Maria Meyer-Sevenich

Politikerin, Ministerin (1907-1970)

Björn Höfer (Berlin)

Empfang der Landesvertretung Niedersachsen anlässlich des Geburtstages von Maria Meyer-Sevenich, 27.4.1967 (Bundesarchiv, B 145 Bild-F024641-0022 / Renate Patzek / CC-BY-SA 3.0).

Die Köl­ne­rin Ma­ria Se­ve­nich war Mit­be­grün­de­rin der hes­si­schen CDU und spä­ter Mi­nis­te­rin für Bun­des­an­ge­le­gen­hei­ten, Ver­trie­be­ne und Flücht­lin­ge in Nie­der­sach­sen. Sie war ei­ne der un­ge­wöhn­lichs­ten Po­li­ti­ker­per­sön­lich­kei­ten der frü­hen Nach­kriegs­zeit. Die Zahl ih­rer Par­tei­über­trit­te war re­kord­ver­däch­tig. Sie steht auch für ei­nen Po­li­ti­ker­typ, der für die ers­te Nach­kriegs­zeit nicht un­ge­wöhn­lich war, sich aber schon bald selbst über­leb­te.

Ma­ria Se­ve­nich kam am 27.4.1907 in Köln zur Welt. Ihr Va­ter war Schmie­de­meis­ter und brach­te sei­ner Toch­ter so­wohl den Ka­tho­li­zis­mus in der selbst­be­wuss­ten und mo­dera­ten rhei­ni­schen Tra­di­ti­on wie auch sein po­li­ti­sches Be­kennt­nis zur So­zi­al­de­mo­kra­tie na­he. Ma­ria Se­ve­nich ab­sol­vier­te die städ­ti­sche Han­dels­schu­le, fing ei­ne Aus­bil­dung an, konn­te aber 1929 das Ab­itur nach­ho­len. Dank ih­rer gu­ten schu­li­schen Leis­tun­gen er­hielt sie ein Sti­pen­di­um der Lin­coln-Stif­tung, mit dem sie 1929 ein Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten und Phi­lo­so­phie in Frank­furt am Main be­gin­nen konn­te.

 

Po­li­tisch kam sie nach ih­rem Va­ter, zu dem sie ein en­ges Ver­hält­nis hat­te. Sie sag­te stets, dass ihr po­li­ti­sches Er­we­ckungs­er­leb­nis er­folgt sei, als ihr Va­ter ihr zu ih­rem neun­ten Ge­burts­tag ein Ex­em­plar von Au­gust Be­bels „Die Frau und der So­zia­lis­mus“ über­reicht ha­be. Sie trat spä­ter der SPD bei und wur­de Teil des lin­ken Flü­gels der Par­tei. Schon En­de der 1920er Jah­re such­te sie sich aber zum ers­ten Mal ei­ne neue po­li­ti­sche Hei­mat und wur­de Mit­glied der SAPD, der So­zia­lis­ti­schen Deut­schen Ar­bei­ter­par­tei, die po­li­tisch zwi­schen der SPD und der KPD stand. Auch der spä­te­re Bun­des­kanz­ler Wil­ly Brandt (1913-1992) ge­hör­te die­ser Par­tei an. Im Un­ter­schied zu Brandt blieb Se­ve­nich aber nicht für län­ge­re Zeit in die­ser Par­tei, son­dern trat An­fang 1933 zur KPD über.

Die Wo­chen um den Par­tei­wech­sel und die Macht­über­nah­me durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am 30.1.1933 hat­ten ein­schnei­den­de Fol­gen für ihr Le­ben. So konn­te sie ihr Stu­di­um nicht ab­schlie­ßen, da man ihr das Ab­le­gen der letz­ten Ex­ami­na ver­wei­ger­te. Des Wei­te­ren war sie selbst in aku­ter Ge­fahr, da sie Mit­glied ei­ner in­zwi­schen ver­bo­te­nen Par­tei war, auch wenn es kei­nen Be­leg da­für gibt, dass Se­ve­nich in der Par­tei­ar­beit ak­tiv ge­we­sen wä­re.

