Mildred Scheel

Ärztin, Gründerin der „Deutschen Krebshilfe“ (1932-1985)

Erika Steinhausen (Weilerswist)

Mildred Scheel, Porträtfoto. (Dr. Mildred Scheel Stiftung / Deutsche Krebshilfe e.V.)

Schlagworte

Die Ärz­tin Dr. Mild­red Scheel, die seit 1969 mit dem FDP-Po­li­ti­ker und nach­ma­li­gen Bun­des­prä­si­den­ten Wal­ter Scheel (ge­bo­ren 1919, Amts­zeit als Bun­des­prä­si­dent 1974-1979) ver­hei­ra­tet war, er­warb sich mit der Grün­dung der „Deut­schen Krebs­hil­fe“ blei­ben­de Ver­diens­te um die Krebs­for­schung in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land.

Mild­red Wirtz wur­de am 31.12.1932 in Köln-Ma­ri­en­burg als drit­tes Kind des Rönt­ge­no­lo­gen Hans-Hu­bert Wirtz (ge­stor­ben 1962) und sei­ner ame­ri­ka­ni­schen Frau El­si, ge­bo­re­ne Braun, ge­bo­ren. We­gen der Zu­nah­me des al­li­ier­ten Bom­ben­kriegs ver­ließ die Mut­ter auf Drän­gen des Va­ters 1944 mit Mild­red und ih­rer äl­te­ren Schwes­tern (ein Kind war bei der Ge­burt ge­stor­ben) Köln und zog nach Am­berg in die Ober­pfalz zur Schwes­ter des Va­ters. Die Zer­stö­rung des Wirtz­schen Hau­ses in Köln-Ma­ri­en­burg bei ei­nem Bom­ben­an­griff am 2.3.1945 über­leb­te der Va­ter im Luft­schutz­kel­ler.

Mild­red leg­te mit 18 Jah­ren in Am­berg das Ab­itur ab, nach­dem sie in der Grund­schu­le ei­ne Klas­se über­sprun­gen hat­te. In Re­gens­burg, Inns­bruck, Mün­chen und Ber­lin stu­dier­te sie Me­di­zin und ab­sol­vier­te die Fach­arzt­aus­bil­dung als Rönt­ge­no­lo­gin, um in der Pra­xis ih­res Va­ters in Am­berg tä­tig wer­den zu kön­nen. Doch be­vor sie die Aus­bil­dung be­en­det hat­te, er­lag der Va­ter 1962 über­ra­schend ei­nem Herz­in­farkt und die Pra­xis wur­de ver­kauft. Mild­red Wirtz ver­dien­te von da an den Le­bens­un­ter­halt für sich und ih­re am 28.3.1963 ge­bo­re­ne Toch­ter Cor­ne­lia, de­ren Va­ter sie nie preis gab, in Kran­ken­häu­sern und durch Ur­laubs­ver­tre­tun­gen nie­der­ge­las­se­ner Ärz­te.

Bei ei­ner die­ser Ur­laub­ver­tre­tun­gen in ei­nem Sa­na­to­ri­um in Bad Wies­see am Te­gern­see 1967 lern­te Mild­red Scheel den ver­wit­we­ten FDP-Po­li­ti­ker Wal­ter Scheel ken­nen. Das Paar hei­ra­te­te im Som­mer 1969 in Mün­chen-Schwa­bing und zog nach Bonn. Im Herbst 1969 wur­de Schee­l Au­ßen­mi­nis­ter und Vi­ze­kanz­ler der so­zi­al-li­be­ra­len Ko­ali­ti­ons­re­gie­rung un­ter Wil­ly Brandt (1913-1992, Bun­des­kanz­ler 1969-1974). Das po­li­ti­sche Le­ben ih­res Man­nes ver­än­der­te Mild­red Scheels Le­bens von Grund auf. Ob­wohl es ihr schwer fiel, gab sie ih­ren Be­ruf auf, weil sie es als selbst­ver­ständ­li­che Pflicht an­sah, ih­rem Mann bei sei­nen Re­prä­sen­ta­ti­ons­auf­ga­ben zur Sei­te zu ste­hen. Ne­ben­bei aber mach­te sie an der Bon­ner Uni­ver­si­täts­kli­nik ei­ne Aus­bil­dung zur Spe­zia­lis­tin für Mam­mo­gra­phie. 1970 wur­de die ge­mein­sa­me Toch­ter Gwen­d­o­lyn ge­bo­ren und 1971 ad­op­tier­te das Ehe­paar Scheel auf ei­ner Rei­se durch Bo­li­vi­en den ein­jäh­ri­gen in­dia­ni­schen Wai­sen­jun­gen Si­mon Mar­tin.

