Familie von der Heydt

Bankiersfamilie

Volkmar Wittmütz (Köln)

August von der Heydt, Porträt, Schabkunstblatt. (Deutsche Fotothek)

Anfänge der Familie

An­ge­hö­ri­ge der seit dem En­de des 16. Jahr­hun­derts nach­weis­ba­ren Fa­mi­lie von der Heydt aus El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) wa­ren über meh­re­re Ge­ne­ra­tio­nen be­deu­ten­de Po­li­ti­ker, Ban­kiers und Mä­ze­ne. Mit ih­rem Na­men wird heu­te das von der Heydt-Mu­se­um in Wup­per­tal und das Bank­haus von der Heydt ver­bun­den.

Die Fa­mi­lie von der Heydt hat ih­ren Na­men „von der Hei­de", ab­ge­lei­tet von ei­nem Fle­cken auf den Süd­hö­hen Bar­mens (heu­te Stadt Wup­per­tal), von dem sie einst in das be­nach­bar­te El­ber­feld zog. Zum ers­ten Mal wird der Na­me 1597 er­wähnt. In El­ber­feld ge­lang­te die Fa­mi­lie zu Wohl­stand. Jo­han­nes von der Heydt (1730-1810), der ei­ne Waf­fel­bä­cke­rei be­trieb, konn­te sei­nen Söh­nen Da­ni­el Hein­rich (1767-1832) und Jo­hann Abra­ham Wil­helm (1771-1850) ei­ne kauf­män­ni­sche Aus­bil­dung fi­nan­zie­ren. Da­ni­el Hein­rich lern­te un­ter an­de­rem in Stutt­gart und Frank­furt das Bank- und Wa­ren­ge­schäft. Er hei­ra­te­te 1794 Wil­hel­mi­ne Kers­ten (1771-1854), Toch­ter des Kauf­man­nes Abra­ham Kers­ten (1733-1796), der die Han­dels­ge­schäf­te sei­nes Va­ters zu Geld­ge­schäf­ten er­wei­ter­te und 1754 ei­ne der ers­ten Ban­ken in Deutsch­land grün­de­te. Da­ni­el Hein­rich trat in die Bank sei­nes Schwie­ger­va­ters ein und wur­de we­ni­ge Jah­re spä­ter Teil­ha­ber. 1805 wur­de er nach der al­ten Stadt­ver­fas­sung, die bald dar­auf von der fran­zö­si­schen Herr­schaft auf­ge­ho­ben wur­de, für ein Jahr zum Bür­ger­meis­ter El­ber­felds ge­wählt, 1814 am­tier­te er als Han­dels­rich­ter und 1824 als Prä­si­dent des Han­dels­ge­richts. In sei­ner re­for­mier­ten Ge­mein­de war er Pres­by­ter und Kirch­meis­ter.

 

Der Ehe des Da­ni­el Hein­rich von der Heydt mit Wil­hel­mi­ne ent­stamm­ten neun Kin­der, al­ler­dings star­ben drei noch im Kin­des­al­ter. Nach den bei­den Töch­tern Wil­hel­mi­na (1797-1872), Ehe­frau des Pfar­rers Jo­han­nes Wi­chel­haus (1794-1874), und Jo­han­na (1799-1857), Ehe­frau des Pfar­rers und Ber­li­ner Hof­pre­di­gers Fried­rich Ger­hard Abra­ham Strauß (1786-1863), wur­de der Sohn Au­gust ge­bo­ren.

August von der Heydt (1801-1874)

Au­gust von der Heydt, ge­bo­ren am 15.2.1801, wur­de zu Hau­se und auf dem Gym­na­si­um der Herrn­hu­ter Brü­der­ge­mein­de in Neu­wied un­ter­rich­tet. Dar­an schlos­sen sich ei­ne Leh­re in der vä­ter­li­chen Bank und Aus­lands­auf­ent­hal­te in Le Hav­re und Lon­don an. 1824 wur­de er Teil­ha­ber der Bank „Von der Heydt-Kers­ten", die nach dem Ein­tritt sei­ner Brü­der Da­ni­el (1802-1874) und Karl (1806-1881) 1827 in „Von der Heydt-Kers­ten & Söh­ne" um­be­nannt wur­de.

