Mannesmann – weit mehr als ein Kapitel rheinischer Geschichte

Kornelia Rennert (Mülheim an der Ruhr) & Horst A. Wessel (Hilden)

Familie Mannesmann, um 1885. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

1. Weit mehr als ein Kapitel rheinischer Geschichte

Die Man­nes­mann-Un­ter­neh­men und die Ge­ne­ra­tio­nen von Men­schen, die in und für die­se Un­ter­neh­men ar­bei­te­ten und heu­te im­mer noch ar­bei­ten, ha­ben die Ge­schich­te des Rhein­lands in viel­fäl­ti­ger Wei­se ge­prägt. Aber nicht nur die Ge­schich­te des Rhein­lands. Seit weit mehr als 100 Jah­ren ist der Na­me Man­nes­mann na­tio­nal und in­ter­na­tio­nal ein In­be­griff für leis­tungs­fä­hi­ge deut­sche In­dus­trie und Tech­nik. Man­nes­mann-Er­zeug­nis­se sind auf al­len Kon­ti­nen­ten zu fin­den und die Mar­ke Man­nes­mann ge­hört welt­weit zu den be­kann­tes­ten In­dus­trie­gü­ter­mar­ken über­haupt. Aus ei­ner re­vo­lu­tio­nä­ren Er­fin­dung, die in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts in ei­nem Rem­schei­der Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ge­macht wur­de – dem naht­los ge­walz­ten Stahl­rohr, ent­wi­ckel­te sich ein in Düs­sel­dorf an­säs­si­ger Tech­no­lo­gie­kon­zern, der En­de des 20. Jahr­hun­derts welt­weit rund 130.000 Mit­ar­bei­ter be­schäf­tig­te und rund 24 Mil­li­ar­den Eu­ro Um­satz er­wirt­schaf­te­te. Die­ser Kon­zern exis­tiert heu­te nicht mehr. Nach der spek­ta­ku­lä­ren Über­nah­me durch ei­nen bri­ti­schen Wett­be­wer­ber im Jahr 2000, die bis heu­te als teu­ers­te Un­ter­neh­mens­über­nah­me der Welt gilt, wur­de er auf­ge­löst. Aber noch heu­te pro­du­zie­ren Man­nes­mann-Un­ter­neh­men das Tra­di­ti­ons­pro­dukt, das den Na­men Man­nes­mann einst be­rühmt mach­te: das Stahl­rohr. Und auch heu­te noch sind Nach­fah­ren der Fa­mi­lie Man­nes­mann, die be­reits En­de des 19. Jahr­hun­derts aus den von ihr ge­grün­de­ten Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ken aus­schied, als Un­ter­neh­mer ak­tiv. 

2. Die unternehmerischen Aktivitäten der Familie Mannesmann

2.1 Die Remscheider Anfänge

Die Fa­mi­lie Man­nes­mann stamm­te ur­sprüng­lich nicht aus dem Ber­gi­schen Land. Das ers­te in Rem­scheid le­ben­de Fa­mi­li­en­mit­glied, Jo­hann Hen­rich Man­nes­mann (1750-1815), war 1772 aus Su­len­be­cke bei Mein­erz­ha­gen in der preu­ßi­schen Graf­schaft Mark nach Rem­scheid ge­zo­gen, weil er in der Hei­mat als nach­ge­bo­re­ner Sohn kei­ne Aus­sicht auf das Er­be des vä­ter­li­chen Hofs hat­te. Als ge­lern­ter Schmied fand er Ar­beit in dem mit Was­ser­kraft be­trie­be­nen Ham­mer von Jo­hann Bö­ker im Lo­bach­tal. Bö­kers Frau war ei­ne ge­bo­re­ne Ha­sen­cle­ver, stamm­te al­so aus ei­ner Fa­mi­lie, die durch Über­see­han­del zu Wohl­stand ge­langt war und in der Re­gi­on so­wie auch weit dar­über hin­aus gro­ßen wirt­schaft­li­chen und po­li­ti­schen Ein­fluss be­saß. 

Der tüch­ti­ge Frem­de, der – wie da­mals üb­lich – als le­di­ger Un­ter­neh­mens­an­ge­hö­ri­ger im Hau­se sei­nes Brotherrn leb­te, si­cher­te sich durch das Ar­beits­ver­hält­nis nicht nur sei­ne Exis­tenz. Er fand in der Un­ter­neh­mer­toch­ter Ma­ria Mag­da­le­na (1736-1814) auch die Frau fürs Le­ben. Be­reits ein Jahr nach sei­ner An­kunft in Rem­scheid wur­de Jo­hann Hen­rich Man­nes­mann Va­ter ei­nes Soh­nes, den er auf den Na­men Jo­hann Ar­nold (1773-1827) tau­fen ließ. Im Kir­chen­buch ist als Be­rufs­be­zeich­nung der El­tern „Kauf­leu­te“ ver­merkt. Ver­mut­lich han­del­te Jo­hann Hen­rich Man­nes­mann be­reits zu die­sem Zeit­punkt im ei­ge­nen be­zie­hungs­wei­se im Na­men sei­ner Frau, die das Bür­ger­recht be­saß, mit Werk­zeu­gen und an­de­re Wa­ren, so­gar Tex­ti­li­en. 1779 er­warb Jo­hann Hen­rich Man­nes­mann im Na­men sei­ner Söh­ne Grund­be­sitz in der Ge­mar­kung Blie­ding­hau­sen. Dort er­rich­te­te und be­trieb er ge­mein­sam mit sei­nem Schwa­ger Mül­ler un­ter des­sen Na­men ei­ne klei­ne Fei­len­schmie­de. Das Ka­pi­tal für den Er­werb der Im­mo­bi­li­en und die Be­tei­li­gung an der Schmie­de hat­te er vor al­lem durch ei­ne Erb­schaft er­hal­ten.

2.2 Das Unternehmen A. (& P.) Mannesmann

2.2.1 Gründung als Verlagshandel

Spä­tes­tens 1796 mach­te sich Jo­hann Hen­rich Man­nes­mann un­ter der Fir­ma A. & P. Man­nes­mann selb­stän­dig. Die nach dem Tod sei­nes Schwa­gers 1785 zu­nächst un­ter dem Na­men Mül­ler wei­ter be­trie­be­ne Fei­len­schmie­de ge­hör­te ihm in­zwi­schen ganz und wur­de ver­mut­lich in das neue Un­ter­neh­men mit ein­be­zo­gen. An sei­ner im Ver­lags­sys­tem or­ga­ni­sier­ten Tä­tig­keit än­der­te sich, wenn man von der hin­zu­ge­kom­me­nen ei­ge­nen Pro­du­zen­ten­tä­tig­keit ab­sieht, zu­nächst we­nig: Jo­hann Hen­rich Man­nes­mann lie­fer­te die ge­schmie­de­ten und ge­här­te­ten Roh­lin­ge für das da­mals un­ver­zicht­ba­re Hand­werks­zeug an die Aus­glü­her, Schlei­fer und Hau­er, ver­sah sie an­schlie­ßend mit Grif­fen, ver­pack­te und ver­kauf­te sie. Er ge­hör­te zwar nicht zu den Über­see­kauf­leu­ten, die ei­ge­ne See­schif­fe be­sa­ßen, aber auch er und sein Sohn Jo­hann Ar­nold, der 1796 in das Un­ter­neh­men ein­ge­tre­ten war, nah­men be­reits in den Jahr­zehn­ten vor Ein­füh­rung von Dampf­ei­sen­bah­nen und Dampf­schif­fen lan­ge, be­schwer­li­che und mit­un­ter ge­fähr­li­che Rei­sen zu den Ab­neh­mern auf sich. Das äl­tes­te er­hal­te­ne Ge­schäfts­buch be­legt aus­ge­führ­te Lie­fe­run­gen seit dem Jahr 1800. Die Mehr­zahl der Ab­neh­mer wohn­te rechts des Rheins, vor al­lem im west­li­chen Eu­ro­pa mit Schwer­punkt Frank­reich. Ver­kauft wur­den die Wa­ren un­ter dem Zei­chen der Wind­müh­le, der ge­schütz­ten Fa­brik­mar­ke von A. & P. Man­nes­mann.

