Zu den Kapiteln
Wilhelm Friedrich Ludwig („Willi“) Weyer war seit Mitte der 1950er Jahre für zwei Jahrzehnte einer der einflussreichsten nordrhein-westfälischen Landespolitiker, der auch bundespolitisch großes Gewicht besaß und zwischen 1957 und 1987 überdies an der Spitze der Sport-Dachverbände in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik stand.
Geboren wurde er am 16.2.1917 in Hagen, wo die Familie väterlicherseits seit mehreren Generationen ansässig war. Der Vater Wilhelm (1886-1974) hatte es im gehobenen Justizdienst bis zum Amtsanwalt gebracht, die Mutter Emma, geborene Schütz (1893-1967), entstammte einer Gastwirtsfamilie; ihr musikalisches Talent als Klavierlehrerin vererbte sich auch dem Sohn. Die Eltern waren evangelisch, der Sohn trat Ende der 1960er Jahre aus der Kirche aus.
Die in seiner Heimatstadt durch den langjährigen Reichstagsabgeordneten Eugen Richter vorwaltende linksliberale Tradition hatte auch Weyers Vorfahren geprägt: Großvater Friedrich (1855-1927) war ein Unterstützer Richters, der Vater lokaler Funktionär der Weimarer DDP und 1945 Mitbegründer der FDP.
Willi Weyer legte 1936 das Abitur ab und studierte, nach Arbeitsdienst und eines wegen Verletzung abgekürzten Wehrdienstes, ab 1937 in Bonn, Jena und München Rechtswissenschaften. 1941 legte er das erste Staatsexamen ab. Die Referendarzeit in seiner Geburtsstadt wurde unterbrochen durch ein gutes Jahr bei der „Akademie für Deutsches Recht“ in München, ehe er zur Wehrmacht eingezogen wurde. Die Assistentenzeit in dieser nationalsozialistischen Institution sowie sein wohl zur Absicherung des Studienplatzes 1937 erfolgter Eintritt in die NSDAP hinterließen zwar keine nachweisbaren Spuren in Weyers öffentlichem Wirken, führten aber posthum zu erheblichen, von der Linkspartei ausgelösten Diskussionen um eine mögliche NS-Verstrickung.
Seit den frühen 1930er Jahren war Weyer sportlich sehr aktiv. Als Mitglied des TSV Hagen 1860, des ältesten Sportvereins seiner Heimatstadt, und des Schwimmvereins Hagen von 1894 betrieb er Leichtathletik, Basket- und Faustball sowie vor allem Schwimmsport, unter anderem Wasserball. 1937 wurde er Studentenvizeweltmeister im Brustschwimmen über die 200-Meter-Distanz. Die Sportkarriere endete mit dem Zweiten Weltkrieg, an dem Weyer, nachdem er wegen seiner Wehrdienstverletzung zunächst zurückgestellt worden war, ab 1943 als Flaksoldat teilnahm. Bei Kriegsende geriet der Unteroffizier Weyer in amerikanische Kriegsgefangenschaft und konnte nach wenigen Wochen aus den berühmt-berüchtigten „Rheinwiesenlagern“ heimkehren, wobei er der familiären Überlieferung zufolge den Rhein durchschwamm.[1]
Noch 1945 konnte Weyer seine Referendarzeit fortsetzen und abschließen; im Folgejahr wurde er Syndikus beim Einzelhandelsverband Westfalen-Süd. Im selben Jahr 1946 trat er der FDP bei, in der er rasch Karriere machte, vor allem, nachdem er sich auch im Jugendverband der Partei, den Deutschen Jungdemokraten, engagierte und dort 1947 die Führung des Landesverbandes übernahm. Damit war ein Sitz im Vorstand des ebenfalls 1947 gegründeten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der FDP verbunden, dem er dann über ein Vierteljahrhundert angehörte. In der Jungdemokraten-Zeit entstand ein gewichtiges Netzwerk Weyers mit anderen, etwa gleichaltrigen Vertretern der sogenannten „Kriegsgeneration“ wie Erich Mende (1916-1998), Wolfgang Döring (1919-1963) und Walter Scheel, das seit 1956 entscheidenden Einfluss auf den Kurs der FDP in Düsseldorf und Bonn nahm.
