August Bender

Lagerarzt im KZ Buchenwald, Landarzt in Vettweiß-Kelz (1909–2005)

Nico Biermanns (Aachen)

August Bender während der ED-Behandlung im Jahr 1947. (National Archives at College Park, Maryland)

Der ge­bür­ti­ge Kreu­zau­er Arzt Dr. med. Au­gust Ben­der war in der NS-Zeit als La­ger­arzt im KZ Bu­chen­wald tä­tig und dort an zahl­rei­chen Häft­lings­se­lek­tio­nen be­tei­ligt. Der SS-Sturm­bann­füh­rer un­ter­such­te Häft­lin­ge auf ih­re „Ar­beits­fä­hig­keit“ und ent­schied, wer für Zwangs­ar­beit taug­lich er­schien und wer als „un­brauch­bar“ zur Er­mor­dung in die Ver­nich­tungs­la­ger de­por­tiert wer­den soll­te. In der Nach­kriegs­zeit war er bis 1988 als be­lieb­ter Land­arzt in Vett­weiß-Kelz tä­tig und un­ter­hielt wei­ter­hin re­gen Kon­takt zu ehe­ma­li­gen SS-Ka­me­ra­den.

Hein­rich Au­gust Ben­der wur­de am 2.3.1909 als Sohn des aus Titz-Rö­din­gen stam­men­den „Ge­mein­de­emp­fän­ger­s“ Jo­hann Mi­cha­el Ben­der (ge­bo­ren 1877) und sei­ner Ehe­frau Ma­ria Agnes, ge­bo­re­ne Kay­ser (ge­bo­ren 1885), in Kreu­zau ge­bo­ren. Der Va­ter war als Amts­rent­meis­ter der Ge­mein­de Kreu­zau Teil der wil­hel­mi­ni­schen Be­am­ten­schaft, der Gro­ßva­ter und Na­mens­pa­te Hein­rich Au­gust Kay­ser (1844–1913) ge­hör­te als Pa­pier­fa­bri­kant (Pa­pier­fa­brik Kreu­zau-Win­den) zum Kreis der ver­mö­gen­den Dü­re­ner In­dus­tri­el­len. In Kreu­zau ver­leb­te Au­gust Ben­der sei­ne Kind­heit und Ju­gend in ei­nem gut si­tu­ier­ten bür­ger­li­chen El­tern­haus, wo er nach ka­tho­lisch-kon­ser­va­ti­ven Wer­te­vor­stel­lun­gen er­zo­gen wur­de.

Von 1915 bis 1920 be­such­te Ben­der die Volks­schu­le Kreu­zau und wech­sel­te dann auf das Re­al­gym­na­si­um in Dü­ren, wo er Os­tern 1929 das Ab­itur ab­leg­te. An­schlie­ßend stu­dier­te er an den Uni­ver­si­tä­ten BonnKöln, Frei­burg und Kiel Me­di­zin. In Kiel leg­te Ben­der 1935 das me­di­zi­ni­sche Staats­ex­amen ab und wur­de zum Dok­tor der Me­di­zin pro­mo­viert. Be­reits als jun­ger Me­di­zin­stu­dent war er zum 1. 5.1933 in die NS­DAP (Mit­glieds­num­mer 2.087.161) und zum 1.11.1933 in die SS (SS-Nr. 194.671) ein­ge­tre­ten. Im Ok­to­ber 1938 be­warb sich Au­gust Ben­der um ei­ne haupt­amt­li­che An­stel­lung als Sa­ni­täts­of­fi­zier in den SS-Ver­bän­den. Als An­ge­hö­ri­ger der Sa­ni­täts­staf­fel der SS-To­ten­kopf­stan­dar­te „Thü­rin­gen“ ge­hör­te er ab 1.11.1938 zum me­di­zi­ni­schen Per­so­nal, das für die SS-Wach­mann­schaf­ten und die Häft­lin­ge des KZ Bu­chen­wald zu­stän­dig war. Be­reits 1937 hat­te er in Dü­ren sei­ne zu­künf­ti­ge Ehe­frau, die mit dem Dü­re­ner Haut­arzt Hans Röntz (1900–1964) ver­hei­ra­te­te Hil­de­gard Röntz, ge­bo­re­ne Köp­pel­mann (1914–1985), ken­nen­ge­lernt. Mit ihr un­ter­hielt Ben­der schon wäh­rend ih­rer ers­ten Ehe ei­ne Af­fä­re. Nach ih­rer Schei­dung fand im Fe­bru­ar 1939 in Chem­nitz schlie­ß­lich die stan­des­amt­li­che Trau­ung statt. Aus der Ehe gin­gen zwei Kin­der her­vor: Wal­ter (ge­bo­ren 1940) und In­ge­borg (ge­bo­ren 1944).