Als Sohn ei­ner Ho­no­ra­tio­ren­fa­mi­lie wur­de Au­gust früh in ver­ant­wor­tungs­vol­le Äm­ter sei­ner Hei­mat­stadt ge­wählt. 1826 wur­de er Pres­by­ter der re­for­mier­ten Ge­mein­de El­ber­feld und Scho­larch, ver­ant­wort­lich für die Ele­men­tar­schu­len und die La­tein­schu­le der Ge­mein­de, der er den Rang ei­nes Gym­na­si­ums si­chern konn­te. 1831 wur­de er Rich­ter am Han­dels­ge­richt, 1840 des­sen Prä­si­dent, 1832 Mit­glied der Han­dels­kam­mer von El­ber­feld und Bar­men,1833 Mit­glied des Stadt­ra­tes von El­ber­feld, 1834 des El­ber­fel­der Kreis­tags, 1839 des rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tags. Dort galt er bald als ei­ner der pro­mi­nen­ten Ver­tre­ter des rhei­ni­schen Li­be­ra­lis­mus und be­für­wor­te­te, ob­wohl glü­hen­der An­hän­ger der preu­ßi­schen Mon­ar­chie, ei­ne Aus­wei­tung der Be­fug­nis­se der Stän­de­ver­samm­lung mit dem Ziel ei­ner kon­sti­tu­tio­nel­len Staats­ver­fas­sung.

Nach Aus­bruch der Re­vo­lu­ti­on 1848 ge­hör­te er zum „Kon­sti­tu­tio­nel­len Ver­ein" in El­ber­feld, der sich ge­gen al­le de­mo­kra­ti­schen Ten­den­zen wand­te. Die Wahl zur Pauls­kir­che wie zur preu­ßi­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung lehn­te er zu­nächst ab, nahm aber im No­vem­ber 1848 das letz­te­re Man­dat doch an und wur­de we­nig spä­ter preu­ßi­scher Mi­nis­ter für Han­del, Ge­wer­be und öf­fent­li­che Ar­bei­ten in der kon­ser­va­ti­ven Re­gie­rung. Dort ver­trat er ei­ne li­be­ra­le Wirt­schafts­po­li­tik.

Als Mi­nis­ter li­be­ra­li­sier­te er die Berg­ge­setz­ge­bung und das Ak­ti­en­recht, rich­te­te ei­ne flä­chen­de­cken­de Post­ver­wal­tung ein und schloss zahl­rei­che Post­ver­trä­ge mit an­de­ren Län­dern. Da­zu för­der­te er Stra­ßen- und Ka­nal­bau­ten so­wie die Ver­ein­heit­li­chung des Zoll­we­sens. Sein be­son­de­res En­ga­ge­ment ge­hör­te der Ei­sen­bahn. Be­reits als Ban­kier hat­te er die Grün­dung der Ber­gisch-Mär­ki­schen Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft vor­an ge­trie­ben, die die Stre­cke Düs­sel­dorf-El­ber­feld er­bau­te. Die Fer­tig­stel­lung die­ser Stre­cke 1841 und de­ren Wei­ter­füh­rung nach West­fa­len sind we­sent­lich ihm zu ver­dan­ken. Da­zu för­der­te er den Bau an­de­rer pri­va­ter Ei­sen­bah­nen. Als Mi­nis­ter setz­te er die­se Po­li­tik fort, be­müh­te sich aber um die Ver­staat­li­chung der Ei­sen­bahn, so dass Preu­ßen bald über das dich­tes­te Ei­sen­bahn­netz al­ler eu­ro­päi­schen Staa­ten ver­füg­te und die Hälf­te al­ler preu­ßi­schen Stre­cken dem Staat ge­hör­ten.

August von der Heydt, Porträt, Schabkunstblatt. (Deutsche Fotothek)

 

1862 über­nahm Au­gust von der Heydt das Fi­nanz­mi­nis­te­ri­um, trat aber nach we­ni­gen Mo­na­ten im Amt von die­sem wie­der zu­rück, als Ot­to von Bis­marck (1815-1898) im Sep­tem­ber des­sel­ben Jah­res Mi­nis­ter­prä­si­dent wur­de. Die ver­fas­sungs­wid­ri­ge Ein­schrän­kung des Etat­be­wil­li­gungs­rechts des Par­la­men­tes konn­te er als Li­be­ra­ler nicht bil­li­gen. 1863 wur­de er vom preu­ßi­schen Kö­nig Wil­helm I. (Re­gent­schaft ab 1858, Re­gie­rungs­zeit 1861-1888) we­gen sei­ner Ver­diens­te in den erb­li­chen Frei­herrn­stand er­ho­ben.