Ein erstes politisches Mandat erreichte Weyer bereits 1948 mit der Wahl zum Hagener Stadtverordneten, ein Jahr später wurde er einer der Vertreter des dortigen SPD-Oberbürgermeisters Fritz Steinhoff (1897-1969). 1950 zog er erstmals in den Düsseldorfer Landtag ein und stieg zum stellvertretenden Landesvorsitzenden seiner Partei auf. Doch sein eigentliches Betätigungsfeld sah Weyer zu diesem Zeitpunkt eher in der Bundes- als in der Landespolitik. Anfang 1953 rückte er für einen verstorbenen Parteifreund in den FDP-Bundesvorstand nach, bei der Bundestagswahl im gleichen Jahr wurde er über die Landesliste in den Bundestag gewählt.
Das Gastspiel auf der Bonner Bühne währte jedoch nur kurz, da die nordrhein-westfälische CDU nach der Landtagswahl im Sommer 1954 neben der Zentrumspartei auf einen weiteren Koalitionspartner angewiesen war und nach Bonner Vorbild auf die FDP zurückgriff. In der Folge trat Weyer zusammen mit dem FDP-Landesvorsitzenden Friedrich Middelhauve in das dritte Kabinett von Ministerpräsident Karl Arnold ein, als jüngster Minister zuständig für „Wiederaufbau“, also Städtebau und Wohnungswesen.
Bundespolitische Entwicklungen waren es, die die Koalition und Weyers erste Ministertätigkeit bereits nach anderthalb Jahren beendeten, wobei er allerdings selbst daran beträchtlichen Anteil hatte. Seit 1953 hatte sich das Verhältnis zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem nicht in die Kabinettsdisziplin eingebundenen FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Thomas Dehler (1897-1967) vor allem über deutschlandpolitische Fragen immer weiter zerrüttet, was sich zunehmend auch auf die CDU-FDP-Bundesregierung auswirkte. Als Adenauer zum Jahreswechsel 1955/1956 eine Wahlrechtsreform präsentierte, deren Realisierung für die FDP existenzbedrohend gewesen wäre, reagierte vor allem der eigentlich bis dahin als konservativ und stark deutschnational eingeschätzte FDP-Landesverband in Düsseldorf. Treibende Kraft war dabei sein Vertrauter Döring, während Weyer sich als Landesminister zunächst im Hintergrund hielt. Wichtig wurde seine gute Beziehung zum nunmehrigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Steinhoff. Mit Weyers Billigung und hinter dem Rücken des FDP-Landesvorsitzenden Middelhauve verabredeten SPD und FDP ein Zusammengehen zum Sturz von Ministerpräsident Arnold und der erstmaligen Bildung einer sozial-liberalen Landesregierung, womit auch Adenauers Wahlrechtsänderung im Bundesrat blockiert war. Unter den jetzt vier FDP-Ministern des Ende Februar 1956 gebildeten Kabinetts Steinhoff war als Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident Willi Weyer. Dieser für die meisten unerwartete Coup jüngerer FDP-Landespolitiker erregte viel Aufsehen und brachte den Beteiligten den Spitznamen „Jungtürken“ ein. Bald darauf löste Weyer den isolierten Middelhauve an der Spitze des Landesverbandes ab, was bei dessen Größe und Bedeutung automatisch zugleich starken Einfluss in der Bundes-FDP bedeutete.
