Ferdinand von Bayern

Erzbischof und Kurfürst von Köln (1612-1650)

Martin Bock (Frechen)

Ferdinand von Bayern, Erzbischof und Kurfürst von Köln, Porträt. (Historisches Archiv des Erzbistums Köln)

Fer­di­nand von Bay­ern war der zwei­te der fünf wit­tels­ba­chi­schen Prin­zen in Fol­ge, die für ins­ge­samt 178 Jah­re den Köl­ner Bi­schofs­stuhl be­setz­ten, und ei­ner der am längs­ten re­gie­ren­den Bi­schö­fe über­haupt. Sein Na­me ist eng mit ei­ner Hoch­pha­se der He­xen­ver­fol­gung im Kur­fürs­ten­tum ver­bun­den; da­bei war sein En­ga­ge­ment bei der pein­li­chen Straf­jus­tiz nur ein As­pekt sei­ner Be­mü­hun­gen um ei­ne Herr­schafts­re­form im Sin­ne mo­der­ner Staat­lich­keit; auch als Kunst­mä­zen hat­te er ei­ne blei­ben­de Wir­kung.

Wie sein On­kel Ernst wuchs auch Fer­di­nand in der pracht­vol­len und ein­fluss­rei­chen Um­ge­bung des Mün­che­ner Hofs auf. Sein Va­ter, Ernsts äl­te­rer Bru­der Wil­helm V. von Bay­ern (1548-1626, Re­gie­rungs­zeit 1579-1598), hat­te sich sei­nen Bei­na­men „der From­me" als treu­er An­hän­ger und För­de­rer des Je­sui­ten­or­dens er­wor­ben, der im Her­zog­tum sämt­li­che kir­chen- und bil­dungs­po­li­ti­schen Schlüs­sel­stel­len be­setz­te. Sei­ne per­sön­li­che Fröm­mig­keit ging so weit, sich an­ge­sichts der An­for­de­run­gen ei­ner durch­set­zungs­fä­hi­gen Lan­des­herr­schaft eher in As­ke­se zu be­ge­ben und im Jahr 1598 zu­guns­ten sei­nes Soh­nes Ma­xi­mi­li­an (1573-1651) ab­zu­dan­ken, um sich mit sei­ner Frau Re­na­te von Loth­rin­gen (1544-1602) fast völ­lig aus dem öf­fent­li­chen Le­ben zu­rück­zu­zie­hen. Selbst­ver­ständ­lich wur­de auch der für den geist­li­chen Stand be­stimm­te Fer­di­nand zur Aus­bil­dung an das Je­sui­ten­kol­leg in In­gol­stadt ge­schickt, wo er mit den stren­gen Leh­rern we­sent­lich bes­ser zu­recht­kam als sein recht un­beug­sa­mer On­kel.

Der Bay­ern­her­zog wur­de als ernst­haf­ter, from­mer jun­ger Mann be­schrie­ben. Der päpst­li­che Nun­ti­us Ot­ta­vio Mir­to Fran­gi­pa­ni (ge­stor­ben 1612) be­rich­te­te, sei­ne Ge­gen­wart ver­mitt­le den Ein­druck von Hei­lig­keit und Tu­gend. Im Ok­to­ber 1586 er­hielt er die An­wart­schaft auf ei­ne Köl­ner Dom­her­ren­stel­le; ei­ne gan­ze Zahl wei­te­rer Pfrün­den, die die sei­nes oh­ne­hin schon reich be­gü­ter­ten On­kels noch über­traf, kam im Lau­fe der Jah­re da­zu. Da­zu ge­hör­ten ne­ben den gro­ßen Dom­ka­pi­teln in Mainz, Trier, Straß­burg und Salz­burg noch bei­spiels­wei­se die Fürst­props­tei Berch­tes­ga­den, die Ab­tei Sta­blo-Mal­médy und spä­ter die Bis­tü­mer Müns­ter, Lüt­tich, Hil­des­heim und Pa­der­born. Ob­wohl er sich stets der Wür­de und Ver­pflich­tung sei­ner geist­li­chen Äm­ter be­wusst war und kurz nach sei­ner Er­nen­nung zum Ko­ad­ju­tor sei­nes On­kels oh­ne zu zö­gern den Tri­den­ti­ni­schen Glau­benseid leis­te­te, was vie­le sei­ner Vor­gän­ger noch ge­scheut hat­ten, emp­fing Fer­di­nand nie die Pries­ter­wei­he. Es war je­doch nicht die da­mit ein­her­ge­hen­de Ver­bind­lich­keit, die er scheu­te, son­dern der Ver­lust ei­ner fa­mi­li­en­po­li­ti­schen Op­ti­on: für den Fall der Kin­der­lo­sig­keit sei­nes äl­te­ren Bru­ders näm­lich hät­te er die Re­gie­rung in Bay­ern über­neh­men sol­len. Sein Bei­spiel zeigt, dass der Reich­sa­del im aus­ge­hen­den 16. Jahr­hun­dert al­len kon­fes­sio­nel­len Span­nun­gen zum Trotz im­mer noch den dy­nas­ti­schen Ei­gen­in­ter­es­sen ab­so­lu­ten Vor­rang ein­räum­te.

