Epochen
In der Region des südlichen Mittelrheins, die in der Kunstgeschichte deutlich weiter gefasst wird als gewöhnlich, sind noch 84 Werke spätgotischer Tafelmalerei aus der Zeit von 1450 bis 1510 erhalten. Eine vollständige und ausführliche Überblicksdarstellung der Tafeln und Retabel lag jedoch im Gegensatz zu anderen Gebieten des deutschsprachigen Raumes bislang nicht vor. Diese Forschungslücke schließt Michaela Schedl mit ihrer durch Material- und Detailreichtum beeindruckenden Studie, die als Dissertation am Institut für Kunstgeschichte, Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften, der Goethe-Universität Frankfurt am Main entstand. Als Kunstzentren der spätgotischen Tafelmalerei in der untersuchten Region gelten die Städte Heidelberg, Speyer, Worms, Mainz und Frankfurt am Main. Nach diesen Zentren ist die Untersuchung denn auch untergliedert, ergänzt um die vorangestellte Darstellung des Meisters der Darmstädter Passion.
Betrachtet wird zunächst jede Stadt hinsichtlich ihrer geschichtlichen Situation, der Auftraggeber, Quellenlage, überlieferten Malernamen, Malerzünfte, des Bestandes sowie anderer Malereigattungen. Anschließend folgt eine Vorstellung und Analyse aller überlieferten Tafeln und Retabel vor allem auf Grundlage ausgiebiger persönlicher Inaugenscheinnahme der Werke und Heranziehung der Erkenntnisse von Nachbarwissenschaften. Dabei legt die Autorin besonderen Wert darauf, die Werke in Bezug miteinander zu setzen, um bislang unbekannte Zusammenhänge der Meister, Malerfamilien und auch der Kunstzentren untereinander sowie Einflüsse durch auswärtige Künstler zu belegen.
Als besonders eng erwiesen sich dabei die Verbindungen zur Kölner Malerei. Sehr wahrscheinlich hielten sich sowohl der Frankfurter Hausbuchmeister, die bestimmende Größe des südlichen Mittelrheins, als auch der vermutlich ebenfalls in Frankfurt tätige Meister des Monis-Altars eine Zeitlang in Köln auf oder wurden sogar hier ausgebildet. In der Folge tauchen etwa Kompositionen und Motive des 1463 von dem Kölner Meister der Lyversberg-Passion geschaffenen Linzer Marienaltars sowohl auf dem Mainzer Marienleben (Marien- und Beweinungsaltar) als auch dem Darmstädter Kreuzigungsaltar auf. Deutliche Einflüsse auf diese und weitere Werke wie dem Speyerer Altar sind auch für andere Kölner Künstler wie Stefan Lochner oder den Meister des Marienlebens zu belegen.
Schedl beleuchtet auch die Bedeutung und Strahlkraft der Kunstzentren mit ihren Malerwerkstätten, den regionalen Stil des südlichen Mittelrheins, das Verhältnis einheimischer Künstler zu Kunstimporten oder auch die Qualität der einheimischen Tafelmalerei. Im anschließenden Katalogteil werden die wichtigsten Informationen zu jedem Werk wie Künstlername, Standort(e), Beschreibung, materielle Beschaffenheit, Inschrift oder Wappen präsentiert. Abgerundet wird der Band durch einen Anhang mit 137 Farb- und 53 Schwarzweißabbildungen sowie einer Stammtafel. Es ist zu hoffen, dass dieses wichtige Grundlagenwerk, wie von der Autorin gewünscht, Anregung zu weiteren Forschungen etwa zu den Auswirkungen von Konfessionalisierung, Französischer Revolution oder Säkularisation, hinsichtlich der Quellenlage in Bezug auf die Tafelmalerei, oder auch zu wissenschaftlichen Einzeluntersuchungen gibt.
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Rönz, Andrea, Schedl, Michaela, Tafelmalerei der Spätgotik am südlichen Mittelrhein (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 135), Mainz 2016, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Verzeichnisse/Literaturschau/schedl-michaela-tafelmalerei-der-spaetgotik-am-suedlichen-mittelrhein-quellen-und-abhandlungen-zur-mittelrheinischen-kirchengeschichte-135-mainz-2016/DE-2086/lido/5ee87e0346a7b3.43068118 (abgerufen am 03.10.2024)