Hanna Jordan

Bühnenbildnerin (1921-2014)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Porträtaufnahme von Hanna Jordan, Foto: Andreas Fischer. (Privatbesitz Andreas Fischer)

„Ei­ne kla­re und Raum schaf­fen­de Ar­chi­tek­tur ist das Be­son­de­re, so­zu­sa­gen der Stil ih­rer Ent­wür­fe,“ hieß es im „Neu­en Rhein­lan­d“ im Ju­li 1973 über die Wup­per­ta­ler Büh­nen­bild­ne­rin Han­na Jor­dan. Na­he­zu fünf Jahr­zehn­te lang ar­bei­te­te sie für die Städ­ti­schen Büh­nen ih­rer Hei­mat­stadt. Auch bun­des­weit war Han­na Jor­dan in der Aus­stat­tung von Schau­spie­len und Opern und nicht zu­letzt beim Fern­se­hen ge­fragt und er­folg­reich.

Han­na Jor­dan kam am 3.4.1921 im el­ter­li­chen Haus in der Wo­tan­stra­ße 15 im Wup­per­ta­ler Zoo­vier­tel zur Welt. Ih­re El­tern wa­ren der pro­tes­tan­ti­sche Un­ter­neh­mer Franz Jor­dan, In­ha­ber ei­ner Ma­trat­zen­fa­brik, und sei­ne Ehe­frau Hen­ri­et­te, ge­bo­re­ne Da­ni­els, die aus ei­ner jü­di­schen Fa­mi­lie stamm­te. Die Toch­ter ei­nes Tex­til­händ­lers aus Ober­hau­sen be­tä­tig­te sich in Wup­per­tal als eh­ren­amt­li­che So­zi­al­ar­bei­te­rin. Im Al­ter von drei Jah­ren wur­de Han­na Jor­dan pro­tes­tan­tisch ge­tauft, nicht aus re­li­giö­ser Über­zeu­gung der El­tern, die Frei­den­ker und Pa­zi­fis­ten wa­ren und sich schlie­ß­lich den Quä­kern an­schlos­sen, son­dern da­mit sie ir­gend­wo da­zu ge­hö­ren soll­te.

Ih­re li­be­ral und kos­mo­po­li­tisch ein­ge­stell­ten El­tern führ­ten in der Wo­tan­stra­ße ein of­fe­nes Haus, in dem die Bil­den­den Küns­te, Mu­sik und Li­te­ra­tur ei­nen ho­hen Stel­len­wert be­sa­ßen. Han­na Jor­dan er­hielt schon früh Kla­vier­un­ter­richt. Wann im­mer sich die Pia­nis­tin Lub­ka Ko­les­sa (1902-1997), Kla­vier­be­glei­te­rin des Gei­gers Je­hu­di Men­u­hin (1916-1999), sich in der Re­gi­on auf­hielt, wur­de sie vom Ehe­paar Jor­dan be­her­bergt. So zeig­te sich Han­na Jor­dans um­fas­sen­des künst­le­ri­sches Ta­lent schon im Kin­des­al­ter. Mit elf Jah­ren be­stritt sie ih­re ers­te Aus­stel­lung in ei­ner Bü­cher­stu­be in Darm­stadt, der Hei­mat­stadt ih­res Va­ters. Sie be­such­te die Evan­ge­li­sche Volks­schu­le in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) und im An­schluss dar­an die Frau­en­ober­schu­le in Voh­win­kel (heu­te Stadt Wup­per­tal).

1935 be­schlos­sen Hen­ri­et­te und Franz Jor­dan, ih­re Toch­ter, die nun nach der „Ras­sen­leh­re“ der Na­tio­nal­so­zia­lis­tin „Halb­jü­din“ war, zur wei­te­ren Aus­bil­dung nach Hol­land zu schi­cken. Hier war in Schloss Eer­de bei Om­men ei­ne „In­ter­na­tio­na­le Quä­ker-Schu­le“ er­öff­net wor­den, an der Han­na Jor­dan 1939 ihr Ab­itur ab­leg­te. Die Schu­le ver­folg­te ei­nen ko­edu­ka­ti­ven, le­bens­re­for­me­risch ge­präg­ten An­satz mit der brei­ten För­de­rung hand­werk­li­cher und künst­le­ri­scher Fä­hig­kei­ten, dem Gar­ten­bau zur Selbst­ver­sor­gung und nicht zu­letzt der Schü­ler­mit­ver­wal­tung. In Eer­de ver­brach­te Han­na Jor­dan die viel­leicht schöns­ten Jah­re ih­res Le­bens. Und hier ent­stan­den ih­re ers­ten Büh­nen­bil­der für die Auf­füh­run­gen der Thea­ter­grup­pe.

