak­tiv, zu­nächst im Gut­temp­ler-Or­den und ab 1906 im Ar­bei­ter-Ab­sti­nen­ten­bund als Vor­sit­zen­der des Rhei­ni­schen Gaus. In der An­ti-Al­ko­hol-Be­we­gung lern­te er auch sei­ne Frau An­na Ka­tha­ri­na, ge­bor­ne Grüm­mer (1883-1972), ken­nen, die er 1906 hei­ra­te­te. Aus die­ser Ehe ging ei­ne Toch­ter, El­frie­de (1912-1997), her­vor. 

Be­reits 1903 war Soll­mann in die SPD ein­ge­tre­ten und be­tä­tig­te sich zu­nächst in der Ju­gend­ar­beit und der Le­bens­re­form­be­we­gung. Er war 1907 Mit­be­grün­der der „Frei­en Ju­gend" in Köln und der füh­ren­de Kopf der Orts­grup­pe. Noch als Par­la­men­ta­ri­er in der Wei­ma­rer Re­pu­blik setz­te er sich für den po­li­ti­schen Nach­wuchs ein. 

Ein Mei­len­stein in sei­nem Le­ben war die An­stel­lung als Lo­kal­re­dak­teur 1911 bei der „Rhei­ni­schen Zei­tung". Nur un­ter­bro­chen von ei­nem halb­jäh­ri­gen In­ter­mez­zo beim „Frän­ki­schen Volks­freund" 1913, blieb er der Zei­tung bis 1933 treu, ab 1920 als Chef­re­dak­teur. Im Jour­na­lis­mus fand Soll­mann sei­ne Be­stim­mung. Er ge­hör­te zu den her­aus­ra­gen­den Pu­bli­zis­ten der So­zi­al­de­mo­kra­tie. Mit sei­nem ele­gan­ten, durch Iro­nie und Witz ge­präg­ten Stil hob er sich deut­lich von den oft stark theo­re­ti­sie­ren­den Par­teiblät­tern ab. Sein Ein­satz für ei­ne Re­form der Par­tei­pres­se, die er le­ser­freund­li­cher ge­stal­ten woll­te, blieb je­doch er­folg­los. 

Zur Füh­rungs­fi­gur der ober­rhei­ni­schen So­zi­al­de­mo­kra­tie avan­cier­te Wil­helm Soll­mann durch die Er­eig­nis­se im No­vem­ber 1918. Als die re­vo­lu­tio­nä­re Be­we­gung Köln er­reich­te, ge­lang es ihm als geis­ti­ger Kopf des Ar­bei­ter- und Sol­da­ten­ra­tes in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er (1876-1967), die Er­eig­nis­se in ge­ord­ne­te Bah­nen zu len­ken. Die gu­te Zu­sam­men­ar­beit mit Ade­nau­er setz­te sich in den ­fol­gen­den Jah­ren fort. Soll­mann stand von 1918 bis 1924 der Köl­ner Rats­frak­ti­on der SPD vor und ko­ope­rier­te bei vie­len Ent­schei­dun­gen mit dem Stadt­ober­haupt. 

 

Ab 1924 kon­zen­trier­te er sein par­la­men­ta­ri­sches En­ga­ge­ment auf die Reichs­ebe­ne. Soll­mann war zwi­schen 1919 und 1933 un­un­ter­bro­chen Mit­glied zu­nächst der Wei­ma­rer Na­tio­nal­ver­samm­lung und da­nach des Reichs­tags. Als be­gab­ter Red­ner mach­te er schnell auf sich auf­merk­sam. Sein par­tei­in­ter­ner Auf­stieg zeig­te sich in sei­ner Er­nen­nung zum Reich­sin­nen­mi­nis­ter im Au­gust 1923, al­ler­dings eher ge­drängt als ge­wollt. Die Wei­ma­rer Re­pu­blik be­fand sich zu die­sem Zeit­punkt in ei­ner schwe­ren Staats­kri­se. Es er­wies sich, dass Soll­mann zwar ein Meis­ter des ge­schrie­be­nen und ge­spro­che­nen Wor­tes, aber kein Ver­wal­tungs­mensch, kein Macht­po­li­ti­ker war, der ein Mi­nis­te­ri­um füh­ren konn­te. Nach nur drei Mo­na­ten war die­ses In­ter­mez­zo be­en­det und Soll­mann er­leich­tert, sei­ner Tä­tig­keit als Jour­na­list und Par­la­men­ta­ri­er auf ge­wohn­te Wei­se nach­ge­hen zu kön­nen. 