Die Ex­pan­si­on Frank­reichs nach Os­ten und die da­durch ver­ur­sach­te po­li­ti­sche und zoll­recht­li­che Gren­ze am Rhein brach­te dem Un­ter­neh­men schwie­ri­ge Zei­ten. Zeit­wei­se dach­te die Fa­mi­lie so­gar an ei­ne Ver­la­ge­rung des Un­ter­neh­mens nach Straß­burg.

In den Frei­heits­krie­gen kämpf­te Jo­hann Ar­nold Man­nes­mann mit ei­ner selbst ge­schmie­de­ten Waf­fe ge­gen die Fran­zo­sen und er soll für sei­ne Tap­fer­keit von Feld­mar­schall Geb­hard Le­be­recht von Blü­cher (1742-1815) per­sön­lich zum Of­fi­zier er­nannt wor­den sein.

Als Jo­hann Ar­nold 1827 un­er­war­tet an ei­nem Herz­schlag starb, war der äl­tes­te Sohn erst 13 Jah­re alt. Sei­ne Frau Do­ro­thea, ge­bo­re­ne Ble­chen (1786-1868), führ­te das Un­ter­neh­men da­her zu­nächst sechs Jah­re lang al­lein wei­ter. Par­al­lel sorg­te sie da­für, dass ih­re vier Söh­ne gründ­lich auf die Un­ter­neh­mens­über­nah­me und -wei­ter­füh­rung vor­be­rei­tet wur­den. Sie mach­ten kauf­män­ni­sche Aus­bil­dun­gen in be­freun­de­ten Han­dels­häu­sern in Lu­xem­burg und ab­sol­vier­ten dort in der da­ma­li­gen Reichs­fes­tung auch ih­re Wehr­pflicht.

2.2.2 Die Produktion überflügelt das stark expandierende Handelsgeschäft

1833 über­nahm der Sohn Ar­nold (1812-1881) die Lei­tung des Un­ter­neh­mens; drei Jah­re spä­ter än­der­te er die Fir­mie­rung und die Fa­brik­mar­ke in A. Man­nes­mann. Ar­nold sah sich als Kauf­mann; Ab­satz so­wie die Ge­win­nung neu­er Kun­den la­gen ihm be­son­ders am Her­zen. In­ner­halb Eu­ro­pas setz­te er sei­ne Wa­ren oh­ne Zwi­schen­han­del aus­schlie­ß­lich im Di­rekt­ver­trieb ab. Ar­nold be­saß aus­ge­zeich­ne­te Wa­ren­kennt­nis­se, be­herrsch­te die je­wei­li­gen Lan­des­spra­chen, ver­füg­te über geo­gra­fi­sches Wis­sen, kann­te die zoll- und han­dels­recht­li­chen Be­stim­mun­gen so­wie die trotz der na­po­leo­ni­schen Ver­ein­heit­li­chung im­mer noch ver­schie­de­nen Münz­sor­ten, Ma­ße und Ge­wich­te und er war ge­wandt im Um­gang mit Men­schen. Er ver­stärk­te das Ge­schäft in Lu­xem­burg und vor al­lem in Bel­gi­en, das sich da­mals stark in­dus­tri­ell wan­del­te, konn­te die fran­zö­si­schen Ab­neh­mer zu­rück­ge­win­nen und Spa­ni­en so­wie Por­tu­gal als neue Märk­te er­schlie­ßen. Dar­über hin­aus ver­kauf­te Ar­nold Man­nes­mann Werk­zeu­ge, Bau­ma­te­ria­li­en, Kü­chen­ge­rä­te und so­gar in Köln ge­mal­te Hei­li­gen­bil­der in Län­der Mit­tel-, Süd- und Ost­eu­ro­pas, in die Nie­der­lan­de, nach Groß­bri­tan­ni­en und nach Süd­ame­ri­ka.

Ab 1835 wur­de Ar­nold Man­nes­mann von sei­nem als gleich­be­rech­tig­ter Part­ner in das Un­ter­neh­men ein­ge­tre­te­nen jün­ge­ren Bru­der Rein­hard (1814-1894) un­ter­stützt. Die­ser über­nahm die Ver­ant­wor­tung für die Pro­duk­ti­on und rich­te­te sie völ­lig neu aus. Sie ge­wann in­ner­halb des Un­ter­neh­mens zu­neh­mend an Be­deu­tung und trat bald gleich­be­rech­tigt ne­ben den Han­del. Der Ein­tritt der bei­den jüngs­ten Brü­der, Ro­bert (1818-1875) und Ri­chard (1820-1898), wirk­te sich da­ge­gen im We­sent­li­chen nur auf die Ab­satz­tä­tig­keit des Un­ter­neh­mens aus.

Stammtafel der im Text genannten Mitglieder der Familie Mannesmann.

 

Nach­dem Rein­hard Man­nes­mann mit erst 26 Jah­ren die Lei­tung der Pro­duk­ti­on über­nom­men hat­te, wuch­sen die er­ziel­ten Rein­ge­win­ne von A. Man­nes­mann in Fol­ge der von ihm be­schrit­te­nen neu­en We­ge au­ßer­ge­wöhn­lich: Al­le mit der Fei­len­her­stel­lung zu­sam­men­hän­gen­den und zu­vor de­zen­tral or­ga­ni­sier­ten Tä­tig­kei­ten ver­ei­nig­te Rein­hard Man­nes­mann nach und nach un­ter sei­ner Auf­sicht. Da­durch konn­te er nicht nur die Qua­li­tät der Fa­bri­ka­te si­chern und so­gar stei­gern, son­dern auch die Lie­fer­zei­ten ver­kür­zen und ei­ne bis da­hin nicht ge­wohn­te Ter­min­treue er­rei­chen. Seit­dem sind mit dem Na­men Man­nes­mann her­aus­ra­gen­de Qua­li­tät und promp­te Lie­fe­rung un­trenn­bar ver­bun­den. We­sent­li­che Vor­aus­set­zun­gen da­für wa­ren zum ei­nen Mit­ar­bei­ter, die Her­aus­ra­gen­des leis­te­ten, da­für auch ei­ne bes­se­re Ent­loh­nung er­hiel­ten und sich ei­ner fort­schritt­li­chen be­trieb­li­chen So­zi­al­po­li­tik si­cher sein durf­ten, zum an­de­ren bes­tes Vor­ma­te­ri­al. Auf der ers­ten Welt­aus­stel­lung 1851 in Lon­don wur­den die Fei­len von A. Man­nes­mann als ein­zi­ge aus dem Deut­schen Zoll­ver­ein aus­ge­zeich­net.

Durch die Ein­füh­rung des Dampf­ma­schi­nen­an­triebs und eng­li­scher Fei­len­hau­ma­schi­nen si­cher­te Rein­hard Man­nes­mann dem Un­ter­neh­men A. Man­nes­mann auch den tech­ni­schen Vor­sprung. Wäh­rend er auf die­sem Ge­biet Pio­nier in Deutsch­land war, ge­lang ihm zu­dem als erst drit­tem Un­ter­neh­mer in Deutsch­land die Her­stel­lung von Tie­gel­stahl, ei­nem da­mals neu­ar­ti­gen und be­son­ders hoch­wer­ti­gen Stahl. Die Fei­len von Man­nes­mann er­hiel­ten auf al­len Welt­aus­stel­lun­gen des 19. Jahr­hun­derts die höchs­ten Aus­zeich­nun­gen. Die Ju­ry der Aus­stel­lung von 1867 in Pa­ris schlug dar­über hin­aus vor, Rein­hard Man­nes­mann das Kreuz der Eh­ren­le­gi­on zu ver­lei­hen. Als Kai­ser Na­po­le­on III. (1808-1873, Kai­ser 1852-1870) dies mit Hin­weis auf des­sen preu­ßi­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ab­lehn­te, ver­lieh ihm der preu­ßi­sche Kö­nig ei­nen ho­hen Or­den und gab die An­wei­sung, die Ma­ri­ne-Ar­se­na­le vor­ran­gig mit Man­nes­mann-Er­zeug­nis­sen aus­zu­stat­ten. 1878 be­rief Reichs­kanz­ler Ot­to von Bis­marck (1815-1898, Reichs­kanz­ler 1871-1890) Rein­hard Man­nes­mann in den En­que­te-Aus­schuss, der über die Ein­füh­rung ei­nes Schutz­zolls be­riet. Der von ihm er­ar­bei­te­te Ent­wurf wur­de fast wört­lich in den Ge­set­zes­text über­nom­men.