Von No­vem­ber 1938 bis Sep­tem­ber 1939 war Ben­der als Trup­pen- und Fa­mi­li­en­arzt in Bu­chen­wald haupt­säch­lich für die ärzt­li­che Be­treu­ung der SS-Wach­mann­schaf­ten und de­ren Fa­mi­li­en zu­stän­dig. Aus­hilfs­wei­se über­nahm er aber be­reits 1938/1939 la­ger­ärzt­li­che Auf­ga­ben. Im La­ger traf er da­bei die Kreu­zau­er Hein­rich Mayntz (ge­bo­ren 1906) und Wal­ter Milz (ge­bo­ren 1907) wie­der, die hier von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten als so­ge­nann­te Ar­beits­scheue in­haf­tiert wur­den. Die Zu­stän­de im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger voll­kom­men ver­klä­rend, schwärm­te Ben­der noch in sei­nen Me­moi­ren von 1993 von der her­vor­ra­gen­den Kü­che un­ter dem ge­fürch­te­ten La­ger­kom­man­dan­ten Karl Ot­to Koch (1897–1945): „Der Chef­koch, na­tür­lich ein Häft­ling, ehe­ma­li­ger Chef­koch des „Ho­tel Ad­lon“ Ber­lin. Der Kell­ner eben­falls von dort. Er­le­se­ne Spei­sen, zum Teil à la car­te, und Ge­trän­ke bes­ter Gü­te. Das war dort ein Le­ben, mor­gens, mit­tags, abends.“ Für Il­se Koch (1906–1967), die „He­xe von Bu­chen­wal­d“, fin­det Ben­der nur be­wun­dern­de Wor­te: „Il­se war hoch­ge­bil­det, ei­ne Schön­heit, leicht röt­li­che lan­ge blon­de Lo­cken, schnee­weis­se Haut, grün­li­che Au­gen – sie hät­te beim Film Kar­rie­re ma­chen kön­nen. Und erst die Fi­gur!“ Auch von ei­ner per­sön­li­chen Be­geg­nung mit dem Reichs­füh­rer SS Hein­rich Himm­ler (1900–1945) be­rich­tet er: „War kein rei­nes Ver­gnü­gen. Er stell­te ei­ne Fra­ge, sah ei­nen an. Dann muss­te man re­den. Wenn es ihm nicht ge­nüg­te, wie­der ein kur­zer Blick – und man re­de­te wei­ter. Dann kam der nächs­te dran“. Dass Ben­der Himm­lers Wert­schät­zung ge­noss, be­legt der ihm 1939 ver­lie­he­ne SS-Eh­ren­de­gen, „ein­gra­vier­te Nr. 98 mit Ver­lei­hungs-Ur­kun­de, von Himm­ler per­sön­lich un­ter­schrie­ben (Tin­ten­sprit­zer deut­lich sicht­bar)“, wie Ben­der stolz schreibt.