Aber auch jetzt war Weyer zunächst nur eine gut zweijährige Amtszeit gegönnt, da die CDU im Sommer 1958 die absolute Mehrheit gewann und unter Ministerpräsident Franz Meyers die SPD-FDP-Koalition ersetzte. Wie das gesamte, durch den Beitritt der Zentrumspartei noch heterogenere, in erster Linie aus bundespolitischen Gründen zusammengekommene Kabinett, konnte auch Weyer in seinem Amt in dieser Zeit nur wenige Akzente setzen. Immerhin sorgte er dafür, dass das Land Nordrhein-Westfalen das Düsseldorfer Ständehaus – damals Sitz des Landtags – dem Landschaftsverband Rheinland für eine beträchtliche Summe abkaufte. Bedeutsam war der Nachweis, dass auch an Rhein und Ruhr ohne die bis dahin dominierende CDU regiert werden konnte.

Im Rahmen des Programms zur Beseitigung von Notunterkünften besichtigt der Minister für Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen, Willi Weyer (m.), gemeinsam mit dem Kölner Oberstadtdirektor Max Adenauer (l.) einen Bunker in Köln, in dem Wohnungslose behelfsmäßig untergebracht sind, Foto veröffentlicht in der Kölnischen Rundschau vom 4.8.1955, Foto: Hansherbert Wirtz. (www.grevenarchivdigital.de/Kölnische Rundschau/Hansherbert Wirt/KR_35_0002302)
Gewissermaßen nutzte Weyer seinen „Amtsbonus“ auch für den Eintritt in eine weitere Karriere, scheinbar fernab der Politik: Ende Oktober 1957 wurde er als Nachfolger von Peco Bauwens zum Vorsitzenden des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen gewählt. Er verstand dieses Amt durchaus politisch, aber nicht im Sinne von parteipolitisch. Andernfalls hätte er die Position ungeachtet aller Wandlungen der Landespolitik nicht über 30 Jahre bis zu seinem Tod behaupten können. „Politisch“ meinte die Nähe und die Kontaktpflege zu den politischen Institutionen, um nicht nur die finanziellen Interessen der Sportler und Sportlerinnen durchzusetzen, worauf sich Weyer meisterhaft verstand.
Landespolitisch zeichnete sich mit dem Koalitionswechsel zunächst scheinbar ein Karriereknick ab: Weyer übernahm nach der Wahlniederlage zwar den Fraktionsvorsitz und vollführte eine durch „Umtriebigkeit, Agilität und Konfliktfreude gegenüber den regierenden Christdemokraten“[2] gekennzeichnete Oppositionspolitik. Aber offenkundig fühlte er sich damit nicht ausgelastet: 1959 ließ sich Weyer zudem in Wuppertal zum Beigeordneten und Dezernenten für Liegenschaften wählen, bezeichnenderweise mit den Stimmen der SPD.
Bundespolitisch bedeutete der Verlust des Ministeramts keineswegs eine Schwächung. Als Vorsitzender des mitgliederstärksten Landesverbandes gehörte Weyer nicht nur dem FDP-Bundesvorstand an, sondern verfügte dort auch über eine zentrale Stellung. Dies wurde etwa deutlich bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst 1961, als es um den Wiedereinzug der FDP in die Bundesregierung ging. Offenbar hatte Adenauer schon früher daran gedacht, Weyer als kommenden Mann der Liberalen in die Bundesregierung zu holen, was nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit für die CDU 1957 zunächst obsolet war. Vier Jahre später hätte Weyer, als die CDU wieder auf einen Koalitionspartner angewiesen und er Teil der FDP-Verhandlungsdelegation war, diese Chance erneut gehabt. Er nutzte sie jedoch nicht. Es bestand allem Anschein nach eine Übereinkunft unter den ehemaligen „Jungtürken“, dass Weyer sich auf die Landespolitik konzentrieren sollte, während Scheel und Döring gemeinsam mit dem seit 1960 amtierenden Vorsitzenden Mende den Einfluss Nordrhein-Westfalens auf die Bundes-FDP absichern sollten. Als Döring Anfang 1963 überraschend starb, folgte ihm allerdings Weyer als stellvertretender Bundesvorsitzender.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Konstellation auch in Nordrhein-Westfalen wieder zugunsten der FDP geändert, die bei der Landtagswahl unter dem Spitzenkandidaten Weyer zwar leichte Verluste hatte hinnehmen müssen. Jedoch führte der Verlust der absoluten Mehrheit bei der CDU auch an Rhein und Ruhr zur Notwendigkeit einer Koalitionsbildung, die im „Gleichklang mit Bonn“ aus CDU und FDP bestehen sollte. So trat Weyer im Juli 1962 erneut als stellvertretender Ministerpräsident in das zweite Kabinett Meyers ein, diesmal jedoch an der Spitze des Ressorts für Inneres. Damit auch zuständig für Verkehr und Polizei nutzte Weyer die Position auf vielerlei Weise, um Popularität zu gewinnen: Er beteiligte sich selbst an Verkehrskontrollen, suchte das Image der Polizei in der Bevölkerung zu bessern, aber auch für eine bessere Ausstattung seiner Beamten zu sorgen. Höchstpersönlich leitete er die Sicherheitsmaßnahmen in brenzlichen Situationen wie 1968 bei den großen Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze. Zugleich war er auch ein Verfechter einer harten Hand gegenüber Extremisten im Öffentlichen Dienst („Radikalenerlass“).

