Zu den Kapiteln
Wolfgang Wilhelm war von 1614 bis 1653 Herzog von Jülich-Berg und Pfalzgraf von Neuburg. Ihm gelang es nach dem Aussterben des jülich-klevischen Herzoghauses, den jülich-bergischen Teil des Erbes für seine Dynastie zu sichern. Dabei handelte er in politisch unruhigen Jahrzehnten geschickt gegenüber konkurrierenden starken Mächten. Dies gelang ihm nicht zuletzt durch persönliche Entscheidungen, vor allem durch seine Heirat in das Haus Wittelsbach (Bayern) und den damit verbundenen Konfessionswechsel auf dem Höhepunkt des Streits um das jülich-klevische Erbe. Er legte den Grund für die bis zum Ende des Alten Reichs bestehenden engen Beziehungen zwischen den pfalz-bayerischen Territorien und dem Niederrhein.
Wolfgang Wilhelm wurde am 4.11.1578 in Neuburg an der Donau als ältester Sohn des Pfalzgrafen Philipp Ludwig (1547-1614), des Mitbegründers der protestantischen Union, und der Anna von Jülich-Kleve-Berg (1552-1632) geboren. Er war dreimal verheiratet: Seit 1613 mit Magdalena von Bayern (1587-1628), der Schwester des bayerischen Herzogs Maximilian I. (1597 Herzog, 1623-1651 Kurfürst von Bayern), und ab 1631 mit der 37 Jahre jüngeren Katharina Charlotte von Pfalz-Zweibrücken (1615-1651). Kurz nach ihrem Tod 1651 schloss er in hohem Alter eine dritte Ehe mit der 55 Jahre jüngeren Maria Franziska (1633-1702), der Schwester von Franz und Wilhelm Egon von Fürstenberg-Heiligenberg.
In der Kindheit erfuhr Wolfgang Wilhelm eine streng lutherische Erziehung. Die Unterweisung in körperlichen Übungen, Tanz, Jagen und Zeichnen stand dazu nicht im Widerspruch. Eine Universität hat er wohl nicht besucht. Er soll sechs Sprachen beherrscht haben, darunter Latein, Italienisch und in fortgeschrittenem Alter auch Spanisch. Höfischen Feiern wenig zugeneigt, stets arbeitssam, suchte der Fürst aus offenbar innerlich verfestigtem Misstrauen, alle Geschäfte bis in Einzelheiten selbst zu erledigen. Er jagte gern, schätzte die niederländische Malerei der Zeit und genoss italienische Hofmusik. Auch war ihm die standesgemäße fürstliche Repräsentation ein Bedürfnis. 1585 hatte er als Kind an der Hochzeit seines Onkels Johann Wilhelm mit Jakobe von Baden in Düsseldorf teilgenommen und dabei ein einmaliges Spektakel hochadliger Selbstdarstellung seiner Zeit miterlebt. Er zog während seiner Regentschaft gelegentlich mit seiner Familie und dem berittenen Hofstaat durch Düsseldorf. Im Unterschied zu anderen Standesgenossen soll er dennoch stets um Abstand zu seinen Untertanen bemüht gewesen sein.
