Theodor Frings

Sprachforscher (1886–1968)

Georg Cornelissen (Bonn)

Theodor Frings, Porträtfoto. (Universitätsarchiv Bonn)

Theo­dor Frings war ein deut­scher Sprach­for­scher des 20. Jahr­hun­derts, des­sen Pu­bli­ka­tio­nen auf den Ge­bie­ten der Dia­lek­to­lo­gie, der Are­al­lin­gu­is­tik (Sprach­geo­gra­phie) und der Sprach­ge­schich­te, na­tio­nal wie grenz­über­grei­fend, weg­wei­send wa­ren. Von ihm gin­gen wich­ti­ge Im­pul­se für die in­ter­dis­zi­pli­nä­re Zu­sam­men­ar­beit, be­son­ders mit den Fä­chern Ge­schich­te und Volks­kun­de, aus.

 

Theo­dor Frings wur­de am 23.7.1886 in Dül­ken (heu­te Stadt Vier­sen) als Sohn des Buch­bin­ders Con­stan­tin Frings und sei­ner Frau So­phia Jan­sen, ge­bo­ren. Er be­stand 1906 an der Ober­re­al­schu­le in Mön­chen­glad­bach das Ab­itur und stu­dier­te von Os­tern 1906 bis Os­tern 1907 Phi­lo­lo­gie in Mar­burg. 1907 wech­sel­te er für die Dau­er des Som­mer­se­mes­ters nach Leip­zig und er­warb im Herbst des Jah­res in Ko­blenz durch ei­ne Nach­prü­fung im La­tei­ni­schen das Zeug­nis der Rei­fe ei­nes Re­al­gym­na­si­ums. Im An­schluss kehr­te er zur Fort­set­zung sei­ner aka­de­mi­schen Aus­bil­dung nach Mar­burg zu­rück, wo er sich bis 1910 haupt­säch­lich dem Stu­di­um der eng­li­schen, fran­zö­si­schen und deut­schen Phi­lo­lo­gie wid­me­te und 1911 bei Fer­di­nand Wre­de (1863-1934) mit sei­ner Ar­beit „Stu­di­en zur Dia­lekt­geo­gra­phie des Nie­der­rheins zwi­schen Düs­sel­dorf und Aa­chen" pro­mo­vier­te. Da­nach trat er als Gym­na­si­al­leh­rer in Bonn in den Schul­dienst. 1915 ha­bi­li­tier­te er sich an der Bon­ner Uni­ver­si­tät, wur­de 1917 au­ßer­or­dent­li­cher und 1919, ge­ra­de 33 Jah­re alt, or­dent­li­cher Pro­fes­sor. 1927 wech­sel­te er an die Uni­ver­si­tät Leip­zig, wo er bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung 1968 forsch­te und lehr­te. In Leip­zig starb er am 6.6.1968.

Theo­dor Frings ge­hör­te zu den an­ge­se­hens­ten Ger­ma­nis­ten sei­ner Zeit, was nicht zu­letzt die Eh­ren­dok­tor­hü­te aus Ams­ter­dam, Gent und Leip­zig so­wie die Mit­glied­schaf­ten in zahl­rei­chen wis­sen­schaft­li­cher Aka­de­mi­en und ge­lehr­ten Ge­sell­schaf­ten be­zeu­gen.

Theo­dor Frings war nicht nur ein pro­duk­ti­ver For­scher, Ver­diens­te hat er sich auch als Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tor er­wor­ben. Im Jah­re 1920 grün­de­te er mit Her­mann Au­bin in Bonn das In­sti­tut für ge­schicht­li­che Lan­des­kun­de der Rhein­lan­de, ei­ne für die deut­sche Lan­des­kun­de rich­tung­wei­sen­de Ein­rich­tung. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg grün­de­te und lei­te­te Frings un­ter an­de­rem das In­sti­tut für deut­sche Spra­che und Li­te­ra­tur der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten in (Ost-)Ber­lin. Frings war an ei­ner Rei­he von Wör­ter­buch­pro­jek­ten be­tei­ligt, als Or­ga­ni­sa­tor, als trei­ben­de Kraft oder auch als Be­ar­bei­ter. Die be­kann­tes­ten Un­ter­neh­mun­gen sind das Rhei­ni­sche, das Alt­hoch­deut­sche und das Grimm­sche Wör­ter­buch so­wie des­sen Neu­be­ar­bei­tung. Er ar­bei­te­te mit For­schern der ver­schie­dens­ten Dis­zi­pli­nen zu­sam­men und gab wich­ti­ge Pu­bli­ka­ti­ons­rei­hen und Zeit­schrif­ten her­aus, wie bei­spiels­wei­se das „Rhei­ni­sche Ar­chiv" und die „Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der deut­schen Spra­che und Li­te­ra­tur".

