Johann Maria Farina

Parfumeur (1685-1766)

Astrid Küntzel (Düsseldorf)

Johann Maria Farina (1685-1766), Gemälde 18. Jh, Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz,. (Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz, Firmenarchiv)

Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na ent­wi­ckel­te die Re­zep­tur des Eau de Co­lo­gne und leg­te da­mit den Grund­stein für die bis heu­te welt­weit be­kann­te Fir­ma „Fa­ri­na Ge­gen­über".

Ge­bo­ren wur­de er am 8.12.1685 in San­ta Ma­ria Mag­gio­re (Ita­li­en) und zog um 1700 auf An­re­gung sei­nes On­kels nach Köln. Der On­kel, der eben­falls Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na hieß, war ge­gen En­de des 17. Jahr­hun­derts aus San­ta Ma­ria Mag­gio­re im Val Vi­gez­zo nach Maas­tricht aus­ge­wan­dert, um dort Han­del zu trei­ben. Das Val Vi­gez­zo zwi­schen Do­mo­dos­s­o­la (Ita­li­en) und Lo­car­no (Schweiz) war ei­nes der Haupt­aus­wan­de­rungs­ge­bie­te im 17. und 18. Jahr­hun­dert. Man­geln­de Frucht­bar­keit des Bo­dens und ste­ti­ges Be­völ­ke­rungs­wachs­tum zwan­gen vie­le Be­woh­ner, ih­re Hei­mat zu ver­las­sen.

1709 er­öff­ne­te sein Bru­der Jo­hann Bap­tist Fa­ri­na in Köln mit Un­ter­stüt­zung des On­kels ein klei­nes La­den­ge­schäft, ver­bun­den mit ei­nem Kom­mis­si­ons- und Spe­di­ti­ons­han­del in der Gro­ßen Bu­den­gas­se/Ecke Un­ter Gold­schmied. Die Nie­der­las­sung in Köln soll­te den Han­del mit Deutsch­land vor­an­trei­ben, wo­zu die La­ge am Über­gang vom Nie­der- zum Mit­tel­rhein güns­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen bot. In Köln muss­ten die Wa­ren je nach Fahrt­rich­tung auf ge­eig­ne­te Schiffs­ty­pen um­ge­la­den wer­den, nach­dem sie für ei­ne be­stimm­te Zeit zum Ver­kauf an­zu­bie­ten wa­ren (Sta­pelzwang).

Haupt­han­dels­gut des äl­te­ren Fa­ri­na war so ge­nann­ter „Fran­zö­sisch Kram": Lu­xus­ar­ti­kel je­ner Zeit, wie gol­de­ne und sil­ber­ne Bän­der und Knöp­fe, Sei­den­strümp­fe, Gür­tel, Schnal­len und sons­ti­ger Schmuck so­wie Pe­rü­cken, Pu­der, Toi­let­ten­was­ser und vie­les mehr. Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na trat 1714 in das Ge­schäft sei­nes Bru­ders ein. Als Ge­schäfts­ein­la­ge brach­te er die Re­zep­tur für ein neu­es Duft­was­ser, das Eau de Co­lo­gne, mit. Den Duft cha­rak­te­ri­sier­te er spä­ter selbst so: „Mein Duft ist wie ein ita­lie­ni­scher Früh­lings­mor­gen nach dem Re­gen, Oran­gen, Pam­pel­mu­sen, Ci­tro­nen, Ber­ga­mot­te, Cedrat, Li­met­te und die Blü­ter und Kräu­ter mei­ner Hei­mat."

 

Der Ver­kauf des Eau de Co­lo­gne mach­te zu Be­ginn nur ei­nen be­schei­de­nen Teil des Ge­schäf­tes Fa­ri­na & Comp. aus. Die Brü­der muss­ten zu­nächst die Grund­la­gen für ihr Ge­schäft schaf­fen. Um über­haupt ei­nen La­den be­trei­ben zu dür­fen, war das Bür­ger­recht der Reichs­stadt er­for­der­lich. Aus­wär­ti­ge muss­ten da­zu zu­erst vor dem Rat ih­ren ka­tho­li­schen Glau­ben be­le­gen und an­schlie­ßend ei­ne Ge­bühr auf der Mitt­wochs-Rent­kam­mer, der Stadt­kas­se, ent­rich­ten, wo­durch ge­währ­leis­tet wer­den soll­te, dass die Aus­wär­ti­gen ein ge­wis­ses Ver­mö­gen be­sa­ßen. Jo­hann Bap­tist tä­tig­te die­sen Ver­wal­tungs­akt am 29.7.1711. Jo­hann Ma­ria be­nö­tig­te das Bür­ger­recht erst, nach­dem er 1732 die al­lei­ni­ge Ge­schäfts­füh­rung über­nom­men hat­te (Kauf am 10.12.1735). Der Er­werb des Bür­ger­rechts war zu­dem mit dem Bei­tritt zu ei­ner Zunft ver­bun­den. Die Fa­ri­nas tra­ten ei­ner der Kauf­leu­te-Zünf­te bei, in de­nen die freie Ent­fal­tung ih­res Han­dels mög­lich war.