Wolfgang Wilhelms politische Wahrnehmung dürfte 1594 begonnen haben, als ihn der Vater zum Regensburger Reichstag mitnahm. Auf seinen Kavalierstouren und Reisen nach Dänemark, Frankreich, Italien und England zwischen 1596 und 1601 kam er auch die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, denen sein Onkel, Herzog Johann Wilhelm, vorstand. Damals war sein Onkel jedoch bereits erkrankt, und es zeichnete sich ab, dass er ohne Erben bleiben würde. In Brüssel suchte Wolfgang Wilhelm um die Verschonung der Territorien von den Lasten des Spanisch-Niederländischen Krieges (1568-1648) nach. Am Kaiserhof bemühte er sich seit 1600 um die Vormundschaft für Johann Wilhelm und die stellvertretende Regierung der Herzogtümer; daneben hielt er Kontakt zu den dort politisch Tätigen. Nach dem Tod des Onkels im Frühjahr 1609 brach er sofort an den Niederrhein auf, um das pfalz-neuburgische Wappen an Stadttore und Rathäuser schlagen zu lassen, also de facto die Herrschaft im Namen seines Vaters anzumelden. Mit gleicher Absicht erschienen auch die Vertreter des Kurfürsten von Brandenburg. Die Ansprüche der Erben (das waren die Häuser, in welche die Schwestern des letzten Herzogs eingeheiratet hatten, also außer Pfalz-Neuburg und Brandenburg des Weiteren Pfalz-Zweibrücken, eine kaiserliche Nebenlinie sowie schließlich aufgrund einer früheren dynastischen Verbindung Kursachsen) wurden durch die ehemals mit verschiedenen kaiserlichen Privilegien zugesicherte weibliche Erbfolge geltend gemacht. Um die bevorstehende kaiserliche Zwangsverwaltung abzuwenden, verständigten sich Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg zunächst mit Zustimmung der um Frieden bemühten jülich-klevischen Landstände im Dortmunder Vertrag vom Juni 1609 auf eine gemeinsame provisorische Regierung. Danach vertrieben sie den an den Niederrhein gekommenen kaiserlichen Beauftragten samt seinen Truppen. Jene skurrile Situation, bei der ein Land zugleich von zwei Herrschern regiert wurde, dürfte angesichts der damals ganz Europa interessierenden Frage der jülich-klevischen Erbfolge den Ausbruch eines Krieges verhindert haben. Dieser hätte sich wohl kaum von dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) unterschieden, der sich wenige Jahre darauf an den Ereignissen im habsburgischen Böhmen (Prager Fenstersturz) entzündete.
Nachdem in den ersten Jahren der gemeinsamen Regierung massive Streitigkeiten zwischen Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg entstanden waren und sich stetig erweiterten, wurden bis 1613 die politischen Fronten geklärt. Dies geschah nicht zuletzt durch die Konfessionswechsel: Kurfürst Johann Sigismund (1572-1619) konvertierte vom Luthertum zum Calvinismus, Wolfgang Wilhelm – zunächst insgeheim – zum Katholizismus; außerdem heiratete er die bayerische Prinzessin Magdalena. Hinter Kurbrandenburg versammelten sich fortan die niederländischen Generalstaaten und die agile reformierte Partei im Reich, hinter dem jungen Pfalzgrafen die spanischen Niederlande samt der katholischen Liga, inbesondere Bayern und das nahe Kurköln, das ebenfalls von einem Mitglied des bayerischen Herzogshauses regiert wurde.
Auf dieser Grundlage einigten sich Ende 1614 die Häuser Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg, dem Wolfgang Wilhelm nun nach dem Tod seines Vaters vorstand, im Vertrag zu Xanten auf eine vorläufige Teilung der Regierung. Wolfgang Wilhelm erhielt im Wesentlichen die Herzogtümer Jülich und Berg, der Kurfürst von Brandenburg das Herzogtum Kleve und die Grafschaft Mark. Diese Regelung wurde nach zwischenzeitlichen Verträgen (so folgte 1624 auch die ausdrücklich nur vorläufige Teilung der beiden Ländermassen) mit gewissen Änderungen dann 1666 im Klever Erbvergleich festgeschrieben, nachdem es noch Anfang der 1650er-Jahre zwischen beiden Fürsten zu begrenzten kriegerischen Handlungen im Bergischen gekommen war.
Während des Dreißigjährigen Krieges verfolgte Wolfgang Wilhelm ungeachtet seiner politischen Allianzen eine Neutralitätspolitik, die zwar keine Truppeneinlagerungen im Land, doch weitgehend direkte Kriegshandlungen vermied. Unter dem Strich konnte er die Herrschaft in Jülich und Berg auch über den Westfälischen Frieden 1648 hinaus festigen, und dies trotz der seit Mitte der 1620er-Jahre anhaltenden tiefen Konflikte mit den jülich-bergischen Landständen. Hierbei ging es vor allem um Privilegien und Steuerfragen, was zu langjährigen Prozessen der Stände vor dem Reichshofrat gegen ihn führte. Er behielt die Regentschaft ungeachtet der lehnsrechtlich noch immer offenen Erbfrage. Angesichts der absolutistischen Tendenzen des Kaisertums gegenüber den Landesherrschaften des Reiches, die um 1629/1635 ihren Höhepunkt erreichten, ist dies eine nicht gering zu erachtende politische Leistung.
