Josef Grohé

NS-Gauleiter (1902-1987)

Horst Wallraff (Köln/Düren)

Josef Grohé auf dem Kreisparteitag der NSDAP am 20.6.1937 in Gemünd. (Bildsammlung F.A. Heinen, Schleiden)

Es ent­behr­te nicht ei­ner an Zy­nis­mus gren­zen­den Iro­nie, dass der im „Drit­ten Reich“ durch sei­nen be­son­ders aus­ge­präg­ten An­ti­se­mi­tis­mus auf­ge­fal­le­ne und nicht zu­letzt auch da­durch zu­m Köln-Aa­che­ner Gau­lei­ter auf­ge­stie­ge­ne Jo­sef Grohé nach kaum vier­jäh­ri­gen In­ter­nie­rung ab 1950 al­s ­kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter und Ver­tre­ter in der Spiel­wa­ren­bran­che (!) sein lan­ges, bis zum En­de des Jah­res 1987 dau­ern­des Le­ben mit fi­nan­zie­ren konn­te. „Im­mer da­bei, im­mer vor­ne­we­g“ wenn es dar­um ging, Nicht­na­tio­nal­so­zia­lis­ten und ganz be­son­ders Ju­den und Kom­mu­nis­ten ver­bal oder auch hand­greif­lich zu at­ta­ckie­ren, schlug er noch als ar­ri­vier­ter Gau­lei­ter im Jah­re 1934 ei­nem Saal­wäch­ter, der ihm oh­ne Ein­tritts­kar­te den Zu­tritt zum Ro­sen­mon­tags­ball der tra­di­ti­ons­rei­chen „Ro­ten Fun­ken“ ver­wei­gert hat­te, eher unk­ar­ne­va­lis­tisch und ent­schie­den hu­mor­los meh­re­re Zäh­ne aus, und als es Mit­te Sep­tem­ber 1944 dar­um ging, die da­mals et­wa 50.000 Ein­woh­ner zäh­len­de Mit­tel­stadt Dü­ren zu eva­ku­ie­ren, „über­zeug­te“ Grohé den dor­ti­gen NS­DAP-Kreis­lei­ter Franz Binz durch An­dro­hung sei­ner so­for­ti­gen Er­schie­ßung vom Sinn und Zweck de­s­ ­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen „End­kamp­fes“, was am 16.11.1944 für et­li­che Tau­send Men­schen den Tod im Bom­ben­ha­gel der al­li­ier­ten „Ope­ra­ti­on Queen“ be­deu­ten soll­te.

Ge­bo­ren am 6.11.1902 im na­tur­na­hen und nich­tur­ba­nen Huns­rück­ort Ge­mün­den als neun­tes von 13 Kin­dern des Klein­bau­ern und Ge­mischt­wa­ren­händ­lers Fried­rich Ja­kob Grohé und sei­ner Ehe­frau Ma­ria An­na, ge­bo­re­ne Os­ti­en, er­leb­te Jo­sef Grohé ei­ne kar­ge und den­noch wohl­be­hü­te­te klein­bür­ger­li­che Kind­heit, le­dig­lich ge­trübt durch den Um­stand, dass die Ar­mut sei­ner El­tern den Be­such ei­ner hö­he­ren Schu­le un­mög­lich mach­te, ob­wohl Grohés volks­schu­li­sche Leis­tun­gen her­vor­ra­gend wa­ren: Da­durch war Grohé der ein­zi­ge un­ter den vier rhei­ni­schen Gau­lei­tern (Fried­rich Karl Flo­ri­an, Jo­sef Grohé, Gus­tav Si­mon un­d Jo­sef Ter­bo­ven), der oh­ne hö­he­ren Schul­ab­schluss blieb. Prä­gen­der aber, ja ge­ra­de­zu­ ­t­rau­ma­tisch war es für Grohé, dass sei­ne be­reits im Früh­jahr 1918 er­folg­te frei­wil­li­ge Mel­dung zur Kriegs­ma­ri­ne durch den am 11.11.1918 un­ter­zeich­ne­ten Waf­fen­still­stand ob­so­let wur­de, da Grohé bis zur Voll­endung sei­nes 16. Le­bens­jah­res am 6.11.1918 zu­rück­ge­stellt wor­den war und so nicht mehr ins Kriegs­ge­sche­hen hat­te ein­grei­fen kön­nen, was den jun­gen und auch den äl­te­ren Grohé zeit­le­bens als ver­pass­te Ge­le­gen­heit ver­folgt hat: „Die Nie­der­la­ge des Deut­sches Rei­ches zer­schlug sei­nen Sol­da­ten­t­raum!“ (Pe­ter Schmidt 1936 im „West­deut­schen Be­ob­ach­ter“). 