1866 wur­de Au­gust von der Heydt er­neut zum Fi­nanz­mi­nis­ter be­ru­fen. Sei­ne wich­tigs­te Tat in sei­ner zwei­ten Amts­zeit war die Fi­nan­zie­rung des Preu­ßisch-Ös­ter­rei­chi­schen Krie­ges. Er schaff­te dies oh­ne Steu­er­er­hö­hun­gen, weil er Rück­stel­lun­gen auf­lös­te, bis­lang ge­stun­de­te Zöl­le und Steu­ern un­ter Be­rück­sich­ti­gung ei­nes Dis­konts vor­zei­tig ein­zog und Ei­sen­bahn-An­lei­hen aus­gab. Trotz die­ser er­folg­rei­chen Po­li­tik kam es zu neu­en Dif­fe­ren­zen zwi­schen ihm und Bis­marck, und auch der preu­ßi­sche Land­tag kri­ti­sier­te sei­ne Fi­nanz­po­li­tik, un­ter an­de­rem we­gen ei­nes De­fi­zits, das der Fi­nanz­mi­nis­ter an­geb­lich dem Par­la­ment ver­schwie­gen ha­be.

1869 trat Au­gust von der Heydt end­gül­tig zu­rück. Da­mit ver­lor die preu­ßi­sche Re­gie­rung ein ge­wich­ti­ges li­be­ra­les Kor­rek­tiv zu ih­rem kon­ser­va­ti­ven, über­aus do­mi­nan­ten Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Bis­marck. Knapp fünf Jah­re spä­ter – am 13.6.1874 - starb Au­gust von der Heydt, bei dem sich ein groß­bür­ger­li­ches Selbst­be­wusst­sein mit ei­ner für rhei­ni­sche Li­be­ra­le un­ty­pi­schen An­häng­lich­keit an das preu­ßi­sche Kö­nigs­haus ver­band.

Daniel von der Heydt (1802-1874)

Da­ni­el von der Heydt, ge­bo­ren am 31.10.1802, war der zwei­te Sohn der Ehe­leu­te Da­ni­el Hein­rich und Wil­hel­mi­ne von der Heydt. Die Zeit­ge­nos­sen schil­dern ihn als ei­nen lei­den­schaft­li­chen Men­schen, ver­gli­chen mit dem „nüch­ter­nen" äl­te­ren Bru­der. Zu­sam­men mit ihm er­hielt Da­ni­el pri­va­ten Ele­men­tar­un­ter­richt und be­such­te da­nach die La­tein­schu­le der re­for­mier­ten Ge­mein­de El­ber­feld. Da die Fa­mi­lie auch im ita­lie­ni­schen Sei­den­han­del en­ga­giert war, schloss sich ein län­ge­rer Auf­ent­halt in Nord­ita­li­en an. Ne­ben dem Bank­ge­schäft war Da­ni­el vor al­lem zu­stän­dig für den Tex­til­han­del.

Die Ei­sen­bahn­plä­ne sei­nes Bru­ders fan­den bei ihm tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung, auch des­halb, weil die Bank von der Heydt-Kers­ten & Söh­ne an der Fi­nan­zie­rung von Ei­sen­bahn­pro­jek­ten ma­ß­geb­lich be­tei­ligt war. 1836 ge­hör­te er zu den Grün­dern der Dampf­schiff­fahrts­ge­sell­schaft für den Nie­der- und Mit­tel­rhein.

