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Wilhelm V. regierte von 1539 bis 1592 die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg und die Grafschaften Mark und Ravensberg. Schon die Zeitgenossen gaben ihm angesichts des zwar nicht räumlich geschlossenen, aber den Nordwesten des Reiches dominierenden Territorienverbundes den Beinamen „der Reiche". Mit seiner Regierungszeit sind die richtungsweisenden Entscheidungen der nur zwischen 1521 und 1609 vereinigten Länder verbunden, nämlich in der Reichs-, Konfessions- und Dynastiepolitik (Verheiratungen der Töchter in der sich nach 1590 stellenden Erbfrage).
Wilhelm wurde am 28.7.1516 in Düsseldorf geboren und war der einzige Sohn von Herzog Johann III. von Kleve-Mark (1511-1539), der 1521 durch das Erbe seiner Frau Maria (1491-1543) auch Herzog über Jülich-Berg-Ravensberg und damit Herrscher über diesen Verbund rheinisch-westfälischer Territorien geworden war („Vereinigte Herzogtümer"). Über die Jugend Wilhelms ist nur wenig bekannt. Dazu zählt etwa, dass er seit 1523 Zögling des Rates Konrad von Heresbach war und durch ihn mit humanistischem Gedankengut in Berührung kam. Wilhelms Charakter wurde auch noch in späteren Jahren als liebenswürdig und gutherzig beschrieben. Eine umfassende biographische Darstellung zu Wilhelm steht allerdings noch aus.
Als Wilhelm 1539 die Regierung übernahm, standen seine Territorien aufgrund der so genannten geldrischen Frage im Mittelpunkt europäischer Mächtepolitik. Hierbei war offen, wer nach dem Tod Karls von Egmond (30.6.1538) die Herrschaft über das Herzogtum Geldern erhalten sollte: Ansprüche erhoben das von Kaiser Karl V. (1500-1558) angeführte Haus Habsburg und Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg.
Die zunächst aufgenommenen diplomatischen Verhandlungen wurden von der Suche Wilhelms nach Bündnispartnern begleitet. Vor allem lehnte er sich an Frankreich an, was mittels der 1541 – allerdings nur auf dem Papier – geschlossenen Ehe mit Jeanne d’Albret (1528-1572), der Mutter des späteren Königs Heinrich von Navarra (1553-1610), unterstützt wurde. Daneben versuchte Wilhelm sich der protestantischen Partei im Reich sowie England anzunähern, letzteres durch die Heirat seiner Schwester Anna (1515-1557) mit König Heinrich VIII. (1491-1547). Dies war politisch jedoch gewagt, da Wilhelms Reichstreue in Zweifel gezogen wurde. Vor allem aber war es brisant, weil man in Jülich-Kleve-Berg in diesen Jahren des beginnenden konfessionellen Zeitalters eine eigentümliche Religionspolitik verfolgte. Sie erschien bereits den Zeitgenossen schwerlich als evangelisch oder katholisch unterscheidbar. Diese Konfliktlage wurde nach einem kurzen Krieg am Niederrhein zwischen Kaiser Karl V. und Herzog Wilhelm mit dem Vertrag von Venlo 1543 bereinigt. Wilhelm musste fortan auf seine geldrischen Ansprüche verzichten und zusagen, in seinen Territorien die Reformation nicht einzuführen. Vor dem Hintergrund des gleichzeitig beginnenden Reformationsversuchs im benachbarten Kurfürstentum Köln durch Erzbischof Hermann von Wied stellte dies eine wichtige religionspolitische Weichenstellung für den Nordwesten des Reichs dar. Schließlich musste der Herzog auch das französische Bündnis lösen. Der Papst annullierte die Ehe mit Jeanne d’Albret, und Wilhelm heiratete 1546 Maria von Habsburg (1531-1581), die Tochter des späteren Kaisers Ferdinand I. (1503-1564). Damit war die Bindung an das Kaiserhaus auch dynastisch gefestigt. Der unbesonnene Versuch des 27-Jährigen Fürsten, ein mächtiges Territorium inmitten Europas zu bilden, war indes gescheitert. Auch Möglichkeiten zu einer selbstständigen Reichspolitik waren Wilhelm für die Zukunft versperrt.
Wilhelms folgende, noch fast ein halbes Jahrhundert dauernde Regierungszeit war deshalb im Wesentlichen durch den inneren Ausbau seines Herzogtums geprägt. Durch so genannte „Policeyordnungen" verstärkte er seinen Einfluss auf das kirchliche und soziale Leben. Er richtete höherer Schulen ein und modernisierte das Rechts- und Verwaltungswesen. Außenpolitisch war die herzogliche Regierung seit den ausgehenden 1560er Jahren bemüht, die Einwirkungen des spanisch-niederländischen Krieges (1568-1648) gering zu halten. Für dieses Ziel setzte Wilhelm sich vor allem auch als Mitglied, seit 1554 als Oberster des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises ein.