Mit dem Be­ginn des Zwei­ten Welt­kriegs wur­de Ben­der im Zu­ge der Auf­stel­lung der SS-Di­vi­si­on To­ten­kopf aus KZ-Wach­per­so­nal zur SS-Ka­ser­ne Dach­au ver­setzt. Als Trup­pen­arzt bei der Auf­klä­rungs­ab­tei­lung, dem Wirt­schafts­ba­tail­lon und zu­letzt der Pan­zer­jä­ger­ab­tei­lung nahm er mit der SS-To­ten­kopf­di­vi­si­on am Frank­reich­feld­zug und am Ost­feld­zug teil. Ihm wur­de das Ei­ser­ne Kreuz II. Klas­se, die Ost­me­dail­le und der Dem­janskschild ver­lie­hen. Im März 1941 war Ben­der aus der rö­misch-ka­tho­li­schen Kir­che aus­ge­tre­ten und be­kräf­tig­te als so­ge­nann­ter Gott­gläu­bi­ger sei­ne be­son­de­re welt­an­schau­li­che Bin­dung zu „Himm­lers Qua­si-Re­li­gi­on“. Im Ja­nu­ar 1943 wur­de er zum SS-Sturm­bann­füh­rer be­för­dert.

Im Ja­nu­ar 1944 wur­de Ben­der von sei­ner Ein­heit in Odes­sa am Schwar­zen Meer zu­rück nach Bu­chen­wald ver­setzt. Bis Au­gust 1944 war er in Bu­chen­wald als Arzt für die An­ge­hö­ri­gen der Di­vi­si­ons-Wachstu­be der SS-To­ten­kopf­di­vi­si­on, die Kom­man­dan­tur­an­ge­hö­ri­gen, die SS-Wach­mann­schaf­ten, die Zi­vil­ar­bei­ter und -an­ge­stell­ten der Gust­loff-Wer­ke und de­ren Fa­mi­li­en und als zu­stän­di­ger Arzt für Ehe­be­ra­tun­gen und SS-Hei­rats­un­ter­su­chun­gen ein­ge­setzt. Ab Au­gust 1944 über­nahm er zu­sätz­lich den Pos­ten des zwei­ten La­ger­arz­tes un­ter dem Stand­ort­arzt und ers­ten La­ger­arzt Ger­hard Schied­laus­ky (1906–1947).

Nach ei­ge­ner An­ga­be um­fass­te Ben­ders Tä­tig­keit als La­ger­arzt vor al­lem die „Mus­te­run­g“ von Häft­lin­gen für den Ar­beits­ein­satz, die mit Trans­por­ten in Au­ßen­kom­man­dos des KZ Bu­chen­wald ge­bracht wer­den soll­ten. Der La­ger­arzt hat­te die Häft­lin­ge in die­sem Kon­text auf ih­re Ar­beitstaug­lich­keit hin zu un­ter­su­chen, nach Ver­wend­bar­keit ein­zu­tei­len so­wie Kran­ke und Schwa­che zur „Ver­nich­tun­g“ aus­zu­son­dern. Ben­der, der nach ei­ge­nen An­ga­ben teil­wei­se bis zu 1.500 Häft­lin­ge täg­lich mus­ter­te, gab spä­ter in ei­ner staats­an­walt­schaft­li­chen Ver­neh­mung zu, dass „man dem ein­zel­nen Häft­ling kaum mehr als ei­nen Blick gön­nen“ konn­te und nach ei­nem „grob­sich­ti­gen Be­fund die ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dun­g“ ha­be tref­fen müs­sen. Auch an der Se­lek­ti­on für Trans­por­te von min­der­jäh­ri­gen Ju­den und Sin­ti und Ro­ma in das Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz-Bir­ken­au im Herbst 1944 war Ben­der ma­ß­geb­lich be­tei­ligt.

