Mechthild von Sayn

Gräfin von Sayn (1200/1203–1285)

Thomas Bohn (Koblenz)

Erstes Siegel Mechthilds von Sayn (1216-1227), Abdruck an einer Urkunde von 1222. (Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 74, Nr. 8)

Grä­fin Mecht­hild ver­kauf­te nach dem Tod ih­res Gat­ten Graf Hein­rich III. von Sayn 1246/1247 ihr um­fang­rei­ches Wes­ter­wäl­der Hei­rats­gut an das Erz­stift Köln, des­sen dor­ti­ge Lan­des­herr­schaft dar­auf grün­de­te. Schon wäh­rend ih­rer er­ben­los ge­blie­be­nen Ehe ver­gab sie zahl­rei­che from­me Stif­tun­gen, ins­be­son­de­re an den Deut­schen Rit­ter­or­den und die Zis­ter­zi­en­ser und Zis­ter­zi­en­se­rin­nen, die die Kir­chen­land­schaft des Mit­tel­rheins für Jahr­hun­der­te mit­präg­ten. In der münd­li­chen Über­lie­fe­rung blieb sie im Wes­ter­wald bis An­fang des 20. Jahr­hun­derts we­gen ih­rer Mild­tä­tig­keit be­kannt.

Die Ge­burt der in ih­rer Iden­ti­tät und Her­kunft heu­te un­be­strit­te­nen Per­son der Grä­fin Mecht­hild kann mit 1200 bis 1203 ein­ge­grenzt wer­den. Sie ent­stammt ei­ner Ver­bin­dung der Ne­ben­li­ni­en der Wet­ti­ner und Lu­do­win­ger. Ihr Va­ter Mark­graf Diet­rich von Lands­berg/Sach­sen-An­halt (um 1145–1207) hat­te kurz vor 1190 Jut­ta (um 1174–vor 1216), die Erb­toch­ter des Land­gra­fen Lud­wig III. von Thü­rin­gen (ge­stor­ben 1190), ge­hei­ra­tet. Nach ei­ner jah­re­lan­gen Feh­de wäh­rend des stau­fisch-wel­fi­schen Thron­streits zwi­schen den Gra­fen von Lands­berg un­d Sayn hat Mecht­hild spä­tes­tens 1215 als Er­bin des um­fang­rei­chen müt­ter­li­chen Fern­be­sit­zes im Wes­ter­wald (zwi­schen Wind­eck, Al­ten­wied und Neu­er­burg) durch ih­re Hei­rat mit Hein­rich III. die al­te Graf­schaft (der Wes­ter­wald zwi­schen Sieg und Sayn­bach; das Bon­ner Um­land, usw.) zu ei­nem der be­deu­tends­ten im Rhein­land ar­ron­diert.