Trotz der erreichten, teilweise auch dauerhaften Reformen gelang es zu Wilhelms Regierungszeit nicht, die Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen der einzelnen Länderteile Jülich-Kleve-Berg-Mark-Ravensberg zu vereinheitlichen und bei den Einwohnern das Bewusstsein hervorzurufen, einem geschlossenen Staatswesen anzugehören. Das zeigte sich am deutlichsten an der fortbestehenden Trennung der landständischen Vertretungen und daran, dass während Wilhelms Regierungszeit nicht versucht wurde, eine Zentralverwaltung für alle Landesteile zu schaffen. Folglich blieben die Gebiete nur durch die Dynastie vereinigt.
Mit seiner im reichsweiten Vergleich eigenständigen und zeitweise aus der Rückschau sicher auch innovativen Religionspolitik knüpfte Wilhelm an die Tradition seiner Vorgänger an. Bereits seit dem 15. Jahrhundert waren die Herzöge von Jülich-Berg und Kleve-Mark um die Verbesserung der religiösen Verhältnisse bemüht, wollten aber im selben Zuge auch die weltliche Herrschaft auf kirchliche Bereiche ausdehnen. Diese spezifische, bis circa 1570 verfolgte Religionspolitik, bei der Wilhelm durch den Kreis seiner humanistisch gebildeten Räte, darunter Konrad von Heresbach, stark beeinflusst wurde, hat in der Geschichtsforschung bis in die Gegenwart Anlass zu Quelleneditionen und zahlreichen Einzelstudien gegeben. Die Einschätzungen reichen von einer katholischen Reform bis zur Ansicht, Wilhelm habe die Reformation einführen wollen. Am tragfähigsten erwies sich die Deutung der Religionspolitik als eines so genannten „Dritten Weges", wonach Wilhelm der drohenden Kirchenspaltung mittels einer Verbindung innerkirchlicher Reformen mit humanistischen Akzenten entgegenzuarbeiten suchte. Dagegen wurden religiöse Richtungen, wie etwa die der Täufer, aufgrund ihrer gesellschaftskritischen Ideen strikt verfolgt. Zur Zulassung von Juden in den vereinigten Territorien kam es unter Wilhelm V. nicht. Ihre Niederlassung wurde mit der Polizeyordnung von 1558 verboten.
Seit 1566 erlitt Wilhelm mehrere Schlaganfälle, die ihm die Regierungsführung zunehmend erschwerten. Da auch der einzige überlebende Sohn Johann Wilhelm gegen Ende der 1580er Jahre erkrankte und sich abzeichnete, dass das Haus im Mannesstamm aussterben könnte, gingen die politischen Geschäfte mehr und mehr an die herzoglichen Räte über. Durch hofinterne und konfessionelle Auseinandersetzungen wurde die Regierung während der letzten Lebensjahre Wilhelms geschwächt. Damit entstand eine Konfliktlage, die im Wesentlichen bis zum Auseinanderbrechen des Territorienverbundes im Jahr 1609 anhielt und von den Erbinteressenten zusätzlich befördert wurde.
Wilhelm V. starb am 5.1.1592. Er wurde in der Fürstengruft der Düsseldorfer Stiftskirche beigesetzt, wo 1599 ihm zu Ehren das noch bestehende, in künstlerischer Gestaltung und Größe eindrucksvolle Grabdenkmal errichtet wurde.
Literatur
Bers, Günter, Wilhelm Herzog von Kleve-Jülich-Berg (1516-1592), Köln 1970.
Kloosterhuis, Elisabeth M., Erasmusjünger als politische Reformer. Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert, Köln u.a. 2006.
Smolinsky, Heribert, Jülich-Kleve-Berg, in: Schindling, Anton u.a. (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, Land und Konfession 1500-1650, Band 3: Der Nordwesten, 2. Auflage, Münster i.W. 1996, S. 86-106.
Online
Harleß, Woldemar, Artikel "Wilhelm V., Herzog v. Jülich", in: Allgemeine Deutsche Biographie 43 (1898), S. 106-113. [Online]
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Richter, Olaf, Wilhelm V. von Kleve, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-v.-von-kleve/DE-2086/lido/57c93100eecee4.70442400 (abgerufen am 06.10.2024)