Heinrich von Achenbach

Jurist, Minister, Abgeordneter (1829-1899)

Peter Burg (Münster)

Heinrich von Achenbach, Porträtfoto. (Wolfgang Schubert/www.miniser-achenbach.de)

Hein­rich von Achen­bach ent­stamm­te der Sie­ge­ner Bil­dungs­bür­ger­schicht. Die An­fän­ge sei­ner Be­rufs­kar­rie­re la­gen im rhei­nisch-west­fä­li­schen Raum. Acht Jah­re lang war er Jus­ti­ti­ar im Rhei­ni­schen Ober­berg­amt in Bonn, be­vor er zu hö­he­ren Äm­tern nach Ber­lin be­ru­fen wur­de. 

Sein Va­ter Hein­rich Mo­ritz Achen­bach (1795-1865) wur­de 1819 als Kas­sen­kon­trol­leur an das Berg­amt nach Saar­brü­cken ver­setzt. Die Mut­ter Ju­lia­ne Achen­bach (1793-1883) war ei­ne Ku­si­ne des Va­ters. In­ ih­ren Fa­mi­li­en, die sich zum evan­ge­li­schen Glau­ben be­kann­ten, gab es nam­haf­te Be­am­te, Pfar­rer und Un­ter­neh­mer. In Saar­brü­cken wur­den die Söh­ne Adolf und Hein­rich ge­bo­ren. Am 1.7.1830 kehr­te der Va­ter als Berg­amts­kas­sen­ren­dant nach Sie­gen zu­rück. Dort be­such­te sein Sohn Hein­rich die 1836 ge­grün­de­te Hö­he­re Bür­ger­schu­le, die ers­te Re­al­schul­an­stalt in West­fa­len, die nach der Grün­dung viel von aus­wär­ti­gen Schü­lern fre­quen­tiert wur­de. Ei­ni­ge von ih­nen nah­men die El­tern Hein­richs in Kost und Lo­gis auf, um ih­re Haus­halts­ein­nah­men auf­zu­bes­sern. Un­ter den Gast­schü­lern be­fand sich Carl Fer­di­nan­d Stumm, der be­kann­te saar­län­di­sche Ei­sen­hüt­ten­un­ter­neh­mer, der wie Hein­rich Mit­glied der Frei­kon­ser­va­ti­ven Par­tei war und wie ­die­ser im Jah­re 1888 von Kai­ser Fried­rich (Re­gent­schaft 1888) no­bi­li­tiert wur­de. Hein­rich er­warb das Ab­itur im Jah­re 1848 auf dem Soes­ter Ar­chiv­gym­na­si­um. Als Pri­ma­ner er­leb­te er den Aus­bruch der Re­vo­lu­ti­on von 1848 und hielt auf der Frei­trep­pe des Gym­na­si­ums ei­ne en­ga­gier­te Re­de auf Va­ter­land, Volk und Frei­heit. In Soest lern­te er sei­ne zu­künf­ti­ge Frau Ma­ri­na Roll­mann (1832-1889) ken­nen, die er ein Jahr­zehnt spä­ter (1859) hei­ra­te­te. Sie hat­ten drei Kin­der: die Söh­ne Hein­rich (1863-1933) und Adolf (1866-1951) mach­ten Kar­rie­re als hö­he­re preu­ßi­sche Ver­wal­tungs­be­am­te, die Toch­ter Jo­han­na (ge­bo­ren 1860) hei­ra­te­te den preu­ßi­schen Oberst­leut­nant Lud­wig Graf von Monts (1835-1913). 