Innenpolitisch setzte ebenso wie in den Stammlanden Pfalz-Neuburgs auch in Jülich-Berg im Zuge der vielbeachteten Konversion Wolfgang Wilhelms 1613/1614 ein strikt gegenreformatorischer Kurs ein. Dabei stützte sich der Herzog besonders auf den Jesuiten- sowie den Kapuzinerorden. Gestand er seiner zweiten Frau Maria Katharina auch die Ausübung ihres protestantischen Glaubens am Düsseldorfer Hofe zu, so ging er doch gleichzeitig in der Residenzstadt wirkungsvoll gegen Protestanten vor, vor allem gegen Anhänger der reformierten Konfession (Schließung der Kirchen, Amtsenthebung von Schöffen und Ratsherren). Auch gegenüber dem Kölner Erzbischof, Ferdinand von Bayern, war Wolfgang Wilhelm auf weitgehende Mitsprache in kirchlichen Belangen wie Pfarrexamina, Ehegerichtsbarkeit und Kirchenvisitationen bedacht. Diese Aspekte flossen in den so genannten Provisionalvergleich von 1621 ein, der einen viele Jahre anhaltenden Konflikt zwischen seinen weltlichen Vorgängern und dem Erzbischof beendete.
Der von praktischer Religiösität durchdrungene Fürst (seine Devise lautete „In Deo mea consolatio" – In Gott [ist] mein Trost) blieb bis ins hohe Alter geistig rege. Sein Leben spielte sich aufgrund der politischen Erfordernisse überwiegend im jülich-bergischen Landesteil ab, nicht in den Neuburger Stammlanden der Dynastie. Vielleicht symbolisiert sein Begräbnis die Spannung zwischen politischem Aufbruch und familiärer Tradition, denn nach seinem Tod am 20.3.1653 in Düsseldorf wurde sein Körper in der von ihm erbauten Düsseldorfer Andreaskirche bestattet, sein Herz in der Neuburger Hofkirche. Sein einziger Sohn Philipp Wilhelm, mit dem er gegen Ende seines Lebens mehr und mehr in Streit geraten war, folgte ihm in der Regierung nach.
Eine umfassende Biographie zu Wolfgang Wilhelm steht noch aus, was vermutlich auf die schwierige, auf mehrere europäische Archive verteilte Überlieferung zurückzuführen ist.
Literatur (Auswahl)
Fries-Kurze, Barbara, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben VIII, München 1961, S. 198-227. Hufschmidt, Anke (Bearb.), Der erste Pfalzgraf in Düsseldorf: Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1578-1653) [Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf, 14. September bis 16. November 2003], Düsseldorf 2003. Mader, Eric-Oliver, Die Konversion Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg. Zur Rolle von politischem und religiös-theologischem Denken für seinen Übertritt zum Katholizismus, in: Lotz-Heumann, Ute u.a. (Hg.), Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit, Gütersloh 2007, S. 107-146. Richter, Olaf, Der Übertritt des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm zum katholischen Glauben in Düsseldorf im Jahr 1614, in: Engelbrecht, Jörg/Laux, Stephan (Hg.), Landes- und Reichsgeschichte. Festschrift für Hansgeorg Molitor zum 65. Geburtstag, Bielefeld 2004, S. 117-145. Roggendorf, Hermann Josef, Die Politik des Pfalzgrafen von Neuburg im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit, in: Düsseldorfer Jahrbuch 53 (1968) S. 1-211.
Online
Breitenbach, Artikel "Wolfgang Wilhelm", in: Allgemeine Deutsche Biographie 44 (1898), S. 87-117. [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Richter, Olaf, Wolfgang Wilhelm, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wolfgang-wilhelm/DE-2086/lido/57c9315a44a397.78691419 (abgerufen am 10.10.2024)