Trotz der for­ma­len Ein­bür­ge­rung hat­ten die Fa­ri­nas mit An­fein­dun­gen von Sei­ten der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung zu kämp­fen. So wur­de der Ver­kauf von eng­li­schen Le­der­peit­schen mit dem Ar­gu­ment an­ge­grif­fen, dies fal­le in die Zu­stän­dig­keit der Satt­ler­zunft. Oder es wur­de die Recht­mä­ßig­keit des Bür­ger­rechts für die Han­del trei­ben­den Ita­lie­ner an­ge­zwei­felt, da die­se oft ih­re Fa­mi­li­en in Ita­li­en zu­rück­lie­ßen und min­des­tens ein­mal im Jahr dort­hin zu­rück­kehr­ten, al­so die er­for­der­li­che Sess­haf­tig­keit nicht ge­ge­ben sei. Auch Jo­hann Bap­tist Fa­ri­nas Fa­mi­lie war in Ita­li­en ge­blie­ben. Sei­ne Kin­der ka­men al­le in San­ta Ma­ria Mag­gio­re zur Welt.

Un­ge­ach­tet der Ein­wen­dun­gen ge­gen ih­re Wirt­schafts­tä­tig­keit, be­sa­ßen die Brü­der Fa­ri­na wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen, um in Köln ein er­folg­rei­ches Ge­schäft zu füh­ren: Ers­tens wa­ren sie ka­tho­lisch, wo­durch sie pro­blem­los das Bür­ger­recht er­wer­ben konn­ten, und zwei­tens be­weg­ten sie sich mit ih­ren Han­dels­gü­tern weit­ge­hend au­ßer­halb der tra­di­tio­nel­len Zünf­te, die auf­grund ih­rer star­ren Re­geln In­no­va­tio­nen oft ver­hin­der­ten.

Firmenschild, 1867. (Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz, Firmenarchiv)

 

Nicht we­ni­ger wich­tig wa­ren die Kon­tak­te nach au­ßen, die den Brü­dern den Kom­mis­si­ons- und Spe­di­ti­ons­han­del über­haupt erst er­mög­lich­ten. Da­zu war es von Vor­teil, dass da­mals vie­le ita­lie­ni­sche Kauf­leu­te Han­dels­nie­der­las­sun­gen in Eu­ro­pa be­trie­ben. Lands­leu­te in den Nie­der­lan­den zähl­ten dann auch zu den ers­ten Auf­trag­ge­bern der Fa­ri­na-Brü­der.

Nach dem Tod von Jo­hann Bap­tist über­nahm Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na 1732 al­lei­ne das Ge­schäft, das 1723 neue Räum­lich­kei­ten im Haus Oben­mars­pfor­ten 23 be­zo­gen hat­te, strich das „Comp." aus dem Fir­men­na­men und bau­te die Pro­duk­ti­on des Eau de Co­lo­gne kon­se­quent aus. Er knüpf­te Han­dels­be­zie­hun­gen in ganz Eu­ro­pa, zu den ers­ten Ab­neh­mern des Eau de Co­lo­gne zähl­ten un­ter an­de­rem Fried­rich Wil­helm I. von Preu­ßen (Re­gie­rungs­zeit 1713-1740) so­wie Kur­fürst Cle­mens Au­gust von Köln. Doch vor al­lem die Nach­fra­ge von fran­zö­si­schen Sol­da­ten im Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg kur­bel­te die Pro­duk­ti­on kräf­tig an. Fran­zö­si­sche Of­fi­zie­re öff­ne­ten Frank­reich als gro­ßen Ab­satz­markt für Fa­ri­na, schon bald wur­den die meis­ten Fla­schen nach Pa­ris ge­lie­fert. In die­sem Zu­sam­men­hang wur­de die Be­zeich­nung „Eau de Co­lo­gne" ge­prägt. Ver­schickt wur­den zu­meist klei­ne­re Sen­dun­gen vor al­lem an Ade­li­ge, staat­li­che und geist­li­che Wür­den­trä­ger al­ler Art. In den 1750er Jah­ren ver­kauf­te Fa­ri­na et­wa 1.200 Fla­schen pro Jahr, um 1765 wa­ren es be­reits 4.000.

