Friedrich Althoff

Preußischer Kulturpolitiker (1839-1908)

Björn Thomann (Suderburg)

Friedrich Althoff, Foto mit Signatur Althoffs, undatiert.

Der Ju­rist Fried­rich Alt­hoff zählt ne­ben Wil­helm von Hum­boldt (1767-1835) und Carl Hein­rich Be­cker (1876-1933) zu den be­deu­ten­den Ge­stal­tern des preu­ßi­schen und deut­schen Bil­dungs­we­sens. Trotz der Kri­tik an sei­ner Macht­fül­le und sei­nem au­to­ri­tä­ren Füh­rungs­stil leg­te der „Bis­marck des Hoch­schul­we­sens" mit sei­ner mo­der­nen Kul­tur- und Bil­dungs­po­li­tik den Grund­stein für die in­ter­na­tio­na­le Füh­rungs­rol­le der deut­schen Wis­sen­schaft am Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts. 

Fried­rich Theo­dor Alt­hoff wur­de am 19.2.1839 in Dins­la­ken als Sohn des gleich­na­mi­gen Do­mä­nen­rats Alt­hoff und des­sen Frau Ju­lie von Bug­gen­ha­gen ge­bo­ren. Ab 1851 be­such­te er das Gym­na­si­um in We­sel. Nach be­stan­de­ner Rei­fe­prü­fung im­ma­tri­ku­lier­te er sich am 29.10.1856 an der ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn, wo er dem Corps Sa­xo­nia bei­trat. Von ei­nem kur­zen In­ter­mez­zo an der Uni­ver­si­tät Ber­lin ab­ge­se­hen, von der er be­reits im No­vem­ber 1857 we­gen ei­ner Schlä­ge­rei mit der Po­li­zei ver­wie­sen wur­de, ver­brach­te Alt­hoff sei­ne ge­sam­te Stu­di­en­zeit in Bonn. Dort er­wies er sich zwar als flei­ßi­ger, bei den aka­de­mi­schen Be­hör­den je­doch auch als be­rüch­tig­ter Stu­dent. Wie­der­holt ge­riet er in Kon­flikt mit der Po­li­zei und muss­te Haft­stra­fen im Uni­ver­si­täts­ge­fäng­nis ab­sit­zen. 

Nach­dem er am 23.11.1861 sein Staats­ex­amen be­stan­den hat­te, setz­te Alt­hoff sei­ne prak­ti­sche ju­ris­ti­sche Aus­bil­dung zu­nächst in Neu­wied und Ber­lin fort, ehe er in Eh­ren­breit­stein am 20.5.1869 das As­ses­sor­ex­amen be­stand. 1865 hei­ra­te­te er die aus Neu­wied stam­men­de Ma­rie In­ge­n­ohl (1843-1925). Die Ehe blieb kin­der­los. 

Im Früh­jahr 1871 wur­de Alt­hoff als Jus­ti­zi­ar und Re­fe­rent für Kir­chen- und Schul­an­ge­le­gen­hei­ten in das Zi­vil­kom­mis­sa­ri­at der Reichs­lan­de El­saß-Loth­rin­gen be­ru­fen. Un­ter der Lei­tung des Ober­prä­si­den­ten Edu­ard von Möl­ler (1814-1880) er­warb er sich hier die für sei­nen wei­te­ren Le­bens­weg ent­schei­den­den Kennt­nis­se im Ver­wal­tungs­we­sen. So­wohl Möl­ler als auch Alt­hoff wa­ren von der Not­wen­dig­keit ei­ner be­hut­sa­men In­te­gra­ti­on El­saß-Loth­rin­gens in das Reichs­ge­biet über­zeugt und lehn­ten Be­stre­bun­gen zu des­sen ra­di­ka­ler „Ger­ma­ni­sie­rung" ent­schie­den ab. Ab 1872 kon­zen­trier­te sich Alt­hoffs Haupt­auf­ga­ben­ge­biet als As­sis­tent des kai­ser­li­chen Kom­mis­sars und Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ten Franz von Rog­gen­bach (1825-1907) auf den Auf­bau der Kai­ser-Wil­helm-Uni­ver­si­tät in Straß­burg, an der er selbst auch „Fran­zö­si­sches Zi­vil­recht" lehr­te.

Im Rang ei­nes Ge­hei­men Re­gie­rungs­ra­tes ste­hend, trat Alt­hoff am 10.10.1882 als Uni­ver­si­täts­re­fe­rent in den Dienst des preu­ßi­schen Kul­tus­mi­nis­te­ri­ums in Ber­lin. Am 14.4.1897 er­folg­te die Be­för­de­rung zum Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor für Uni­ver­si­tä­ten und Hö­he­re Schu­len. Ne­ben dem hö­he­ren Schul­we­sen un­ter­stan­den Alt­hoff nun auch die Res­sorts Kunst- und Denk­mal­pfle­ge, das Bi­blio­theks­we­sen so­wie die nich­t­uni­ver­si­tä­ren For­schungs­stel­len. In die­sem Amt blieb er bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung am 1.10.1907.