Hin­zu ka­men der lan­ge vor 1914 in sei­nem Hei­mat­ort ver­brei­te­te de­zi­dier­te An­ti­se­mi­tis­mus und auch An­ti­mar­xis­mus und ei­ne 1919 in Ge­mün­den ver­an­stal­te­te Kund­ge­bung mit dem spä­te­ren frän­ki­schen Gau­lei­ter und „Stür­mer“-Her­aus­ge­ber Ju­li­us Strei­cher (1885-1946), was zu­sam­men­ge­nom­men ei­ne sta­bi­le Ba­sis für ein „völ­ki­sches“ Welt­bild form­te. Im glei­chen Jahr zog Grohé aus wirt­schaft­li­chen Grün­den nach Köln, wo er ei­nen be­ruf­li­chen Weg als Vo­lon­tär und im An­schluss als kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter un­ter an­de­rem bei der Ei­sen­wa­ren- und Bau­ar­ti­kel­hand­lung Her­mann Kie­gel und der in Köln-Nip­pes be­hei­ma­te­ten alt­ein­ge­ses­se­nen Ar­ma­tu­ren­fa­brik Au­gust Hö­mig GmbH ein­schlug,von dem er je­doch schon 1921 zu­guns­ten sei­ner po­li­ti­schen und ideo­lo­gi­schen Über­zeu­gung ab­zu­wei­chen be­gann, in­dem er sich im Al­ter von ge­ra­de ein­mal 18 Jah­ren dem „Deutsch­völ­ki­schen Schutz- und Trutz­bun­d“ (DVSTB) an­schloss. Dort lei­te­te er bald die „Ge­folg­schaft Köln-Nip­pes“, nach­dem er – so zu­min­dest die Köl­ner NS­DAP-Le­gen­de – in ei­nem Haus am Rin­ken­pfuhl 17 ei­nen „deutsch­völ­ki­schen Buch­han­del ent­deck­t“ und im Gür­ze­nich ei­ne Re­de des DVSTB-Pro­pa­gan­dis­ten Hein­rich Dol­le ge­hört hat­te. 

Durch den Köl­ner DVSTB-Grün­der Ober­leut­nant a.D. Egon Lüt­zeler, der im Som­mer 1921 ne­ben­bei die Ent­ste­hung ei­ner ers­ten (of­fi­zi­ell im Rah­men ei­ner Ver­an­stal­tung mit dem Hit­ler-Ver­trau­ten Her­mann Es­ser am 3.3.1922 ge­grün­de­ten) Köl­ner NS­DAP-Orts­grup­pe in­iti­iert hat­te, fand der jun­ge „Deutsch­völ­ki­sche“ Grohé den Zu­gang zur jun­gen NS­DAP, die durch das am 18.7.1922 (nach der Er­mor­dung Walt­her Ra­then­aus) er­gan­ge­ne Ver­bot des DVSTB zu­nächst enor­men Zu­lauf zu ver­zeich­nen hat­te (dar­un­ter auch der noch mehr­fach zu er­wäh­nen­de Heinz Haa­ke), aber am 18. No­vem­ber des­sel­ben Jah­res selbst in Preu­ßen ver­bo­ten wur­de. Dem Sa­bo­ta­ge-Ver­bot Hit­lers (!) und der An­wei­sung des ers­ten Köl­ner NS­DAP-Orts­grup­pen­lei­ters Her­mann Breu­er zum Trotz be­tei­lig­te sich der jun­ge Grohé an At­ten­ta­ten ge­gen die ver­hass­ten fran­zö­si­schen Ruhr­be­set­zer und muss­te schlie­ß­lich im Früh­jahr 1923 nach Mün­chen flie­hen, wo er erst­mals mit Hit­ler zu­sam­men­traf: „Wenn äl­te­re Na­tio­nal­so­zia­lis­ten sich mit ih­ren Front- oder Frei­korps­zeit rühm­ten, so tat er [Grohé] dies fort­an mit sei­ner Teil­nah­me am „Ruhr­kampf“.“ (Rolf Zer­lett). Um die Jah­res­wen­de 1923/1924 kehr­te Grohé nach Köln zu­rück, wo er sich an der For­mie­rung ei­nes als Tarn­or­ga­ni­sa­ti­on fun­gie­ren­den „Deutsch­völ­ki­schen Blocks“ - der im Mai 1924 in ei­nem „Völ­kisch-So­zia­len Blo­ck“ und im Au­gust des­sel­ben Jah­res in der „Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Frei­heits­be­we­gun­g“ auf­ging - be­tei­lig­te und ab Herbst 1924 als „Gau­ge­schäfts­füh­rer“ des „Gau­füh­rer­s“ Heinz Haa­ke ei­ner bis da­hin po­li­tisch be­deu­tungs­lo­sen völ­ki­schen „Split­ter­grup­pe“ (Horst Mat­z­er­ath) agier­te. 