Vorstand des Landessportbundes NRW, 1969. (LSB NRW/K1B144F2)
Weyers Zugkraft war eine Positionsverbesserung der FDP bei den Landtagswahlen 1966 zu verdanken, bei der die SPD knapp unterhalb der absoluten Mehrheit blieb. Aus bundespolitischen Gründen, um das CDU-FDP-Bundeskabinett unter Ludwig Erhard (1897-1977) abzusichern, wurde trotz sehr knapper Mehrheit die bisherige Landeskoalition weitgehend unverändert fortgesetzt. Erhards Sturz und die Bildung einer Großen Koalition in Bonn änderte im Herbst des gleichen Jahres jedoch gewissermaßen die „Geschäftsgrundlagen“ der Landespolitik. Erneut zeichnete sich Weyer dabei durch Tatkraft und Risikofreude aus, indem er einer drohenden Großen Koalition in Düsseldorf durch die Neuauflage der sozial-liberalen Koalition zuvorkam, wobei er damit weniger den Wünschen des künftigen Ministerpräsidenten Heinz Kühn als denen der SPD-Landtagsfraktion entsprach. Auch dieses Kabinett, in dem Weyer weiterhin Innenminister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten blieb, hatte starke bundespolitische Auswirkungen wie das Kabinett zehn Jahre zuvor, allerdings erst mit einiger Verzögerung.
Dass die neue nordrhein-westfälische Landesregierung vergleichsweise gut funktionierte und SPD und FDP ein umfangreiches Reformprogramm in Angriff nahmen, sendete auch Signale in die Bundespolitik, die die dortigen traditionellen Gegensätze zwischen beiden Parteien abbauten. 1969 ergriff der ehemalige „Jungtürke“ Scheel, nach Weyers Verzicht seit Anfang 1968 Nachfolger von Mende an der FDP-Spitze, gemeinsam mit Willy Brandt (1913-1992) die Chance und bildete in Bonn ebenfalls eine sozial-liberale Koalition. Kühn und Weyer galten dabei als die „Königsmacher von der Königsallee“.
Innerhalb der sozial-liberalen Reformpolitik fiel Weyer ressortmäßig die kommunale Neugliederung zu. Bereits von der Vorgängerregierung begonnen wurde nun eine landesweite Gebietsreform in Angriff genommen, die bis 1975 die zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden kommunalen Verwaltungsstrukturen überall in größere und leistungsfähigere Einheiten überführen wollte. Auftakt der „heißen Phase“ bildete das Bonn-Gesetz von 1969, das durch Ein- und Umgemeindungen die Verwaltungsgrenzen der Bundeshauptstadt und der sie umgebenden Kreise völlig neugestaltete und dem ab 1970 acht weitere regionale Reformgesetze folgten. Das rief zwangsläufig zahlreiche Widerstände von betroffenen Kommunalpolitikern und vieler Bürger hervor, so dass Weyer, der gern oberhalb der Städte und Kreise „Stadtverbände“ an Stelle von Regierungsbezirken eingerichtet hätte, teilweise zurückstecken musste. Auch in seiner Heimatstadt Hagen gab es Missmut gegenüber dem federführenden Innenminister, wie sich 1977 bei der Verleihung des Ehrenrings der Stadt an den nunmehrigen Ex-Minister Weyer zeigte. Dennoch gelang eine umfassende Reform der Kommunalgliederung.