Sie wur­de schlie­ß­lich aus den Rei­hen der KPD an die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ver­ra­ten, die sie meh­re­re Ma­le ins Zucht­haus steck­ten, aber je­weils doch wie­der ent­lie­ßen. Ma­ria Se­ve­nich floh in die Schweiz und ließ sich schlie­ß­lich in Frank­reich nie­der. Hier war sie si­cher – bis zum Ein­marsch deut­scher Trup­pen im Som­mer 1940. 1942 wur­de sie wie­der ver­haf­tet und zu zwei Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt. An die­ser Stel­le tren­nen sich die Be­rich­te Se­ve­nichs von dem si­cher Be­weis­ba­ren. Sie selbst schrieb aber, dass sie gro­ßes Glück ge­habt ha­be, die­se Jah­re zu über­le­ben und als Kom­mu­nis­tin nicht hin­ge­rich­tet wor­den zu sein. 

Bis auf die sehr spär­li­chen Be­rich­te Se­ve­nichs gibt es kaum In­for­ma­tio­nen über die­se Pha­se in ih­rem Le­ben, ins­be­son­de­re kei­ne über­prüf­ba­ren. Das ist um­so be­dau­er­li­cher, da ir­gend­wann in die­sen Jah­ren ein grund­le­gen­der Wan­del in ih­rem Den­ken statt­fand. Sie ent­fern­te sich in­ner­lich vom Kom­mu­nis­mus und ver­ur­teil­te die Ent­wick­lun­gen des Sta­li­nis­mus in der So­wjet­uni­on. Gleich­zei­tig fand sie zum Glau­ben zu­rück. Ge­mes­sen dar­an, wie zen­tral ih­re ka­tho­li­sche Kon­fes­si­on in der Fol­ge­zeit für sie wer­den soll­te, ist die­ser Um­schwung in sei­ner Be­deu­tung kaum zu über­schät­zen. Se­ve­nichs Glau­be ori­en­tier­te sich stark an der ka­tho­li­schen Spi­ri­tua­li­tät und So­zi­al­leh­re. Zur ka­tho­li­schen Hier­ar­chie be­hielt sie zeit ih­res Le­bens ei­ne ge­wis­se Dis­tanz. Ge­ra­de dar­in war ih­re Hal­tung der rhei­ni­scher Zen­trums­po­li­ti­ker - wie zum Bei­spiel Kon­rad Ade­nau­ers - sehr ähn­lich.

Ihr Ge­sin­nungs­wan­del er­öff­ne­te ihr ei­ne Rei­he neu­er Be­tä­ti­gungs­mög­lich­kei­ten in der Po­li­tik. Das Kriegs­en­de über­leb­te sie in Darm­stadt. Sie wirk­te an der Grün­dung und am Auf­bau der Uni­on in der Stadt und schlie­ß­lich der Lan­des­par­tei mit. Da­bei kam ihr die all­ge­mei­ne po­li­ti­sche Aus­rich­tung der frü­hen CDU Hes­sens ent­ge­gen. Vie­le der ers­ten Par­tei­funk­tio­nä­re in Hes­sen wa­ren Un­ter­stüt­zer der Idee ei­nes „christ­li­chen So­zia­lis­mus“, ei­ner nur be­dingt er­klär­ten Kom­bi­na­ti­on der Grund­zü­ge der ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re und der Theo­rie des So­zia­lis­mus, die man aber stets deut­lich vom Kom­mu­nis­mus so­wje­ti­scher Mach­art un­ter­schied. Se­ve­nich en­ga­gier­te sich in der Pro­gramm­de­bat­te und die Par­tei­füh­rung ließ sie trotz ih­res Hin­ter­grun­des ge­wäh­ren. Ei­ner­seits war man sich be­wusst, über wie we­ni­ge ak­ti­ve Po­li­ti­ke­rin­nen die Par­tei ver­füg­te, an­de­rer­seits war Ma­ria Se­ve­nich ei­ne der be­lieb­tes­ten und be­gab­tes­ten Wahl­kampf­red­ne­rin­nen der frü­hen Uni­on. Vie­le Be­le­ge der be­geis­ter­ten Re­ak­tio­nen der Ver­bän­de, die sie auf ih­ren Wahl­kampf­tou­ren be­sucht hat­te, sind bis heu­te be­kannt. Hö­he­punkt ih­rer Tä­tig­keit als Par­tei­red­ne­rin war ihr Vor­trag auf dem ers­ten Reichs­tref­fen der CDU-Ver­bän­de in Bad Go­des­berg (heu­te Stadt Bonn) im De­zem­ber 1945, bei dem Ma­ria Se­ve­nich un­ter vie­len Re­fe­ren­ten die ein­zi­ge Frau war.