Über ih­re Ver­wandt­schaft ge­hör­te Mecht­hild zum er­wei­ter­ten eu­ro­päi­schen Hoch­adel, was das ver­gleichs­wei­se jun­ge Gra­fen­ge­schlecht er­heb­lich auf­wer­te­te. Re­prä­sen­ta­ti­ons­raum der hö­fi­schen Ge­sell­schaft (Stau­fi­sche Klas­sik), die beim Say­ner Gra­fen­paar über­durch­schnitt­lich nach­weis­bar ist, dürf­ten die Re­si­den­zen in Sayn, Blan­ken­berg un­d Köln ge­we­sen sein. Er­hal­te­ne ma­te­ri­el­le Sta­tus­sym­bo­le die­ser Kul­tur sind ihr ers­tes re­prä­sen­ta­ti­ves hö­fi­sches Sie­gel (’Fal­ken­jagd oh­ne Pferd’), das ein­zig­ar­ti­ge Grab­mal ih­res Gat­ten und wahr­schein­lich der Be­sitz re­li­giö­ser und li­te­ra­ri­scher Hand­schrif­ten. Kon­tak­te ih­res Gat­ten zu Re­prä­sen­tan­ten der mit­tel­hoch­deut­schen Dich­tung wie Eil­hard von Ober­ge (be­legt 1189-1227), Rein­mar von Zwe­ter (um 1200 – nach 1248) un­d Cae­sa­ri­us von Heis­ter­bach s­ind be­legt. In den Ur­kun­den ih­res Gat­ten kommt sie als Mit­aus­stel­le­rin oder Zeu­gin vor, was ih­re ak­ti­ve Be­tei­li­gung an der Herr­schafts­aus­übung be­legt. Die gra­vie­rends­ten Er­eig­nis­se ih­rer Ehe­zeit, die er­folg­rei­che Teil­nah­me ih­res Gat­ten am Kreuz­zug von 1218/1219 nach Da­miet­te (Ägyp­ten) und sein sieg­reich über­stan­de­ner Ket­zer­pro­zess 1233/1234, dürf­ten sie in ih­rer Fröm­mig­keit noch be­stärkt ha­ben. Der Wech­sel 1234 zu ih­rem zwei­ten Sie­gel mit re­li­giö­sem The­ma (’Flucht der hei­li­gen Fa­mi­lie’) rührt wohl da­her. Der er­ben­lo­se Tod Hein­richs zum Jah­res­en­de 1246/1247 zog jah­re­lan­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die tes­ta­men­ta­risch be­stimm­te ter­ri­to­ria­le In­te­gri­tät der Graf­schaft Sayn mit den Spon­hei­mer Erb­nef­fen (Jo­hann, Si­mon, Hein­rich) nach sich. Sie er­hiel­ten En­de Au­gust 1247 – als je­de denk­ba­re Schwan­ger­schaft Mecht­hilds ge­en­det ha­ben muss­te – die al­te Graf­schaft Sayn, muss­ten je­doch auf das lu­do­win­gi­sche Hei­rats­gut ver­zich­ten, über das die Wit­we wie­der ver­füg­te. Die jün­ge­re Li­nie der Gra­fen von Sayn ab Jo­hann (1206-1266) konn­te nicht mehr an die Be­deu­tung Hein­richs III. her­an­rei­chen. In den bür­ger­kriegs­ähn­li­chen Zu­stän­den der spä­ten Stau­f­er­zeit ge­lang es der Wit­we mit Hil­fe ih­rer Va­sal­len und Dienst­leu­te („vrun­de“) noch drei Jah­re lang, das ver­blie­be­ne um­fang­rei­che Ter­ri­to­ri­um als Lan­des­her­rin zu be­haup­ten – was ihr auch un­ter herr­schaft­li­chem As­pekt in Deutsch­land ei­ne Son­der­stel­lung ein­räumt. Bis 1250 ver­kauf­te die „ehe­ma­li­ge Grä­fin“ (Jch Mech­tilt wi­len Greu­in­ne was ze Seyne), die als Land­frem­de oh­ne den Rück­halt ei­ner ei­ge­nen Sip­pe kei­ne Hil­fe er­war­ten durf­te, ge­gen ei­ne ho­he jähr­li­che Leib­ren­te die An­wart­schaft auf ih­re Wes­ter­wäl­der Lan­des­herr­schaft (als be­deu­ten­den Fern­be­sitz Burg und Land Wal­den­burg / Süd­west­fa­len) an den mäch­tigs­ten Reichs­fürs­ten die­ser Zeit, den Köl­ner Erz­bi­schof Kon­rad von Hoch­sta­den. Die fest­ge­leg­ten Schutz- und Zah­lungs­ver­spre­chen konn­ten er und sei­ne Nach­fol­ger in ih­rer 38-jäh­ri­gen Wit­wen­zeit al­ler­dings nicht durch­ge­hend ein­hal­ten. Rück­halt er­hielt die Wit­we auch vom Köl­ner Dom­ka­pi­tel, dem ihr wich­tigs­ter Schrei­ber der deutsch­spra­chi­gen Ur­kun­den und Tes­ta­ments­voll­stre­cker an­ge­hör­te. Mecht­hild ver­blieb ein wei­ter­hin um­fang­rei­cher Be­sitz: un­ter an­de­rem die Lö­wen­burg bei Bad Hon­nef, die Neu­er­burg bei Nie­der­breit­bach und das Are­al des Köl­ner Zis­ter­zi­en­se­rin­nen­klos­ters Sei­ne. Mecht­hild, die si­cher­lich ih­re letz­ten Le­bens­jah­re in die­sem Klos­ter ver­brach­te (Grab­stät­te), trat nie in ei­nen Frau­en­or­den ein.

