Glanz und Größe des Mittelalters. Kölner Meisterwerke aus den großen Sammlungen der Welt. Katalog zur Ausstellung in Köln, Museum Schnütgen, 4.11.2011-26.2.2012, hg. von Dagmar Täube und Miriam Verena Fleck, München, 2011

522 S., ISBN 978-3-7774-4531-1, 49,90 Euro

Jennifer Striewski (Bonn)

Im Mit­tel­al­ter war Köln als grö­ß­te, be­völ­ke­rungs­reichs­te und wirt­schaft­lich leis­tungs­fä­higs­te deut­sche Stadt auch ei­ne der wich­tigs­ten ­Städ­te Eu­ro­pas. Ne­ben der Be­deu­tung als geist­li­ches und welt­li­ches Zen­trum, als Pil­ger-, Ge­wer­be- und Han­dels­stadt mit ei­nem weit um­span­nen­den Be­zie­hungs­netz, wa­ren es auch die Künst­ler, die die Dom­stadt be­rühmt mach­ten: In ih­rer Blü­te­zeit von 1000 bis 1550 war Köln ne­ben Pa­ris oder Ve­ne­dig ei­nes der füh­ren­den Kunst­zen­tren in Eu­ro­pa. Die Köl­ner Meis­ter stan­den in Kon­takt mit Künst­lern aus Pa­ris, Prag, Ita­li­en oder den Nie­der­lan­den und ent­wi­ckel­ten ei­nen ty­pisch köl­ni­schen Kunst­stil, der in­ter­na­tio­nal Gel­tung hat­te.

Zahl­rei­che her­aus­ra­gen­de Wer­ke der Alt­köl­ner Kunst sind heu­te in den wich­tigs­ten Mu­se­en der Welt ver­tre­ten, ob in Ber­lin, Pa­ris, Lon­don, Ma­drid, Wa­shing­ton oder New York. Bis zum 26.2.2012 sind vie­le die­ser Kunst­wer­ke zu­sam­men mit Stü­cken aus rhei­ni­schen und deut­schen Mu­se­en so­wie aus Kir­chen­be­sitz an ih­rem Ent­ste­hungs­ort in ei­ner Son­der­aus­stel­lung des Mu­se­ums Schnüt­gen zu­sam­men­ge­führt und ge­ben ein ein­drucks­vol­les Bild von der her­aus­ra­gen­den Qua­li­tät köl­ni­scher Kunst von der Ro­ma­nik bis in die frü­he Re­nais­sance.

Der an­zu­zei­gen­de Band ent­hält 19 Es­says und den Ka­ta­log der aus­ge­stell­ten 225 Ob­jek­te mit groß­for­ma­ti­gen Ab­bil­dun­gen und aus­führ­li­chen Er­läu­te­run­gen. Der Ka­ta­log­teil ist – ent­ge­gen der Auf­stel­lung in der Aus­stel­lung - nach Kunst­gat­tun­gen ge­glie­dert: El­fen­bein-, Bein- und Wal­ross­zahn­schnit­ze­rei, Gold­schmie­de­kunst und Me­tall­ar­bei­ten, Hand­schrif­ten, In­ku­na­beln und Druck­gra­phik, Holz- und Stein­skulp­tur, Glas­ma­le­rei, Tex­til­kunst und Ta­fel­ma­le­rei. 

Die Es­says be­schäf­ti­gen sich - ne­ben zwei ein­füh­ren­den Bei­trä­gen, die der Be­deu­tung der Aus­stel­lung für das Mu­se­um Schnüt­gen (Hil­trud Wes­ter­mann-An­ger­hau­sen und Pe­ter Jez­ler) so­wie der her­aus­ra­gen­den kul­tisch-kul­tu­rel­len Stel­lung Kölns im Mit­tel­al­ter ge­wid­met sind (Mi­ri­am Ve­re­na Fleck) – mit Über­bli­cken und zen­tra­len The­men der ein­zel­nen Kunst­gat­tun­gen.