Nach ei­nem ju­ris­ti­schen Stu­di­um in Ber­lin und Bonn (1848-1851), wo er ak­ti­ves Mit­glied der Corps Guest­pha­lia und Rhen­a­nia war, wur­de Hein­rich 1851 Re­fe­ren­dar (Aus­kulta­tor) am Kreis­ge­richt in Sie­gen. Als As­ses­sor wech­sel­te er an die Re­gie­rung in Arns­berg. Er blieb aber der Wis­sen­schaft ver­bun­den und be­stand 1854 sein Dok­tor­ex­amen mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on über das mit­tel­al­ter­li­che Stadt­recht von Sie­gen und des­sen Be­zie­hun­gen zum Soes­ter Recht. Die hier sicht­ba­re Ver­knüp­fung ju­ris­ti­scher und his­to­ri­scher In­ter­es­sen war für Achen­bach cha­rak­te­ris­tisch. Im Jah­re 1858 wur­de er Jus­ti­ti­ar am Rhei­ni­schen Ober­berg­amt in Bonn, an dem er bis zu sei­ner Weg­be­ru­fung nach Ber­lin 1866 tä­tig war. 1860 wur­de er zum Ober­ber­grat be­för­dert. Der Zu­stän­dig­keits­be­reich des Ober­berg­amts war nicht de­ckungs­gleich mit der Rhein­pro­vinz. Der nörd­li­che Teil (Duis­burgEs­sen) ge­hör­te zum Ober­berg­amt Dort­mund, über den Sie­ge­ner Berg­amts­be­zirk reich­te die Bon­ner Berg­ver­wal­tung in den west­fä­li­schen Raum hin­ein. 

An der Bon­ner Uni­ver­si­tät setz­te Hein­rich Achen­bach ne­ben sei­ner Be­rufs­tä­tig­keit sei­ne wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­re fort. Er ha­bi­li­tier­te sich 1859 in der Ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät und hielt Vor­le­sun­gen über das preu­ßi­sche Land­recht, über deut­sche Rechts­ge­schich­te, über Wech­sel- und Han­dels­recht so­wie über deut­sches und fran­zö­si­sches Berg­recht. An der Pop­pels­dor­fer Land­wirt­schaft­li­chen Aka­de­mie las er gleich­zei­tig über deut­sches Agrar­recht. Sei­ne Vor­le­sun­gen wur­den stark be­sucht. Nach we­ni­gen Se­mes­tern hat­te er als Au­ßer­or­dent­li­cher Pro­fes­sor (Er­nen­nung 1860) 70 Stu­den­ten. Er ver­fass­te wis­sen­schaft­li­che Ar­bei­ten zu ei­nem sehr wei­ten The­men­spek­trum: über die rhei­nisch-west­fä­li­sche Kir­chen­ord­nung, über Hy­po­the­ken­recht und nicht zu­letzt über berg­recht­li­che Fra­gen. Er be­grün­de­te 1860 mit dem be­freun­de­ten Bon­ner Ober­ber­gra­t Her­mann Bras­sert, seit 1864 Di­rek­tor des Ober­berg­amts in Bonn, die „Zeit­schrift für Berg­rech­t“. Sei­ne ­wis­sen­schaft­li­chen Ar­bei­ten fal­len in die Jah­re der deut­schen Berg­rechts­re­form, de­ren wich­tigs­tes Er­geb­nis das von Bras­sert und Achen­bach kon­zi­pier­te preu­ßi­sche Berg­ge­setz von 1865 war. 

1866 wur­de Hein­rich Achen­bach in das Mi­nis­te­ri­um für Han­del, Ge­wer­be und öf­fent­li­che Ar­bei­ten nach Ber­lin be­ru­fen und be­gann sei­nen Auf­stieg in der Staats­ver­wal­tung. In der Funk­ti­on als Vor­tra­gen­der Rat im Reichs­kanz­ler­amt be­tei­lig­te er sich an der Or­ga­ni­sa­ti­on der frei­wil­li­gen Kran­ken­pfle­ge im Deutsch-Fran­zö­si­schen Krieg von 1870/1871. 1872 wur­de er Un­ter­staats­se­kre­tär in Kul­tus­mi­nis­te­ri­um, war Di­rek­tor der Un­ter­richts- und Me­di­zi­nal­ab­tei­lung und Vor­sit­zen­der der wis­sen­schaft­li­chen De­pu­ta­ti­on für das Me­di­zi­nal­amt. Mit Kul­tus­mi­nis­ter Adal­bert Falk (1827-1900) trat er in en­ge­re dienst­li­che und freund­schaft­li­che Be­zie­hun­gen. Er be­tei­lig­te sich an des­sen Schul- und Kir­chen­ge­set­zen, die die ers­te Pe­ri­ode des Kul­tur­kamp­fes her­auf­be­schwo­ren. 