Aus­ge­hend von den Dia­lek­ten sei­ner nie­der­rhei­ni­schen Hei­mat wand­te sich Frings wäh­rend sei­nes lan­gen Le­bens im­mer neu­en, wei­ter ge­spann­ten und grund­sätz­li­che­ren Fra­gen zu – oh­ne al­ler­dings je den Nie­der­rhein und das Rhein­land aus den Au­gen zu ver­lie­ren.

Frings’ Dis­ser­ta­ti­on, die 1913 un­ter dem Ti­tel „Stu­di­en zur Dia­lekt­geo­gra­phie des Nie­der­rheins zwi­schen Düs­sel­dorf und Aa­chen" im Druck er­schien, ist bis heu­te ein für die Dia­lekt­for­schung im Rhein­land be­deut­sa­mes Werk. Aus­ge­hend vom Dia­lekt sei­ner Hei­mat­stadt un­ter­such­te er dar­in die Spra­che von mehr als 200 Or­ten, die er zu­vor auf lan­gen Wan­de­run­gen be­sucht hat­te. Gren­zen und Sprach­gren­zen ha­ben Frings im­mer wie­der her­aus­ge­for­dert. Er selbst ent­stamm­te ei­nem Grenz­ge­biet par ex­cel­lence, sei­ne Dis­ser­ta­ti­on um­kreis­te un­ter an­de­rem die Pro­ble­ma­tik der vor­geb­li­chen Sprach­schei­den von „Uer­din­ger" und „Ben­ra­ther Li­nie".

Eng mit der sti­mu­lie­ren­den Wir­kung von Sprach­gren­zen hängt sei­ne Auf­merk­sam­keit für Spra­chen im Kon­takt zu­sam­men. Die lim­bur­gi­schen Dia­lek­te, die ihm von Ju­gend an ver­traut wa­ren, be­schäf­tig­ten ihn im­mer wie­der. Er ging ih­nen bei­spiels­wei­se nach in sei­ner Text­samm­lung „Die süd­nie­der­län­di­schen Mund­ar­ten" (1921). Das Lim­bur­gi­sche, das er als Über­gangs­ge­biet zwi­schen den flä­misch-bra­ban­ti­schen Dia­lek­ten im Wes­ten und dem Rhei­ni­schen im Os­ten ver­stand, soll­te ihn nach dem Zwei­ten Welt­krieg nicht mehr los­las­sen. Weg­wei­send wur­de sein Ver­such, die mit­tel­al­ter­li­chen Tex­te Hein­richs von Vel­de­ke (cir­ca 1150-1200) und ih­re alt­lim­bur­gi­sche Spra­che „zu­rück­zu­ge­win­nen". In sei­ner „Ger­ma­nia Ro­ma­na" von 1932 ar­bei­te­te er die Be­deu­tung her­aus, die die Be­rüh­rung mit der rö­misch-la­tei­ni­schen Welt des ers­ten nach­christ­li­chen Jahr­tau­sends für die Spra­che der west­germa­ni­schen Stäm­me hat­te.

Zu den me­tho­do­lo­gi­schen Grund­zü­gen sei­ner For­schun­gen ge­hör­te der Aus­gang von den re­zen­ten Dia­lek­ten und die dort an­set­zen­de Re­kon­struk­ti­on äl­te­rer Sprach­schich­ten, ein Grund­bau­stein des Frings­schen Wer­kes, der be­reits in der 1922 erst­mals er­schie­ne­nen „Rhei­ni­schen Sprach­ge­schich­te" er­kenn­bar wur­de. Er taucht dann wie­der in sei­nem Bei­trag zu dem Bahn bre­chen­den Werk „Kul­tur­strö­mun­gen und Kul­tur­pro­vin­zen in den Rhein­lan­den" von 1926 auf.