Tho­mas La­bu­si­ak ar­bei­tet die Be­deu­tung der Köl­ner Buch­ma­le­rei des frü­hen und ho­hen Mit­tel­al­ters her­aus und zeigt das Be­zie­hungs­netz eu­ro­päi­scher Buch­ma­le­rei auf. Jo­han­na Gumm­lich-Wag­ner stellt die stil­prä­gen­den Skrip­to­ri­en in der go­ti­schen Köl­ner Buch­ma­le­rei des 14.Jahr­hun­derts vor, die Be­deu­tung der Skrip­to­ri­en im Mi­no­ri­ten­klos­ter und im Kla­ris­sen­klos­ter. Sie er­läu­tert die Be­son­der­hei­ten der ver­schie­de­nen Buch­ma­l­er­ge­ne­ra­tio­nen und führt vor, dass sich vie­le der dort ent­stan­de­nen Ma­le­rei­en be­stimm­ten Sti­len zu­ord­nen las­sen. Im Mi­no­ri­ten­skrip­to­ri­um sind dem­nach die An­fän­ge der go­ti­schen Buch­ma­le­rei um 1280/1290 zu da­tie­ren. Ei­ne Än­de­rung im Stil zeigt sich um 1299 mit den Buch­ma­lern um Jo­han­nes von Val­ken­burg. Die Bi­bel­meis­ter-Grup­pe (1310-1320) und die Se­ve­rins-Grup­pe ver­voll­stän­di­gen die Stil­ent­wick­lung im Mi­no­ri­ten­klos­ter. Vier Hand­schrif­ten­grup­pen mit ei­ge­nen Sti­len ord­net sie dem Skrip­to­ri­um des Kla­ris­sen­klos­ters zu.

Zwei Ar­ti­kel be­schäf­ti­gen sich mit den El­fen­bein­schnit­ze­rei­en: Ma­nue­la Beer er­läu­tert an­hand von El­fen­bein­ta­feln, Re­li­quia­ren, Bi­schofs­stä­ben und reich ver­zier­ten lit­ur­gi­schen Ge­rät­schaf­ten die ho­he Qua­li­tät und Kunst­fer­tig­keit der Köl­ner Schnitz­kunst von den An­fän­gen bis zur aus­ge­hen­den Ro­ma­nik, wäh­rend Charles T. Litt­le den ak­tu­el­len For­schungs­stand re­fe­riert und der Fra­ge nach­geht, was die Köl­ner El­fen­bein­schnit­ze­rei­en so be­son­ders macht und was sie von fran­zö­si­schen un­ter­schei­det. Sein Fa­zit: Zwi­schen Köln und Pa­ris muss es ei­nen sti­lis­ti­schen Aus­tausch ge­ge­ben ha­ben, der es teil­wei­se un­mög­lich macht, den tat­säch­li­chen Ent­ste­hungs­ort fest­zu­le­gen.

Lo­thar Lam­ba­cher be­fasst sich mit der ro­ma­ni­schen Köl­ner Gold­schmie­de­kunst, Leo­nie Becks stellt Köln als Zen­trum der go­ti­schen Gold­schmie­de­kunst vor. Ein­mal war es die Nä­he zu Frank­reich, der Bau des go­ti­schen Do­mes und sei­ne Aus­stat­tung, nicht zu­letzt der Neu­bau vie­ler Kir­chen im 13. und 14. Jahr­hun­dert mit ei­nem enor­men Be­darf an lit­ur­gi­schem Ge­rät, wie Kel­chen, Mons­tran­zen, Mess­känn­chen, Käst­chen und Kreu­zen, Buch­de­ckeln und Leuch­tern, Ge­fä­ßen für die hei­li­gen Öle, Re­li­quia­ren, Sta­tu­et­ten und Schrei­nen – al­les das ließ Köln zu ei­nem Zen­trum der go­ti­schen Gold­schmie­de­kunst wer­den.

Drei Ar­ti­kel ha­ben die Köl­ner Skulp­tur zum In­halt: To­bi­as Kunz er­läu­tert den ty­pi­schen Stil Köl­ner Holz­skulp­tu­ren in der zwei­ten Hälf­te des 12. Jahr­hun­derts, Ul­ri­ke Berg­mann die Be­son­der­hei­ten und das Spek­trum hoch­go­ti­scher Skulp­tu­ren, wäh­rend Ni­k­las Glies­mann sich mit der Ent­wick­lung vom En­de des 14. Jahr­hun­derts bis zur frü­hen Re­nais­sance be­fasst: von der Fa­mi­lie Par­ler bis zu den Er­ben Meis­ter Til­manns.

Die Glas­ma­le­rei der vor­go­ti­schen und go­ti­schen Zeit be­han­delt Ul­ri­ke Brink­mann mit be­son­de­rem Be­zug auf die Fens­ter der Stifts- und heu­ti­gen Pfarr­kir­che St. Ku­ni­bert und die des Köl­ner Do­mes, Dag­mar Täu­be die rhei­ni­sche Glas­ma­le­rei der frü­hen Neu­zeit. Ste­phan Kem­per­dick und Ju­li­en Cha­puis kon­zen­trie­ren sich auf die Köl­ner Ta­fel­ma­le­rei.  