Reinhard Mannesmann sen., um 1879, Porträtfoto. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 

Da Rein­hard Man­nes­mann zu der Er­kennt­nis ge­langt war, dass die an­ste­hen­den tech­ni­schen Pro­ble­me zu ih­rer Lö­sung mehr als das da­mals üb­li­che „Tüf­teln“ er­for­der­ten, ließ er al­le sechs Söh­ne aus sei­ner Ehe mit Kla­ra, ge­bo­re­ne Ro­choll (1834-1910) die Hoch­schul­rei­fe er­wer­ben und stu­die­ren. Au­ßer­dem er­lern­ten sie, ab­ge­se­hen vom Jüngs­ten, al­le Ar­beits­schrit­te der Fei­len- und der Tie­gel­stahl­her­stel­lung. Der äl­tes­te Sohn, Rein­hard (1856-1922), be­fass­te sich so­gar in sei­ner aka­de­mi­schen Ab­schluss­ar­beit mit der Stahl­her­stel­lung und er­fand ein Ver­fah­ren zur Her­stel­lung von Ver­bund- oder Com­po­und­stahl – au­ßen hart und in­nen zäh­weich –, das er sich pa­ten­tie­ren ließ. Es führ­te zur Er­wei­te­rung des Er­zeu­gungs­pro­gramms von A. Man­nes­mann – und ist noch für die Tä­tig­keit der heu­ti­gen Ma­schi­nen­fa­brik A. Man­nes­mann grund­le­gend.

Die lang­fris­tig be­deu­tends­te und be­rühm­tes­te Er­fin­dung, die in der Blie­ding­hau­se­ner Fei­len­fa­brik A. Man­nes­mann ent­stand, war je­doch das Schräg­wal­zen von naht­lo­sen Roh­ren aus dem mas­si­ven Stahl­block. Rein­hard Man­nes­mann mach­te sie ge­mein­sam mit sei­nem Bru­der Max (1857-1915). 1885 wur­de sie zum Pa­tent an­ge­mel­det. Die ge­sam­te Fa­mi­lie Man­nes­mann un­ter­stütz­te die Brü­der bei ih­ren lang­wie­ri­gen Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, vor al­lem die Brü­der Al­fred (1859-1944) un­d Carl (1861-1950). Die­se re­vo­lu­tio­nä­re Er­fin­dung und ih­re gro­ßen wirt­schaft­li­chen Per­spek­ti­ven wa­ren es schlie­ß­lich auch, die die Fa­mi­lie Rein­hard Man­nes­mann 1887 zum Aus­schei­den aus dem Un­ter­neh­men A. Man­nes­mann und zur Grün­dung der Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke ver­an­lass­te.

2.2.3 Das Unternehmen A. Mannesmann nach dem Ausscheiden der Familie Reinhard Mannesmann

Die Tren­nung von den füh­ren­den Tech­ni­kern be­deu­te­te für das Un­ter­neh­men A. Man­nes­mann ei­nen star­ken Ein­schnitt. Ne­ben ei­ni­gen Grund­stü­cken und Ge­bäu­den, die an die neue Röh­ren­ge­sell­schaft ab­ge­ge­ben wur­den, ver­lor das Un­ter­neh­men Ka­pi­tal und Pro­duk­ti­ons-Know­how, vor al­lem aber In­ge­nieur- und Lei­tungs­wis­sen. Nun muss­ten sich die Kauf­leu­te der ver­blie­be­nen Fa­mi­li­en­zwei­ge auch um die Pro­duk­ti­on küm­mern, was ih­nen mit Un­ter­stüt­zung durch den Fach­ar­bei­ter­stamm und durch fa­mi­li­en­frem­de Tech­ni­ker zu­nächst weit­ge­hend ge­lang. Mit den Qua­li­täts­fei­len und den ge­här­te­ten Ma­schi­nen­tei­len war das Un­ter­neh­men bes­tens ein­ge­führt. Man un­ter­nahm be­son­de­re An­stren­gun­gen, auf die­sem Feld er­folg­reich zu blei­ben. Die Stahl­er­zeu­gung wur­de ein­ge­stellt, die Pro­duk­ti­ons­an­la­gen durch ein Ham­mer­werk er­wei­tert. Auf den Aus­stel­lun­gen wur­den die Er­zeug­nis­se auch wei­ter­hin prä­miert. An neu­en Ab­neh­mer­län­dern wur­de Russ­land so­wie der Na­he Os­ten und der ost­asia­ti­sche Raum da­zu ge­won­nen.

Der Ers­te Welt­krieg un­ter­brach nicht al­lein die für das Un­ter­neh­men so wich­ti­gen Ex­port­be­zie­hun­gen, son­dern kos­te­te auch vie­le Mit­ar­bei­ter das Le­ben. Von den sie­ben Söh­nen und En­keln Ar­nolds, die 1914 zum Kriegs­dienst ein­rück­ten, kehr­ten nur zwei zu­rück. Ins­be­son­de­re der Tod von Jo­hann Ar­nold Man­nes­mann (1881-1914), der durch Stu­di­um so­wie Mit­ar­beit im Kon­tor und durch Kun­den­be­su­che auf die Über­nah­me der Un­ter­neh­mens­lei­tung vor­be­rei­tet wor­den war, riss ei­ne nicht mehr zu schlie­ßen­de Lü­cke. Als letz­ter sei­nes Fa­mi­li­en­stam­mes war schlie­ß­lich der Amts­rich­ter Fritz Man­nes­mann (1871-1960) aus Mein­erz­ha­gen Un­ter­neh­mens­chef. Ihm fehl­ten je­doch so­wohl die Kennt­nis­se des Pro­du­zen­ten als auch des Kauf­man­nes; er wohn­te nicht vor Ort und war durch die Er­le­di­gung an­de­rer Auf­ga­ben ge­bun­den. So war trotz der Pro­duk­te von gu­tem Ruf und tüch­ti­ger treu­er Mit­ar­bei­ter der Nie­der­gang des Un­ter­neh­mens A. Man­nes­mann vor­ge­zeich­net. Es schlepp­te sich durch die schwie­ri­gen Nach­kriegs­jah­re und die Welt­wirt­schafts­kri­se; schlie­ß­lich konn­ten die er­for­der­li­chen Re­pa­ra­tu­ren, die die in­zwi­schen 25 Jah­re al­ten Ma­schi­nen und An­la­gen er­for­der­ten, nicht mehr be­zahlt wer­den. An Neu­in­ves­ti­tio­nen war gar nicht zu den­ken.

2.2.4 Die Familie Schenck führt das Unternehmen in die Erfolgsspur zurück

Das nach mehr als 140-jäh­ri­gem Be­ste­hen auf ei­nem Tief­punkt an­ge­kom­me­ne Un­ter­neh­men A. Man­nes­mann wur­de schlie­ß­lich 1939 von dem 31-jäh­ri­gen Dipl.-Ing. Wil­helm Schenck (1908-1979) aus Düs­sel­dorf über­nom­men. Die­ser war aus der vä­ter­li­chen He­be­zeug­fa­brik Schenck & Lie­be-Harkort aus­ge­schie­den, um Frei­raum für ein selbst­ver­ant­wor­te­tes un­ter­neh­me­ri­sches Wir­ken zu er­hal­ten. Er mo­der­ni­sier­te die Fa­brik, wo­bei sein be­son­de­res Au­gen­merk der Her­stel­lung ge­här­te­ter Ma­schi­nen­tei­le galt. Die ver­stärk­te Nach­fra­ge nach die­sen Er­zeug­nis­sen, be­son­ders sei­tens der Un­ter­neh­men, die in das Pro­gramm der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Aut­ar­kie- und Rüs­tungs­po­li­tik ein­ge­bun­den wa­ren, führ­te zu ei­ner ra­schen wirt­schaft­li­chen Sa­nie­rung.

