Nesselrode, Leonie Gräfin von, Das Gedächtnis des Wilhelm von Nesselrode in Bödingen und Ehrenstein. (Veröffentlichungen des Geschichts- und Altertumsvereins für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V. 34), Siegburg 2013

107 S., ISBN 978-3-9816041-1-5, 12 Euro

Ralf Forsbach (Siegburg)

Epochen

Seit ih­rer 2008 ver­öf­fent­lich­ten Dis­ser­ta­ti­on über die „Chor­fens­ter von Eh­ren­stein“ gilt die frü­he­re nie­der­län­di­sche Di­plo­ma­tin Leo­nie Grä­fin von Nes­sel­ro­de als aus­ge­wie­se­ne Ex­per­tin für die Kunst­ge­schich­te der Klos­ter­an­la­ge Eh­ren­stein im Wes­ter­wald. Jetzt hat sie ei­nen schma­len, reich be­bil­der­ten Band vor­ge­legt, der den Be­zie­hun­gen zwi­schen der Klos­ter­kir­che (As­bach-) Eh­ren­stein und der Ma­ri­en­wall­fahrts­kir­che (Hen­nef-) Bö­din­gen nach­spürt.

Da­zu ist es nö­tig, ins 15. Jahr­hun­dert zu bli­cken und sich Wil­helm von Nes­sel­ro­de, dem Herrn zum Stein, zu­zu­wen­den. Sei­ne Spu­ren fin­den sich noch fast 600 Jah­re spä­ter so­wohl in Bö­din­gen als auch in Eh­ren­stein. Im Süd­schiff der Bö­din­ger Kir­che er­in­nert ei­ne stei­ner­ne Ta­fel an Wil­helm, in der 30 Ki­lo­me­ter ent­fern­ten Eh­ren­stei­ner Kir­che zei­gen ihn die Chor­fens­ter. 

Wil­helms Sohn Ber­tram von Nes­sel­ro­de und sei­ne Frau Mar­ga­re­the von Bur­scheid ha­ben die Eh­ren­stei­ner Kir­che er­bau­en las­sen. Sie schu­fen da­mit ei­ne Ver­bin­dung zwi­schen der Grab­le­ge des Va­ters und ih­rer Lieb­lings­kir­che. In die­sem Zu­sam­men­hang be­tont die Au­to­rin in An­leh­nung an Ot­to Ger­hard Oex­le die da­ma­li­gen Vor­stel­lun­gen vom Tod und von der Art des To­ten­ge­den­kens. Ber­tram und Mar­ga­re­te war es dem­nach ganz der Zeit ent­spre­chend wich­tig, durch Na­mens­nen­nun­gen in der Kunst, aber auch durch das täg­li­che Le­sen ei­ner Mes­se für den Ver­stor­be­nen, Wil­helm im Ge­dächt­nis, ja ge­gen­wär­tig zu hal­ten.

Wil­helm von Nes­sel­ro­de ver­dankt sei­ne Be­deu­tung der gro­ßen Zahl von Pfand­schaf­ten, die er im Lau­fe sei­nes Le­bens an­sam­meln konn­te. Wohl kein an­de­res Mit­glied der ber­gi­schen Rit­ter­schaft ver­füg­te um 1470 über ei­nen so gro­ßen Be­sitz. Dar­un­ter wa­ren El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal), Wind­eck und Mon­heim so­wie Ren­ten, Zöl­le und Steu­ern un­ter an­de­rem aus Stein­bach, Düs­sel­dorfBonn un­d So­lin­gen. Selbst kle­ve-mär­ki­sche Äm­ter hat­te Wil­helm in­ne.

Ent­spre­chend groß war der Nach­lass. Der für Wil­helms Nach­ruhm im hier un­ter­such­ten Fall wich­tigs­te Er­be war sein Sohn Ber­tram, der ne­ben der Burg Kreuz­berg über der Ahr die Herr­schaft Eh­ren­stein er­hielt. Wie Ber­tram hier sei­nes Va­ters ge­dach­te, schil­dert die Au­to­rin eben­so gründ­lich wie sie die Ge­schich­te von Wil­helms und Ber­trams Grab­ma­le in Bö­din­gen nach­zeich­net. So wur­den die Grab­plat­ten bei Um­bau­ten dem Bo­den der Kir­che ent­ris­sen, schwer be­schä­digt und in die Klos­ter­mau­er ein­ge­fügt.

Ber­tram und sei­ne Frau Mar­ga­re­the tru­gen aber auch auf an­de­re Wei­se zur Aus­stat­tung der Bö­din­ger Kir­che bei. Sie stif­te­ten ei­nen Al­tar, des­sen ers­ter Auf­stel­lungs­ort um­strit­ten ist. Für die Au­to­rin steht – ge­gen Au­to­ri­tä­ten wie dem frü­he­ren Bö­din­ger Pfar­rer Cre­mer, Mau­ri­ti­us Mitt­ler, Ga­bri­el Busch und Hel­mut Fi­scher – „au­ßer Zwei­fel“, dass die­ser Ber­tram­s­al­tar, der im Lau­fe der Jahr­hun­der­te un­ter­schied­lich be­zeich­net wur­de, am ers­ten Pfei­ler im nörd­li­chen Sei­ten­schiff sei­nen Platz fand.

Für die Bau- und Aus­stat­tungs­ge­schich­te ist die kul­tur­his­to­ri­sche Stu­die von Leo­nie Grä­fin von Nes­sel­ro­de eben­so wert­voll wie für die Ge­nea­lo­gie ih­rer Fa­mi­lie. Sie ver­mit­telt ein an­schau­li­ches Bild vom ad­li­gen Land­le­ben und er­in­nert an ver­ges­se­ne ter­ri­to­ria­le Ver­bin­dun­gen. Die – sieht man von den kar­to­gra­phi­schen Dar­stel­lun­gen ab – ge­lun­ge­ne Aus­wahl von Bil­dern ver­an­schau­licht den flüs­sig les­ba­ren, nicht ganz red­un­danz­frei­en Text. Die im Klap­pen­text und der Buch­wer­bung auf­ge­grif­fe­ne Be­haup­tung, das To­ten­ge­den­ken des 15. Jahr­hun­derts sei den heu­ti­gen Men­schen fremd und kaum ver­ständ­lich, ist frei­lich an­zwei­fel­bar – als gä­be es in der ka­tho­li­schen Welt des 21. Jahr­hun­derts kei­ne See­len­äm­ter und Mess­in­ten­tio­nen, kei­ne Grab­stei­ne, Ge­denk- und Vo­tiv­ta­feln, kei­ne from­men Stif­tun­gen.

Zitationshinweis

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Forsbach, Ralf, Nesselrode, Leonie Gräfin von, Das Gedächtnis des Wilhelm von Nesselrode in Bödingen und Ehrenstein. (Veröffentlichungen des Geschichts- und Altertumsvereins für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V. 34), Siegburg 2013, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Verzeichnisse/Literaturschau/nesselrode-leonie-graefin-von-das-gedaechtnis-des-wilhelm-von-nesselrode-in-boedingen-und-ehrenstein.-veroeffentlichungen-des-geschichts--und-altertumsvereins-fuer-siegburg-und-den-rhein-sieg-kreis-e.v.-34-siegburg-2013/DE-2086/lido/57d16cea5acf59.51589761 (abgerufen am 28.03.2024)

Das Gedächtnis des Wilhelm von Nesselrode in Bödingen und Ehrenstein.