Wäh­rend sei­ner fünf­und­zwan­zig­jäh­ri­gen Dienst­zeit ge­lang es Alt­hoff, der im Ruf ei­nes „Fa­na­ti­kers der Ar­beit" stand, das deut­sche Uni­ver­si­täts- und Bil­dungs­we­sen grund­le­gend zu mo­der­ni­sie­ren. Sein von Prag­ma­tis­mus und ei­gen­mäch­ti­gem Han­deln ge­präg­ter Ar­beits­stil war je­doch nicht un­um­strit­ten.

Der Be­schrei­bung des Bio­che­mi­kers Da­vid Nach­man­sohn (1899-1983) fol­gend war Alt­hoff „ein aus­ge­präg­ter Au­to­krat und wohl­wol­lend be­leh­ren­der Dik­ta­tor, der sich eif­rig um den Aus­bau der Uni­ver­si­tä­ten und wis­sen­schaft­li­chen An­stal­ten be­müh­te und da­bei häu­fig über die Köp­fe der Fa­kul­täts­mit­glie­der hin­weg sei­ne Ent­schei­dun­gen traf." Als ver­meint­li­cher Be­kämp­fer der aka­de­mi­schen Frei­heit mach­te sich Alt­hoff vie­le Fein­de. Der His­to­ri­ker Theo­dor Momm­sen (1817-1903) nann­te ihn „den Best­ge­ha­ß­ten in un­se­rem lie­ben, un­mün­di­gen Va­ter­lan­de".

Ein weit ver­zweig­tes Netz von Kon­tak­ten zu ein­fluss­rei­chen Per­sön­lich­kei­ten in Par­la­men­ten, Be­hör­den und in der Wirt­schaft si­cher­te Alt­hoffs Macht- und Son­der­stel­lung. Der His­to­ri­ker Bern­hard vom Bro­cke be­schrieb die­ses „Sys­tem Alt­hoff" als „das kunst­voll aus­ge­bau­te Ge­flecht of­fi­zi­el­ler und of­fi­ziö­ser per­sön­li­cher Be­zie­hun­gen, mit­tels de­rer Alt­hoff sei­nen „Wis­sen­schafts­staat" auf­bau­te, durch­or­ga­ni­sier­te und ver­wal­te­te." Selbst Kai­ser Wil­helm II. (Re­gie­rungs­zeit 1888-1918) war in die­ses Netz­werk ein­ge­bun­den und zeig­te sich als ein über­zeug­ter Be­für­wor­ter der Me­tho­den Alt­hoffs, den er in sei­nen Me­moi­ren als „ge­nia­len Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor" wür­dig­te. Dank der kai­ser­li­chen Un­ter­stüt­zung be­saß Alt­hoff ei­nen ent­schei­den­den Rück­halt bei der Durch­set­zung sei­ner Kul­tur­po­li­tik.

Alt­hoff setz­te sich da­bei das Ziel, die Qua­li­tät des deut­schen Uni­ver­si­täts­we­sens zu ver­bes­sern und den ver­än­der­ten An­for­de­run­gen des In­dus­trie­zeit­al­ters an­zu­pas­sen. Dies be­deu­te­te vor al­lem ei­ne ver­stärk­te För­de­rung der Na­tur­wis­sen­schaf­ten und der Me­di­zin. In der Fra­ge der Lehr­stuhl­be­set­zung wich er von der bis­lang gän­gi­gen Pra­xis ab, nach der die je­wei­li­gen Fa­kul­tä­ten über die Be­ru­fung ei­nes Pro­fes­sors ent­schie­den. Er hin­ge­gen mach­te sei­ne Be­ru­fungs­po­li­tik nicht vom Ur­teil der Fa­kul­tä­ten ab­hän­gig, son­dern ent­schied ei­gen­stän­dig. Nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung be­rief er den Kan­di­da­ten, den er auf­grund sei­ner fach­li­chen und cha­rak­ter­li­chen Eig­nung für be­son­ders ge­eig­net hielt. Bei sei­nen Ent­schei­dun­gen ver­trau­te er auch dem Fa­chur­teil ei­nes Be­ra­ter­kreis, dem Ka­pa­zi­tä­ten wie Wil­helm Lexis (1837-1914), Theo­dor Momm­sen oder Bern­hard Weiß (1827-1918) an­ge­hör­ten. Die­ses Vor­ge­hen ge­gen den Wil­len der Fa­kul­tä­ten be­deu­te­te zwar ei­nen schwer­wie­gen­den Ein­griff in die Au­to­no­mie der Uni­ver­si­tä­ten, er­wies sich je­doch als höchst ef­fek­tiv. Al­lein im Zeit­raum zwi­schen 1900 und 1919 wur­den 17 No­bel­prei­se in Me­di­zin, Che­mie oder Phy­sik an deut­sche Wis­sen­schaft­ler ver­lie­hen.

