Adolf Vorwerk

Unternehmer (1853-1925)

Volkmar Wittmütz (Köln)

DE-2086, LVR_ILR_0000120678.

Adolf Vor­werk war ein be­deu­ten­der Un­ter­neh­mer der Stadt Bar­men (heu­te Stadt Wup­per­tal) und Ei­gen­tü­mer der Fir­ma Vor­werk & Sohn; dar­über hin­aus er­warb er sich Ver­diens­te um die ur­ba­ne Ent­wick­lung der Stadt. Sein Bru­der Carl Vor­werk war eben­falls Un­ter­neh­mer in Bar­men.

Die Fa­mi­lie Vor­werk stammt ab von dem zwi­schen Wup­per­tal und Schwelm ge­le­ge­nen Ge­höft Vor­werk, mund­art­lich „Vörf­ken“ ge­nannt. Im 18. Jahr­hun­dert wan­der­te ein Vor­fah­re ins be­nach­bar­te Bar­men und war dort ver­mut­lich als Garn­blei­cher tä­tig. Ge­gen En­de des Jahr­hun­derts fin­den wir ei­ne Fir­ma Vor­werk, die die Fär­be­rei von Tex­ti­li­en so­wie den Han­del in „wol­len und lei­nen Nest­len und Kor­deln“ be­trieb. Et­was spä­ter be­schreibt ein Adress­buch das Un­ter­neh­men als „Fa­brik in lei­nen, wol­len und baum­wol­len Ban­d“; 1827 nahm Jo­hann Pe­ter Vor­werk (1760-1842) sei­nen gleich­na­mi­gen Sohn in sei­ne Han­dels­fir­ma und nann­te sie nun „Vor­werk & Sohn“.

Das Un­ter­neh­men hat­te et­wa 300 ver­schie­de­ne Bän­der­sor­ten – zum Bei­spiel Herrn­hu­ter Band, Lei­nen­band, Ho­sen­trä­ger, Stie­fel­band, Ba­tist­band – al­les so ge­nann­te „Bar­mer Ar­ti­kel“ – im Sor­ti­ment, die von über 30 für die Fir­ma tä­ti­gen Haus­band­we­bern her­ge­stellt wur­den. Der vor­ge­se­he­ne Er­be starb be­reits 1831, so dass der Va­ter das Ge­schäft 1834 sei­nem zwei­ten Sohn Carl (1812-1890) über­gab. Un­ter sei­ner Lei­tung ent­wi­ckel­te sich das Un­ter­neh­men lang­sam und ste­tig wei­ter.

 

In den 1870er Jah­ren kam mit des­sen bei­den Söh­nen Carl (ge­bo­ren 1847) und Adolf (ge­bo­ren 1853) ein fri­scher Zug in die Fir­ma. Bei­de Söh­ne hat­ten ih­ren Ge­sichts­kreis durch län­ge­re Aus­lands­auf­ent­hal­te – Carl in Eng­land, Adolf in Ant­wer­pen – er­wei­tert, wa­ren tech­nisch in­ter­es­siert und be­gan­nen mit der fa­brik­mä­ßi­gen Pro­duk­ti­on von Bän­dern. Zum ers­ten Mal setz­ten sie die Dampf­kraft auch für den An­trieb von Band­web­stüh­len und nicht al­lein für die Breit­we­be­rei ein. Da­zu über­nah­men sie wei­te­re Kon­kur­ren­ten aus dem Wup­per­tal und er­wei­ter­ten ih­ren Kun­den­kreis nach Über­see.