Ana­log zum „Reich“ und zum Rhein­land be­gann der ei­gent­li­che „Ta­ke-Of­f“ der Köl­ner Na­tio­nal­so­zia­lis­ten erst nach der Haft­ent­las­sung Hit­lers am 20.12.1924, in­dem Haa­ke, Grohé und der über­wie­gen­de Teil der „Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Frei­heits­be­we­gun­g“ zur NS­DAP über­wech­sel­ten, so­dass der of­fi­zi­ell am 27.2.1925 mit der Mit­glieds­num­mer 13340 (zum zwei­ten Ma­le) in die von Hit­ler „neu­ge­grün­de­te“ NS­DAP ein­ge­tre­te­ne Grohé nun zum of­fi­zi­el­len „Gau­ge­schäfts­füh­rer“ un­ter dem Gau­lei­ter des nun­meh­ri­gen Gau­es Rhein­land-Süd, Heinz Haa­ke, avan­cier­te. Haa­ke aber war 1925 zum vor­erst ein­zi­gen NS­DAP-Ab­ge­ord­ne­ten in den Preu­ßi­schen Land­tag ge­wählt wor­den und des­halb häu­fig in Ber­lin, so­dass sich Jo­sef Grohé nicht nur als stell­ver­tre­ten­der Gau­lei­ter auf­spiel­te, son­dern durch sei­ne Ei­gen­mäch­tig­kei­ten den be­reits im Ju­ni 1925 er­folg­ten Rück­zug Haa­kes ge­ra­de­zu pro­vo­zier­te, und es konn­te kei­ne Re­de da­von sein, dass Haa­ke – wie es die NS-Le­gen­de schön­te – „in­fol­ge sei­ner Kriegs­ver­let­zun­g“ das Hand­tuch als Gau­lei­ter Rhein­land-Süd ge­wor­fen hat­te. Sein Nach­fol­ger wur­de aber nicht der ge­ra­de erst 22-jäh­ri­ge Grohé, der zu­sätz­lich zu sei­nem „Gau­ge­schäfts­füh­rer“-Pos­ten die Schrift­lei­tung des am 10.5.1925 be­ste­hen­den „West­deut­schen Be­ob­ach­ter­s“ über­nom­men und wohl des­halb im Herbst des Jah­res sei­nen bür­ger­li­chen Be­ruf bei der Fir­ma Hö­mig ge­kün­digt hat­te, son­dern der zwölf Jah­re äl­te­re, nach der „Macht­er­grei­fung“ als NS­DAP-Reichs­or­ga­ni­sa­ti­ons­lei­ter und DAF-Chef auf Reichs­ebe­ne kar­rie­re­ma­chen­de pro­mo­vier­te Che­mi­ker Dr. Ro­bert Ley. Mit des­sen Amts­an­tritt er­lang­te die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Pro­pa­gan­da im Rhein­land in der Tat „ei­ne neue Qua­li­tät“, und zu­sam­men ­mit Grohé bil­de­te Ley von nun an ein pro­pa­gan­dis­ti­sches „duo in­fer­na­le“, wel­ches bis En­de der 20er Jah­re „(…) durch rück­sichts­lo­se Dem­ago­gie, Ver­leum­dun­gen und Saal­schlach­ten von sich re­den ma­chen soll­te“ (Rolf Zer­lett). Da­bei ging die Loya­li­tät des Gau­lei­ters Ley im­mer­hin so weit, sei­nen nass­for­schen „Gau­ge­schäfts­füh­rer“ Grohé auch dann noch im Amt zu hal­ten, als die­ser im Früh­jahr 1926 durch sei­nen an­ma­ßen­den ar­ro­gan­ten Um­gang mit re­ni­ten­ten Köl­ner Orts­grup­pen­funk­tio­nä­ren Hit­lers Un­wil­len der­ge­stalt auf sich ge­zo­gen hat­te, dass ihn nur Leys In­ter­ven­ti­on vor der von Hit­ler ge­wünsch­ten Ab­set­zung be­wahr­te. Grohé aber ver­gaß die­se Lek­ti­on nie, und fort­an hat­te die Hit­ler-Er­ge­ben­heit Grohés stets Zü­ge hün­di­scher An­häng­lich­keit, wie so­gar zeit­ge­nös­si­sche Pho­to­gra­phi­en durch­aus do­ku­men­tie­ren.