Das „Sys­tem Alt­hoff" be­währ­te sich auch beim Aus­bau und der Fi­nan­zie­rung wis­sen­schaft­li­cher In­sti­tu­te und For­schungs­ein­rich­tun­gen. Bei der Ver­wirk­li­chung sei­ner ehr­gei­zi­gen Pro­jek­te er­wies sich Alt­hoff als ge­schick­ter Or­ga­ni­sa­tor und in der Aus­ein­an­der­set­zung um die Be­wil­li­gung fi­nan­zi­el­ler Mit­tel als ge­wief­ter Stra­te­ge. Zu­dem ver­stand er es, sich den Wirt­schafts­auf­schwung im Deut­schen Reich zu Nut­ze zu ma­chen und nach ame­ri­ka­ni­schem Vor­bild pri­va­te Geld­ge­ber zur In­ves­ti­ti­on in Bil­dung und For­schung zu ge­win­nen.

Bei der Viel­zahl der von ihm ge­grün­de­ten wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tu­te ist der Neu­bau der Ber­li­ner Cha­rité be­son­ders her­vor­zu­he­ben. Au­ßer­dem zeich­ne­te er für die Grün­dun­gen der Uni­ver­si­tät Müns­ter, der Tech­ni­schen Hoch­schu­len in Dan­zig und Bres­lau, der Aka­de­mie in Po­sen so­wie ei­ner kaum zu über­schau­en­den An­zahl ver­schie­dens­ter wis­sen­schaft­li­cher In­sti­tu­te ver­ant­wort­lich. Al­lein die Uni­ver­si­tät Ber­lin wur­de wäh­rend sei­ner Amts­zeit von 38 auf 81 In­sti­tu­te aus­ge­baut.

Auch die Grün­dung der Kai­ser-Wil­helm-Ge­sell­schaft, der spä­te­ren Max-Planck-Ge­sell­schaft, im Jahr 1910 geht im We­sent­li­chen auf ei­ne In­itia­ti­ve Alt­hoffs zu­rück. Sein Ziel, in Ber­lin-Dah­lem ein Wis­sen­schafts­zen­trum, ein „deut­sches Ox­ford", zu grün­den, er­füll­te sich zu sei­nen Leb­zei­ten je­doch nicht mehr.

Ein Jahr nach sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand starb Fried­rich Alt­hoff am 20.10.1908 „voll­kom­men ge­wiß über sei­nen Tod und in hei­ters­ter Ru­he" an den Fol­gen ei­nes Blut­stur­zes. Sein Grab be­fin­det sich in dem von ihm neu be­grün­de­ten bo­ta­ni­schen Gar­ten in Ber­lin-Dah­lem.

Literatur

Bro­cke, Bern­hard vom (Hg.), Wis­sen­schafts­ge­schich­te und Wis­sen­schafts­po­li­tik im In­dus­trie­zeit­al­ter: das „Sys­tem Alt­hoff" in his­to­ri­scher Per­spek­ti­ve, Hil­des­heim 1991.
Do­masch­ke, Franz, Fried­rich Theo­dor Alt­hoff und die preu­ßi­schen Uni­ver­si­tä­ten im aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert. Ei­ne his­to­ri­sche Skiz­ze, 2001 (oh­ne Orts­an­ga­be).
Lisch­ke, Ralph-Jür­gen, Fried­rich Alt­hoff und sein Bei­trag zur Ent­wick­lung des Ber­li­ner Wis­sen­schafts­sys­tems an der Wen­de vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert, Ber­lin 1990.
Sach­se, Ar­nold, Fried­rich Alt­hoff und sein Werk, Ber­lin 1928.
Tho­mann, Björn, Fried­rich Alt­hoff (1839-1908). Preu­ßi­scher Kul­tur­po­li­ti­ker, in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 19 (2013), S.167-195.
Wes­se­ling, Klaus-Gun­ther, Ar­ti­kel „Alt­hoff, Fried­rich Theo­dor", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 16 (1999), Sp. 29-48.

Online

Schna­bel, Franz , Ar­ti­kel "Alt­hoff, Fried­rich", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 222-224. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Friedrich Althoff, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-althoff/DE-2086/lido/57a9e30a10e419.29211165 (abgerufen am 19.04.2024)