Wilhelm Busch

Pfarrer und Evangelist (1897-1966)

Norbert Friedrich (Hagen)

Wilhelm Busch redet im Rahmen einer Evangelisation in Wuppertal, Foto: Hans Lachmann. (AEKR 8SL046 (Bildarchiv))

Der Pfar­rer und Evan­ge­list Wil­helm Busch hat als lang­jäh­ri­ger Lei­ter des Es­se­ner Wei­g­le-Hau­ses, durch sei­ne Pre­dig­ten und sei­ne zahl­rei­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen ei­ne gro­ße bun­des­wei­te Be­kannt­heit er­langt, die in ei­ni­gen evan­ge­li­schen Krei­sen bis heu­te an­hält. Da­bei ver­stand er sich als Ver­tre­ter ei­ner mis­sio­na­ri­schen Kir­che, die den evan­ge­li­schen Glau­ben und die Wahr­heit der bib­li­schen Bot­schaft in den Mit­tel­punkt sei­ner Ver­kün­di­gung stell­te. 

Wil­helm Busch stamm­te aus ei­ner Pfar­rers­fa­mi­lie. Der Va­ter Dr. Wil­helm Busch (1868-1921) war zur Zeit der Ge­burt des Soh­nes am 27.3.1897 Pfar­rer in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal), die Mut­ter Jo­han­na Busch ge­bo­re­ne Kul­len (1869-1954) stamm­te aus dem schwä­bi­schen Pie­tis­mus. Die fa­mi­liä­re Prä­gung – den Va­ter hat er als ei­nen lu­the­ri­schen Pie­tis­ten be­schrie­ben – war für sei­ne Glau­bens­ent­wick­lung wich­tig, auch wenn er spä­ter sein ei­ge­nes Be­keh­rungs­er­leb­nis her­aus­stell­te. Busch ver­brach­te ei­nen Teil sei­ner Kind­heit in Frank­furt-Sach­sen­hau­sen, wo sein Va­ter ab 1906 am­tier­te. Dort wuchs er mit sechs wei­te­ren Ge­schwis­tern auf und ver­leb­te ei­ne glück­li­che Kind­heit und Schul­zeit, ob­wohl er auch von Schulängs­ten be­rich­te­te. Es war ins­ge­samt ein im Gan­zen bil­dungs­bür­ger­li­ches Auf­wach­sen. Gleich­zei­tig re­flek­tier­te Busch spä­ter dar­über, dass er die Glau­bens­ge­wiss­heit und Glau­ben­stie­fe sei­ner El­tern in die­ser Zeit nicht tei­len konn­te und im­mer wie­der an sei­nem Glau­ben zwei­fel­te.

Busch ge­hör­te zu der Ge­ne­ra­ti­on von Theo­lo­gen, de­ren Le­ben und Den­ken durch die Er­fah­run­gen des Ers­ten Welt­kriegs ge­prägt wur­den. Busch mel­de­te sich – zu­nächst ge­gen den Wil­len der El­tern – zum Mi­li­tär­dienst und wur­de im Mai 1915 ein­ge­zo­gen; kurz dar­auf konn­te er noch das Ab­itur ab­le­gen. Von 1915 bis 1918 war er im Kriegs­ein­satz, un­ter an­de­rem vor Ver­dun. Der Of­fi­zier Wil­helm Busch war ein ty­pi­scher Ver­tre­ter des chau­vi­nis­ti­schen na­tio­nal­pro­tes­tan­ti­schen Den­kens, der sich auch nach dem Krieg zu­nächst ak­tiv bei den Frei­korps und schlie­ß­lich auch beim Kapp-Putsch be­tei­lig­te und sich ge­gen die jun­ge De­mo­kra­tie stell­te. 

Gleich­zei­tig war es die Zeit, in der sich wohl der wich­tigs­te Um­bruch in sei­nem Le­ben er­eig­ne­te, denn im Jahr 1918 er­leb­te Busch ei­ne Be­keh­rung, von der er selbst spä­ter be­rich­te­te: „Als ich mich be­kehr­te, ge­hör­te das zu den schöns­ten Er­fah­run­gen mei­nes neu­en Chris­ten­stan­des, daß mein ver­wor­re­nes Le­ben nun ei­ne Ach­se be­kom­men hat­te, um die sich al­les dreh­te – das Kreuz.“[1] Im Krieg er­kann­te er – an­ge­sichts des To­des von Ka­me­ra­den im Schüt­zen­gra­ben – die all­um­fas­sen­de Kraft Got­tes, die di­rekt in sein Le­ben ein­griff und vor der je­des Le­ben, auch das der to­ten Sol­da­ten, sei­nen End- und Hö­he­punkt fin­den wird.