Ne­ben den „al­ten“ Ar­ti­keln pro­du­zier­ten sie neue Vor­werk­sche Spe­zi­al­pro­duk­te wie Ja­lou­siebän­der, Stie­fel­strip­pen oder Rock­gur­te. Ei­ner An­re­gung Carl Vor­werks fol­gend fing die Fir­ma zu Be­ginn der 1880er Jah­re mit der Fa­bri­ka­ti­on von Tep­pi­chen und bald dar­auf von Mö­bel­stof­fen an und war da­mit so er­folg­reich, dass man 1883 die Tep­pich­pro­duk­ti­on in ei­nem ei­gens ge­grün­de­ten neu­en Un­ter­neh­men, der „Vor­werk & Co.“, aus­la­ger­te. Zu­nächst wa­ren bei­de Brü­der Ei­gen­tü­mer der neu­en Fir­ma, doch bald trenn­ten sie sich ein­ver­nehm­lich. Adolf Vor­werk über­ließ die Tep­pich­her­stel­lung sei­nem äl­te­ren Bru­der und wur­de statt des­sen al­lei­ni­ger Ei­gen­tü­mer der al­ten Fir­ma „Vor­werk & Sohn“.

DE-2086, LVR_ILR_0000120680.

 

Die­se ent­wi­ckel­te sich in den fol­gen­den Jah­ren zwar nicht so stür­misch wie das Tep­pich-Un­ter­neh­men, aber doch ste­tig, weil Adolf Vor­werk mit schnel­lem und auf das Prak­ti­sche ge­rich­te­tem Blick im­mer neue Ide­en für mo­di­sche Ar­ti­kel her­vor­brach­te und mit Hil­fe ei­ner ein­ge­spiel­ten Be­leg­schaft rasch in die Tat um­set­zen konn­te. So hat­te die Fir­ma gro­ßen An­teil an der Sei­den­band­mo­de, die die Gar­nie­rung der Da­men­hü­te und der Da­men­klei­der vor­schrieb. Es folg­ten Sei­den­be­sät­ze, dann Fe­der­be­sät­ze, die in die Bän­der ein­ge­webt wur­den, da­nach ei­ne Ve­lours-Stoß­bor­de als Kan­ten­schutz für die bo­den­lan­gen Klei­der der Da­men, die bald in der gan­zen Welt Ver­brei­tung fand und zu­sam­men mit an­de­ren Ar­ti­keln wie zum Bei­spiel ei­ner „Kra­gen­ein­la­ge“ oder ei­nes „Steif­fut­ter­s“ aus Ei­sen­garn von Vor­werk pa­ten­tiert wur­de. Aus dem „Steif­fut­ter“ wur­de spä­ter ei­ne ge­press­te Tail­len­st­ei­fein­la­ge ent­wi­ckelt, um die in je­nen Jah­ren in der Da­men­mo­de herr­schen­de Klei­der­tail­le zu be­to­nen. Zu ei­nem von der Mo­de un­ab­hän­gi­gen Ren­ner ent­wi­ckel­te sich das von Vor­werk her­aus­ge­brach­te Gar­di­nen­band mit an­ge­web­ten Schlau­fen zur Be­fes­ti­gung von Rin­gen an den Gar­di­nen, und auch die Vor­werk­schen Schweiß­blät­ter un­ter den Ach­sel­höh­len, her­ge­stellt aus Gum­mi, zeig­ten sich als mo­de-re­sis­tent. Die­ser Gum­mi-Ar­ti­kel zog wei­te­re nach sich, um die Ma­schi­nen aus­zu­las­ten, zum Bei­spiel Gum­mi­schläu­che und gum­mier­te Iso­lier­bän­der für die Elek­tro­in­dus­trie. Man ex­pe­ri­men­tier­te in Bar­men auch mit Gum­mi­rei­fen, wo­bei al­ler­dings der Durch­bruch – Voll­gum­mi­rei­fen für Last­kraft­wa­gen – erst im Ers­ten Welt­krieg er­reicht wur­de. Nach dem Krieg ka­men dann Roh­gum­mi-Rei­fen und Gum­mi-Ab­sät­ze und -Schuh­soh­len hin­zu. Kurz nach der Jahr­hun­dert­wen­de hat­te sich Vor­werk & Sohn be­reits an ei­nem in Tu­rin ge­le­ge­nen Tex­til­be­trieb be­tei­ligt, der bald dar­auf voll­stän­dig über­nom­men und aus­ge­baut wer­den konn­te, aber im Ers­ten Welt­krieg kon­fis­ziert wur­de.