Nach­dem Wal­ter Scheel am 15.5.1974 zum vier­ten Bun­des­prä­si­den­ten der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ge­wählt wor­den war, zog die Fa­mi­lie in die Vil­la Ham­mer­schmidt, den Sitz des Bun­des­prä­si­den­ten in Bonn. Mild­red Scheel über­nahm die Pflich­ten ei­ner „First La­dy“ - ei­ne Be­zeich­nung, die sie für über­trie­ben und nicht an­ge­mes­sen hielt, eben­so wie sie die Ver­lei­hung von Or­den und Eh­ren­zei­chen auf­grund die­ser Funk­ti­on ab­lehn­te: Frau des Bun­des­prä­si­den­ten zu sein sei kein Staats­amt und der Trau­schein „... kei­ne Emp­fangs­be­schei­ni­gung für Aus­zeich­nun­gen…“

Wie die Prä­si­den­ten­frau­en vor ihr über­nahm Mild­red Scheel ka­ri­ta­ti­ve Auf­ga­ben. Sie wur­de Schirm­her­rin des Deut­schen Ko­mi­tees des Welt­kin­der­hilfs­werks UNICEF und Vor­sit­zen­de des von El­ly Heuss-Knapp (1881-1952), der Ehe­frau des ers­ten Bun­des­prä­si­den­ten ge­grün­de­ten „Müt­ter­ge­ne­sungs­wer­kes“. Am 25.9.1974 grün­de­te sie in Bonn die „Deut­sche Krebs­hil­fe e.V.“ mit dem Ziel der ver­stärk­ten Tu­mor­for­schung, der Ent­ta­bui­sie­rung der Krank­heit, der Pro­pa­gie­rung der Pflicht­vor­sor­ge, der Schaf­fung von Nach­sor­ge­ein­rich­tun­gen und der För­de­rung des Dia­logs zwi­schen Arzt und Pa­ti­ent. 1975 rief sie den „Mild­red-Scheel-För­der­kreis“ ins Le­ben, der Geld für lang­fris­ti­ge For­schungs­pro­jek­te sam­melt, und 1976 in­iti­ier­te sie die Grün­dung der „Deut­schen Stif­tung für Krebs­for­schun­g“, die den Auf­bau von Tu­mor­zen­tren und ei­nes Nach­sor­ge­net­zes för­dert. Die­se Stif­tung wur­de 1982 in „Mild­red Scheel-Stif­tun­g“ um­be­nannt.

Mild­red Scheel warb un­er­müd­lich für ih­re Pro­jek­te und stieß zahl­rei­che öf­fent­lich­keits­wirk­sa­me Kam­pa­gnen an, ih­re Po­si­ti­on als Frau des Bun­des­prä­si­den­ten für die gu­te Sa­che nut­zend. Nach dem En­de der Prä­si­dent­schaft ih­res Man­nes 1979 gab sie ih­ren Plan, ei­ne ei­ge­ne Pra­xis zu er­öff­nen, end­gül­tig auf, wid­me­te sich aber wei­ter­hin der „Krebs­hil­fe“. Da ihr nun die Pri­vi­le­gi­en ei­ner Prä­si­den­ten­gat­tin fehl­ten, wur­de die­se Auf­ga­be deut­lich schwie­ri­ger. Schon län­ger war sie ei­ni­gen Kol­le­gen, die ihr wohl auch den öf­fent­li­chen Er­folg nei­de­ten, ein Är­ger­nis ge­we­sen. In ei­ner „kol­le­gia­len Schel­te“ im „Deut­schen Ärz­te­blat­t“ von 1980 hielt man ihr vor, durch die Wer­be­trom­meln die Krebs­angst mehr ge­schürt, als Geld zur Be­kämp­fung der Krank­heit ein­ge­nom­men zu ha­ben.