Nach dem Krieg ging Busch nach Tü­bin­gen, um dort Theo­lo­gie zu stu­die­ren, der Ent­schluss da­zu war schon vor sei­ner Be­keh­rung ge­fasst wor­den. Sei­ne Leh­rer wa­ren ins­be­son­de­re Karl Heim (1874-1958) und Adolf Schlat­ter (1852-1938), bei­des Theo­lo­gen, die sich um ei­ne bib­li­sche Grund­la­ge der Theo­lo­gie be­müh­ten. Ge­ra­de Adolf Schlat­ter präg­te Buschs Bi­bel­ver­ständ­nis mit ei­ner kon­se­quen­ten An­er­ken­nung der Bi­bel als Wort Got­tes, wel­ches di­rekt zu den Men­schen spricht und ih­nen in al­len Glau­bens­ent­schei­dun­gen hilft. Von Karl Heim, mit dem er sein Le­ben lang ver­bun­den blieb, lern­te Busch die Be­deu­tung der Apo­lo­ge­tik ken­nen so­wie die Not­wen­dig­keit, an­schau­lich und le­bens­nah zu pre­di­gen.

Nach dem Ers­ten Theo­lo­gi­schen Ex­amen 1921 in Her­born - Busch ge­hör­te da­mals zur Nas­saui­schen Kir­che - be­such­te er zu­nächst das dor­ti­ge Pre­di­ger­se­mi­nar und wech­sel­te dann in die Lan­des­kir­che, in der auch sein Va­ter bis 1906 ge­wirkt hat­te. Der west­fä­li­sche Ge­ne­ral­su­per­in­ten­dent Wil­helm Zo­ell­ner (1860-1937) mach­te ihm das An­ge­bot, Pfar­rer im In­dus­trie­re­vier zu wer­den, – ei­ne Her­aus­for­de­rung, die ihn reiz­te. Zu sei­ner Ent­täu­schung schick­te die Kir­che ihn aber zu­nächst nach Ost­west­fa­len in ein Lehr­vi­ka­ri­at in Gel­lers­ha­gen bei Bie­le­feld. Nach dem Zwei­ten Theo­lo­gi­schen Ex­amen im Herbst 1922 in Müns­ter, ab­sol­vier­te er sei­ne Hilfs­dienst­zeit in der Bie­le­fel­der Alt­stadt­ge­mein­de.

 

Die Zeit in Ost­west­fa­len war für Busch in dop­pel­ter Wei­se wich­tig. Hier lern­te er sei­ne Frau Em­mi Ly­dia geb. Mül­ler (1900-1984)  ken­nen, die selbst mit 18 Jah­ren ein Be­keh­rungs­er­leb­nis hat­te. Das Ehe­paar be­kam sechs Kin­der, wo­bei bei­de Söh­ne jung star­ben, der äl­tes­te Sohn Wil­helm im Fe­bru­ar 1944 vor Le­nin­grad. Die Buschs bil­de­ten über meh­re­re Ge­ne­ra­tio­nen ei­ne be­kann­te Theo­lo­gen­fa­mi­lie – so war bei­spiels­wei­se auch Wil­helm Buschs Bru­der Jo­han­nes (1905-1956) Lan­des­ju­gend­pfar­rer der west­fä­li­schen Kir­che in Wit­ten.

In Bie­le­feld mach­te Busch ers­te Er­fah­run­gen mit der evan­ge­li­schen Ju­gend­ar­beit. 1924 kam schlie­ß­lich der ent­schei­den­de be­ruf­li­che Wech­sel in die rhei­ni­sche Pro­vin­zi­al­kir­che, ver­bun­den mit ei­nem Orts­wech­sel nach Es­sen. Er wur­de zum Pfar­rer der Kir­chen­ge­mein­de Es­sen-Alt­stadt be­ru­fen, ei­ner Ar­bei­ter­ge­mein­de im Zen­trum des Ruhr­ge­biets.