Sein be­son­de­res En­ga­ge­ment galt sei­ner hei­mi­schen re­for­mier­ten Ge­mein­de und über­haupt der Kir­che. Als Kon­fir­mand hat­te er die Für­sor­ge des be­deu­ten­den Er­we­ckungs­pre­di­gers Gott­fried Da­ni­el Krum­ma­cher (1774-1837) ge­nos­sen. Krum­ma­cher pro­pa­gier­te die un­be­ding­te Frei­heit der Kir­che vom Staat, wäh­rend der preu­ßi­sche Kö­nig Fried­rich Wil­helm III. (Re­gie­rungs­zeit 1797-1840) das Kir­chen­re­gi­ment über die pro­tes­tan­ti­sche Kir­che auch sei­ner neu­en Pro­vin­zen im Wes­ten Preu­ßens be­an­spruch­te. Der Kon­flikt ent­zün­de­te sich, als der Kö­nig die „Uni­on" der bei­den pro­tes­tan­ti­schen Kon­fes­sio­nen in sei­nem Land, da­zu ei­ne Kir­chen­ord­nung und ei­ne neue Got­tes­dienst­ord­nung, ei­ne „Agen­de", ein­fach ver­ord­ne­te. Da­ni­el eben­so wie sein jün­ge­rer Bru­der Carl (1806-1881), bei­de kon­ser­va­ti­ve An­hän­ger ei­ner weit­räu­mi­gen Macht­stel­lung des Mon­ar­chen in po­li­ti­cis, brand­mark­ten den Herr­schafts­an­spruch des preu­ßi­schen Kö­nigs über die Kir­che als ei­nen Akt un­recht­mä­ßi­ger Ge­walt. Bei­de Brü­der konn­ten sich mit ih­rer kom­pro­miss­lo­sen Hal­tung in ih­rer Ge­mein­de nicht durch­set­zen.

Da­ni­el von der Heydt nahm Kon­takt auf zu dem nie­der­län­di­schen Pfar­rer Her­mann Fried­rich Kohl­brüg­ge (1803-1875), der be­reits meh­re­re Ma­le durch sei­ne Pre­dig­ten in El­ber­feld Auf­se­hen er­regt hat­te. Die „Von der Heydt-Grup­pe" be­rief die­sen zu ih­rem Pre­di­ger, trenn­te sich von der re­for­mier­ten Ge­mein­de, als Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gie­rungs­zeit 1840-1858) 1847 die Grün­dung „frei­er" evan­ge­li­scher Ge­mein­den in sei­nem Staat ge­stat­te­te, und grün­de­te ei­ne neue, staats­freie evan­ge­li­sche Ge­mein­de, die „nie­der­län­disch-re­for­mier­te Ge­mein­de".

In El­ber­feld wird die Er­in­ne­rung an Da­ni­el von der Heydt, der am 7.7.1874 starb, wach ge­hal­ten, weil die­ser zu den Grün­dern und Vor­sit­zen­den des „El­ber­fel­der Sys­tems" ge­hört. Die­se Or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­men­pfle­ge, 1852 ein­ge­rich­tet, ver­band die kom­mu­na­le Ar­men­ver­wal­tung mit den eh­ren­amt­li­chen Ar­men­pfle­gern, die die Be­treu­ung der Ar­men in ih­ren Be­zir­ken über­nah­men, re­gel­mä­ßig ih­re Ar­men be­such­ten und sie mit den not­wen­di­gen Na­tu­ra­li­en wie Nah­rung, Be­klei­dung, ärzt­li­che Ver­sor­gung oder Schul­geld ver­sorg­ten. Ins­ge­samt wa­ren in den ers­ten Jah­ren et­wa 160 eh­ren­amt­li­che Ar­men­pfle­ger er­for­der­lich, die ih­re Wahl nicht ab­leh­nen konn­ten und je­weils bis zu vier „ar­me Fa­mi­li­en" ver­sorg­ten. Dank des „El­ber­fel­der Sys­tems" konn­ten die Aus­ga­ben für die Un­ter­stüt­zung der Ar­men in den 1850er Jah­ren trotz ho­her Zu­wan­de­rung in die Stadt um die Hälf­te ge­senkt wer­den. El­ber­feld ent­wi­ckel­te sich zu ei­ner der „bet­tel­frei­es­ten" Städ­te Deutsch­lands und sein Ar­men­pfle­ge-Sys­tem wur­de von zahl­rei­chen Städ­ten im In- und Aus­land ko­piert.

Carl von der Heydt (1806-1881)

Der drit­te Bru­der Carl von der Heydt trat in dem Kampf um die „Frei­heit der Kir­che" ne­ben sei­nem ei­fern­den Bru­der Da­ni­el lei­ser auf, ver­trat je­doch die glei­che Auf­fas­sung. Er hat­te eben­falls sei­ne schu­li­sche Bil­dung in El­ber­feld er­fah­ren und war dann wie sei­ne Brü­der Ge­sell­schaf­ter der vä­ter­li­chen Bank ge­wor­den. Er be­saß ei­ne deut­li­che Nei­gung zu wis­sen­schaft­li­cher Be­schäf­ti­gung und half et­wa sei­nem Pfar­rer Kohl­brüg­ge bei der Ab­fas­sung der theo­lo­gi­schen Schrift „Das al­te Tes­ta­ment nach sei­nem wah­ren Sinn ge­wür­digt aus den Schrif­ten der Evan­ge­lis­ten und Apos­tel". Da­ne­ben ver­fass­te er ei­ge­ne theo­lo­gi­sche Wer­ke, un­ter an­de­rem ei­ne Über­set­zung des Neu­en Tes­ta­ments. Auch er trenn­te sich mit sei­ner Fa­mi­lie von der re­for­mier­ten Ge­mein­de und schloss sich der frei­en nie­der­län­disch-re­for­mier­ten Ge­mein­de an.