In Kur­k­öln be­gann sei­ne Herr­schaft fak­tisch mit der Über­nah­me der Ko­ad­ju­to­rie im Jahr 1595, nach­dem sein On­kel Ernst sich durch sein po­li­ti­sches und per­sön­li­ches Ver­hal­ten weit­ge­hend dis­kre­di­tiert hat­te. Die Wahl zum Erz­bi­schof und Kur­fürs­ten am 12.3.1612 war in­so­fern ei­ne rei­ne Form­sa­che. In den 17 Jah­ren der Mit­re­gie­rung war er, ob­schon zu Be­ginn ge­ra­de 18-jäh­rig, mit zu­neh­men­der Selbst­si­cher­heit tat­kräf­tig ge­gen die letz­ten unka­tho­li­schen Kräf­te ge­ra­de im Dom­ka­pi­tel vor­ge­gan­gen. Mit der In­stal­la­ti­on ei­nes geist­li­chen Rats schloss die Kur­k­öl­ner Ver­wal­tung zu an­de­ren Reichs­ter­ri­to­ri­en auf. Auch die Er­rich­tung ei­nes Ge­hei­men Ra­tes, ei­ner mit der Fi­nanz­ver­wal­tung be­fass­ten Kam­mer und ei­ner pro­fes­sio­nel­len Kanz­lei brach­ten das Erz­stift auf den Stand der Zeit und lös­ten die in­ef­fi­zi­en­te Ge­le­gen­heits­ver­wal­tung des 16. Jahr­hun­derts end­gül­tig ab. Da­mit leg­te Fer­di­nand nicht nur sei­ner ei­ge­nen Re­gie­rung ein sta­bi­les Fun­da­ment, son­dern eta­blier­te dau­er­haft For­men mo­der­ner Staat­lich­keit, die den Ver­gleich mit den schon im 16. Jahr­hun­dert da­hin ge­gan­ge­nen welt­li­chen Ter­ri­to­ri­en nicht mehr zu scheu­en brauch­ten. Aber nicht nur der Erz­bi­schof als Kur­fürst und Lan­des­herr pro­fi­tier­te: auch die lan­ge ma­ro­den Staats­fi­nan­zen er­hol­ten sich und er­mög­lich­ten dem Land po­li­ti­sche Be­we­gungs­frei­heit.

Im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg er­wies sich Fer­di­nand als be­din­gungs­lo­ser Part­ner sei­nes Bru­ders Her­zog Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern und der ka­tho­li­schen Li­ga. Al­ler­dings ver­lor er die Rea­li­tät nicht aus den Au­gen und war be­reit, von kon­fes­sio­nel­len Ma­xi­mal­for­de­run­gen zu­guns­ten ei­ner schnel­len Be­en­di­gung der Kriegs­hand­lun­gen Ab­stand zu neh­men. Da­bei wur­de er wohl nicht nur von stra­te­gi­schen Ge­dan­ken, son­dern auch von ei­ner ge­wis­sen Em­pa­thie für sei­ne Un­ter­ta­nen ge­lei­tet, de­nen er wei­te­re Ver­wüs­tun­gen er­spa­ren woll­te. Trotz die­ses Be­mü­hens litt das Erz­stift an den Fol­gen der Kriegs- und Beu­te­zü­ge, die ja bei­na­he naht­los an die des Truch­ses­si­schen Krie­ges an­schlos­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund und den in der Zeit häu­fi­gen Epi­de­mi­en und land­wirt­schaft­li­chen Kri­sen mach­te Kur­k­öln kei­ne Aus­nah­me, wenn es dar­um ging, für die all­ge­mei­ne Not Ver­ant­wort­li­che zu fin­den.