Busch such­te in der Ge­mein­de auch die Aus­ein­an­der­set­zung mit den So­zi­al­de­mo­kra­ten und Kom­mu­nis­ten; er kon­zen­trier­te sich auf Got­tes­diens­te, den Ge­mein­de­auf­bau und be­gann mit ei­ner pu­bli­zis­ti­schen Tä­tig­keit, für die er noch heu­te be­kannt ist. In den Jah­ren der Ge­mein­de­ar­beit fand Busch ei­nen ei­ge­nen Kon­takt zur Evan­ge­li­sa­ti­ons­be­we­gung, ins­be­son­de­re zur „Ters­tee­gen-Ruh-Kon­fe­ren­z“ in Mül­heim an der Ruhr und zum CVJM. Da­mit trat er in die Fuß­stap­fen sei­nes Va­ters, der die Kon­fe­ren­zen auch schon be­sucht hat­te und als Schrift­lei­ter der Zeit­schrift „Licht und Le­ben“ ei­ne be­kann­te Per­sön­lich­keit der Be­we­gung ge­we­sen war. Ne­ben der Ge­mein­de­ar­beit und sei­nen Ver­öf­fent­li­chun­gen en­ga­gier­te sich Busch über Es­sen hin­aus, et­wa im Evan­ge­li­schen Jung­män­ner­werk oder beim CVJM-West­bund. 

1929 wech­sel­te er als Nach­fol­ger von Pfar­rer Wil­helm Wei­g­le (1862-1932) in das Ju­gend­pfarr­amt und die Lei­tung des spä­ter so ge­nann­ten „Wei­g­le-Hau­ses“, in dem in ge­wis­ser Un­ab­hän­gig­keit von amts­kirch­li­chen Struk­tu­ren er­folg­reich evan­ge­li­sche Ju­gend­ar­beit für Jun­gen in der In­dus­trie­stadt Es­sen an­ge­bo­ten wur­de. Busch blieb hier bis zum Ein­tritt in den Ru­he­stand 1962.

Wilhelm Busch mit seinem Brudert Johannes in Essen, 1955, Foto: Hans Lachmann. (AEKR 8SL046 (Bildarchiv))

 

Als Pfar­rer und Lei­ter des Wei­g­le-Hau­ses hat­te er ei­ne Auf­ga­be ge­fun­den, die sei­ner En­er­gie und sei­nem Ide­en­reich­tum ent­sprach. Ne­ben Got­tes­diens­ten und Bi­bel­stun­den, viel­fäl­ti­gen Frei­zeit­an­ge­bo­ten, bei­spiels­wei­se Fuß­ball und Aus­flü­gen, küm­mer­te er sich um die Schü­ler­bi­bel­krei­se und bau­te in der Welt­wirt­schafts­kri­se ei­ne „Uni­ver­si­tät für Er­werb­lo­se“ auf. Die­ses brei­te Bil­dungs­an­ge­bot er­hielt von Busch durch so ge­nann­te „Welt­an­schau­ungs­stun­den“ ei­ne Er­wei­te­rung im Sin­ne der Idee des „so­ci­al gos­pel“ um, wie er selbst sag­te, „evan­ge­lis­ti­sche und seel­sor­ger­li­che Ar­beit“.[2] Die Ar­beit en­de­te mit den kir­chen­po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen 1934.

Der Be­dro­hung sei­ner kirch­li­chen Ju­gend­ar­beit nach 1933 durch die Ein­glie­de­rung der kon­fes­sio­nel­len Ver­bän­de in die Hit­ler­ju­gend be­geg­ne­te Busch, in­dem er die Ar­beit als Ge­mein­de­pfar­rer und Pri­vat­per­son un­ter neu­em Na­men (ab 1934 „Wei­g­le-Haus“) wei­ter­führ­te. Busch, der die Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten po­li­tisch be­grü­ßt und wahr­schein­lich selbst die NS­DAP ge­wählt hat­te, wur­de spä­ter ein Kri­ti­ker ih­rer an­ti­kirch­li­chen Po­li­tik. Im Kon­flikt zwi­schen NS-Staat und Kir­che mel­de­te er sich als Kri­ti­ker der Deut­schen Chris­ten und als Geg­ner des NS-To­ta­li­täts­an­spruchs deut­lich zu Wort. Schon früh nahm er Par­tei für die Be­ken­nen­de Kir­che und un­ter­stütz­te, wie auch sein Bru­der Jo­han­nes, die Be­we­gung, – sei es in der Vi­kars­aus­bil­dung, sei es durch öf­fent­li­che Ver­an­stal­tun­gen, wo­zu auch Evan­ge­li­sa­tio­nen ge­hör­ten.