Achen­bachs Auf­stieg gip­fel­te in der Über­tra­gung des Han­dels­mi­nis­te­ri­ums, das er von 1873 bis 1878 lei­te­te. Ihm un­ter­stan­den ne­ben der Han­dels­po­li­tik der Berg­bau, die öf­fent­li­chen Ar­bei­ten und vor al­lem das Ei­sen­bahn­we­sen. Der Land­tag be­wil­lig­te auf ei­ne Re­de Achen­bachs hin der Re­gie­rung 120 Mil­lio­nen Mark zum Aus­bau des Bahn­net­zes. Der Mi­nis­ter or­ga­ni­sier­te die Staats­bahn­ver­wal­tung nach ein­heit­li­chen Ge­sichts­punk­ten. Die Über­nah­me von Bah­nen in Staats­be­trieb wur­de be­för­dert, die Pri­vat­bahn­auf­sicht ge­re­gelt. Un­ter Achen­bach ge­lang die Her­stel­lung ei­ner Ver­bin­dung zwi­schen dem öst­li­chen und dem west­li­chen Staats­bahn­netz. In sei­ner Mi­nis­ter­zeit wur­den un­ter an­de­rem die Mo­sel­bahn und meh­re­re kür­ze­re Stre­cken am Nie­der­rhein er­öff­net und Ei­sen­bahn­brü­cken (die Rhein­brü­cke bei Ko­blenz und meh­re­re Mo­sel- so­wie ei­ne We­ser­brü­cke) er­rich­tet. 1873 dehn­ten sich die Ei­sen­bahn­li­ni­en über 12.793 Ki­lo­me­ter aus, 1878 über 18.050 Ki­lo­me­ter, dem­nach ver­zeich­ne­ten sie in Achen­walls Amts­zeit ei­nen An­stieg um 41 Pro­zent. 

Der preu­ßi­sche Han­dels­mi­nis­ter ver­fass­te Schrif­ten über Hilfs­kas­sen, Un­fall­ver­si­che­run­gen, Wohl­fahrts­ein­rich­tun­gen, Knapp­schafts­ver­ei­ne. Er führ­te das In­sti­tut der Fa­bri­k­in­spek­to­ren ein. In den letz­ten Mo­na­ten sei­ner Amts­zeit un­ter­brei­te­te er Vor­schlä­ge zum Schutz der Frau­en und Ju­gend­li­chen in den Fa­bri­ken, drang da­mit bei Ot­to von Bis­marck (1815-1898) aber nicht durch. Als Bis­marcks Plan zur Über­nah­me der Staats- und Pri­vat­bah­nen durch das Reich ins Sto­cken ge­riet, hielt die­ser am 23.3.1878 in der preu­ßi­schen Kam­mer der Ab­ge­ord­ne­ten ei­ne für Achen­bach ver­let­zen­de Re­de und mach­te ihn für die Ver­schlep­pung der Fu­sio­nen ver­ant­wort­lich. Der Mi­nis­ter bat dar­auf­hin um sei­ne Ent­las­sung. Sein Aus­schei­den aus der Re­gie­rung wur­de in der Öf­fent­lich­keit be­dau­ert. 