1939 kehr­te Han­na Jor­dan nach Wup­per­tal zu­rück. Ihr Plan, zu­sam­men mit der Mut­ter nach Eng­land zu emi­grie­ren, wur­de durch den Be­ginn des Zwei­ten Welt­kriegs ver­ei­telt. Statt­des­sen be­such­te sie zwei Se­mes­ter lang die Wup­per­ta­ler Kunst­ge­wer­be­schu­le. Da sie sich je­doch ent­schlos­sen hat­te, Büh­nen­bild­ne­rin zu wer­den, wech­sel­te sie an die Kunst­aka­de­mie in Düs­sel­dorf. Sie be­stand die Auf­nah­me­prü­fung mit Bra­vour, wur­de dann je­doch als „Misch­ling ers­ten Gra­de­s“ nach drei Mo­na­ten des In­sti­tuts ver­wie­sen. Sie be­warb sich in der Büh­nen­bild­klas­se der Folk­wangschu­le in Es­sen und blieb dort bis zu de­ren Schlie­ßung im Jah­re 1942. Im An­schluss dar­an ar­bei­te­te sie als Tech­ni­sche Zeich­ne­rin in ei­nem Un­ter­neh­men in Bar­men (Stadt Wup­per­tal), das Gas­kes­sel her­stell­te. Dort sei sie von Kol­le­gen vor Nach­stel­lun­gen der SA im Be­trieb be­schützt wor­den.

Im Sep­tem­ber 1944 wur­de ihr Va­ter in sei­ner Fa­brik durch ei­nen an­ony­men An­ruf von der be­vor­ste­hen­den De­por­ta­ti­on Wup­per­ta­ler Ju­den in­for­miert, er sol­le sei­ne Frau in Si­cher­heit brin­gen. Die Fa­mi­lie be­schloss un­ter­zu­tau­chen. Hen­ri­et­te und Han­na Jor­dan über­leb­ten das NS-Re­gime in Ver­ste­cken bei be­freun­de­ten Quä­kern. Hen­ri­et­te Jor­dan wur­de von Au­gus­te Fuchs (1887-1971) und ih­rem Mann Fritz Fuchs (1881-1972), dem spä­te­ren Stell­ver­tre­ten­den Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt Köln, in de­ren Haus in Ber­gisch Glad­bach-Biese auf­ge­nom­men, wo sie bis Kriegs­en­de blei­ben konn­te. Han­na Jor­dan schlug sich durch, in­dem sie zu­nächst vier Ta­ge in Duis­burg bei der Apo­the­ke­rin An­ne­ma­rie Möl­ler (ge­stor­ben 1978) in de­ren Apo­the­ke ver­steckt wur­de. Zu­sam­men mit ih­rem Va­ter kam sie dann für neun Wo­chen in der Woh­nung von Frie­del und Ernst Lu­se­brink in El­ber­feld un­ter. Nach­dem die Si­tua­ti­on in der hell­hö­ri­gen Woh­nung zu ge­fähr­lich wur­de, ging Han­na Jor­dan um die Wen­de 1944/1945 zu Re­si und Gün­ter Ebert (1919-1976) nach Düs­sel­dorf-Witt­la­er. Hier er­leb­te sie die Be­frei­ung am 21.4.1945.

Han­na Jor­dan kehr­te in ih­re Hei­mat­stadt zu­rück, be­tä­tig­te sich als Dol­met­sche­rin für die Heils­ar­mee und grün­de­te zu­sam­men mit ih­rer Mut­ter das Wup­per­ta­ler Nach­bar­schafts­heim e. V. 1947 hei­ra­te­te sie den Ju­ris­ten Wal­ter Kraft, am 14.7.1948 wur­de Toch­ter Til­la ge­bo­ren. Im Ok­to­ber 1958 er­eil­te sie ein Schick­sals­schlag, als die­se - ihr ein­zi­ges Kind - in­fol­ge ei­ner Grip­pe starb.