Von den in Bu­chen­wald durch­ge­führ­ten Hin­rich­tun­gen, de­nen stets ein Arzt zur Be­schei­ni­gung des To­des bei­wohn­te, be­rich­tet Ben­der in sei­nen Me­moi­ren: „Kur­ze Ge­richts­ver­hand­lung, ab nach Bu­chen­wald: Uni­for­mier­te zum Er­schies­sen, al­les an­de­re zum Hän­gen. Das Er­schies­sen hat­te man dort nicht ger­ne. Es mach­te zu viel Auf­se­hen und Lärm. […] We­he, wenn so ei­ni­ge al­te Wehr­macht­re­ser­vis­ten, die Pos­ten stan­den, da­zu be­foh­len wur­den! Kei­ner woll­te es ge­we­sen [sein], und so gab es nur Ver­let­zun­gen oder auch gar nichts. Für den ar­men Kerl am Pfahl ei­ne Qual. Er wur­de dann vom Kom­man­do Füh­rer durch Ge­nick­schuss er­löst.“

Am 11.4.1945 trat Ben­der nach der Räu­mung Bu­chen­walds durch die SS sei­nen Rück­zug in die so­ge­nann­te Al­pen­fes­tung an. In Hol­lers­bach bei Mit­ter­sill ge­riet er An­fang Mai 1945 in ame­ri­ka­ni­sche Ge­fan­gen­schaft. In In­ter­nie­rungs­haft durch­lief Ben­der ver­schie­de­ne In­ter­nie­rungs­la­ger, im No­vem­ber 1945 wur­de er ins „Son­der­la­ger Dach­au“ ge­bracht; ab dem 18.11.1946 durf­te er hier wie­der als Arzt tä­tig wer­den. Im März 1947 wur­de Ben­der schlie­ß­lich im Dach­au­er Bu­chen­wald-Haupt­pro­zess an­ge­klagt. Das Ur­teil vom 14.8.1947 lau­te­te für Au­gust Ben­der auf zehn Jah­re Ge­fäng­nis für sei­ne Tä­tig­keit als zwei­ter La­ger­arzt im KZ Bu­chen­wald. Auch auf­grund von ent­las­ten­den Zeu­gen­aus­sa­gen ehe­ma­li­ger Funk­ti­ons­häft­lin­ge er­hielt Ben­der un­ter al­len 31 An­ge­klag­ten die ge­rings­te Stra­fe.

Vom Tag der Ur­teils­ver­kün­dung an saß Ben­der im US-ame­ri­ka­ni­schen Kriegs­ver­bre­cher­ge­fäng­nis in Lands­berg am Lech. Als Arzt im Ge­fäng­nis­hos­pi­tal lei­te­te Ben­der die po­ly­kli­ni­sche Sprech­stun­de. Zu sei­nen Kol­le­gen im Hos­pi­tal ge­hör­ten Ärz­te wie der Tro­pen­me­di­zi­ner Ger­hard Ro­se (1896–1992), Hit­lers ehe­ma­li­ger Be­gleit­arzt Karl Brandt (1904–1948) so­wie Wil­helm Bei­gl­böck (1905–1963) und Fritz Fi­scher (1912–2003), die bei­de grau­sa­me Men­schen­ver­su­che in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern durch­ge­führt hat­ten. Durch Ab­spra­chen mit dem Wach­per­so­nal ge­lang es Ben­der nach ei­ge­ner Aus­sa­ge, zum To­de Ver­ur­teil­te vor dem „Hän­gen“ noch ein­mal für ei­ni­ge Zeit „aus dem Git­ter­kä­fig her­aus zu ho­len.“ Den Zeit­punkt der Hin­rich­tung ha­be er durch Ver­ab­rei­chung von fie­ber­ver­ur­sa­chen­den in­tra­mus­ku­lä­ren Mil­ch­in­jek­tio­nen au­ßer­dem häu­fig hin­aus­zö­gern kön­nen.