Karl Friedrich von der Heydt (1829-1861)

Carls Sohn Karl Fried­rich von der Heydt ist be­reits ein Ver­tre­ter der nächs­ten Ge­ne­ra­ti­on. 1856 ver­ur­sach­te er ei­ne Kri­se in der nie­der­län­disch-re­for­mier­ten Ge­mein­de, weil er mit sei­ner Ver­lob­ten Ma­ria The­re­se von Hur­ter (1839-1912) ein Kon­zert be­sucht hat­te, was nach den stren­gen Grund­sät­zen der Ge­mein­de als welt­li­ches Ver­gnü­gen miss­bil­ligt wur­de. Pfar­rer Kohl­brüg­ge ver­lang­te ein Kir­chen­zucht­ver­fah­ren, Karl Fried­rich und mit ihm sei­ne El­tern lehn­ten dies ab. Al­le Be­mü­hun­gen um ei­nen Kom­pro­miss schei­ter­ten. Carl von der Heydt und sei­ne Fa­mi­lie ver­lie­ßen die nie­der­län­disch-re­for­mier­te Ge­mein­de, dar­auf brach Da­ni­el von der Heydt den Kon­takt zu sei­nem Bru­der voll­stän­dig ab, trat aus der Bank aus und be­trieb fort­an nur den Tex­ti­li­en­han­del.

Die Söhne August von der Heydts

Des Mi­nis­ters äl­tes­ter Sohn Au­gust II.(1825-1867) trat 1854 in die el­ter­li­che Bank ein, ver­starb aber be­reits 1867. In der Öf­fent­lich­keit wirk­te er nicht, weil er ernst­haft herz­krank war. Auch über sei­nen jün­ge­ren Bru­der Edu­ard (1828-1890), der eben­falls an der Bank be­tei­ligt war, aber als Kon­sul in Ber­lin leb­te, ist kaum et­was be­kannt. Ein wei­te­rer Bru­der Ro­bert (1837-1877) such­te sein Glück im Aus­land. Die mäch­ti­ge Ge­stalt des Va­ters scheint die Söh­ne ge­wis­ser­ma­ßen er­drückt zu ha­ben. Das Glei­che trifft auf den ein­zi­gen Sohn Da­ni­el (1838-1891) des Da­ni­el von der Heydt zu.

Ein­zig die Kon­tu­ren des jüngs­ten Mi­nis­ter­soh­nes Bern­hard von der Heydt (1840-1907) wer­den et­was deut­li­cher. Bern­hard wuchs sehr be­hü­tet auf. Der Um­zug sei­ner El­tern nach Ber­lin mach­te ihm Schwie­rig­kei­ten in der Schu­le, doch schaff­te er das Ab­itur und be­gann da­nach ei­ne Aus­bil­dung auf ei­nem Land­gut na­he bei Ber­lin. Sei­ne Ver­bin­dung zur Toch­ter des Guts­herrn wur­de von sei­nem Va­ter streng un­ter­sagt. Er kehr­te nach Ber­lin zu­rück, wur­de Land­wirt und über­nahm spä­ter ein ei­ge­nes Gut.