Han­na Jor­dans Kar­rie­re als Büh­nen­bild­ne­rin star­te­te 1945 als Mit­ar­bei­te­rin des Düs­sel­dor­fer Ka­ba­retts „Die Wä­sche­lei­ne“, dem Vor­läu­fer des Kom(m)ödchens. Ih­re Zu­sam­men­ar­beit mit dem Thea­ter Wup­per­tal be­gann am 28.4.1946 mit dem Büh­nen­bild für die Ko­mö­die „Die Hei­ra­t“ von Ni­co­lai Go­gol (1809-1852). 1947 er­hielt sie ei­ne Fest­an­stel­lung. In den fol­gen­den drei Spiel­zei­ten stat­te­te sie an­nä­hernd 30 Stü­cke aus. Ih­re frü­hen Ar­bei­ten be­wer­te­te Han­na Jor­dan aus der Rück­schau als eher kon­ven­tio­nell, ehe sie An­fang der 1950er Jah­re in ei­ne Pha­se der Abs­trak­ti­on und ra­di­ka­len Ver­ein­fa­chung des Büh­nen­bild­ent­wurfs ein­trat. 

Han­na Jor­dan blieb Wup­per­tal zeit ih­res Le­bens und trotz gro­ßer Er­fol­ge auf deut­schen Büh­nen eng ver­bun­den, be­ruf­lich wie pri­vat. Wäh­rend mei­ner lan­gen ‚Wan­der­jah­re‘ ha­be ich mich im­mer auf ‚zu Hau­se‘ ge­freut, auf ‚mein‘ Thea­ter in Wup­per­tal, von dem ich mich nie wirk­lich ge­trennt ha­be. So man­chem, der hier zum ers­ten Mal her­ein­ge­schaut hat, mag es vor­ge­kom­men sein, als sei er in ei­nen Tan­te-Em­ma-La­den ge­ra­ten. Es fehlt hier an Ein­rich­tun­gen, die fast über­all an­ders­wo selbst­ver­ständ­lich sind. […] Aber nir­gend­wo ha­be ich mich so un­ge­hin­dert von bü­ro­kra­ti­schen Brems­ma­nö­vern be­we­gen kön­nen, wie hier. Die Zu­sam­men­ar­beit ist her­vor­ra­gend. Da­für nimmt man viel in Kauf. Wor­über sie sich in An­be­tracht ih­rer Kar­rie­re am meis­ten wun­der­te, war die Tat­sa­che, dass ihr die­se als hal­ber Au­to­di­dak­tin ge­lang: Und wie ich die kom­pli­zier­tes­ten tech­ni­schen Din­ge ge­schafft ha­be, ist mir heu­te auch schlei­er­haft, ich war doch gar nicht rich­tig aus­ge­bil­det. In den 1960er Jah­ren wur­de Han­na Jor­dan von zahl­rei­chen deutsch­spra­chi­gen Büh­nen zur Zu­sam­men­ar­beit ein­ge­la­den. Auf der lan­gen Lis­te stan­den un­ter an­de­rem die Thea­ter in Es­sen, Köln, Düs­sel­dorf, Bonn, Reck­ling­hau­sen, Ham­burg, Han­no­ver, Frank­furt am Main, Darm­stadt, Mann­heim, Stutt­gart, Mün­chen, Graz und Wien. Hier ar­bei­te­te sie un­ter an­de­rem mit den Re­gis­seu­ren Hel­mut Hen­richs (1907-1975), Imo Mosz­ko­wicz (1925-2011), Wolf­gang Lie­ben­ei­ner (1905-1987) und Ru­dolf No­el­te (1921-2002).