Die Wit­we spiel­te aber ei­ne wich­ti­ge Rol­le im Be­reich der re­li­giö­sen volks­spra­chi­gen Schrift­lich­keit in Köln (Psal­ter, ‘Köl­ner Klos­ter­pre­dig­ten‘). Ih­re per­sön­li­che Be­kannt­schaft mit Tho­mas von Aquin (um 1225-1274) ist wahr­schein­lich, die mit Al­ber­tus Ma­gnus ur­kund­lich be­legt. An­ders als ih­re Ver­wand­ten, die teil­wei­se ex­zes­siv selbst­zer­stö­re­risch re­li­giö­sen Hei­li­gen Eli­sa­beth von Thü­rin­gen (1207 - 1231), Hed­wig von Schle­si­en (1170/80-1243) und die Se­li­ge Yo­lan­da von Vi­an­den (1231-1283), gilt Mecht­hild nicht als Prot­ago­nis­tin der Frau­en­fröm­mig­keit. Ei­ne Mo­ti­va­ti­on für ih­re au­ßer­ge­wöhn­li­che um­fang­rei­che Un­ter­stüt­zung geist­li­cher In­sti­tu­tio­nen lässt sich aus den Aren­gen man­cher ih­rer Stif­tungs­ur­kun­den er­schlie­ßen: näm­lich so­wohl bei Mecht­hild als auch bei Hein­rich das Be­wusst­sein, der je­weils letz­te Ver­tre­ter ei­nes gan­zen Gra­fen­hau­ses zu sein. Denn hier­in lag ih­re ganz be­son­de­re Ver­pflich­tung, durch from­me Stif­tun­gen be­son­ders gut und lang­fris­tig für das ei­ge­ne wie auch für das See­len­heil ih­rer El­tern­paa­re vor­zu­sor­gen. Sie kön­nen als Mit­grün­der der Zis­ter­zi­en­ser­kon­ven­te Heis­ter­bach und Ma­ri­en­statt gel­ten; bei den Frau­en­kon­ven­ten nach 1247 von Sei­ne / Ma­ri­en­spie­gel in Köln, von Her­chen an der Sieg, von Drol­s­ha­gen im Sau­er­land und von Blan­ken­berg (spä­ter nach Zis­sen­dorf ver­legt). Die sehr zahl­rei­chen und frü­hen deutsch­spra­chi­gen Ur­kun­den (Brie­fe, Süh­nen, Quit­tun­gen, Stif­tun­gen, Tes­ta­men­te) nach 1262 sind in vie­len prä­gnan­ten For­mu­lie­run­gen auf das per­sön­li­che Dik­tat der si­cher­lich deutsch­spra­chig (even­tu­ell auch la­tei­nisch) li­te­ra­ten Grä­fin zu­rück­zu­füh­ren. Er­kenn­bar in­di­vi­du­el­le Cha­rak­ter­zü­ge sind ih­re zä­he Hart­nä­ckig­keit bei der Ver­tei­di­gung er­erb­ter Rech­te und Be­sit­zun­gen so­wie fest­ge­schrie­be­ner Be­stim­mun­gen, die al­ler­dings häu­fi­ger we­gen mi­li­tä­ri­scher Schwä­che auf­ge­ge­ben wer­den muss­ten. Ne­ben ih­rer tie­fen Fröm­mig­keit ist ih­re mehr­fach ge­äu­ßer­te Sor­ge um das Wohl der ihr ver­blie­be­nen Un­ter­ta­nen her­aus­zu­he­ben: in ih­rem Tes­ta­ment von 1283 ver­mach­te sie zum Bei­spiel 300 Mark Sil­ber an ih­re Wes­ter­wäl­der Land­be­völ­ke­rung. Die ganz un­ge­wöhn­lich gu­te ur­kund­li­che Ori­gi­nal­über­lie­fe­rung kommt ein­mal von der lang­fris­ti­gen be­sitz­recht­li­chen Wich­tig­keit der Stü­cke und an­de­rer­seits der Sorg­falt ih­rer Tes­ta­ments­voll­stre­cker.

Literatur

Bohn, Tho­mas, Grä­fin Mecht­hild von Sayn (1200/03-1285). Ei­ne Stu­die zur rhei­ni­schen Ge­schich­te und Kul­tur, Köln/Wei­mar/Wien 2002.
Hal­be­kann, J. Joa­chim, Die äl­te­ren Gra­fen von Sayn. Per­so­nen-, Ver­fas­sungs- und Be­sitz­ge­schich­te ei­nes rhei­ni­schen Gra­fen­ge­schlechts 1139-1246/47, Wies­ba­den 1997.
Hal­be­kann, J. Joa­chim, Be­sit­zun­gen und Rech­te der Gra­fen von Sayn bis 1246/47 und ih­re Er­ben (Ge­schicht­li­cher At­las der Rhein­lan­de V/2), Köln 1996.

 
Zitationshinweis

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Bohn, Thomas, Mechthild von Sayn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/mechthild-von-sayn/DE-2086/lido/57c94a8a760643.80278545 (abgerufen am 29.03.2024)