Auch in der CDU Hes­sen mach­te sie vor­erst Kar­rie­re. Sie wur­de Mit­glied der Ver­fas­sungs­be­ra­ten­den Ver­samm­lung in Wies­ba­den und be­rei­te­te sich auf ei­ne wei­ter­füh­ren­de Tä­tig­keit im hes­si­schen Lan­des­par­la­ment vor. Den­noch kam sie bald in Schwie­rig­kei­ten. Zu­nächst ein­mal war sie ge­gen ei­ne Gro­ße Ko­ali­ti­on in Hes­sen, da sich ih­rer An­sicht nach die SPD zu we­nig von den Ge­scheh­nis­sen in Ost­eu­ro­pa dis­tan­zier­te. Der An­lass für ih­ren Weg­gang war je­doch recht nich­tig. Bei­trä­ge von Ma­ria Se­ve­nich über die ame­ri­ka­ni­sche Be­sat­zungs­macht führ­ten zu Be­schwer­den sei­tens der Mi­li­tär­be­hör­den. Der hes­si­sche Lan­des­ver­band ver­such­te, die Si­tua­ti­on da­durch zu ent­schär­fen, dass Se­ve­nich für ei­ne Wei­le kein zu sicht­ba­res Pro­fil in der Öf­fent­lich­keit be­kam. Zu­nächst da­mit ein­ver­stan­den, war Se­ve­nich aber doch ein zu ei­gen­stän­di­ger Kopf, um sich dar­an zu hal­ten. Der Lan­des­vor­sit­zen­de der CDU Hes­sen, Wer­ner Hil­pert (1897-1957), er­fuhr im­mer wie­der von Ver­stö­ßen ge­gen die ge­trof­fe­nen Ab­spra­chen. In der An­fangs­zeit ver­such­te er noch, Ma­ria Se­ve­nich zu be­ru­hi­gen und in der CDU Hes­sen zu hal­ten. Doch der um­fang­rei­che Brief­wech­sel zwi­schen bei­den bie­tet über­aus zahl­rei­che Bei­spie­le, wo­nach sich Se­ve­nich zwar kom­pro­miss­be­reit zeig­te, am Tag da­nach aber schon wie­der miss­ver­stan­den fühl­te und die re­gel­mä­ßi­gen An­ge­bo­te Hil­perts zur Aus­spra­che teils igno­rier­te, teils kurz­fris­tig aus­fal­len ließ. Den Brie­fen ist an­zu­mer­ken, dass Wer­ner Hil­pert zu­neh­mend die Ge­duld ver­lor und sich ge­gen­über sei­nem Freund Hein­rich von Bren­ta­no (1904-1964) so­gar er­leich­tert zeig­te, dass mit ih­rem Fort­gang der Streit um Ma­ria Se­ve­nich zu ei­nem En­de ge­kom­men war.

Mög­li­cher­wei­se war Se­ve­nich von ih­rem ei­ge­nen Lan­des­ver­band ent­täuscht, ein­mal we­gen der fort­ge­führ­ten Gro­ßen Ko­ali­ti­on in Hes­sen, die sie ab­lehn­te, dann auch we­gen des Ver­hal­tens der CDU Hes­sen ihr ge­gen­über. Wahr­schein­li­cher ist, dass sie die An­fra­gen und An­ge­bo­te aus der bri­ti­schen Zo­ne in­ter­es­san­ter fand. Kon­rad Ade­nau­er, Vor­sit­zen­der der CDU in der bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne, kann­te Se­ve­nich und schätz­te vor al­lem ihr rhe­to­ri­sches Ta­lent. Durch ihn kam sie nach Nie­der­sach­sen und wur­de schon bei der ers­ten frei­en Land­tags­wahl am 20.4.1947 Mit­glied des Land­tags.