Ins­be­son­de­re die Zu­sam­men­ar­beit mit Ru­dolf No­el­te er­wies sich als au­ßer­or­dent­lich frucht­bar: „Mit Ru­dolf No­el­te als Re­gis­seur hat Han­na Jor­dan Thea­ter­ge­schich­te ge­schrie­ben: Die bei­den Tsche­chow-In­sze­nie­run­gen ‚Drei Schwes­tern‘ [am Staats­schau­spiel] in Stutt­gart 1965 und ‚Kirsch­gar­ten‘ in Mün­chen [am Re­si­denz­thea­ter] 1970 wa­ren her­aus­ra­gend in der deut­schen Thea­ter­land­schaft und wur­den bei­de zum Ber­li­ner Thea­ter­tref­fen ein­ge­la­den.“[1] Be­ein­dru­ckend war die Drei-Räu­me-Per­spek­ti­ve, die Jor­dan für die Stutt­gar­ter In­sze­nie­rung von „Drei Schwes­tern“ schuf: „Durch die­se trick­rei­che Ar­chi­tek­tur ge­win­nen Dar­stel­ler an Grö­ße, zu­sätz­lich an­ge­ho­ben durch den schräg an­stei­gen­den Bo­den, der Mensch tritt in den Mit­tel­punkt. Die drei hin­ter­ein­an­der lie­gen­den, sich ver­en­gen­den Räu­me ma­chen ei­nen Um­bau über­flüs­sig, las­sen ver­schie­de­ne Si­tua­tio­nen plau­si­bel er­schei­nen, tren­nen die Schau­spie­ler von­ein­an­der, las­sen Si­mul­ta­nes glaub­wür­dig zu.“[2] Und dies, oh­ne dass die Büh­nen­ar­chi­tek­tur sich in den Vor­der­grund dräng­te.  Hier wer­den zwei Grund­ein­stel­lun­gen Han­na Jor­dans sicht­bar. Der Kri­ti­ker Hell­mut Ka­ra­sek (1934-2015) hat sie an­läss­lich der Ver­lei­hung des Von-der-Heydt-Prei­ses an Han­na Jor­dan 1965 in der fol­gen­den Wei­se um­ris­sen: „Frau Jor­dan baut dem Stück ei­ne Sze­ne­rie, sie schmückt es nicht, putzt es nicht auf. Sie hat in al­ler Deut­lich­keit im­mer wie­der be­tont, dass die Büh­ne kein Ort sei, wo sich ma­le­ri­scher Ehr­geiz aus­zu­le­ben ha­be, das Büh­nen­bild mehr ei­ne Sa­che der Ar­chi­tek­tur, als der an­ge­wand­ten mo­der­nen Kunst sei.“[3] Und dass „Mo­der­ni­tät“ sich nicht zwangs­läu­fig ein­stel­le, wenn sie „will­kür­lich mit mo­di­scher Ent­schlos­sen­heit über das Stück ver­häng­t“ wer­de.

1958 be­gann Han­na Jor­dans Zu­sam­men­ar­beit mit dem Re­gis­seur Imo Mosz­ko­wicz an­läss­lich der In­sze­nie­rung und deut­schen Erst­auf­füh­rung des Mu­si­cals „Kiss me, Ka­te“ von Co­le Por­ter (1891-1964). Mos­ko­wicz, der sei­ne Kar­rie­re als Re­gie­as­sis­tent von Gus­taf Gründ­gens (1899-1963) in Düs­sel­dorf be­gon­nen hat­te, hol­te sie auch nach Gründ­gens‘ Wech­sel ans Deut­sche Schau­spiel­haus nach Ham­burg, um dort ei­ni­ge In­sze­nie­run­gen aus­zu­stat­ten.