Frings’ Werk zeich­net sich durch die In­te­gra­ti­on ver­schie­dens­ter An­sät­ze und Dis­zi­pli­nen aus. Der Ger­ma­nist Frings über­schritt die Gren­zen sei­ner Dis­zi­plin im­mer dann, wenn es die Lö­sung ei­nes Pro­blems er­for­der­te. As­pek­te sei­nes fä­cher­über­grei­fen­den An­sat­zes wer­den bei­spiels­wei­se sicht­bar in sei­ner Öff­nung zur (lan­des)ge­schicht­li­chen For­schung hin, in sei­nem In­ter­es­se für die ro­ma­nis­ti­sche Sprach­wis­sen­schaft und in sei­ner Nei­gung zur Nie­der­lan­dis­tik. Ge­nannt sei et­wa sein Werk mit dem spre­chen­den Ti­tel „Die Stel­lung der Nie­der­lan­de im Auf­bau des Ger­ma­ni­schen" (1944).

Frings ge­hört zu den Be­grün­dern der „Kul­tur­mor­pho­lo­gie", ei­ner For­schungs­rich­tung, in der die Dia­lekt­geo­gra­phie, die Lan­des­ge­schich­te und wei­te­re Wis­sen­schafts­dis­zi­pli­nen zu ei­ner in­te­grier­ten Zu­sam­men­ar­beit fan­den. Ei­ne der Zie­le war ei­ne ganz­heit­li­che, der his­to­ri­schen Wirk­lich­keit an­ge­mes­se­ne Be­schrei­bung der re­gio­na­len „Kul­tur­räu­me" und ih­rer Kon­takt­zo­nen so­wie ih­rer his­to­ri­schen Ent­wick­lung.

Frings war als ein For­scher be­kannt, der vor der mu­ti­gen For­mu­lie­rung von Er­geb­nis­sen und The­sen nicht zu­rück­schreck­te. So hei­ßt es in sei­ner Dis­ser­ta­ti­on von 1913 über die viel zi­tier­te Ben­ra­ther Li­nie: „In der mit­tel­al­ter­li­chen Ter­ri­to­ri­al­ge­schich­te ist al­so der heu­ti­ge Lauf un­se­rer Ver­schie­bungs­li­nie be­grün­det". In sei­ner Leip­zi­ger Zeit hat sich Frings ver­stärkt der Ent­ste­hung des Neu­hoch­deut­schen zu­ge­wen­det, nach­dem hier zu­vor das Meiß­ni­sche Deutsch in sein Blick­feld ge­ra­ten war. Er kam da­bei zu dem Er­geb­nis, dass die sich seit dem Spät­mit­tel­al­ter her­aus­bil­den­de Ein­heits­spra­che zu­nächst als Sprech­spra­che der Sied­ler im Os­ten ent­stan­den sei.

Ei­ni­ge der gro­ßen Wür­fe Theo­dor Frings’ ha­ben sich in der Fol­ge­zeit man­cher­lei be­grün­de­te Kri­tik ge­fal­len las­sen müs­sen, so et­wa sein dia­lekt­geo­gra­phi­scher Er­klä­rungs­ver­such für die Ent­ste­hung der neu­hoch­deut­schen Ein­heits­spra­che. Auch dass die Zwei­te Laut­ver­schie­bung schon lan­ge vor der Her­aus­bil­dung der Ter­ri­to­ri­al­staa­ten statt­ge­fun­den hat und nicht Fol­ge der­sel­ben war, steht in­zwi­schen fest. Wis­sen­schaft lebt vom Fort­schrei­ten des Wis­sens. Frings’ Ge­samt­werk ist und bleibt in­des be­deu­tend auch für heu­ti­ge For­schun­gen.