August Bebel (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung).

 

Der Wech­sel in den Nor­den ging mit ein­schnei­den­den per­sön­li­chen Ver­än­de­run­gen ein­her. Ma­ria Se­ve­nich hei­ra­te­te 1947 den Vor­sit­zen­den der Jun­gen Uni­on in Nie­der­sach­sen, Wer­ner Mey­er (1911 - 1963) Au­ßer­dem be­gann sie ge­gen die bri­ti­sche Be­sat­zungs­po­li­tik zu pro­tes­tie­ren. Im No­vem­ber 1946 ging sie in ei­nen 30-tä­gi­gen Hun­ger­streik, um auf die schlech­te Ver­sor­gungs­la­ge in der bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne auf­merk­sam zu ma­chen. Uni­ons­po­li­ti­ker, dar­un­ter Kon­rad Ade­nau­er, ver­such­ten, sie von die­sem Vor­ha­ben ab­zu­brin­gen. Sie hielt je­doch durch und wur­de auch in Nord­deutsch­land zu ei­ner pro­mi­nen­ten Fi­gur der Po­li­tik. 

In den fol­gen­den Mo­na­ten er­reich­te ih­re po­li­ti­sche Kar­rie­re in der Uni­on je­doch ih­ren Ze­nit. Se­ve­nich öff­ne­te sich im­mer mehr der SPD, die ih­rer Sicht nach in­zwi­schen die Bin­dun­gen an die kom­mu­nis­ti­schen Be­we­gun­gen in der So­wjet­zo­ne und in Ost­eu­ro­pa ge­kappt hat­te. Gleich­zei­tig war Se­ve­nich aber auch ei­ne Po­li­ti­ke­rin, die in­halt­lich auf ih­rer Li­nie blieb, wäh­rend der Rest der CDU ei­nen an­de­ren Weg ging. 1948 war Kon­rad Ade­nau­er be­reits die weit­ge­hend un­be­strit­te­ne Füh­rungs­fi­gur. Das wirk­te sich auch auf die Pro­gram­ma­tik der Par­tei aus. The­men wie der „christ­li­che So­zia­lis­mus“, wel­cher noch für die Grün­dungs­do­ku­men­te der Uni­on ei­ne we­sent­li­che Rol­le spiel­te, ka­men nun kaum mehr in der De­bat­te vor. Die Uni­on hat­te sich in al­len Län­dern der west­li­chen Be­sat­zungs­zo­nen deut­lich hin zur Markt­wirt­schaft und zur bür­ger­li­chen Mit­te ver­scho­ben. Der li­be­ra­le Lud­wig Er­hard (1897-1977) wur­de zur zen­tra­len Fi­gur der Wirt­schafts­po­li­tik der Par­tei. Die von Se­ve­nich ve­he­ment ab­ge­lehn­te Wäh­rungs­re­form wur­de durch­ge­führt.

Für sie stand im Som­mer 1948 fest, dass in die­ser Par­tei kein Platz mehr für sie war. Ihr Aus­tritt aus der CDU war wie­der­um auf ei­nen mög­lichst gro­ßen Ef­fekt aus­ge­rich­tet und ihr Be­gleit­brief wur­de in ver­schie­de­nen Me­di­en ver­öf­fent­licht. An­fangs ver­mied sie noch die Bin­dung an ei­ne an­de­re Par­tei und blieb als Ab­ge­ord­ne­te im nie­der­säch­si­schen Land­tag vor­erst par­tei­los. 1949 trat sie for­mell der SPD bei und wur­de Mit­glied der so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Land­tags­frak­ti­on. 