Und Mosz­ko­wicz war es, der Han­na Jor­dan in den spä­ten 1950er Jah­ren zum neu­en Me­di­um Fern­se­hen brach­te, das zu die­sem Zeit­punkt noch pro­duk­ti­ons­tech­nisch in den Kin­der­schu­hen steck­te. Für den West­deut­schen Rund­funk (WDR) rea­li­sier­te sie zu­sam­men mit Mosz­ko­wicz die Pro­duk­ti­on „Kiss me, Ka­te“, die 1961 li­ve aus dem Apol­lo-Thea­ter in Düs­sel­dorf mit dem Köl­ner Rund­funksin­fo­nie­or­ches­ter über­tra­gen wur­de. Ab­ge­se­hen da­von ar­bei­te­te das Tan­dem Mosz­ko­wicz / Jor­dan auch für das Fern­seh­spiel des WDR, et­wa bei der Pro­duk­ti­on der Ko­mö­die „Sie wer­den ster­ben, Si­re!“ von Leo­pold Ahl­sen (1927-2018), aus­ge­strahlt am 3.12.1964. Da es dem WDR zu die­sem Zeit­punkt noch an aus­rei­chen­der Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tät fehl­te, war Im­pro­vi­sie­ren an­ge­sagt, wo wie in ei­nem an­ge­mie­te­ten Tanz­saal in Köln-Rath-Heu­mar: „Ei­ne Knei­pe mit ei­nem rie­sen­gro­ßen Saal. Han­na Jor­dan bau­te dort die Häu­ser­fron­ten [für „Die Träu­me von Scha­le und Kern“ von 1960] ‚wie ei­ne Ket­te‘ rechts und links auf. Um ei­ne tie­fe, in der Fer­ne ver­schwin­den­de Per­spek­ti­ve zu be­kom­men, such­te sie nach wei­te­ren Mög­lich­kei­ten. Sie sah am En­de des Knei­pen­saa­les ei­ne Tür, mach­te sie auf und war im ‚stil­len Ört­chen‘. Dort stell­te man auf den Klo­de­ckel ei­ne Ka­me­ra – und hat­te da­mit zwei Me­ter Län­ge ge­won­nen.“[4] 

Dass Han­na Jor­dan um die Wen­de zu den 1970er Jah­ren den Schwer­punkt ih­rer Tä­tig­keit auf die Aus­stat­tung von Opern ver­leg­te, hat­te nicht zu­letzt mit ih­rem ge­bro­che­nen Ver­hält­nis zu den „68ern“ zu tun und mög­li­cher­wei­se auch mit ei­nem hand­fes­ten Streit mit dem Re­gis­seur Pe­ter Pa­litzsch (1918-2004), der die von Han­na Jor­dan aus op­ti­schen Grün­den als not­wen­dig ver­tre­te­ne Büh­nen­schrä­ge ri­go­ros ab­lehn­te. So äu­ßer­te sie spä­ter: Mit mei­nen ro­ten Ge­nos­sen kam ich ja auch nicht zu­recht, zu­mal sie et­was ge­gen Per­spek­ti­ve und Schrä­gen hat­ten. An den Opern­büh­nen sei es ein­fach kon­ser­va­ti­ver zu­ge­gan­gen, was ihr al­lein aus hand­werk­lich-tech­ni­schen Grün­den bes­ser be­hag­te. Ih­re Bio­gra­phin An­ne Lin­sel schreibt: „Han­na Jor­dan er­in­nert sich mit Schre­cken an die­se Zeit.“[5]

Zwar ver­or­te­te sie sich selbst po­li­tisch in der lin­ken Ecke und hat­te ein re­form­päd­ago­gi­sches In­ter­nat be­sucht, wo es aber mit­nich­ten an­ti-au­to­ri­tär zu­ge­gan­gen sei, er­in­ner­te sie sich. Es ha­be auch kein Ge­mäh­re ge­ge­ben wie in den sech­zi­ger Jah­ren im deut­schen Thea­ter. Ex­pe­ri­men­te zur Mit­be­stim­mung, bei de­nen al­le im Thea­ter be­schäf­tig­ten Per­so­nen, von der Putz­ko­lon­ne bis zur In­ten­danz, über den Spiel­plan mit­ent­schei­den soll­ten, hielt sie für _ab­so­lu­ten Blöd­sinn […] Wenn ir­gend­ei­ner, der von der Sa­che kei­ne Ah­nung hat (und gar nicht ha­ben kann) mit- und da­zwi­schen re­det, dann ist das für mich kei­ne De­mo­kra­tie. _Gleich­be­rech­ti­gung bei der Be­zah­lung für glei­che Leis­tung sei selbst­ver­ständ­lich, nicht je­doch gleich­be­rech­tig­te Mit­spra­che in jed­we­den Fra­gen.

Sie be­trach­te­te sich selbst als An­ti­fa­schis­tin, um­riss ih­re Hal­tung je­doch in ei­ner Re­de vom 30.1.1993 im Wup­per­ta­ler Opern­haus wie folgt: Ich ver­ste­he An­ti­fa­schis­mus grund­sätz­lich und im wei­tes­ten Sin­ne als ei­nen geis­ti­gen Kampf ge­gen je­de Art von Ge­walt­tä­tig­keit, von wo auch im­mer sie uns be­droht.