Teppichproduktionsfabrik Vorwerk, 1925. (Vorwerk & Co. Teppichwerke GmbH & Co. KG)

 

Schon in den 1890er Jah­ren war die Pro­duk­ti­on tex­ti­ler Mo­de­ar­ti­kel im en­gen Tal der Wup­per an räum­li­che Gren­zen ge­sto­ßen. 1896 er­rich­te­te Adolf Vor­werk des­halb ei­nen Fi­li­al­be­trieb auf den Süd­hö­hen Bar­mens, der kurz nach der Jahr­hun­dert­wen­de auch die Her­stel­lung von Spit­zen ei­nes von ihm mit ge­grün­de­ten Un­ter­neh­mens, der „Bar­mer Spit­zen-In­dus­trie“­auf­nahm. Und noch vor dem Ers­ten Welt­krieg pro­du­zier­te Vor­werk & Sohn die ers­ten Reiss­ver­schlüs­se, die da­mals al­ler­dings nur auf ge­rin­ges In­ter­es­se stie­ßen.

Vorwerksche Kartenschlägerei, um 1900. (Vorwerk & Co. Teppichwerke GmbH & Co. KG)

 

Da die Zu­fuhr von Roh­stof­fen im Ers­ten Welt­krieg aus­blieb, muss­te man auf Er­satz­stof­fe wie Pa­pier zu­rück­grei­fen. Vor­werk & Sohn stell­te Pfer­de­zü­gel, Trag- und Zu­grie­men, Ma­schi­nen­ge­wehr und Pa­tro­nen­gur­te, Brot­beu­tel und Zelt­bah­nen aus Pa­pier­garn her. Ge­gen En­de des Krie­ges zog Adolf Vor­werk sich all­mäh­lich aus der Lei­tung sei­nes Un­ter­neh­mens zu­rück. Er hat­te in­zwi­schen sei­ne drei Söh­ne Adolf, Wil­helm und Max in die Fir­ma ge­nom­men und auch ei­ni­ge sei­ner lei­ten­den An­ge­stell­ten zu Teil­ha­bern ge­macht.

Lan­ge vor dem Ers­ten Welt­krieg war er auf ei­nem an­de­ren Feld er­folg­reich tä­tig ge­wor­den: Weit vor­aus­schau­end hat­te er um­fang­rei­che Län­de­rei­en auf den Süd­hö­hen Bar­mens und des be­nach­bar­ten El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) er­wor­ben und be­gon­nen, sie mit Hil­fe ei­ner von ihm ge­grün­de­ten „Ber­gi­schen Ter­ra­in­ge­sell­schaf­t“ zu er­schlie­ßen, Stra­ßen an­zu­le­gen und Bau­plät­ze für Land­häu­ser und Vil­len ab­zu­ste­cken. Mög­li­cher­wei­se wa­ren das Vor­bild die Vil­len­vier­tel Blan­ke­ne­se und Oth­mar­schen in Ham­burg, die er öf­ter be­such­te. 1888 er­rich­te­te er ei­ne klei­ne Pen­si­on und ein Aus­flugs­lo­kal auf der Hö­he, das er „Bar­mer Luft­kur­haus“ nann­te. Bar­men war in­zwi­schen zu ei­ner Groß­stadt her­an­ge­wach­sen, in der Ge­wer­be und Woh­nen eng bei­ein­an­der la­gen. Im­mer mehr sei­ner Be­woh­ner streb­ten in der knapp be­mes­se­nen frei­en Zeit hin­aus in die Na­tur, und wohl­ha­ben­de Bür­ger be­gan­nen, ih­re Vil­len auf den Hö­hen zu er­rich­ten. In den 1890er Jah­ren kauf­te die Stadt Bar­men das Stra­ßen- und Lei­tungs­netz, das Adolf Vor­werk hat­te an­le­gen las­sen.