Wind aus anderer Richtung wehte Weyer zu Beginn der 1970er Jahre entgegen: Auch in der NRW-FDP gab es Widerstände gegen die Koalitionsbildung in Bonn, was nach der Abspaltung von drei Landtagsabgeordneten die Regierungsmehrheit in Düsseldorf weiter verringerte, nachdem SPD und FDP bei der Landtagswahl 1970 ohnehin Stimmenanteile verloren hatten. Aber die Koalition hielt dennoch oder gerade deswegen über die gesamte Legislaturperiode, die zugleich Weyers letzte war.
Bereits zuvor hatte er Zug um Zug seinen Rückzug aus der aktiven Politik eingeleitet: 1968 schied er aus dem FDP-Bundesvorstand aus, um das Feld der neuen Trias aus Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Wolfgang Mischnick (1921-2002) zu überlassen. 1972 übergab er den Landesvorsitz Horst-Ludwig Riemer (1933-2017) und mit der Landtagswahl 1975 schied er aus der Landesregierung und dem Landtag aus. Damit endete Weyers politische Karriere im eigentlichen Sinne, spätere Überlegungen zu einem Comeback, etwa als Bundestagsabgeordneter, waren wohl nicht wirklich ernstgemeint.

Wahlplakat Willi Weyer Landtagswahl 1966, Einer von uns einer für uns, FDP, herausgegeben vom FDP- Landesverband Nordrhein-Westphalen. (Archiv des Liberalismus/ADL, Plakatsammlung, P1-234)
Doch er blieb der „großen Politik“ nahe, wechselte nur die Bühne. Der Vorsitz beim mitgliederstarken nordrhein-westfälischen Landessportbund eröffnete ähnlich wie bei der FDP auch beträchtlichen Einfluss auf Bundesebene. So war Weyer seit 1958 Vorstandsmitglied im Deutschen Sportbund (DSB), 1964 rückte er dort zum stellvertretenden Vorsitzenden auf und führte zeitweise die Geschäfte für den vielbeschäftigten Vorsitzenden Willi Daume. In Nordrhein-Westfalen erwies er sich auch sportpolitisch als „Macher“, der vor allem architektonisch seine Spuren hinterließ mit dem Neubau der später nach ihm benannten Sportschule im sauerländischen Sundern und des „Hauses des Sports“ in Duisburg. Seit 1965 stand er auch dem „Internationalen Arbeitskreis für Sportstättenbau“ vor.
So war es naheliegend, auch die Führung im DSB zu übernehmen, was allerdings erst im zweiten Anlauf geschah, als sich der endgültige Rückzug aus der Tagespolitik abzeichnete. 1974 wurde Weyer zum Vorsitzenden des Sportdachverbandes gewählt. Auch dieses Amt verstand er im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern als politisch, wie er in seiner Antrittsrede klar machte: Sport sei eine „gesellschaftspolitische Aufgabe der Lebenshilfe für alle Bürger“, deshalb müssten „Sport, Parteien und Staat in ein neues Verhältnis zueinander finden“. In Erinnerung blieb aber vor allem ein später häufig zitiertes Bonmot: „Sport ohne Leistung ist Kappes.“[3]
Weyer versuchte erfolgreich die Herausforderung zu meistern, Spitzen- und Breitensport in seinem Amt in Einklang zu bringen. Hier lagen seine eindeutigsten Erfolge vor allem bei letzterem: So erhöhte sich die Zahl der organisierten Sportler in seinen zwölf Amtsjahren von rund 12 Millionen in 40.000 Vereinen auf über 19 Millionen und 60.000 Vereine. Auch machte er die „Trimm Dich-Bewegung“ zur Steigerung der „Volksgesundheit“ populär. In Berlin ließ er eine „Führungs- und Verwaltungsakademie“ errichten, womit er zugleich ein deutschlandpolitisches Zeichen setzte, wie er überhaupt seit den 1950er Jahren ein Anhänger einer aktiven Deutschland- und Entspannungspolitik gewesen war.