1964 kam Kurt Hor­res (ge­bo­ren 1932) als Opern­di­rek­tor an die Wup­per­ta­ler Büh­nen. Es war der Be­ginn ei­ner frucht­ba­ren Zu­sam­men­ar­beit, nicht nur bei zahl­rei­chen Ur- und Erst­auf­füh­run­gen von Wer­ken zeit­ge­nös­si­scher Kom­po­nis­ten wie Gi­sel­her Kle­be (1925-2009), Krzy­sz­tof Pen­der­ecki (1933-2020) oder Bo­ris Bla­cher (1903-1975), son­dern auch bei der In­sze­nie­rung von Ri­chard Wag­ners (1813-1883) „Tann­häu­ser“ un­ter der Re­gie von Hor­res an der Deut­schen Oper Ber­lin (Pre­mie­re: 18.6.1978) be­zie­hungs­wei­se der In­sze­nie­rung „Kö­nig Lear“ von Ari­bert Rei­mann (ge­bo­ren 1936) im Na­tio­nal­thea­ter Mann­heim (Pre­mie­re: 8.6.1982).

Das Büh­nen­bild zu Bla­chers „Yvon­ne“ – die Pre­mie­re fand am 15.9.1973 statt - be­trach­te­te Han­na Jor­dan als ei­ne ih­rer bes­ten Ar­bei­ten. Die In­sze­nie­rung wur­de ein gro­ßer Er­folg, nicht zu­letzt auf­grund der Mit­wir­kung der Tän­ze­rin und Cho­reo­gra­fin Pi­na Bausch (1940-2009) in der stum­men Ti­tel­rol­le. Die bei­den Frau­en schätz­ten und re­spek­tier­ten ein­an­der. Ei­ni­ge von Bauschs Stü­cken fand Han­na Jor­dan ein­fach wun­der­bar. Zu ei­ner Zu­sam­men­ar­beit kam es nicht, der künst­le­ri­sche Fun­ke woll­te zwi­schen den bei­den Frau­en nicht über­sprin­gen.

Auf Kurt Hor­res als Opern­di­rek­tor folg­te 1977 Fried­rich Mey­er-Oer­tel (1936-2021). Die­ser be­schei­nig­te Han­na Jor­dan nicht al­lein, „un­glaub­lich mu­si­ka­li­sch“ zu sein, son­dern er war zu­dem der Mei­nung, sie sei ge­wiss auch ei­ne „gran­dio­se Ar­chi­tek­tin“ ge­wor­den.[6] Bei­spie­le ih­rer Zu­sam­men­ar­beit wa­ren die In­sze­nie­run­gen „Mo­ses und Aa­ron“ von Ar­nold Schön­berg (1874-1951), Pre­mie­re am 5.6.1984, und „La­dy Mac­beth von Mzens­k“ von Dmi­tri Schosta­ko­witsch (1906-1975) mit der Pre­mie­re am 5.7.1986, bei­des Auf­füh­run­gen am Na­tio­nal­thea­ter Mann­heim.

1995 zog sich Han­na Jor­dan vom Thea­ter zu­rück. 2001 wur­de sie zum Eh­ren­mit­glied der Wup­per­ta­ler Büh­nen er­nannt. Be­reits 1965 war sie mit dem Von-der-Heydt-Kul­tur­preis der Stadt Wup­per­tal ge­ehrt wor­den, 1994 mit dem Eh­ren­ring der Stadt.

Sie starb am 26.1.2014 in ih­rer Hei­mat­stadt Wup­per­tal. Seit dem 28.1.2019 er­in­nert ei­ne Ge­denk­ta­fel an ih­rem Ge­burts­haus in Wup­per­tal, Wo­tan­stra­ße 15, an Han­na Jor­dan.

Literatur

Lin­sel, An­ne, Welt­ent­wür­fe. Die Büh­nen­bild­ne­rin Han­na Jor­dan, Es­sen 2006.

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Hanna Jordan, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hanna-jordan/DE-2086/lido/63e11499b856f9.58224761 (abgerufen am 27.04.2024)