So un­nach­gie­big und kom­pro­miss­los Fer­di­nand in re­li­giö­sen Din­gen ge­gen sich selbst und ge­gen an­de­re war, so sehr lieb­te er doch die Vor­zü­ge und Freu­den ad­li­gen Le­bens. Zwar blieb er un­ta­de­lig, leb­te streng zö­li­batär und blieb im­mer be­schei­den. Aber die Jagd war ihm ei­ne Lei­den­schaft, und er in­ter­es­sier­te sich sehr für Mu­sik und Kunst. In Köln et­wa ließ er mit St. Ma­riä Him­mel­fahrt ei­ne pracht­vol­le Ba­rock­kir­che er­rich­ten und stif­te­te dem Dom­schatz den En­gel­berts­schrein, in Bonn er­leb­te die Hof­ka­pel­le ei­nen glanz­vol­len Hö­he­punkt.

Als Fer­di­nand am 26.10.1650 im Al­ter von 73 Jah­ren auf ei­ner Rei­se nach West­fa­len in Arns­berg starb, hin­ter­ließ er ein sta­bi­les Fürs­ten­tum, das den Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg ver­gleichs­wei­se un­be­scha­det über­stan­den hat­te. Die Vor­macht des von stän­di­schen und dy­nas­ti­schen In­ter­es­sen be­herrsch­ten Stifts­adels war ge­bro­chen, und Kur­k­öln war ein durch und durch ka­tho­li­sches Ter­ri­to­ri­um ge­wor­den, das ei­ne funk­tio­nie­ren­de Ver­wal­tung und sta­bi­le Fi­nan­zen hat­te. Er wur­de an der Sei­te sei­nes On­kels Ernst in der Wit­tels­ba­cher­grab­le­ge in der Achs­ka­pel­le des Köl­ner Doms bei­ge­setzt, ob­wohl bei­de so vie­les trenn­te. Aber mit Fer­di­nand hat­te sich die bay­ri­sche Se­kun­do­ge­ni­tur am Rhein end­gül­tig durch­ge­setzt. War er selbst vor al­lem durch di­plo­ma­ti­sche Fi­nes­sen des päpst­li­chen Nun­ti­us zum Ko­ad­ju­tor ge­wor­den, so er­folg­te die Er­he­bung sei­nes Nef­fen Ma­xi­mi­li­an Hein­rich zu sei­nem fak­ti­schen Nach­fol­ger wie selbst­ver­ständ­lich. Noch bis 1761 wür­den sich die Wit­tels­ba­cher vor al­lem auf die struk­tu­rel­len und po­li­ti­schen Grund­la­gen stüt­zen kön­nen, die Fer­di­nand als Erz­bi­schof und Kur­fürst von Köln ge­legt hat.

Literatur

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Fo­ers­ter, Joa­chim F., Kur­fürs­t ­Fer­di­nand von Köln. Die Po­li­tik sei­ner Stif­ter in den Jah­ren 1634-1650, Müns­ter 1976.
Gatz, Er­win, Fer­di­nand, Her­zog von Bay­ern (1577-1650), in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches 1648 bis 1803, Ber­lin 1990, S. 107-111.
Lo­je­w­ski, Gün­ter von, Bay­erns Weg nach Köln. Ge­schich­te der baye­ri­schen Bis­tums­po­li­tik in der zwei­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­dert, Bonn 1962.
Mo­li­tor, Hans­ge­org, Das Erz­bis­tum Köln im Zeit­al­ter der Glau­bens­kämp­fe 1515-1688 (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 3), Köln 2008, S. 238-253.
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Online

Fran­zen, Au­gust, Art. „Fer­di­nand, Her­zog von Bay­ern", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 5 (1961), S. 90. [On­line]
Har­de­ring, Klaus, Ge­denk­ta­fel der Wit­tels­ba­cher Erz­bi­schö­fe(In­for­ma­ti­on auf der Web­site des Köl­ner Doms). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Ferdinand von Bayern, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ferdinand-von-bayern-/DE-2086/lido/57c6ace06a3f88.44124999 (abgerufen am 28.03.2024)