Nach Kriegs­en­de wur­den die Ma­schi­nen und Mess­werk­zeu­ge be­schlag­nahmt, die En­er­gie ra­tio­niert und der Ex­port ver­bo­ten. Die Her­stel­lung von Ma­schi­nen­tei­len konn­te zu­nächst nicht wei­ter­ge­führt wer­den. Um die Be­leg­schafts­mit­glie­der und de­ren Fa­mi­li­en vor der schlimms­ten Not zu be­wah­ren, be­tei­lig­te A. Man­nes­mann sich am Tausch­han­del, vor al­lem mit Fei­len, je­doch auch mit Schneid­werk­zeu­gen und Ma­schi­nen, mit de­nen man Zie­gel­stei­ne vom Mör­tel be­frei­en konn­te, um ih­re Wie­der­ver­wen­dung zu er­mög­li­chen. Schlie­ß­lich durf­ten auch wie­der Ma­schi­nen­tei­le aus Ver­bund­stahl so­wie ge­här­te­te lan­ge Frei­form­schmie­de­stü­cke ge­fer­tigt wer­den. A. Man­nes­mann war 1945 das ers­te Un­ter­neh­men in Deutsch­land, das ei­ne gro­ße leis­tungs­fä­hi­ge Ni­trier­an­la­ge in Be­trieb nahm.

1955 ent­schied sich Wil­helm Schenck zur Auf­ga­be der tra­di­ti­ons­rei­chen Fei­len­pro­duk­ti­on von A. Man­nes­mann, um die räum­li­chen und fi­nan­zi­el­len Res­sour­cen bes­ser nut­zen zu kön­nen. Da­mit trug er zu­gleich dem Um­stand Rech­nung, dass die Fei­le als uni­ver­sel­les Werk­zeug we­gen der pass­ge­nau­en Mas­sen­fa­bri­ka­ti­on im­mer we­ni­ger nach­ge­fragt wur­de. In den 1960er-Jah­ren wur­de der Schmie­de­ham­mer au­ßer Be­trieb ge­setzt, weil er durch sei­ne Er­schüt­te­run­gen die Fer­ti­gung der hoch­prä­zi­sen Ma­schi­nen­tei­le, de­ren Ge­nau­ig­keit in­zwi­schen nach tau­sends­tel Mil­li­me­tern ge­mes­sen wur­de, be­ein­träch­tig­te.

Als Wil­helm Schenck 1979 starb, hat­te das Un­ter­neh­men A. Man­nes­mann ei­ne Grö­ße und Be­deu­tung er­langt, die de­nen zu sei­nen bes­ten Zei­ten in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts nicht nach­stand. Mit sei­nen ge­här­te­ten Ma­schi­nen­tei­len höchs­ter Prä­zi­si­on nahm es ei­ne welt­wei­te Son­der­stel­lung ein. Schencks Frau Hel­ga, die be­reits seit 1939 im Un­ter­neh­men mit­ar­bei­te­te und seit den Kriegs­jah­ren füh­rend tä­tig war, über­nahm die Ge­samt­lei­tung des Un­ter­neh­mens. Un­ter­stützt wur­de sie von ei­nem In­ge­nieur und ab 1987 von ih­rem Sohn Max, der schon beim Tod sei­nes Va­ters am Un­ter­neh­men be­tei­ligt war. Seit 1995 füh­ren Max Schenck und Wil­helm Brun­ner die A. Man­nes­mann Ma­schi­nen­fa­brik ge­mein­sam.

2.3 Weitere Familienunternehmen mit dem Namen Mannesmann

Reinhard Mannesmann, um 1881, Porträtfoto. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

Carl Mannesmann, Porträtfoto. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 

2.3.1 Heute nicht mehr bestehende Unternehmen

Die Aus­land­s­pa­ten­te für das Man­nes­mann-Ver­fah­ren zum Wal­zen naht­lo­ser Stahl­roh­re blie­ben 1893 beim Aus­schei­den aus der Deutsch-Ös­ter­rei­chi­schen Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG im Be­sitz der Er­fin­der und soll­ten die Grund­la­ge für das wei­te­re un­ter­neh­me­ri­sche En­ga­ge­ment der Fa­mi­lie bil­den. Rein­hard, Ro­bert, Al­fred und dann auch Carl Man­nes­mann gin­gen in die USA und prä­sen­tier­ten das Ver­fah­ren mit gro­ßem Er­folg auf der Welt­aus­stel­lung von 1893 in Chi­ca­go. Tho­mas A. Edi­son (1847-1931) trug sich nicht nur in ihr Be­su­cher­buch ein, son­dern wer­te­te das Ver­fah­ren ge­gen­über der Pres­se als das Be­deu­tends­te, was auf der Aus­stel­lung zu se­hen sei. Die Brü­der ver­kehr­ten in den ge­sell­schaft­lich und wirt­schaft­lich wich­ti­gen Krei­sen, so­gar im Wei­ßen Haus. Mit den bei­den in Nord­ame­ri­ka er­rich­te­ten Röh­ren­ge­sell­schaf­ten hat­ten sie al­ler­dings kein Glück. Brand­schä­den und an­de­re Un­glü­cke, au­ßer­dem ei­ne für die Er­fin­der ne­ga­tiv ver­lau­fen­de pa­tent­recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit ei­nem ehe­ma­li­gen lei­ten­den Mit­ar­bei­ter so­wie das im Deut­schen Reich im­mer noch schwe­ben­de Ver­fah­ren mit den Ak­tio­nä­ren der Deutsch-Ös­ter­rei­chi­schen Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG lie­ßen die groß an­ge­leg­ten Plä­ne mit enor­men Ver­lus­ten schei­tern. Auch dem von Max Man­nes­mann un­ter­nom­me­nen Ver­such, in Russ­land ei­ne Röh­ren­fa­bri­ka­ti­on zu in­stal­lie­ren, war letzt­lich kein Er­folg be­schie­den.

Ein in tech­ni­scher wie fi­nan­zi­el­ler Hin­sicht gro­ßer Durch­bruch be­deu­te­te da­ge­gen die Er­fin­dung des hän­gen­den Gas­glüh­lichts. An ihr wa­ren fast al­le Man­nes­mann-Brü­der seit et­wa 1893 be­tei­ligt, der Jüngs­te, Ot­to, leis­te­te je­doch den wich­tigs­ten Bei­trag. Die Er­fin­dung brach­te ge­gen­über der Kon­struk­ti­on von Carl Au­er von Wels­bach (1858-1929) ei­ne Ga­ser­spar­nis von bis zu 60 Pro­zent. Al­le Gas­licht­pro­du­zen­ten wur­den, nach­dem die zahl­rei­chen Pa­tent­pro­zes­se die Man­nes­mann-An­sprü­che be­stä­tigt hat­ten, Li­zenz­neh­mer der Man­nes­mann-Licht Ge­sell­schaft. Das noch jun­ge elek­tri­sche Glüh­licht wur­de in sei­ner Ent­wick­lung um rund zehn Jah­re zu­rück­ge­wor­fen. Wei­te­re fi­nan­zi­el­le Mit­tel er­hiel­ten die Er­fin­der durch den Ver­kauf von An­tei­len an der Röh­ren­ge­sell­schaft. Sie er­war­ben un­ter an­de­rem Erz­berg­wer­ke im In- und Aus­land, die sie in der Ge­sell­schaft Man­nes­mann-Berg­wer­ke ver­ei­nig­ten.