Dem Im­port, der Her­stel­lung und Ver­wen­dung kost­ba­rer Tex­ti­li­en wäh­rend des Mit­tel­al­ters ist ein Bei­trag von Bir­gitt Bo­or­kopp-Rest­le ge­wid­met.

Drei Ar­ti­kel bie­ten ei­nen Ein­blick in die Rah­men­be­din­gun­gen der Kunst­wer­ke und ih­rer Ent­ste­hungs­zei­ten: Heinz Fin­ger hebt die Stel­lung von Wis­sen­schaft und Ge­lehr­sam­keit in Köln vor der Grün­dung der Uni­ver­si­tät im Jah­re 1388 an­hand der Dom­bi­blio­thek und der Ka­no­nis­ten­schu­le her­vor. In Köln wir­ken­de Ge­lehr­te wie Al­ber­tus Ma­gnusJo­han­nes Duns Sco­tus und Tho­mas von Aquin (um 1225-1274) wer­den por­trä­tiert und die Ge­ne­ral­stu­di­en der Do­mi­ni­ka­ner, Fran­zis­ka­ner, Au­gus­ti­ner und Kar­me­li­ten vor­ge­stellt. Im An­schluss­bei­trag wid­met sich Pe­ter Hes­se der Zeit von 1388 bis zum Aus­gang des Mit­tel­al­ters, so­dass dem Le­ser ein um­fas­sen­des Bild von Köln als Zen­trum von Ge­lehr­sam­keit und Wis­sen­schaft wäh­rend des Mit­tel­al­ters prä­sen­tiert wird. Kölns Be­deu­tung als Zen­trum des Buch­drucks und als Ver­lags­stadt im 15. und 16. Jahr­hun­dert ist der Bei­trag von Wolf­gang Schmitz ge­wid­met.

Der Auf­satz­teil schlie­ßt mit ei­nem über­grei­fen­den Es­say über die Ver­net­zung der ein­zel­nen Küns­te aus to­po­gra­phi­scher und so­zio­lo­gi­scher Sicht von Ro­land Kri­schel. En­ge Be­zü­ge be­stan­den zwi­schen Skulp­tur und Ma­le­rei, zwi­schen Buch­ma­le­rei, Ta­fel- und Wand­ma­le­rei oder zwi­schen Gold­schmie­de­kunst und Ma­le­rei. Ein­zel­ne Werk­stät­ten schei­nen auf die Her­stel­lung gleich meh­re­rer Kunst­gat­tun­gen spe­zia­li­siert ge­we­sen zu sein.

Der Band bie­tet ei­ne reich be­bil­der­te Ge­samt­schau von 500 Jah­ren Köl­ner Kunst; er zeich­net ein Stadt­ge­schich­te, Ge­lehr­ten­we­sen, Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen der Kunst­wer­ke, Ver­net­zung der Küns­te um­fas­sen­des Bild, un­ter­rich­tet über die zen­tra­len Stil­ent­wick­lun­gen und stellt die Be­son­der­hei­ten des ty­pisch köl­ni­schen Kunst­stils im Mit­tel­al­ter nach dem neu­es­ten Stand der For­schung vor. Die far­bi­gen, zum Teil groß­for­ma­ti­gen Ab­bil­dun­gen zei­gen die Pracht und Qua­li­tät der Wer­ke. Der Band wird nicht zu­letzt als Nach­schla­ge­werk über mit­tel­al­ter­li­che Kunst Köl­ner Pro­ve­ni­enz über die Aus­stel­lungs­dau­er hin­aus sei­nen Wert be­hal­ten.

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Striewski, Jennifer, Glanz und Größe des Mittelalters. Kölner Meisterwerke aus den großen Sammlungen der Welt. Katalog zur Ausstellung in Köln, Museum Schnütgen, 4.11.2011-26.2.2012, hg. von Dagmar Täube und Miriam Verena Fleck, München, 2011, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Verzeichnisse/Literaturschau/glanz-und-groesse-des-mittelalters.-koelner-meisterwerke-aus-den-grossen-sammlungen-der-welt.-katalog-zur-ausstellung-in-koeln-museum-schnuetgen-4.11.2011-26.2.2012-hg.-von-dagmar-taeube-und-miriam-verena-fleck-muenchen-2011/DE-2086/lido/57d15ec530ed44.84013073 (abgerufen am 28.03.2024)