Fa­ri­na wuss­te sein Pro­dukt ge­schickt zu ver­kau­fen, in­dem er auf die be­stän­dig ho­he Qua­li­tät sei­nes Eau de Co­lo­gne hin­wies oder es als me­di­zi­ni­sches Heil­mit­tel an­pries. Noch bis An­fang des 19. Jahr­hun­derts lag je­der Fla­sche ei­ne Ge­brauchs­an­wei­sung bei, die Krank­hei­ten auf­führ­te, die mit Köl­nisch Was­ser be­han­delt wer­den könn­ten.

Der zu­neh­men­de Er­folg ließ die Kon­kur­renz nicht ru­hen. Um 1750 be­gann ein ge­wis­ser Jo­hann An­ton Fa­ri­na, der ei­nem an­de­ren Zweig der Fa­mi­lie ent­stamm­te, eben­falls mit der Pro­duk­ti­on von Eau de Co­lo­gne und nann­te sei­ne Fir­ma „Jo­hann An­ton Fa­ri­na zur Stadt Mai­land". Dar­auf­hin gab Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na sei­nem Un­ter­neh­men den Zu­satz „ge­gen­über dem Jü­lichs Platz", der sich ab 1768 auch un­ter der Ab­kür­zung „Fa­ri­na Ge­gen­über" end­gül­tig ein­bür­ger­te. Die Ab­gren­zung war nö­tig, da es da­mals noch kei­ne Mög­lich­keit gab, die Be­zeich­nung „Eau de Co­lo­gne" schüt­zen zu las­sen. Auch an­de­re Fir­men schmück­ten sich mit dem Na­men Fa­ri­na, um ih­re Duft­wäs­ser zu ver­trei­ben. Mög­lich war dies, da Fa­ri­na (zu deutsch „Mehl") ein häu­fi­ger ita­lie­ni­scher Na­me ist. So fand sich im­mer ein Fa­ri­na, der be­reit war, sei­nen Na­men für die Köl­nisch-Was­ser-Pro­duk­ti­on her­zu­ge­ben.

Als Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na am 25.11.1766 starb, hin­ter­ließ er sei­nem Nef­fen und al­lei­ni­gen Er­ben Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na ei­ne flo­rie­ren­de Fir­ma, die in ganz Eu­ro­pa be­kannt war. Sei­ne Be­deu­tung für Köln fand ih­ren Aus­druck un­ter an­de­rem 1991, als ei­ne Fi­gur Fa­ri­nas am Köl­ner Rat­haus­turm an­ge­bracht wur­de (Bild­hau­er: Olaf Höh­nen).

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Literatur

Au­gel, Jo­han­nes, Ita­lie­ni­sche Ein­wan­de­rung und Wirt­schafts­tä­tig­keit in rhei­ni­schen Städ­ten des 17. und 18. Jahr­hun­derts, Bonn 1971.
Künt­zel, As­trid, Frem­de in Köln. In­te­gra­ti­on und Aus­gren­zung zwi­schen 1750 und 1814, Köln / Wei­mar / Wien 2008.
Kuhl­mann, Bern­hard, 275 Jah­re Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na ge­gen­über dem Jü­lichs­platz. Zur Ge­schich­te der äl­tes­ten be­ste­hen­den Köl­nisch-Was­ser-Fa­brik, in: Ge­schich­te in Köln 16 (1984), S. 67-86.
Mönck­mei­er, Wil­helm / Her­mann Schä­fer, Die Ge­schich­te des Hau­ses Jo­hann Ma­ria Fa­ri­na ge­gen­über dem Jü­lichs-Platz in Köln ge­grün­det 1709, Ber­lin 1934.
Ros­si, Lu­i­gi, Il Pie­mon­te in Eu­ro­pa. 500 an­ni di emi­gra­zio­ne dal­la val­le Vi­gez­zo. La Fa­miglia Fa­ri­na e l'aqua di Co­lo­nia. Mit ei­ner deut­schen Zu­sam­men­fas­sung von An­ge­la M. Jans­sen, No­va­ra 2009.

Online

Fa­ri­na Ar­chi­v (Be­standsin­for­ma­ti­on des Rhei­nisch-West­fä­li­schen-Wirt­schafts­ar­chivs Köln). [On­line]
Fa­ri­na, Jo­hann Ma­ria, Eau de Co­lo­gne (Ge­schich­te des Eau de Co­lo­gne auf der Home­page des Ar­chivs des Fa­ri­na Hau­ses). [On­line]
Tau­bert, Diet­rich, "Fa­ri­na", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 5 (1961), S. 25. [On­line]

Skulptur Johann Maria Farinas am Kölner Rathausturm. (Stadtkonservator Köln)

 
Zitationshinweis

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Küntzel, Astrid, Johann Maria Farina, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-maria-farina-/DE-2086/lido/57c6ac9570e232.85244520 (abgerufen am 17.04.2024)