Doch gerade auf diesem Feld musste Weyer seine sportpolitisch schwierigste Entscheidung fällen: Nach anfänglichem Zögern griff er den von den USA ausgehenden Vorschlag auf, wegen des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan die Olympischen Spiele in Moskau 1980 zu boykottieren, und setzte diesen gegen erhebliche Widerstände in Sport und Politik in Bezug auf eine bundesdeutsche Teilnahme durch.

Willi Weyer mit Josef Krings und Richard Winkels bei der Grundsteinlegung des Erweiterungsbaus der Sportschule Wedau, 3.9.1979. (LSB NRW/K1B63F1)
Weyers Popularität litt darunter nur phasenweise: Sein 60. Geburtstag 1977 war in Düsseldorf in Anwesenheit der Spitzen von Staat und Sport und mit der Verleihung eines Ehrendoktors durch die von ihm geförderte Sporthochschule Köln groß gefeiert worden, nachdem er bereits 1970 das Große Bundesverdienstkreuz erhalten hatte. Weitere Ehrungen vor allem von Seiten des Sports folgten in den 1980er Jahren: 1983 Ehrenmitglied des rheinisch-westfälischen Turnerverbandes, ein Jahr später die Goldene Ehrennadel des nordrhein-westfälischen Seglerverbandes. 1986 wurde Weyer Ehrenvorsitzender des DSB und des Fußballverbandes Niederrhein und war unter den ersten, die mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurden.
In diesem Jahr trat er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für den DSB-Vorsitz an, war aber mit sich und seiner sportpolitischen Bilanz durchaus im Reinen, wie seine Abschiedsrede zeigte: „Meine Zeit hat sich gelohnt.“[4] Ein Jahr später wurde er noch Ehrenbürger der Sporthochschule, verstarb dann 70-jährig bei einem Urlaubsaufenthalt auf Juist. Mit einem Staatsakt im Hagener Stadttheater nahm das Land Abschied von „Big Willi“, so der nicht nur von Hans-Dietrich Genscher verwendete Spitzname, welcher Weyer einen starken Karriereschub verdankte. Die Trauerreden hielten der „Jungtürke“ und Altbundespräsident Walter Scheel, Sportbund-Präsident Hans Hansen und Weyers langjähriger Parlaments- und Kabinettskollege Ministerpräsident Johannes Rau, der Weyer einen „Großen in der Geschichte von NRW“ nannte. Seine letzte Ruhestätte fand Willi Weyer im Familiengrab auf dem Hagener Rembergfriedhof.

Willi Weyer an Rednerpult bei der Mitgliederversammlung der Sporthilfe Duisburg, 21.5.1980, Foto: Heinz Wiedmann. (LSB NRW/K6B336F41)
Seit Januar 1943 war Weyer mit seiner Jugendfreundin und Sportskameradin Helene/Leni geborene Feisel (1917-2016) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Tochter Bärbel sowie die Söhne Reinhard und Udo-Willi hervor.
Werke
[Zusammen mit] Berkenhoff, Hans Albert, Die kreisangehörige Stadt im sozialen Rechtsstaat, Göttingen 1965.
(Hg.), Rechtsstaat, Sozialstaat, Stuttgart [u. a.] 1972.
(Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen), in: Schnabel, Rudolf K. Fr. (Hg.), Die Opposition in der modernen Demokratie. Gedanken über Aufgaben und Verantwortung oppositioneller Kräfte, München 1972, S. 44-50.
Die Funktionalreform. Inhalt, Weg Ziel, Düsseldorf 1973.