In der Fol­ge­zeit wirk­te sie in der nie­der­säch­si­schen Lan­des­po­li­tik mit und blieb Ab­ge­ord­ne­te des Land­tags. Ei­nen Schwer­punkt ih­rer Ar­beit bil­de­te die Bil­dungs­po­li­tik, auch wenn sie sich da­bei zu­se­hends von der ka­tho­lisch ge­präg­ten Li­nie aus ih­rer CDU-Zeit ent­fern­te. In die­ser Zeit muss­te sie ei­nen schwe­ren per­sön­li­chen Schick­sals­schlag hin­neh­men: Ihr Ehe­mann Wer­ner Mey­er be­ging aus un­be­kann­ten Grün­den 1963 Selbst­mord.

Empfang der Landesvertretung Niedersachsen anlässlich des Geburtstages von Maria Meyer-Sevenich, 27.4.1967 (Bundesarchiv, B 145 Bild-F024641-0018 / Renate Patzek / CC-BY-SA 3.0).

 

1965 wur­de sie in das Ka­bi­nett von Mi­nis­ter­prä­si­dent Ge­org Di­ede­richs (1900-1983) als Mi­nis­te­rin für Bun­des­an­ge­le­gen­hei­ten, Ver­trie­be­ne und Flücht­lin­ge be­ru­fen. Das war ei­ne in mehr­fa­cher Hin­sicht un­dank­ba­re Auf­ga­be. Schon bei ih­rer Ver­ei­di­gung stand nicht fest, wie lan­ge die­ses Res­sort noch be­ste­hen wür­de. Die un­mit­tel­ba­re Be­wäl­ti­gung der Flucht­wel­len der 1940er und 1950er Jah­re war ge­schafft. Gleich­zei­tig wur­de schnell deut­lich, dass Se­ve­nich ei­ne an­de­re Li­nie in der Flücht­lings­po­li­tik ver­folg­te als ih­re Lan­des­par­tei. Als mit der Land­tags­wahl 1967 die Neu­bil­dung der Lan­des­re­gie­rung an­stand, gab es Se­ve­nichs Mi­nis­te­ri­um zwar noch, doch war ein an­de­rer Res­sort­lei­ter vor­ge­se­hen und Mey­er-Se­ve­nich fand sich als ein­fa­che Hin­ter­bänk­le­rin wie­der. 

Aber auch in ih­ren letz­ten Jah­ren als Ab­ge­ord­ne­te blieb sie re­ge und ging Kon­flik­ten nicht aus dem Weg. Seit der NS-Zeit war für Mey­er-Se­ve­nich die Ab­leh­nung der kom­mu­nis­ti­schen Sys­te­me in Ost­eu­ro­pa ei­ner der Leit­fä­den ih­res po­li­ti­schen Den­kens. Das war auch der Grund, war­um sie die Ost­po­li­tik der so­zi­al-li­be­ra­len Ko­ali­ti­on un­ter Wil­ly Brandt ab­lehn­te. 1970 kam es zum Eklat. Ma­ria Mey­er-Se­ve­nich ent­schied sich zu ei­nem wei­te­ren Par­tei­wech­sel und trat zur CDU über. Das hät­te zu ei­ner hand­fes­ten Re­gie­rungs­kri­se in Nie­der­sach­sen füh­ren kön­nen, da da­mit der bis­he­ri­ge Ju­ni­or­part­ner in der Re­gie­rung zur stärks­ten Kraft in der Ko­ali­ti­on wur­de. Da­mit wä­re auch das po­li­ti­sche Schick­sal des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Di­ede­richs be­sie­gelt ge­we­sen. Doch zu die­ser Kri­se kam es nicht mehr. Ma­ria Se­ve­nich, die Zeit ih­res Le­bens an schwe­rer Dia­be­tes er­krankt war, und ver­starb we­ni­ge Wo­chen nach ih­rem Par­tei­über­tritt am 3.3.1970 in Han­no­ver an den Fol­gen der Krank­heit.