Auf das Mi­nis­ter­amt folg­te die Er­nen­nung Hein­rich Achen­bachs zum Ober­prä­si­den­ten, 1878 für West­preu­ßen, 1879 für die Pro­vinz Bran­den­burg, in der er bis zu sei­nem Tod 1899 ver­blei­ben soll­te. Da­ne­ben setz­te er die 1866 be­gon­ne­ne Ab­ge­ord­ne­ten­tä­tig­keit für den Wahl­kreis Sie­gen-Witt­gen­stein bis 1898 fort. Achen­bach galt lan­ge Zeit als bes­ter Red­ner im Ab­ge­ord­ne­ten­haus. Er war Mit­be­grün­der der Frei­kon­ser­va­ti­ven Par­tei, die im Som­mer 1866 ge­bil­det wur­de, um Bis­marcks Po­li­tik ge­gen Alt­kon­ser­va­ti­ve zu un­ter­stüt­zen. In der ers­ten Ses­si­on, an der Achen­bach teil­nahm, lag die In­dem­ni­täts­vor­la­ge vor, die Bis­marck Straf­frei­heit für sei­ne Re­gie­rung oh­ne ei­nen ver­fas­sungs­mä­ßig ver­ab­schie­de­ten Haus­halt ge­währ­te. In der Kul­tur­kampf­zeit stand die von Edu­ard Ge­org Graf von Be­thu­sy-Huc (1829-1893) ge­führ­te Par­tei gleich­falls zu dem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten. 

Als Bran­den­bur­ger Ober­prä­si­dent wur­de Achen­bach die eh­ren­vol­le Auf­ga­be über­tra­gen, den Prin­zen Wil­helm, den spä­te­ren Kai­ser Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918), in die Ver­wal­tung ein­zu­füh­ren. Er setz­te sich in der Pro­vinz für den Denk­mal­schutz ein, war Her­aus­ge­ber des Kunst­in­ven­tars von Bran­den­burg, un­ter­stütz­te den Aus­bau der Ma­ri­en­burg und die Re­stau­rie­rung des Lim­bur­ger Do­mes. Trotz der Ent­fer­nung der Pro­vinz von sei­ner Hei­mat, be­fass­te er sich in­ten­siv mit der Ge­schich­te des Sie­ger­lan­des, wo­bei er die po­li­ti­sche, kirch­li­che, kul­tu­rel­le und wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung be­leuch­te­te. Der Ge­schichts­wis­sen­schaft er­kann­te er ei­ne gro­ße na­tio­na­le Be­deu­tung zu, war Mit­glied vie­ler deut­scher Lan­des­ge­schichts­ver­ei­ne und der Ge­sell­schaft für Rhei­ni­sche Ge­schichts­kun­de. 1887 ver­lieh ihm die Stadt Sie­gen die Eh­ren­bür­ger­wür­de. Er starb am 9.7.1899 in Pots­dam. 

Ein Bild­nis Hein­rich von Achen­bachs be­fin­det sich heu­te im Sit­zungs­saal der Stadt­ver­ord­ne­ten im Obe­ren Schloss zu Sie­gen. Ber­li­ner Stra­ßen­na­men er­in­nern an sein Wir­ken in Po­li­tik und Ver­wal­tung.

Literatur

Ada­my, Kurt/Hübe­ner, Kris­ti­na, Kar­rie­ren nicht­bran­den­bur­gi­scher Ver­wal­tungs­be­am­ter. Das Bei­spiel des no­bi­li­tier­ten Re­gie­rungs- und Ober­prä­si­den­ten Dr. Hein­rich von Achen­bach (1879-1899), in: Ada­my, Kurt/Hübe­ner, Kris­ti­na (Hg.), Adel und Staats­ver­wal­tung in Bran­den­burg im 19. und 20. Jahr­hun­dert. Ein his­to­ri­scher Ver­gleich, Ber­lin 1996, S. 103-120.
Kru­se, Hans, Hein­rich von Achen­bach, in: West­fä­li­sche Le­bens­bil­der, Band 3, Müns­ter 1934, S. 103-126. Stein­haus, Gus­tav, Hein­rich v. Achen­bach, in: Sie­ger­län­der Hei­mat­buch, hg. von Ge­org Mol­lat, Sie­gen 1914, S. 117-122.

Online

Goll­wit­zer, Heinz, „Achen­bach, Hein­rich Karl Ju­li­us von“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 32. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Burg, Peter, Heinrich von Achenbach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-von-achenbach/DE-2086/lido/57a8af14445df7.93770793 (abgerufen am 19.03.2024)