Angehörige der Familie von der Heydt ab 1850

In der fol­gen­den Ge­ne­ra­ti­on ver­zweigt sich die Fa­mi­lie so stark, dass nur noch ei­ni­ge Trä­ger des Na­mens un­ser In­ter­es­se be­an­spru­chen kön­nen. Da­zu zählt vor al­lem Au­gust III. von der Heydt (1851-1929), En­kel des Mi­nis­ters und Sohn Au­gusts II. von der Heydt. Da die­ser be­reits 1867 starb, über­nahm der Mi­nis­ter die Vor­mund­schaft für sei­nen En­kel. Nach dem üb­li­chen Pri­vat­un­ter­richt, dem Be­such ei­nes Gym­na­si­ums und ei­nem Aus­lands­auf­ent­halt in Genf be­gann Au­gust III. ei­ne Bank­leh­re in der Ber­li­ner Bank Del­brück, Leo & Co. und trat da­nach, der Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on fol­gend, in die vä­ter­li­che Bank ein. Sein Gro­ßon­kel Carl von der Heydt mach­te ihn 1878 zum Teil­ha­ber. Zu­sam­men mit sei­nem Vet­ter Karl von der Heydt (1858-1922), dem En­kel Carl von der Heydts, führ­te er fort­an die Ge­schäf­te. Als Karl 1891 die Ber­li­ner Vil­la des Mi­nis­ters er­warb, über­nahm Au­gust III. al­lein die Lei­tung der El­ber­fel­der Bank. Als Mit­glied der mon­ar­chis­ti­schen Frei­kon­ser­va­ti­ven Par­tei war er von 1891 bis 1913 El­ber­fel­der Stadt­ver­ord­ne­ter.

Be­mer­kens­wert ist sein mä­ze­na­ti­sches Wir­ken zur Ver­schö­ne­rung sei­ner Hei­mat­stadt. So kauf­te er ei­nen gro­ßen Teil der Wal­dun­gen auf den süd­li­chen Hö­hen des Wup­per­tals, wo er sei­nen Som­mer­sitz „Kö­nigs­hö­he" an­leg­te, den er spä­ter der Stadt über­eig­ne­te. Er ge­hör­te zu den Mit­grün­dern des El­ber­fel­der Zoo­ver­eins und wur­de Vor­sit­zen­der des El­ber­fel­der Ver­schö­ne­rungs­ver­eins. Er be­schenk­te El­ber­feld mit zahl­rei­chen Denk­mä­lern, Er­in­ne­rungs­stei­nen, Brun­nen und Plas­ti­ken, die zum Teil heu­te noch das Stadt­bild schmü­cken.

Ne­ben dem so­zia­len En­ga­ge­ment stand das kul­tu­rel­le. Au­gust III. von der Heydt för­der­te das Thea­ter und die Kon­zert­ge­sell­schaft, und 1892 grün­de­te er den El­ber­fel­der Mu­se­ums­ver­ein, der 1902 ein Mu­se­um im ehe­ma­li­gen Rat­haus am Turm­hof er­öff­nen konn­te. Er wur­de selbst ein be­deu­ten­der Kunst­samm­ler, der nicht al­lein die al­ten Nie­der­län­der, mit­tel­al­ter­li­che Plas­ti­ken und rö­mi­sche Al­ter­tü­mer kauf­te, son­dern auch die Mo­der­ne ein­be­zog. Ne­ben van Gogh, Gau­gu­in, Cé­zan­ne und Cour­bet ent­hielt sei­ne Samm­lung Wer­ke des frü­hen Pi­cas­so, von Ma­tis­se, Kandins­ky und Jaw­lens­ky, Au­gust Ma­cke und Marc und vor al­lem des deut­schen Ex­pres­sio­nis­mus mit Kirch­ner, He­ckel, Nol­de, Pech­stein, Pau­la Mo­der­sohn-Be­cker und vie­len an­de­ren. Zahl­rei­che Bil­der stif­te­te er dem neu­en Mu­se­um, das schon 1911 er­wei­tert wer­den muss­te. Mit sei­ner Frau bil­de­te er ei­nen kul­tu­rel­len Mit­tel­punkt, der weit über die Stadt­gren­zen El­ber­felds hin­aus aus­strahl­te.

1910 er­krank­te sein Sohn Au­gust (IV., 1881-1943) an Tu­ber­ku­lo­se. Der Va­ter ver­leg­te den Wohn­sitz der Fa­mi­lie nach Bad Go­des­berg (heu­te Stadt Bonn) und zog sich 1913 aus der El­ber­fel­der Bank zu­rück, die in je­nem Jahr den Bar­mer Bank­ver­ein als Teil­ha­ber auf­neh­men muss­te. Der Ver­lust ei­nes gro­ßen Teils sei­nes Ver­mö­gens durch die In­fla­ti­on ließ ihn ein zu­rück­ge­zo­ge­nes, von De­pres­sio­nen be­glei­te­tes wei­te­res Le­ben füh­ren. Er starb 1929 in Bad Go­des­berg und wur­de in El­ber­feld be­er­digt.