Po­li­tisch war Soll­mann auf dem rech­ten, ak­tiv­re­for­mis­ti­schen Flü­gel der So­zi­al­de­mo­kra­tie be­hei­ma­tet. Er ge­hör­te zu den ent­schie­de­nen Be­für­wor­tern ei­ner Re­gie­rungs­be­tei­li­gung und fa­vo­ri­sier­te ei­ne Zu­sam­men­ar­beit mit dem re­pu­bli­ka­ni­schen Bür­ger­tum, be­son­ders dem Zen­trum, nicht zu­letzt ge­prägt durch sei­ne Er­fah­run­gen aus der Zu­sam­men­ar­beit in Köln. Ein Bünd­nis mit den Kom­mu­nis­ten war für ihn frei­lich un­denk­bar; Kom­mu­nis­mus war für ihn „welt­an­schau­li­cher Ter­ror". Er pro­pa­gier­te statt­des­sen den Wert der geis­ti­gen Frei­heit. So­zia­list zu sein und welt­an­schau­li­che Plu­ra­li­tät und re­li­giö­se To­le­ranz zu for­dern, war für ihn kein Ge­gen­satz. 

Sein Ziel war es, das Wäh­ler­spek­trum der Par­tei zu er­wei­tern, aus der Klas­sen­par­tei ei­ne „so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche Volks­par­tei" zu ent­wi­ckeln, die Mit­glie­der vie­ler so­zia­ler Schich­ten ver­eint. Eben­so setz­te er sich für ei­ne Mo­der­ni­sie­rung der Par­tei­struk­tur ein. Er kri­ti­sier­te, dass die SPD zwar aus­rei­chend gu­te Or­ga­ni­sa­ti­ons­lei­ter be­sit­ze, es man­ge­le der Par­tei aber an phan­ta­sie­vol­len geis­ti­gen Köp­fen, die den ak­tu­el­len ge­sell­schaft­li­chen Pro­ble­men ge­wach­sen sei­en. Wie kaum ein an­de­rer So­zi­al­de­mo­krat zeig­te er sich of­fen für Neue­run­gen, ver­such­te er Re­for­men an­zu­sto­ßen. Mit die­sen Ide­en ver­trat er in der Par­tei al­ler­dings ei­ne Min­der­hei­ten­po­si­ti­on. Sei­ne Ge­dan­ken wa­ren zu fort­schritt­lich, um kon­sens­fä­hig zu sein. Zwar gab es am En­de der Wei­ma­rer Re­pu­blik ei­ne hef­ti­ge par­tei­in­ter­ne Dis­kus­si­on über die Zu­kunft der SPD, die aber durch die Er­eig­nis­se im Ja­nu­ar 1933 er­geb­nis­los blieb. 

Wil­helm Soll­mann hat aus sei­ner tie­fen Ab­nei­gung ge­gen die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten nie ei­nen Hehl ge­macht – in ei­ner Reichs­tags­re­de be­zeich­ne­te er sie als „Auf­stand geist­lo­ser Bar­ba­rei". Nur vier Ta­ge nach sei­ner Wie­der­wahl in den Reichs­tag über­fiel ein Kom­man­do aus SA- und SS-Mit­glie­dern Soll­mann am 9.3.1933 in sei­ner Köl­ner Woh­nung und ver­schlepp­te ihn in das „Brau­ne Haus" der NS­DAP-Gau­lei­tung. Dort wur­de er bru­tal ge­fol­tert, bis er am Abend dem Po­li­zei­prä­si­den­ten über­ge­ben wur­de. Mit Hil­fe von Freun­den ge­lang ihm die Flucht nach Lu­xem­burg. Nach sei­ner Ge­ne­sung ging er nach Saar­brü­cken – das Saar­land stand un­ter der Kon­trol­le des Völ­ker­bunds –, wo er als Re­dak­teur der Ta­ges­zei­tung „Deut­sche Frei­heit" ar­bei­te­te. Nach der Saarab­stim­mung im Ja­nu­ar 1935 folg­te die er­neu­te Flucht nach Lu­xem­burg. 