Und der Mensch Theo­dor Frings? Der Bon­ner Ger­ma­nist Jo­han­nes Er­ben, der ihn per­sön­lich ge­kannt hat, be­schreibt ihn so: „So sehr er von sei­nen gro­ßen Plä­nen er­füllt und be­schäf­tigt war, so sehr war sei­ne kon­zi­li­an­te und gro­ßzü­gi­ge Art stets be­reit, Jün­ge­re An­teil neh­men und teil­ha­ben zu las­sen, sie mit gu­ter Men­schen­kennt­nis zu ge­win­nen. Zahl­rei­che Ge­mein­schafts­ver­öf­fent­li­chun­gen sei­ner Bi­blio­gra­phie zeu­gen da­von". In ähn­li­cher Form drü­cken al­le, die ih­re Er­in­ne­run­gen an Theo­dor Frings zu Pa­pier ge­bracht ha­ben, ih­re Hoch­ach­tung und ih­re freund­li­che Zu­nei­gung aus.

Schriften

Ger­ma­nia Ro­ma­na, Hal­le 1932.
Grund­le­gung ei­ner Ge­schich­te der deut­schen Spra­che. Mit 69 Kar­ten, Hal­le (Saa­le) 1948, 3. er­wei­ter­te Auf­la­ge, Hal­le (Saa­le) 1957.
Die rhei­ni­sche Ac­cen­tu­ie­rung. Vor­stu­die zu ei­ner Gram­ma­tik der rhei­ni­schen Mund­ar­ten, Mar­burg 1916.
Die Stel­lung der Nie­der­lan­de im Auf­bau des Ger­ma­ni­schen, Hal­le (Saa­le) 1944.
Stu­di­en zu­r ­Dia­lekt­geo­gra­phie ­des Nie­der­rheins zwi­schen Düs­sel­dorf und Aa­chen. Mit ei­ner Kar­te, Mar­burg 1913.
Au­bin, Her­mann / Frings, Theo­dor / Mül­ler, Jo­sef, Kul­tur­strö­mun­gen und Kul­tur­pro­vin­zen in den Rhein­lan­den. Ge­schich­te, Spra­che, Volks­kun­de, Bonn 1926, Nach­druck Darm­stadt 1966.
Frings, Theo­dor / Lerch­ner, Gott­hard, Nie­der­län­disch und Nie­der­deutsch. Auf­bau und Glie­de­rung des Nie­der­deut­schen, Ber­lin 1966 .
Frings, Theo­dor / Schieb, Ga­brie­le, Hein­rich von Vel­de­ke. Die Ser­va­ti­us­bruch­stü­cke und die Lie­der. Grund­le­gung ei­ner Vel­de­ke­kri­tik, Hal­le (Saa­le) 1947.
Frings, Theo­dor / Schieb, Ga­brie­le (Hg.), Sen­te Ser­vas. Sanc­tus Ser­va­ti­us. Mit ei­ner Kar­te, Hal­le (Saa­le) 1956 .
Frings, Theo­dor / Van­den­heu­vel, Jo­zef, Die süd­nie­der­län­di­schen Mund­ar­ten. Tex­te, Un­ter­su­chun­gen, Kar­ten. Teil 1: Tex­te, Mar­burg 1921.

Literatur

Au­bin, Her­mann, Ge­mein­sam Er­streb­tes. Um­ris­se ei­nes Re­chen­schafts­be­rich­tes, in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 17 (1952), S. 305-331.
Er­ben, Jo­han­nes, Theo­dor Frings 1886 –1968, in: Bon­ner Ge­lehr­te. Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der Wis­sen­schaf­ten in Bonn. Sprach­wis­sen­schaf­ten, Bonn 1970, S. 113-119 .
Goos­sens, Jan, Theo­dor Frings en de Neder­land­se dialec­to­lo­gie, in: Leu­ven­se Bi­jdra­gen 57/58 (1968/ 1969), S. 95-102.

Online

Prof. Dr. Theo­dor Frings (In­for­ma­ti­on der Uni­ver­si­tät Leip­zig). [On­line]

Theodor Frings, Porträtfoto. (Universitätsarchiv Bonn)

 
Zitationshinweis

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Cornelissen, Georg, Theodor Frings, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/theodor-frings/DE-2086/lido/57c6c0cf12c1c5.53852583 (abgerufen am 28.03.2024)