Ent­spre­chend des sich ver­än­dern­den ge­sell­schaft­li­chen und po­li­ti­schen Kli­mas wur­de Ben­ders Straf­maß am 8.6.1948 von zehn auf drei Jah­re Haft re­du­ziert. Be­reits am 21.6.1948 wur­de er schlie­ß­lich aus der Lands­ber­ger Haft ent­las­sen. Nach sei­ner Haft­ent­las­sung un­ter­hielt Ben­der re­gen Brief­kon­takt zu an­de­ren „Lands­ber­gern“ und ehe­ma­li­gen SS-Ka­me­ra­den. Wie um­fang­reich Ben­ders Be­kannt­schafts­kreis war, be­zeugt ein Be­such von Mar­ga­re­te Himm­ler (1893–1967) bei den Ben­ders in Kelz 1949/1950, von dem Ben­der in sei­nen Me­moi­ren be­rich­tet.

Im Ok­to­ber 1949 gab Ben­der per An­non­ce be­kannt, dass er sich in Kelz bei Vett­weiß als prak­ti­scher Arzt nie­der­ge­las­sen ha­be. Im zu­vor durch­lau­fe­nen Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren hat­te er ei­ni­ge De­tails ver­schwie­gen und den Kir­chen­aus­tritt im Jahr 1941 be­wusst ver­leug­net. Im Kli­ma der west­deut­schen „Ver­drän­gungs­ge­sell­schaf­t“ der Nach­kriegs­jah­re wur­de er trotz ehe­ma­li­ger SS-Zu­ge­hö­rig­keit und Tä­tig­keit als KZ-Arzt als „Mit­läu­fer“ ent­na­zi­fi­ziert und durf­te sei­ne ärzt­li­che Tä­tig­keit wie­der­auf­neh­men. Im Lau­fe der Jah­re wur­de sei­ne Pra­xis zu ei­ner „In­sti­tu­ti­on“ im länd­lich ge­präg­ten Kelz und Um­kreis.  Im Zu­sam­men­hang ei­nes von der Staats­an­walt­schaft Köln in den 1960er Jah­ren er­öff­ne­ten Er­mitt­lungs­ver­fah­rens ge­gen Ben­der we­gen des Ver­dachts der Bei­hil­fe zum Mord wur­de er noch zwei­mal ver­hört, wo­bei er zahl­rei­che apo­lo­ge­ti­sche Falsch­an­ga­ben mach­te und sich selbst ins­ge­samt für schuld­los be­fand: „Zu­sam­men­fas­send er­klä­re ich, dass ich mich völ­lig schuld­los füh­le.“ Er ha­be sich zu je­der Zeit ge­treu dem Eid des Hip­po­kra­tes ver­hal­ten. Das Ver­fah­ren wur­de 1971 ein­ge­stellt.

Zu sei­nen ehe­ma­li­gen Ka­me­ra­den hielt Ben­der wei­ter­hin re­gel­mä­ßi­gen Kon­takt: Seit Ok­to­ber 1953 ge­hör­te er der „Hilfs­ge­mein­schaft auf Ge­gen­sei­tig­keit der ehe­ma­li­gen An­ge­hö­ri­gen der Waf­fen-SS“ (HIAG) an, die zeit­wei­se we­gen rechts­ex­tre­mer Ten­den­zen vom Ver­fas­sungs­schutz be­ob­ach­tet wur­de. Hier über­nahm er bei der um­trie­bi­gen Ka­me­rad­schaft Dü­ren ver­schie­de­ne Äm­ter, nahm an den re­gel­mä­ßi­gen Ka­me­rad­schafts­aben­den eben­so teil wie an all­jähr­li­chen Kranz­nie­der­le­gun­gen an Kriegs­grä­ber­stät­ten in Dü­ren. Auch auf über­re­gio­na­ler Ebe­ne war Ben­der ak­tiv: Als Mit­glied der Trup­pen­ka­me­rad­schaft der 3. SS-Di­vi­si­on To­ten­kopf nahm er an di­ver­sen Tref­fen und Fahr­ten teil. Am 5.4.1966 wur­de Ben­der die HIAG-Sil­ber­na­del ver­lie­hen, am 15.10.1983 folg­te die Ver­lei­hung der „Eh­ren­na­del in Gol­d“.