Um die Süd­hö­hen an die Stadt im Tal an­zu­bin­den, rich­te­te Adolf Vor­werk zu­nächst ei­ne „Pfer­de-Om­ni­bus-Ver­bin­dun­g“ ein und grün­de­te dann, zu­sam­men mit an­de­ren Bar­mer Bür­gern, ei­ne „Ac­ti­en-Ge­sell­schaft Bar­mer Berg­bahn“, die 1894 ei­ne elek­tri­sche Zahn­rad­bahn – die ers­te in Deutsch­land – auf die Hö­hen führ­te. 1892 hat­te er be­reits ein zwei­tes „Luft­kur­haus“ er­rich­tet, 1897 folg­te ein Aus­sichts­turm mit Sport- und Spiel­flä­chen. An der Ent­wick­lung der Hö­hen süd­lich des be­nach­bar­ten El­ber­feld war Adolf Vor­werk eben­falls be­tei­ligt, doch ei­ne Bar­men ver­gleich­ba­re, ein­heit­li­che und gro­ßzü­gi­ge Pla­nung schei­ter­te dort, vor al­lem wohl an der stän­di­gen Ri­va­li­tät zwi­schen den bei­den be­nach­bar­ten Wup­per­städ­ten.

Der für die ur­ba­ne Ent­wick­lung Bar­mens be­deu­ten­de Grund­stücks­spe­ku­lant, der der Stadt­pla­nung wich­ti­ge Im­pul­se gab und öf­fent­li­che In­ves­ti­tio­nen an­reg­te, starb nach län­ge­rer Krank­heit am 20.8.1925. Er er­leb­te nicht mehr, dass sei­ne Fir­ma die Gum­mi­wer­ke Ful­da über­nahm, die nach dem Zwei­ten Welt­krieg von der ame­ri­ka­ni­schen Goo­dye­ar ge­kauft wur­den, dass die klas­si­schen Vor­werk-Ar­ti­kel Bän­der, Kor­deln und Lit­zen zu­neh­mend be­deu­tungs­lo­ser und schlie­ß­lich 1985 ver­kauft wur­den und dass das Un­ter­neh­men zwar im­mer noch Kle­be- und an­de­re in­dus­tri­el­le Bän­der her­stellt, sich aber vor al­lem mit sei­nen Töch­tern als Zu­lie­fe­rer für die Au­to­in­dus­trie mit Dich­tungs­sys­te­men, Pro­fi­len, Fahr­werks­tei­len und Gum­mi-Me­tall-Kom­po­nen­ten ei­nen Na­men mach­te. Vor­werk & Sohn ist ein Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ge­blie­ben.

Literatur

de Bruyn-Ou­bo­ter, Hans Joa­chim (Hg.), Bar­mer Süd­stadt, To­el­le­turm und Heidt, Wup­per­tal 1994.
Speer, Flo­ri­an: 175 Jah­re Vor­werk & Sohn, in: Rome­ri­ke Ber­ge 52 (2002), Heft 4, S. 5–3.
Vor­werk & Sohn (Hg.), 100 Jah­re Vor­werk & Sohn. Ein Aus­schnitt aus der Ge­schich­te der Bar­mer Gro­ß­in­dus­trie. 1827-1927, Bar­men 1927.

Online

Vor­werk und Sohn (Home­page des Un­ter­neh­mens mit der Fir­men­ge­schich­te). [On­line]

Webstuhl, um 1900. (Vorwerk & Co. Teppichwerke GmbH & Co. KG)

 
Zitationshinweis

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Wittmütz, Volkmar, Adolf Vorwerk, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-vorwerk/DE-2086/lido/57c938ca21f498.34523295 (abgerufen am 19.04.2024)