Max Mannesmann, um 1881, Porträtfoto. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 

Au­ßer­dem be­tei­lig­ten sie sich an dem Aa­che­ner Au­to­mo­bil­bau­un­ter­neh­men MU­LAG. Max Man­nes­mann kon­stru­ier­te leis­tungs­star­ke, wirt­schaft­li­che Nutz­fahr­zeu­ge, die sich auf den da­mals be­lieb­ten Fern­fahr­ten her­vor­ra­gend be­währ­ten. Fer­ner er­fand er Ge­bäu­de, die in­dus­tri­ell vor­ge­fer­tigt und mit­tels Kran auf der Bau­stel­le mon­tiert wur­den. Zur Nut­zung die­ser Er­fin­dung wur­de das Un­ter­neh­men Man­nes­mann-Haus ge­grün­det. Ab 1906 ver­leg­ten Rein­hard und bald dar­auf auch Al­fred, Ro­bert und Ot­to Man­nes­mann den Schwer­punkt ih­rer wirt­schaft­li­chen Tä­tig­keit nach Ma­rok­ko, wo sie Far­men und Han­dels­ge­sell­schaf­ten be­trie­ben und um­fang­rei­che Erz­kon­zes­sio­nen er­war­ben. Rein­hard er­kun­de­te par­al­lel die Mög­lich­kei­ten zur Ge­win­nung von Na­tur­kau­tschuk und von Er­zen am obe­ren Ama­zo­nas und grün­de­te da­für die Ma­rañon-Land­ge­sell­schaft. 

Nach Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs grün­de­ten Mit­glie­der der Fa­mi­lie Man­nes­mann in Rem­scheid die Man­nes­mann Waf­fen- und Mu­ni­ti­ons­wer­ke und in Wahn bei Köln ein Un­ter­neh­men für den Bau von Groß­flug­zeu­gen. Die Pro­duk­ti­on al­ler im In­land be­ste­hen­den Wer­ke wur­de gleich­falls auf den Mi­li­tär­be­darf aus­ge­rich­tet; da­zu ge­hör­ten spe­zi­el­le Fahr­zeu­ge für den Ver­wun­de­tentrans­port und so­gar ein Hub­schrau­ber. Das Rem­schei­der Fa­mi­li­en­werk wur­de nach dem Krieg von der Ge­sell­schaft Man­nes­mann-Fahr­zeug­wer­ke auf die Her­stel­lung von Per­so­nen­kraft­wa­gen – vom zwei­sit­zi­gen Sport­wa­gen bis hin zum 6-Zy­lin­der mit May­bach-Ka­ros­se­rie –,von elek­trisch be­trie­be­nen Kühl­schrän­ken so­wie wei­te­ren elek­tri­schen An­la­gen um­ge­rüs­tet. In un­mit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft ent­stand ei­ne Fa­brik für die Her­stel­lung von Tei­len für die Fer­tig­häu­ser. In Porz-West­ho­fen wur­de in den frü­hen 1920er-Jah­ren ei­ne phar­ma­zeu­ti­sche Pro­duk­ti­on un­ter der Fir­ma Man­nes­mann Che­mi­sche Wer­ke in Gang ge­setzt. Die Brü­der Al­fred und Karl grün­de­ten 1922 die Man­nes­mann-Han­dels­ge­sell­schaft in So­fia, die bei Bur­gas am Schwar­zen Meer ei­ne Sa­li­ne er­warb, den Be­trieb aus­bau­te und schlie­ß­lich auf der Grund­la­ge ei­nes staat­lich ga­ran­tier­ten Mo­no­pols ganz Bul­ga­ri­en mit Salz ver­sorg­te; au­ßer­dem ver­füg­te das Un­ter­neh­men bis zum En­de des Zwei­ten Welt­kriegs über ei­ne star­ke Po­si­ti­on im Im- und Ex­port des Lan­des. Die ge­nann­ten Rem­schei­der Un­ter­neh­men ha­ben die Welt­wirt­schafts­kri­se nicht über­stan­den; die Han­dels­ge­sell­schaft muss­te 1945 li­qui­diert wer­den.

2.3.2 Die Brüder Mannesmann AG, Remscheid

1931 grün­de­ten Al­fred und Carl Man­nes­mann in Rem­scheid das Un­ter­neh­men Brü­der Man­nes­mann, das Ma­schi­nen so­wie Ma­schi­nen­tei­le für die Holz- und Me­tall­be­ar­bei­tung fer­tig­te; spä­ter ka­men Ar­ma­tu­ren und Rohr­ver­bin­dun­gen für Was­ser- und Gas­an­la­gen hin­zu. Ei­ner der Söh­ne von Carl Man­nes­mann so­wie des­sen Sohn führ­te das Un­ter­neh­men spä­ter fort. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­de die Her­stel­lung von Ma­schi­nen­mes­sern we­gen des star­ken Wett­be­werbs auf die­sem Ge­biet ver­kauft. Seit der zwei­ten Hälf­te der 1970er-Jah­re do­mi­niert der Han­del mit Werk­zeu­gen das Ge­schäft. Aus al­ler Welt wur­den seit­dem Werk­zeu­ge und Ar­ma­tu­ren ein­ge­kauft und im In­land so­wie in ei­ner Viel­zahl von aus­wär­ti­gen Län­dern ver­kauft. Mit­te der 1990er-Jah­re wur­de das Un­ter­neh­men in die Form der Ak­ti­en­ge­sell­schaft, de­ren Auf­sichts­rat von ei­nem En­kel von Carl Man­nes­mann ge­führt wird, um­ge­wan­delt. Heu­te ist die Brü­der Man­nes­mann AG ei­ne Fi­nanz- und Ma­nage­ment­hol­ding für meh­re­re Toch­ter­ge­sell­schaf­ten, von de­nen sechs ih­ren Sitz in Rem­scheid ha­ben und zwei, näm­lich die Brü­der Man­nes­mann Werk­zeu­ge GmbH und die Brü­der Man­nes­mann Grund­be­sitz GmbH, den Fa­mi­li­en­na­men Man­nes­mann im Un­ter­neh­mens­na­men füh­ren.

2.3.3 Dr.-Ing. Mannesmann Apparatebau/Multiblitz

Dr.-Ing. Die­ter A. Man­nes­mann, der in ame­ri­ka­ni­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft bei der Ent­wick­lung von Ein­rich­tun­gen für Luft­auf­nah­men bei Nacht mit­ge­wirkt hat­te, kon­stru­ier­te 1946/47 ein Elek­tro­nen-Blitz­ge­rät, mit dem meh­re­re Blit­ze kurz hin­ter­ein­an­der er­zeugt wer­den konn­ten, oh­ne, wie da­mals not­wen­dig, die Lam­pen wech­seln zu müs­sen. Mit dem Pro­to­ty­pen er­reg­te er 1947 wäh­rend des Ro­sen­mon­tags­zu­ges in Köln gro­ßes Auf­se­hen un­ter den Pres­se­fo­to­gra­fen. 1948 grün­de­te er die Dr.-Ing. Man­nes­mann Ap­pa­ra­te­bau und pro­du­zier­te in dem von sei­nem Va­ter Al­fred in den Jah­ren von 1912-1914 in (Porz-) West­ho­fen (heu­te Stadt­teil von Köln) er­rich­te­ten Wohn­haus das ers­te Elek­tro­nen­blitz­ge­rät, für das sich seit der „pho­to­ki­na“ von 1951 rasch welt­weit der Na­me „Mul­ti­blit­z“ ein­führ­te. Spä­ter wur­de die­ser zum Fir­men­na­men. Der „Mul­ti-Blit­z“ war das ers­te Elek­tro­nen-Blitz­licht für den Be­rufs­fo­to­gra­fen. Die­ter A. Man­nes­mann war es auch, der den heu­te welt­weit ge­bräuch­li­chen Be­griff „Leit­zahl“ („Gui­de Num­ber“) präg­te und da­für die Be­rech­nungs­for­mel für die Wir­kung des Blit­zes vor­gab. 