Dass Ben­der der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Welt­an­schau­ung – ent­ge­gen an­ders­lau­ten­der Be­teue­run­gen in den staats­an­walt­li­chen Ver­neh­mun­gen – weit­ge­hend ver­bun­den blieb, wird in sei­nen Me­moi­ren von 1993 deut­lich. Ein Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger be­zeich­net er als „ein in sich le­bens­fä­hi­ges Ge­bil­de“, zu Gas­kam­mern schreibt er gar: „In den Gas­kam­mern wur­den tau­sen­de ver­nich­tet. Stimmt: Läu­se und sons­ti­ges Un­ge­zie­fer.“ Wie tief Ben­der die nach 1945 kol­por­tier­ten Apo­lo­gi­en und Ver­blen­dun­gen der ehe­ma­li­gen SS-An­ge­hö­ri­gen ver­in­ner­licht hat­te, be­zeugt auch sei­ne An­nah­me, Himm­ler sei bei Kriegs­en­de von den Bri­ten „mit ei­nem Sand­sack-Schlä­ger das Ge­nick zer­trüm­mer­t“ wor­den. Was man in den Me­moi­ren ver­ge­bens sucht, sind Wor­te der Selbst­kri­tik, des Schuld­be­kennt­nis­ses und der Ein­sicht.

Ben­ders NS-Ver­gan­gen­heit und sei­ne Kon­takt­pfle­ge zu na­tio­nal­so­zia­lis­tisch ori­en­tier­ten Krei­sen wa­ren in Vett­weiß-Kelz ein of­fe­nes Ge­heim­nis. In sei­nem Sprech­zim­mer hing nach Be­rich­ten ei­nes Phar­ma­ver­tre­ters noch Mit­te der 1980er Jah­re ein Por­trät von SS-Oberst-Grup­pen­füh­rer „Sep­p“ Diet­rich (1892–1966), im Kel­ler soll Ben­der ein klei­nes SS-Pri­vat­mu­se­um be­trie­ben ha­ben, das er In­ter­es­sier­ten be­reit­wil­lig ge­zeigt ha­be. Auf dem Trep­pen­po­dest hin­ge­gen prä­sen­tier­te er Be­su­chern ei­ne jü­di­sche Me­n­ora aus der im No­vem­ber­po­grom 1938 zer­stör­ten Syn­ago­ge in Vett­weiß, die er Mit­te der 1960er Jah­re zur Be­glei­chung ei­ner Arzt­rech­nung von ei­nem Vett­wei­ßer Land­wirt er­hal­ten hat­te. Den sie­ben­ar­mi­gen Leuch­ter über­gab Ben­der kurz vor sei­nem Tod dem LVR, der ihn heu­te im LVR-Kul­tur­haus Land­syn­ago­ge Rö­din­gen aus­stellt.

Die letz­te Zeit vor sei­nem Tod ver­leb­te er in ei­nem Al­ten­heim in Dü­ren, wo er bei Kaf­fee und Ku­chen bis zu­letzt ger­ne im „Frei­wil­li­gen“, dem Ka­me­rad­schafts­blatt der HIAG, blät­ter­te und ver­gan­ge­nen Zei­ten nach­sinn­te. Am 29.12.2005 ver­starb Au­gust Ben­der im Al­ter von 96 Jah­ren in Dü­ren. Der Orts­vor­ste­her von Vett­weiß-Kelz nennt ihn in ei­nem Nach­ruf wert­schät­zend „un­se­ren Dok­tor“ und wür­digt sei­ne Tä­tig­keit als Land­arzt: „Dr. Ben­der kann­te die Sei­nen, er sprach ih­re Spra­che.“ Von ehe­ma­li­gen Pa­ti­en­ten wird vor al­lem sei­ne un­bü­ro­kra­ti­sche und im Zwei­fel auch un­ent­gelt­li­che Be­reit­schaft zu hel­fen her­vor­ge­ho­ben. Ob­wohl sei­ne NS-Ver­gan­gen­heit im Ort be­kannt war, wid­me­ten ihm die Kul­tur- und Na­tur­freun­de Kelz ge­mein­sam mit zwei an­de­ren ver­dien­ten Per­sön­lich­kei­ten des Or­tes ei­ne Ge­denk­ta­fel im Kul­tur­haus, die spä­ter wie­der ent­fernt wur­de.