Aus die­ser Ge­ne­ra­ti­on be­mer­kens­wert ist noch der be­reits er­wähn­te Karl von der Heydt (1858-1922). Wie Au­gust III. ver­lor auch Karl früh sei­nen Va­ter, auch bei ihm über­nahm der from­me Gro­ßva­ter Carl von der Heydt die Vor­mund­schaft. Karl mach­te das Ab­itur in El­ber­feld, leis­te­te sei­nen Mi­li­tär­dienst in Ber­lin und be­gann da­nach ein Stu­di­um in Bonn. Die­ses muss­te er al­ler­dings zu­guns­ten ei­ner Bank­leh­re ab­bre­chen. Mit dem En­kel des Mi­nis­ters zu­sam­men wur­de er 1881 Teil­ha­ber des El­ber­fel­der Bank­hau­ses.

Er reis­te oft nach Ber­lin und über­sie­del­te 1891 dort­hin, als er die Vil­la des Mi­nis­ters, sei­nes Gro­ßon­kels, am Land­wehr­ka­nal er­wer­ben konn­te. Da­zu rich­te­te er in Ber­lin ei­ne er­folg­rei­che Zweig­nie­der­las­sung der El­ber­fel­der Bank ein, die er spä­ter voll­stän­dig vom El­ber­fel­der Stamm­haus trenn­te. Er lern­te Carl Pe­ters (1856-1918) ken­nen und un­ter­stütz­te die ko­lo­nia­len Am­bi­tio­nen des Kai­ser­rei­ches auch fi­nan­zi­ell. Doch sei­ne ei­gent­li­chen In­ter­es­sen ge­hör­ten der Li­te­ra­tur und der Kunst. In sei­nem Som­mer­sitz in Bad Go­des­berg emp­fing er zum Bei­spiel Rai­ner Ma­ria Ril­ke (1875-1926), der ihn zu ei­ge­nen li­te­ra­ri­schen Ar­bei­ten er­mu­tig­te. 1905 er­schien sein Band „Va­ria­tio­nen und Rhyth­men", dem er in der zwei­ten Auf­la­ge sze­ni­sche Dia­lo­ge „Va­ria­tio­nen über das The­ma Weib" und ei­nen Ly­rik­band „Rhyth­men vom Le­ben, von der Lie­be und vom To­de" hin­zu­füg­te. Er ver­fass­te Schau­spie­le wie „Je­han­ne Arc", No­vel­len und Er­zäh­lun­gen und wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs die „Ge­dan­ken über den Krieg", in de­nen er die Nie­der­la­ge Deutsch­lands und den Zu­sam­men­bruch sei­ner groß­bür­ger­li­chen Welt vor­aus­sah. Die Re­vo­lu­ti­on 1918 be­stä­tig­te sei­ne Be­fürch­tun­gen. Dar­über zer­brach auch die Freund­schaft mit Ril­ke, der den Münch­ner Re­vo­lu­tio­nä­ren mit gro­ßer Sym­pa­thie be­geg­ne­te.

Die letz­ten be­deu­ten­den Trä­ger des Na­mens von der Heydt wa­ren Au­gust IV. (1881-1943) und Edu­ard (1882-1964), bei­de Söh­ne Au­gusts III. und Ur­en­kel des Mi­nis­ters. Bei­de Kna­ben wa­ren von schwa­cher Kon­sti­tu­ti­on. 1900 be­stan­den sie das Ab­itur und be­ga­ben sich dann auf ei­ne mehr­mo­na­ti­ge Bil­dungs­rei­se nach Genf und Frei­burg. Au­gust trat da­nach so­fort in die vä­ter­li­che Bank ein, Edu­ard be­gann ei­ne Leh­re in Dres­den. Sei­ne Mi­li­tär­pflicht leis­te­te er bei der Gar­de in Pots­dam. Au­gust hin­ge­gen war kränk­lich und dienst­un­taug­lich, wohn­te wei­ter zu Hau­se und leg­te die dar­aus re­sul­tie­ren­de Un­selbst­stän­dig­keit nie mehr ab. Er starb 1943.