Nach dem töd­li­chen Sport­un­fall des Grün­ders und Er­fin­ders im Jahr 1956 wur­de das Un­ter­neh­men bis in die 1980er-Jah­re von sei­ner Wit­we Flo­ra, ge­bo­re­ne Nest­ler, wei­ter­ge­führt und zu ei­nem der be­deu­tends­ten Her­stel­ler von pro­fes­sio­nel­len Licht­lö­sun­gen für Fo­to­stu­di­os ent­wi­ckelt. 1976 prä­sen­tier­te das Un­ter­neh­men mit dem „Mi­ni-Stu­dio 202“ das welt­weit ers­te Kom­pakt­blitz­ge­rät der Fo­to-Bran­che. Zu ih­rer Un­ter­stüt­zung bei den lau­fen­den Ge­schäf­ten hat­te Flo­ra Man­nes­mann ei­nen Ge­schäfts­füh­rer ein­ge­stellt, der nach und nach die An­tei­le an der Ge­sell­schaft er­warb. 1985 wur­de die Pro­duk­ti­on in ein neu­es Fa­brik­ge­bäu­de in Porz-Eil (Stadt­teil von Köln) ver­legt und durch ei­ne Glas­blä­se­rei so­wie die Fer­ti­gung von um­fang­rei­chem Zu­be­hör er­gänzt. Et­wa 80 Pro­zent der aus­schlie­ß­lich in Köln ge­fer­tig­ten Er­zeug­nis­se wur­den ex­por­tiert. 2013 muss­te das Un­ter­neh­men, weil un­er­war­tet ho­he Be­stel­lun­gen aus dem EU-Raum aus­fie­len, In­sol­venz an­mel­den. Es ge­lang dann je­doch ein Jahr spä­ter, ei­nen neu­en In­ves­tor aus dem süd­deut­schen Raum zu fin­den, der das Un­ter­neh­men un­ter dem Na­men Mul­ti­blitz Man­nes­mann GmbH wei­ter­führt.

3. Mannesmannröhren-Werke und Mannesmann-Konzern

3.1 Schwierige Anfangsjahre

Un­mit­tel­bar nach Er­tei­lung des Pa­tents für das Ver­fah­ren zum Wal­zen naht­lo­ser Stahl­roh­re im Jahr 1886 be­gan­nen die Er­fin­der, Rein­hard und Max Man­nes­mann, so­wie ihr Va­ter Rein­hard Man­nes­mann sen., mit ver­schie­de­nen In­ves­to­ren Wer­ke zur Pro­duk­ti­on von Stahl­roh­ren zu grün­den. Die Wer­ke ent­stan­den zu­nächst ge­sell­schafts­recht­lich un­ab­hän­gig von­ein­an­der. Die­ses von An­fang an auf welt­wei­te Tä­tig­keit aus­ge­rich­te­te Vor­ge­hen und die da­mit ver­bun­de­nen ho­hen In­ves­ti­tio­nen schreck­ten die an­de­ren Mit­glie­der der Fa­mi­lie Man­nes­mann je­doch ab. Die Fa­mi­lie be­schloss wirt­schaft­lich ge­trenn­te We­ge zu ge­hen. Rein­hard Man­nes­mann sen. und sei­ne Söh­ne ver­lie­ßen das bis­he­ri­ge Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men A. Man­nes­mann, das Rem­schei­der Fir­men­ge­län­de wur­de ge­teilt. Rein­hard Man­nes­mann sen. über­nahm den nörd­li­chen Teil mit der Er­fin­der­hal­le, in der die Rohr­walz­wer­ke ge­baut wur­den, und er­rich­te­te dort noch im sel­ben Jahr ei­ne ers­te ei­ge­ne Hal­le zum Wal­zen von Roh­ren. Das dar­aus 1887 ent­stan­de­ne Röh­ren­werk in Rem­scheid war das ein­zi­ge Man­nes­mann­röh­ren-Werk, das sich je­mals oh­ne frem­de Ka­pi­tal­ge­ber voll­stän­dig im Be­sitz der Fa­mi­lie Man­nes­mann be­fand. Aber auch dies soll­te nur für drei Jah­re so blei­ben. 

Al­le in den 1880er-Jah­ren ge­grün­de­ten Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke ge­rie­ten schnell in wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten. Das in­no­va­ti­ve Walz­ver­fah­ren war zwar re­vo­lu­tio­när und wirt­schaft­lich viel­ver­spre­chend, aber für die in­dus­tri­el­le Gro­ß­pro­duk­ti­on zu­nächst noch nicht aus­ge­reift ge­nug. Zu­dem gab es gro­ße Pro­ble­me, aus­rei­chend qua­li­ta­tiv ge­eig­ne­ten Stahl für den an­spruchs­vol­len neu­en Walz­pro­zess zu be­kom­men.

Otto und Robert Mannesmann mit Scheich Hamed von Tarudant in Marokko, 1912. (Salzgitter AG-Konzernarchiv/Mannesmann-Archiv)

 

1890 wur­den die in Bous, Ko­motau und Rem­scheid ge­le­ge­nen Röh­ren­wer­ke in ei­ner fi­nan­zi­el­len Sa­nie­rungs­ak­ti­on zur Deutsch-Ös­ter­rei­chi­schen Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG mit Sitz in Ber­lin zu­sam­men­ge­fasst. Ei­ni­ge Jah­re spä­ter kam noch ein im bri­ti­schen Lan­do­re ge­le­ge­nes Werk da­zu. Wirt­schaft­lich ging es nun end­lich auf­wärts, auch weil Rein­hard und Max Man­nes­mann par­al­lel tech­nisch wich­ti­ge Fort­schrit­te ge­lun­gen wa­ren. Das Ver­hält­nis zwi­schen den In­ves­to­ren und den Er­fin­dern hat­te sich in­zwi­schen aber we­sent­lich ver­schlech­tert. Die um ihr Ka­pi­tal be­sorg­ten Geld­ge­ber fühl­ten sich über den Wert der Pa­ten­te ge­täuscht, au­ßer­dem leg­ten die über­aus selbst­be­wuss­ten Brü­der Man­nes­mann in der Un­ter­neh­mens­lei­tung die Prio­ri­tät im­mer noch stär­ker auf tech­ni­sche als auf kauf­män­ni­sche As­pek­te. Das führ­te zu zahl­rei­chen Strei­tig­kei­ten zwi­schen den Ge­sell­schaf­tern. 1893 ver­lie­ßen Rein­hard und Max Man­nes­mann schlie­ß­lich die Un­ter­neh­mens­lei­tung und nach­dem ei­ni­ge Jah­re spä­ter auch ein Rechts­streit über die fi­nan­zi­el­le Be­wer­tung der Pa­ten­te zum Ab­schluss ge­bracht wer­den konn­te, en­de­te die Be­tei­li­gung der Fa­mi­lie Man­nes­mann an den Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ken. Die Fa­mi­li­en­mit­glie­der ver­folg­ten von nun an ei­ne Viel­zahl sehr un­ter­schied­li­cher Un­ter­neh­mens­ak­ti­vi­tä­ten, von de­nen al­ler­dings kei­ne in Er­folg und Be­stän­dig­keit mit den Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ken ver­gleich­bar wer­den soll­te.

3.2 Aufstieg zum internationalen Montankonzern

Die Grün­dung der ver­schie­de­nen Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke war von An­fang an auf glo­ba­len Ab­satz aus­ge­rich­tet. Die­se Stra­te­gie ver­folg­te die Un­ter­neh­mens­lei­tung nach Zu­sam­men­fas­sung in der Deutsch-Ös­ter­rei­chi­schen Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG sys­te­ma­tisch wei­ter, vor al­lem durch die Er­rich­tung zu­sätz­li­cher aus­län­di­scher Pro­duk­ti­ons­stand­or­te und Han­dels­ge­sell­schaf­ten . 1893 ver­leg­te das auf­stre­ben­de Un­ter­neh­men sei­nen Sitz nach Düs­sel­dorf und 1908, nach Um­wand­lung der in Ös­ter­reich-Un­garn ge­le­ge­nen Wer­ke in ei­ne Toch­ter­ge­sell­schaft, än­der­te es sei­nen Na­men in Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG.