In die­sen Aus­ein­an­der­set­zun­gen er­hielt er 1939 schlie­ß­lich ein reichs­wei­tes Re­de­ver­bot. Schon vor­her war er von der Ge­sta­po zu Ver­hö­ren vor­ge­la­den und mehr­fach für kür­ze­re Zeit in Schutz­haft ge­nom­men wor­den. Auch das rhei­ni­sche Kon­sis­to­ri­um war mehr­mals dis­zi­pli­na­risch ge­gen ihn vor­ge­gan­gen.

Sei­ne mis­sio­na­ri­sche und evan­ge­lis­ti­sche Ar­beit setz­te er auch in der Zeit des Zwei­ten Welt­kriegs trotz wei­ter zu­neh­men­der Re­pres­sa­li­en fort, un­ter an­de­rem durch Pre­dig­ten und Feld­post­brie­fe. Nach dem Krieg be­rich­te­te Busch von min­des­tens 75 Ver­hö­ren durch die Ge­sta­po, über Angst und Ein­sam­keit, die er ge­spürt ha­be. Gleich­zei­tig sei die Zeit aber „wie ei­ne Er­we­ckungs­be­we­gun­g“[3] ge­we­sen, ei­ne Zeit, in der „man wag­te, wie­der zu be­ken­nen“. Die­se For­mu­lie­run­gen wei­sen dar­auf hin, dass sich Busch nicht als Teil des po­li­ti­schen Wi­der­stands ver­stand, son­dern viel­mehr sei­ne evan­ge­lis­ti­sche Auf­ga­be er­fül­len woll­te.

Hat­te er schon in den 1930er Jah­ren mit Evan­ge­li­sa­ti­ons­rei­sen und -wo­chen be­gon­nen, so in­ten­si­vier­te er die­se Ar­beit nach 1945 deut­lich. Ne­ben dem Wie­der­auf­bau der Ar­beit im 1945 zer­stör­ten Wei­g­le-Haus, reis­te Busch viel­fach zu Evan­ge­li­sa­tio­nen und Vor­trä­gen, ins­be­son­de­re auch in die DDR. 

Wilhelm Busch in Dortmund, Foto: Hans Lachmann. (AEKR 8SL046 (Bildarchiv))

 

Als Schrift­lei­ter der Zeit­schrift „Licht und Le­ben“ und Au­tor vie­ler An­dachts- und Er­bau­ungs­bü­cher mit sehr ho­hen Auf­la­gen wur­de Busch end­gül­tig zu ei­nem be­kann­ten und ge­schätz­ten Ver­tre­ter ei­nes lan­des­kirch­lich ge­bun­de­nen Pie­tis­mus. Er nahm Stel­lung ge­gen die mo­der­ne Theo­lo­gie (Ru­dolf Bult­mann), kämpf­te gleich­zei­tig ge­gen die Wie­der­be­waff­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Par­tei­po­li­tisch stand er der Ge­samt­deut­schen Volks­par­tei, spä­ter der So­zi­al­de­mo­kra­tie na­he und ar­bei­te­te eng mit Gus­tav Hei­nemann zu­sam­men. 

Busch starb am 20.6.1966 in Lü­beck auf der Rück­rei­se von ei­ner Evan­ge­li­sa­ti­on auf Rü­gen. Sei­ne Be­er­di­gung auf dem Ost­fried­hof in Es­sen, an der Tau­sen­de Men­schen, dar­un­ter Gus­tav Hei­nemann, teil­nah­men, do­ku­men­tier­te die gro­ße Wert­schät­zung, die Busch er­fah­ren hat. Sei­ne Bü­cher wer­den bis heu­te auf­ge­legt.

Literatur (Auswahl)

Be­cker, Wolf­gang, Wil­helm Busch als evan­ge­lis­ti­scher Ver­kün­di­ger, Neu­kir­chen-Vluyn 2010.

Staeb­ler, Mar­tin, Pas­tor Wil­helm Busch. Bio­gra­fi­sche No­ti­zen als Ge­stal­tungs­mit­tel der Ver­kün­di­gung, Frank­furt/Main 2009. [mit um­fang­rei­cher Bi­blio­gra­phie] 

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Wilhelm Busch spricht auf der Beerdigung seines Bruders Johannes, 1956, Foto: Hans Lachmann. (AEKR 8SL046 (Bildarchiv))

 
Zitationshinweis

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Friedrich, Norbert, Wilhelm Busch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-busch/DE-2086/lido/653634e7cc0210.70582350 (abgerufen am 27.04.2024)