Ma­ria Mey­er-Se­ve­nich war ei­ne der un­ge­wöhn­lichs­ten Po­li­ti­ker­per­sön­lich­kei­ten der frü­hen Nach­kriegs­zeit. Nicht nur die An­zahl ih­rer Par­tei­über­trit­te dürf­te re­kord­ver­däch­tig sein. Sie steht viel­mehr auch für ei­nen Po­li­ti­ker­typ, der für die ers­ten Nach­kriegs­jah­re nicht un­ge­wöhn­lich war, sich aber schon bald selbst über­leb­te. Als christ­li­che So­zia­lis­tin und de­zi­diert lin­ke Po­li­ti­ke­rin war sie ein Teil des po­li­ti­schen Main­streams der un­mit­tel­ba­ren Grün­der­ge­ne­ra­ti­on der CDU Hes­sen und war an­schluss­fä­hig an wei­te Krei­se der rhei­ni­schen CDU. Schon ei­ni­ge Jah­re spä­ter hat­te die­ser po­li­ti­sche Grund­an­satz aber sei­nen Ein­fluss auf das Par­tei­pro­gramm wei­test­ge­hend ver­lo­ren und die meis­ten nam­haf­ten Ver­tre­ter die­ser Strö­mung hat­ten be­reits die Uni­on ver­las­sen oder sich dem neu­en Main­stream an­ge­passt.

Porträt von Georg Diederichs, 1969 (Bundesarchiv, B 145 Bild-F030208-0026 / CC-BY-SA 3.0).

 

Se­ve­nich hat­te zeit ih­res Le­bens ei­ni­ge Ma­le ge­zeigt, dass sie auch neue Über­zeu­gun­gen an­neh­men konn­te. Das An­pas­sen an Be­ge­ben­hei­ten war aber nicht ih­re Sa­che und pro­vo­zier­te stets Wi­der­spruch bei ihr. Auch wenn sie in ei­ner eher frau­en­feind­li­chen Um­ge­bung in der Po­li­tik Kar­rie­re mach­te und schei­ter­te, wä­re es zu ein­fach, dies auf ihr Ge­schlecht zu­rück­zu­füh­ren. Ihr fehl­te die Prä­gung ei­ner lan­gen Par­tei­kar­rie­re und sie war nicht be­reit be­zie­hungs­wei­se nicht fä­hig, sich wie an­de­re be­deu­ten­de Frau­en der Christ­de­mo­kra­tie wie He­le­ne We­ber o­der Chris­ti­ne Teusch in ei­nen Par­tei­ap­pa­rat ein­zu­fin­den. Sie setz­te viel­mehr auf ih­re in­tel­lek­tu­el­len Fä­hig­kei­ten und ihr Re­de­ta­lent, was sie aber letzt­lich zu ei­ner Po­li­ti­ke­rin oh­ne ech­te Hei­mat mach­te.

Werke

Im­pres­sio­nen und Ge­dan­ken. Aus dem All­tag ei­nes Ver­trie­be­nen­mi­nis­ters. Ge­samt­deut­sche Fra­gen in ih­rem Ver­hält­nis zu Hei­mat­ver­trie­be­nen, Flücht­lin­gen und Ein­hei­mi­schen, Leer 1967.

Literatur

Gre­bing, Hel­ga, Auch ei­ne Ent­schei­dung für die SPD: Ma­ria Mey­er-Se­ve­nich 1948/1949, in: IWK 24/1 (1988), S. 43-54.

Ma­ria Mey­er-Se­ve­nich, geb. Se­ve­nich, CDU, in: Lan­ger, In­grid/Ley, Ul­ri­ke/San­der, Su­san­ne (Hg.), Ali­bi-Frau­en? Hes­si­sche Po­li­ti­ke­rin­nen 1: In den Vor­par­la­men­ten 1946-1950, Frank­furt am Main 1994, S. 129-166.

Oel­ze, Do­ro­thea, Ma­ria Mey­er-Se­ve­nich (geb. Se­ve­nich). [On­line]

Schül­ler, El­ke:,„Du kannst nicht treu sein.“ Ma­ria Mey­er-Se­ve­nich, in: Cle­mens, Bär­bel (Hg.), Frau­en ma­chen Po­li­tik. Par­la­men­ta­rie­rin­nen in Nie­der­sach­sen, Han­no­ver 1996, S. 81-91.

Christine Teusch, 1925 (Gemeinfrei).

 
Zitationshinweis

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Höfer, Björn, Maria Meyer-Sevenich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/maria-meyer-sevenich/DE-2086/lido/6152db3c2e4928.85425421 (abgerufen am 27.04.2024)