Sei­ne Odys­see fand 1937 mit der Emi­gra­ti­on in die USA ein En­de, wo er sich sei­nen Le­bens­un­ter­halt zu­nächst durch Vor­trags­rei­sen ver­dien­te, die ihn quer durch die Ver­ei­nig­ten Staa­ten führ­ten. Ei­ne fes­te An­stel­lung fand er schlie­ß­lich als Do­zent am Quä­ker-Col­le­ge Pend­le Hill in ei­nem Vor­ort von Phil­adel­phia. 1943 wur­de er ame­ri­ka­ni­scher Staats­bür­ger und nann­te sich fort­an Wil­liam Fre­de­rick Soll­mann. 

In der so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Emi­gra­ti­on war er, ob­wohl seit 1933 im Exil­vor­stand der Par­tei, ein Au­ßen­sei­ter. Soll­mann be­tei­lig­te sich zwar wei­ter an den De­bat­ten über den So­zia­lis­mus, spitz­te aber sei­ne in der Wei­ma­rer Re­pu­blik ent­wi­ckel­te Po­si­ti­on wei­ter zu. Dies führ­te letzt­lich zum Bruch mit vie­len al­ten Weg­ge­fähr­ten, de­nen er vor­warf, in der Ver­gan­gen­heit zu le­ben, pro­gram­ma­tisch zu ver­har­ren. Sei­ne Vor­stel­lun­gen von ei­ner gro­ßen so­zia­len Volks­par­tei ver­folg­te er wei­ter. Er sah dar­in den rich­ti­gen Weg für den Auf­bau ei­nes de­mo­kra­ti­schen Deutsch­lands nach 1945 und plä­dier­te auch wei­ter­hin für ei­ne Ko­ali­ti­on mit dem po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus. 

Für sich selbst sah Soll­mann kei­nen Platz mehr in der deut­schen Po­li­tik, un­ter­nahm aber meh­re­re Deutsch­land­rei­sen, wäh­rend der er auch Vor­le­sun­gen an der Uni­ver­si­tät zu Köln hielt. An der Er­öff­nung des deut­schen Bun­des­ta­ges 1949 nahm er als Eh­ren­gast Ade­nau­ers teil. Im Ju­li 1950, Soll­mann be­fand sich ge­ra­de wie­der in Deutsch­land, stell­te man ei­ne Ma­gen­krebs­er­kran­kung fest, ei­ne Ope­ra­ti­on in den USA blieb er­folg­los. Die letz­ten Mo­na­te ver­brach­te er in Ob­hut sei­ner Toch­ter. Am 6.1.1951 starb Wil­helm Soll­mann in Mount Car­mel/Con­nec­ti­cut. Sein Leich­nam wur­de ein­ge­äschert und ge­mäß sei­nem Wunsch auf ei­nem klei­nen Quä­ker­fried­hof in der Nä­he von Pend­le Hill bei­ge­setzt. 

Literatur

Hirsch, Fe­lix E., Wil­helm Soll­mann (1881-1951), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 6 (1975), S. 257-285.
Kühn, Heinz, Wil­helm Soll­mann. Rhei­ni­scher So­zia­list, Köl­ner Pa­tri­ot, de­mo­kra­ti­scher Welt­bür­ger, Köln 1981.
Nyas­si, Ul­ri­ke, Der Nach­laß Wil­helm Soll­mann, Köln u.a. 1985.
Wal­ter, Franz, Wil­helm Soll­mann (1881-1951). Der Par­tei­re­for­mer, in: Lö­sche, Pe­ter u.a. (Hg.), Vor dem Ver­ges­sen be­wah­ren: Le­bens­we­ge Wei­ma­rer So­zi­al­de­mo­kra­ten, Ber­lin 1988, S. 362-390.

Wilhelm Sollmann, Skulptur am Kölner Rathausturm, 1991, Bildhauer: Hans Karl Burgeff. (Stadtkonservator Köln)

 
Zitationshinweis

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Ebert, Simon, Wilhelm Sollmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-sollmann/DE-2086/lido/57c95320037c32.21886311 (abgerufen am 12.12.2024)