Doch durch Mild­red Scheels un­er­müd­li­ches Wer­ben und ih­ren per­sön­li­chen Ein­satz wur­de die Wahr­neh­mung der Be­dro­hung durch die­se Krank­heit in der Be­völ­ke­rung ge­schärft und die „Krebs­hil­fe“ zu ei­ner wich­ti­gen Säu­le der Krebs­be­kämp­fung in Deutsch­land. Re­gel­mä­ßi­ge Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen ge­hö­ren heu­te zum Stan­dard­re­per­toire und ha­ben ih­ren fes­ten Platz im Be­wusst­sein der Be­völ­ke­rung.

Mild­red Scheels Ver­diens­te wur­den durch zahl­rei­che Eh­run­gen, na­tio­nal wie in­ter­na­tio­nal, an­er­kannt. 1977, 1978 und 1979 wur­de sie in der Bun­des­re­pu­blik zur „Frau des Jah­res“ ge­wählt. Ihr wur­den un­ter an­de­rem das Gro­ße Bun­des­ver­dienst­kreuz (1979), der „Life­line“-Preis der Ame­ri­can Health Foun­da­ti­on und der Dag-Ham­marsk­jöld-Preis der Stif­tung „Pax mun­di“ ver­lie­hen. 1976 wur­de sie mit dem „Bam­bi“ aus­ge­zeich­net. 1980 er­hielt sie die Eh­ren­dok­tor­wür­de der Uni­ver­si­tät Ma­ry­land. 1980 stell­te sie der Pop­art-Künst­ler An­dy War­hol (1928-1987) in ei­nem Screen­script dar. Der Bild­hau­er Kurt Ar­entz (ge­bo­ren 1934) schuf ei­ne Bron­ze-Büs­te und Her­mann Schardt (1912-1984) von der Folk­wang-Schu­le in Es­sen ent­warf ei­ne Me­dail­le mit ih­rem Por­trait.

Am 13.5.1985 starb Mild­red Scheel in Köln an Krebs – der Krank­heit, de­ren Be­kämp­fung sie ei­nen gro­ßen Teil ih­res Le­bens ge­wid­met hat­te. Da Wal­ter Scheel Eh­ren­bür­ger der Stadt Bonn ist, er­hielt Mild­red Scheel ein Eh­ren­grab auf dem Al­ten Fried­hof. Stra­ßen, Schu­len und me­di­zi­ni­sche Ein­rich­tun­gen tra­gen ih­ren Na­men. So be­steht seit 1992 auf dem Ge­län­de der Köl­ner Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken die Dr. Mild­red Scheel Aka­de­mie für For­schung und Bil­dung gGmbH, ge­grün­det von der Deut­schen Krebs­hil­fe und fi­nan­ziert vom Mild­red-Scheel-Kreis.

Werk

Scheel, Mild­red/Au­mil­ler, Jo­chen (Hg.), Der Krebs­hil­fe-Rat­ge­ber, 2 Tei­le, Mün­chen 1982.

Literatur

Mild­red Scheel, in: Köh­ler-Lut­ter­beck, Ur­su­la/ Sie­den­topf, Mo­ni­ka, Frau­en im Rhein­land. Au­ßer­ge­wöhn­li­che Bio­gra­phi­en aus der Mit­te Eu­ro­pas, Köln 2001, S. 267-371.
Fran­ken, Ire­ne, Mild­red Scheel, in: Soé­ni­us, Ul­rich S./Wil­helm, Jür­gen (Hg.), Köl­ner Per­so­nen-Le­xi­kon, Köln 2008, S. 468.

 
Zitationshinweis

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Steinhausen, Erika, Mildred Scheel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/mildred-scheel/DE-2086/lido/57c943a60df517.31095033 (abgerufen am 29.03.2024)