Das naht­lo­se Stahl­rohr blieb über Jahr­zehn­te das wich­tigs­tes Pro­dukt der Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke , aber be­reits in der ers­ten Hälf­te der 1890er-Jah­re nahm das Un­ter­neh­men in Düs­sel­dorf-Rath in ei­nem spe­zi­ell da­für er­rich­te­ten Werk auch die Pro­duk­ti­on ge­schwei­ß­ter Stahl­roh­re auf. Durch den Bau ei­nes wei­te­ren, un­mit­tel­bar be­nach­bar­ten Röh­ren­werks für naht­lo­se Roh­re wur­de Man­nes­mann zu ei­nem der grö­ß­ten in­dus­tri­el­len Ar­beit­ge­ber in Düs­sel­dorf. Ei­ne Ent­wick­lung, die sich im 20. Jahr­hun­dert durch an­de­re in Düs­sel­dorf an­säs­si­ge Man­nes­mann-Wer­ke und -Un­ter­neh­men und die im­mer grö­ßer wer­den­de Kon­zern-Haupt­ver­wal­tung noch deut­lich ver­stär­ken soll­te.

Die Roh­re von Man­nes­mann wur­den welt­weit über­aus er­folg­reich ver­kauft, für Rohr­lei­tun­gen al­ler Art, aber auch für Mas­ten und Stra­ßen­be­leuch­tun­gen. Die be­son­de­ren Ei­gen­schaf­ten der naht­lo­sen Stahl­roh­re er­öff­ne­ten nicht nur dem Lei­tungs­bau, son­dern auch dem Ma­schi­nen- und Fahr­zeug­bau völ­lig neue tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten.

Nach der Jahr­hun­dert­wen­de ent­wi­ckel­te sich Man­nes­mann durch An­glie­de­rung von ei­ge­nen Vor­ma­te­ri­al­ka­pa­zi­tä­ten – un­ter an­de­rem Erz- und Koh­le­gru­ben, Kalk­stein­brü­chen und Stahl­wer­ken – zu ei­nem ver­ti­kal struk­tu­rier­ten Mon­tan­kon­zern mit ei­ner ei­ge­nen Han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on. Wäh­rend der bei­den Welt­krie­ge war der Kon­zern, wie vie­le Wirt­schafts­un­ter­neh­men, je­weils in die na­tio­na­le Rüs­tungs­po­li­tik in­vol­viert und ins­be­son­de­re wäh­rend der 1940er-Jah­re be­schäf­tig­te Man­nes­mann zum Aus­gleich des Ar­beits­kräf­te­man­gels auch Kriegs­ge­fan­ge­ne und Zwangs­ar­bei­ter. Auch ei­ni­ge Fäl­le von Ari­sie­rung, das hei­ßt der Über­nah­me von Un­ter­neh­men aus jü­di­schem Be­sitz, sind be­legt. KZ-Häft­lin­ge be­schäf­tig­te Man­nes­mann nicht. Die Welt­krie­ge mar­kie­ren aber auch schwe­re Rück­schlä­ge in der lang­fris­ti­gen Kon­zern­ent­wick­lung. Sie führ­ten je­weils zum Ver­lust des ge­sam­ten aus­län­di­schen Kon­zern­be­sit­zes, der bei Man­nes­mann be­reits 1913/14 ei­nen Pro­duk­ti­ons­an­teil von rund 51 Pro­zent be­saß. Zu­dem gin­gen bis 1933 über 50 Pro­zent der deut­schen Pro­duk­ti­on in den Ex­port.

3.3 Vom Montankonzern zum Technologiekonzern

Nach En­de des Zwei­ten Welt­kriegs wur­de der Man­nes­mann-Kon­zern auf An­ord­nung der Al­li­ier­ten zur Re­du­zie­rung wirt­schaft­li­cher Macht zu­nächst in drei selbst­stän­di­ge Un­ter­neh­men ent­floch­ten, das hei­ßt auf­ge­teilt. Bis 1955 er­folg­te der Wie­der­zu­sam­men­schluss un­ter der neu­en Kon­zern­füh­rungs­ge­sell­schaft Man­nes­mann AG. Par­al­lel bau­te Man­nes­mann die deut­schen Wer­ke wie­der auf und grün­de­te in Bra­si­li­en, Ka­na­da und der Tür­kei neue Röh­ren­wer­ke, in Süd­ame­ri­ka so­gar in Ver­bin­dung mit ei­nem ei­ge­nen Hoch­ofen- und Stahl­werk. Als Sym­bol des er­folg­rei­chen Wie­der­auf­baus galt das En­de 1958 für die Ver­wal­tung fer­tig­ge­stell­te Man­nes­mann-Hoch­haus in Düs­sel­dorf, das un­mit­tel­bar am Rhein ne­ben dem be­reits 1912 be­zo­ge­nen Pe­ter-Beh­rens-Bau er­rich­tet wur­de. Es war das ers­te mo­der­ne Hoch­haus in Düs­sel­dorf.

1969/70 än­der­te sich die Struk­tur des Man­nes­mann-Kon­zerns durch die Ab­ga­be der Koh­le­ze­chen an die Ruhr­koh­le und ein Ar­beits­tei­lungs­ab­kom­men mit Thys­sen grund­le­gend. Man­nes­mann über­nahm von Thys­sen die Rohr­pro­duk­ti­on und Rohr­ver­le­gung und gab im Ge­gen­zug die ei­ge­ne Walz­stahl­her­stel­lung und Blech­ver­ar­bei­tung an Thys­sen. Die in die­sem Rah­men neu ge­grün­de­te Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG war ei­ner der grö­ß­ten Rohr­pro­du­zen­ten der Welt.

Als Er­gän­zung zum Röh­ren­be­reich ver­stärk­te der Kon­zern in den fol­gen­den Jah­ren sys­te­ma­tisch sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten im Ma­schi­nen- und An­la­gen­bau. Be­reits 1968 hat­te Man­nes­mann ei­ne Be­tei­li­gung an der G. L. Rex­roth GmbH er­wor­ben, ei­nem Her­stel­ler von Hy­drau­lik­kom­po­nen­ten. 1975 über­nahm der Kon­zern die rest­li­chen An­tei­le. Durch ho­he In­ves­ti­tio­nen wur­de das Un­ter­neh­men wei­ter­ent­wi­ckelt und zum Welt­markt­füh­rer aus­ge­baut. Dar­über hin­aus kauf­te Man­nes­mann un­ter an­de­rem 1972 bis 1974 den Ma­schi­nen­bau-Kon­zern De­mag und ab 1990 die Krauss-Maf­f­ei AG. Ab En­de der 1980er-Jah­re er­folg­te mit dem Er­werb von Sachs und VDO der Ein­stieg in die Au­to­mo­bil- und Fahr­zeug­tech­nik.

Die neu­en Ge­schäfts­fel­der wur­den in­ner­halb des Man­nes­mann-Kon­zerns zum grö­ß­ten Teil sehr er­folg­reich wei­ter­ent­wi­ckelt und aus­ge­baut. Die tra­di­ti­ons­rei­chen Röh­ren­wer­ke ge­rie­ten da­ge­gen in den 1980er-Jah­ren im­mer stär­ker in den Sog der all­ge­mei­nen Stahl­kri­se. Sie schlos­sen ei­nen Teil ih­rer Wer­ke und muss­ten in gro­ßem Um­fang Per­so­nal ab­bau­en. Ei­ni­ge Pro­duk­ti­ons­be­rei­che wur­den in Un­ter­neh­mens­ko­ope­ra­tio­nen mit ehe­ma­li­gen Wett­be­wer­bern ein­ge­bracht.

1990, ein­hun­dert Jah­re nach Grün­dung der Deutsch-Ös­ter­rei­chi­schen Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG, lei­te­te die Man­nes­mann-Ver­wal­tung von Düs­sel­dorf aus ei­nen Kon­zern mit welt­weit rund 124.000 Mit­ar­bei­tern. Da­von ar­bei­te­ten rund 90.000 in Deutsch­land und 17.500 für die Un­ter­neh­mens­grup­pe Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke.