Edu­ard konn­te sein kur­zes Stu­di­um in Frei­burg mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on ab­schlie­ßen. Er trat nicht, wie die El­tern er­war­tet hat­ten, in die vä­ter­li­che Bank, son­dern grün­de­te sei­ne ei­ge­ne Bank in Lon­don. 1910 er­krank­te der Bru­der an Tu­ber­ku­lo­se. Der zu De­pres­sio­nen nei­gen­de Va­ter Au­gust III. bat sei­nen Sohn Edu­ard, nach El­ber­feld zu­rück­zu­keh­ren. Doch Edu­ard blieb stand­haft. Im Ers­ten Welt­krieg ar­bei­te­te er an der deut­schen Bot­schaft in Den Haag. Im No­vem­ber 1918 hei­ra­te­te er Ve­ra von Schwa­bach (1899-1996), die Toch­ter Paul von Schwa­bachs (1867-1938), des Chefs des Bank­hau­ses Bleich­rö­der. Das Paar zog nach Hol­land, wo er die Ver­tre­tung et­li­cher deut­scher Ban­ken über­nahm.

We­gen fi­nan­zi­el­ler Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten wur­de sie ihm bald ent­zo­gen. Ver­bit­tert mach­te er die „Ver­ju­dung der deut­schen Fi­nanz" da­für ver­ant­wort­lich, nä­her­te sich der na­tio­na­len Rech­ten und pfleg­te sei­ne Kon­tak­te zum ehe­ma­li­gen Kai­ser Wil­helm II. (Re­gie­rungs­zeit 1888-1918) im hol­län­di­schen Exil. 1926 er­warb er ein gro­ßes Grund­stück auf dem Mon­te Ve­rità ober­halb As­co­nas und er­rich­te­te dort ein Ho­tel, das er zur exo­ti­schen Künst­ler­ko­lo­nie aus­bau­te. Er nahm die Schwei­zer Staats­bür­ger­schaft an, bie­der­te sich aber auch den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten an.

Er wur­de Mit­glied der NS­DAP, blieb je­doch in der Schweiz. Sei­ne Ver­haf­tung dort nach dem Zwei­ten Welt­krieg führ­te zu ei­ner An­kla­ge we­gen un­durch­sich­ti­ger fi­nan­zi­el­ler Trans­ak­tio­nen wäh­rend des Krie­ges, aber nicht zu ei­ner Ver­ur­tei­lung. Er stif­te­te sei­ne Asia­ti­ca der Stadt Zü­rich, die da­für ein ei­ge­nes Mu­se­um er­rich­te­te, und sei­ne Ge­mäl­de dem Mu­se­um in Wup­per­tal, das ihn mit der Eh­ren­bür­ger­wür­de aus­zeich­ne­te. Die Bank der Fa­mi­lie wur­de von der Com­merz­bank über­nom­men.

Literatur

Ber­gen­gru­en, Alex­an­der, Staats­mi­nis­ter Au­gust von der Heydt. Leip­zig 1908.
Baum , Ma­rie-Lui­se, Die von der Heydts aus El­ber­feld. Wup­per­tal 1964.
Feh­lemann, Sa­bi­ne/Stamm, Rai­ner (Hg.), Die Von der Heydts. Wup­per­tal 2001.
Eckardt, Uwe, Edu­ard von der Heydt und die Stadt Wup­per­tal nach 1945. Ei­ne Be­stands­auf­nah­me, in: Ge­schich­te im Wup­per­tal 16 (2007), S. 85-93.

Online

Aust, Gün­ther, Ar­ti­kel „Heydt, Au­gust Frei­herr von der"[1851-1929], in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 9 (1972), S. 76.
Ge­schich­te und Samm­lung des von der Heydt-Mu­se­ums Wup­per­tal (In­for­ma­ti­on auf der Web­site des von der Heydt-Mu­se­ums Wup­per­tal)
Ge­schich­te des Bank­hau­ses von der Heydt (Kurz­in­for­ma­ti­on auf der Web­site des Bank­hau­ses von der Heydt)
Köll­mann, Wolf­gang, Ar­ti­kel „Heydt, Au­gust Frei­herr von der", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 9 (1972), S. 74-76.
Köll­mann, Wolf­gang, Ar­ti­kel „Heydt, Da­ni­el von der", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 9 (1972), S. 76-77.
Köll­mann, Wolf­gang, Ar­ti­kel „Heydt, Edu­ard Frei­herr von der", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 9 (1972), S. 77.

Daniel von der Heydt, Porträt, Gemälde, Öl auf Leinwand, um 1851/1874. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 
Zitationshinweis

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Wittmütz, Volkmar, Familie von der Heydt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-von-der-heydt/DE-2086/lido/57c83010e38392.80121926 (abgerufen am 29.03.2024)