Quellen

Bun­des­ar­chiv Ber­lin

R 9361 III/516482, SS-Füh­rer­per­so­nal­ak­te/SSO Au­gust Ben­der. R 9361 III/10619, Ak­te des SS-Ras­se- und Sied­lungs­haupt­am­tes Au­gust Ben­der. VBS 1013 (NS 34)/ZM 0316 A. 01-22, SS-Per­so­nal­un­ter­la­gen Au­gust Ben­der.
Bun­des­ar­chiv Ko­blenz

N 1788, Nach­lass Au­gust Ben­der.

Lan­des­ar­chiv Nord­rhein-West­fa­len, Ab­tei­lung Rhein­land

NW 1081/4498, Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ak­te Au­gust Ben­der. Ge­rich­te Rep. 118 Nr. 2–4, Staats­an­walt­li­che Er­mitt­lungs­ak­te Au­gust Ben­der.

Per­sön­lich­kei­ten ei­ne neue Ta­fel ge­wid­met, in: Amts­blatt für die Ge­mein­de Vett­weiß 5/2006, S. 14–15.

Wirtz, Karl, „Un­ser Dok­tor“ starb im De­zem­ber, in: Amts­blatt für die Ge­mein­de Vett­weiß 3/2006, S. 14.

Zak, Ji­ri, Der Ge­sund­schrei­be-Dok­tor, in: Ha­ckett, Da­vid A. (Hg.), Der Bu­chen­wald-Re­port. Be­richt über das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Bu­chen­wald bei Wei­mar, Mün­chen 1996, S. 257. 

Literatur

Bier­manns, Ni­co, Land­arzt und SS-Sturm­bann­füh­rer. Der Kreu­zau­er Arzt Dr. med. Au­gust Ben­der. Ei­ne kri­ti­sche Bio­gra­fie, Dü­ren 2019.
Reu­ter, Ur­su­la, Der Leuch­ter aus der Syn­ago­ge in Vett­weiß. Zur Ge­schich­te ei­nes Ob­jekts und sei­ner Be­sit­zer, in: Kreis­jahr­buch Dü­ren 2015, S. 97–106.
Scherf, Wer­ner, Die Ver­bre­chen der SS-Ärz­te im KZ Bu­chen­wald – der an­ti­fa­schis­ti­sche Wi­der­stand im Häft­lings­kran­ken­bau. 2. Bei­trag: Ju­ris­ti­sche Pro­ble­me, Dis­ser­ta­ti­on, Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Ber­lin 1987.
Schwe­da, Clau­dia, Der Land­arzt, der ein KZ-Arzt war, in: Dü­re­ner Zei­tung vom 25.8.2012.
Stein, Har­ry, Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Bu­chen­wald 1937–1945. Be­gleit­band zur stän­di­gen his­to­ri­schen Aus­stel­lung, Göt­tin­gen 1999. 

August Bender, Profilaufnahme der Erkennungsdienstlichen Behandlung, 1947. (National Archives at College Park, Maryland)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Biermanns, Nico, August Bender, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/august-bender/DE-2086/lido/5f92db8c073bc3.62053386 (abgerufen am 19.03.2024)