3.4 Die Telekommunikation und das Ende des Mannesmann-Konzerns

1990 er­hielt Man­nes­mann die Li­zenz zum Auf­bau und Be­trieb des ers­ten pri­va­ten Mo­bil­funk­net­zes in Deutsch­land. Die in Düs­sel­dorf an­säs­si­ge Man­nes­mann Mo­bil­funk GmbH über­nahm mit „D2“ ei­ne Pio­nier­rol­le in die­ser Wachs­tums­bran­che und ent­wi­ckel­te sich in­ner­halb kür­zes­ter Zeit zum Markt­füh­rer. 1996 grün­de­te Man­nes­mann zu­dem für den deut­schen Fest­netz-Be­trieb ein Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men mit der Deut­schen Bahn, aus dem An­fang 1997 das Un­ter­neh­men Man­nes­mann Ar­cor her­vor­ging. Au­ßer­dem grün­de­te oder er­warb der Kon­zern ganz oder teil­wei­se Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men in Ös­ter­reich, Ita­li­en, Frank­reich und Groß­bri­tan­ni­en. Er ent­wi­ckel­te sich da­durch in­ner­halb we­ni­ger Jah­re zu ei­nem der füh­ren­den pri­va­ten Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­bie­ter in Eu­ro­pa.

Um die­se Aus­rich­tung wei­ter ver­fol­gen zu kön­nen, be­schloss der Man­nes­mann-Vor­stand 1999 den ge­sam­ten Kon­zern auf­zu­tei­len. Die Man­nes­mann AG soll­te sich auf den Ge­schäfts­be­reich Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on kon­zen­trie­ren. Die in­dus­tri­el­len Ak­ti­vi­tä­ten wur­den – mit Aus­nah­me der Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke AG – in der Atecs Man­nes­mann AG zu­sam­men­ge­fasst, die durch Bör­sen­gang ver­selbst­stän­digt wer­den soll­te. Be­vor die­se Plä­ne zur Tren­nung der in­dus­tri­el­len Ge­schäfts­be­rei­che von der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on um­ge­setzt wer­den konn­ten, mach­te je­doch En­de 1999 das bri­ti­sche Mo­bil­funk­un­ter­neh­men Vo­da­fo­ne den Ak­tio­nä­ren von Man­nes­mann ein Über­nah­me­an­ge­bot. Die­ser Ver­such ei­ner feind­li­chen Über­nah­me – der bis da­hin grö­ß­ten in der Wirt­schafts­ge­schich­te – führ­te zu ei­ner mo­na­te­lan­gen Über­nah­me­schlacht. Am 4.2.2000 stimm­te die Man­nes­mann-Kon­zern­füh­rung schlie­ß­lich dem Auf­kauf zu. Die nicht ver­kaufs­wil­li­gen Ak­tio­nä­re wur­den spä­ter durch ein so­ge­nann­tes „Squee­ze-ou­t“ zwangs­wei­se ab­ge­fun­den.

Der Man­nes­mann-Kon­zern ver­lor sei­ne Selbst­stän­dig­keit nach dem wirt­schaft­lich er­folg­reichs­ten Ge­schäfts­jahr sei­ner Un­ter­neh­mens­ge­schich­te. Der Um­satz im Ge­schäfts­jahr 1999 be­trug rund 24 Mil­li­ar­den Eu­ro, der Kon­zern be­schäf­tig­te welt­weit rund 130.000 Mit­ar­bei­ter. Die letz­te Haupt­ver­samm­lung un­ter der Fir­mie­rung Man­nes­mann AG fand am 22.8.2001 statt.

Nach der Über­nah­me ver­blie­ben le­dig­lich die Fest­netz- und In­ter­net­spar­te um Ar­cor, der Mo­bil­funk­be­reich D2 so­wie ein Teil der eu­ro­päi­schen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­tei­li­gun­gen bei Vo­da­fo­ne. Die an­de­ren Un­ter­neh­men des Man­nes­mann-Kon­zerns wur­den durch Vo­da­fo­ne ver­kauft. Man­nes­mann Atecs ging an ein Kon­sor­ti­um von Sie­mens und Bosch, die die zu­ge­hö­ri­gen Man­nes­mann-Ge­sell­schaf­ten un­ter­ein­an­der auf­teil­ten und teil­wei­se auch wei­ter­ver­kauf­ten. Die Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke und die Rech­te an der Mar­ke Man­nes­mann wur­den von der Salz­git­ter AG er­wor­ben.

3.5 Mannesmann als Teil des Salzgitter-Konzerns

Seit 2000 set­zen die Man­nes­mann-Un­ter­neh­men die Tra­di­ti­on der Man­nes­mann-Stahl­rohr­pro­duk­ti­on in­ner­halb des Salz­git­ter-Kon­zerns fort. Sie sind im Ge­schäfts­be­reich Man­nes­mann zu­sam­men­ge­fasst. Ih­re Haupt­er­zeug­nis­se sind Lei­tungs­roh­re, ge­schwei­ß­te und naht­lo­se Prä­zi­si­ons­stahl­roh­re, naht­lo­se Edel­stahl­roh­re und Gro­ß­roh­re. Und auch wenn der Man­nes­mann-Kon­zern nicht mehr exis­tiert und die in Düs­sel­dorf ge­le­ge­nen Röh­ren­wer­ke in­zwi­schen an das fran­zö­si­sche Un­ter­neh­men Vallou­rec ver­kauft wur­den, so ar­bei­ten auch heu­te noch zahl­rei­che Rhein­län­der (und na­tür­lich auch Nicht-Rhein­län­der) für Man­nes­mann-Un­ter­neh­men – im tra­di­ti­ons­rei­chen Grün­dungs­werk Rem­scheid, in Mül­heim an der Ruhr oder auch an ei­nem ganz an­de­ren Man­nes­mann-Stand­ort – in Deutsch­land oder ei­nem an­de­ren Land der Welt.

Quellen

Salz­git­ter AG-Kon­zernar­chiv/Man­nes­mann-Ar­chiv, Mül­heim an der Ruhr. [on­line]  

Literatur

Wes­sel, Horst A., Glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ak­ti­vi­tä­ten im Span­nungs­feld von un­ter­neh­me­ri­schem Ge­stal­tungs­wil­len und (wirt­schafts-) po­li­ti­schen Rea­li­tä­ten. Das Bei­spiel der Fa­mi­lie Man­nes­mann aus Rem­scheid, in: Hil­ger, Su­san­ne/Soé­ni­us, Ul­rich S. (Hg.), Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men im Rhein­land im 19. und 20. Jahr­hun­dert, Köln 2009, S. 66-102.
Wes­sel, Horst A., Kon­ti­nui­tät im Wan­del. 100 Jah­re Man­nes­mann 1890-1990, Düs­sel­dorf 1990.
Wes­sel, Horst A., Man­nes­mann in Rem­scheid 1796-2014. Von der Fei­le zum hoch­prä­zi­sen Ma­schi­nen­ele­ment, Rem­scheid 2014.
Wes­sel, Horst A., Mit En­ga­ge­ment und Kom­pe­tenz für ei­ne run­de Sa­che. Man­nes­mann­röh­ren-Wer­ke GmbH 1846-2005, Salz­git­ter 2006.
Wes­sel, Horst A., Die Tech­ni­ker der Fa­mi­lie Man­nes­mann, in: We­ber, Wolf­hard (Hg.), In­ge­nieu­re im Ruhr­ge­biet, Müns­ter 1999, S. 123-148.
Ren­nert, Kor­ne­lia: Wett­be­wer­ber in ei­ner rei­fen Bran­che. Die Un­ter­neh­mens­stra­te­gi­en von Thys­sen, Hoesch und Man­nes­mann 1955 bis 1975, Es­sen 2015.

Online

Man­nes­mann-Kon­zern­ge­schich­te im In­ter­net. [on­line]

Gründeraktie der Deutsch-Oesterreichischen Mannesmannröhren-Werke mit Unterschrift von Max Mannesmann, 14. November 1890. (Erster Deutscher Historic-Actien-Club e.V)

 
Zitationshinweis

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Rennert, Kornelia, Wessel, Horst A., Mannesmann – weit mehr als ein Kapitel rheinischer Geschichte, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/mannesmann-%25E2%2580%2593-weit-mehr-als-ein-kapitel-rheinischer-geschichte/DE-2086/lido/5d9c7ec9b906e3.25356670 (abgerufen am 29.03.2024)