Probleme der inneren Sicherheit, Düsseldorf 1974.
Deutscher Sportbund (Hg.), Willi Weyer – Sport ist nicht beharren, sondern immer wieder nach vorne schauen, Frankfurt/M. 1987.
Archivquellen
Nachlass: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abt. Rheinland (LAV NRW R), RWN 0251.
Teilnachlass: Stadtarchiv Hagen.
Pressesammlung des Landessportbund Nordrhein-Westfalen.
Gedruckte Quellen
General-Anzeiger der Stadt Wuppertal, 30.9.1959.
Löttel, Holger (Bearb.), Adenauer und die FDP, Paderborn [u.a.] 2013.
Schiffers, Reinhard (Bearb.), FDP-Bundesvorstand. Die Liberalen unter dem Vorsitz von Erich Mende, Sitzungsprotokolle 1960-1967, Düsseldorf 1993.
Wengst, Udo (Bearb.), FDP-Bundesvorstand. Die Liberalen unter dem Vorsitz von Theodor Heuss und Franz Blücher, Sitzungsprotokolle 1949-1954, 2 Bände, Düsseldorf 1990.
Wengst, Udo (Bearb.), FDP-Bundesvorstand. Die Liberalen unter Thoms Dehler und Reinhold Maier, Sitzungsprotokolle 1954-1960, Düsseldorf 1991.
Literatur
Brunn, Gerhard, “Jungtürken“ an die Macht: Die sozial-liberalen Koalitionen von 1956 und 1966 in Düsseldorf – Vorspiel für die Bundesrepublik?, in: Brunn, Gerhard (Hg.), Neuland. Nordrhein-Westfalen und seine Anfänge nach 1945/46, Essen 1986, S. 123-136.
Dorn, Wolfram, Der Regierungssturz in Düsseldorf 1956 im Rückblick eines ehemaligen „Jungtürken“, in: Geschichte im Westen 10 (1996), S. 107-114.
Düding, Dieter, Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2008.
Fischer, Karl, Willi Weyer, in: Först, Walter (Hg), Nach dreißig Jahren. Rheinisch-westfälische Politiker-Porträts, Köln 1979, S. 314-325.
Scheler, Werner, Überall Orientierungsmarken. Dr. h.c. Willi Weyer – ein erfülltes Leben, in: Heimatbuch Hagen und Mark 29 (1988), S. 58-62.
Schlemmer, Martin, Stammland des Sozial-Liberalismus? Die Bedeutung der sozial-liberalen Regierungsbündnisse in Nordrhein-Westfalen, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 30 (2018), S. 261-283.
Siekmeier, Mathias, Restauration oder Reform? Die FDP in den sechziger Jahren – Deutschland- und Ostpolitik zwischen Wiedervereinigung und Entspannung, Köln 1998.
[Artikel] Weyer, Willi, in: Hauenfelder, Bernd, Nordrhein-Westfalen – Land und Leute 1946-2006. Ein biographisches Handbuch, Münster 2006, S. 490-491.
[Artikel] Weyer, Willi, in: Vierhaus, Rudolf/Herbst; Ludolf (Hg.), Handbuch der Bundestagsabgeordneten 1949-1999, Band 2, München 2002, S. 847-848.
Online
Willi Weyer in der „Hall of Fame des Deutschen Sports“. [Online]
Willi Weyer beim Landesparteitag der FDP Saar 1964. [Online]
Interview mit Willi Weyer anlässlich der Großdemonstrationen gegen die Notstandsgesetze. [Online]
Gedenkseite des DSOB zum 100. Geburtstag von W. Weyer. [Online]
Stichtag des WDR zum 100. Geburtstag. [Online]

Willi Weyer mit Ehefrau Leni Weyer, 27.1.1980. (LSB NRW/K6B336F44)
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Frölich, Jürgen, Willi Weyer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/willi-weyer/DE-2086/lido/67a3158f0a6751.77228604 (abgerufen am 19.03.2025)
Veröffentlicht am 05.02.2025