Denn ge­ra­de jetzt be­gan­nen die po­li­ti­schen An­stren­gun­gen und Auf­wen­dun­gen Grohés, der nach der er­wähn­ten, im Herbst 1925 er­folg­ten Kün­di­gung sei­ner Stel­le als kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter noch kein of­fi­zi­el­les Par­tei-Ge­halt be­zog und des­sen Mo­nats­ein­kom­men von 500 Reichs­mark (bei der Fir­ma Hö­mig) auf dann ge­ra­de ein­mal 100 Reichs­mark zu­sam­men­ge­schrumpft und der die ers­ten Aus­ga­ben des Köl­ner NS­DAP-Blat­tes „West­deut­scher Be­ob­ach­ter“ zu­nächst noch in sei­nem mö­blier­ten Zim­mer in der Kem­pe­ner Stra­ße 42 zu re­di­gie­ren ge­zwun­gen ge­we­sen war, auch in fi­nan­zi­el­ler Hin­sicht Früch­te zu tra­gen, wie die Ver­drei­fa­chung sei­nes eins­ti­gen „bür­ger­li­chen“ Ge­hal­tes bis Herbst 1930 deut­lich do­ku­men­tier­te. Zwei Jah­re zu­vor – am 4.8.1928 - hat­te Grohé die ge­ra­de pro­mo­vier­te Che­mi­ke­rin Dr. Jo­han­na (Han­ny) Fremd­ling (1901-1978), die er in der am Ubier­ring ge­le­ge­nen Ge­schäfts­stel­le des „West­deut­schen Be­ob­ach­ter­s“ ken­nen­ge­lernt hat­te, ge­hei­ra­tet, war gut ein Jahr spä­ter – am 17.11.1929 – als Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der vier in die Köl­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ge­wähl­ten na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ab­ge­ord­ne­ten in sel­bi­ge ein­ge­zo­gen und folg­te nach der (Zwei-)Tei­lung des „Gau­es Rhein­land-Süd“ En­de Mai 1931 dem nun in Mün­chen auf Reichs­ebe­ne NS-Kar­rie­re ma­chen­den Dr. Ro­bert Ley als Lei­ter des nun­meh­ri­gen „Gau­es Köln-Aa­chen“ nach, wo­mit Grohé für die fol­gen­den 14 Jah­re zum „Statt­hal­ter Hit­ler­s“ in die­sem Ge­biet avan­ciert war. 

Wie die ge­sam­te NS-„Be­we­gun­g“ von der po­li­ti­schen Flut­wel­le der Reichs­tags­wah­len vom 14.9.1930 em­por­ge­tra­gen und 1931 mit ge­ra­de ein­mal 29 Jah­ren ei­ner der jüngs­ten Gau­lei­ter der oh­ne­hin „jun­gen“ NS­DAP auf­ge­stie­gen, wur­de Grohé wie fast al­le an­de­ren Na­tio­nal­so­zia­lis­ten von der „Macht­er­grei­fun­g“ den­noch über­rascht, so­dass es bei­na­he ei­nes Mo­nats der Be­sin­nung zu be­dür­fen schien, bis Grohé und sei­ne „Kampf­zeit“-Ge­nos­sen rea­li­sier­ten, dass nun die Stun­de der jah­re­lang pro­pa­gier­ten „Ab­rech­nun­g“ mit dem ver­hass­ten Wei­ma­rer „Sys­te­m“ ge­kom­men war. „Tod dem Mar­xis­mus und Tod dem Zen­trum als ers­tem Bun­des­bru­der des Mar­xis­mus!“ hat­te Grohés eben­so ab­stru­se wie dem­ago­gi­sche Lo­sung ge­lau­tet, de­ren Ver­wirk­li­chung nun in Ge­stalt von Prü­ge­l­or­gi­en an Kom­mu­nis­ten (im „Brau­nen Haus“ in der Köl­ner Mo­zart­stra­ße) oder der staats­streich­ar­ti­gen Ab­lö­sung des lang­jäh­ri­gen (Zen­trums-) Ober­bür­ger­meis­ter­s Kon­rad Ade­nau­er durch den weit­ge­hend un­be­kann­ten und will­fäh­ri­gen „März­ge­fal­le­nen“ Gün­ter Rie­sen (1892-1951) nun so gna­den­los und gründ­lich an­ge­gan­gen wur­de, dass die „Gleich­schal­tun­g“ der Stadt Köln wie auch des Gau­es Köln-Aa­chen schon im Som­mer 1933 als ge­lun­gen gel­ten konn­te, sym­bo­li­siert durch den Um­zug der NS-Ge­schäfts­stel­le von der Mo­zart­stra­ße in das rhein­ufer­ge­le­ge­ne re­prä­sen­ta­ti­ve Ge­bäu­de der al­ten Han­dels­hoch­schu­le. Dort führ­te nun über dem Ein­gang ein schmie­de­ei­ser­ner Ad­ler vor Au­gen, dass die Herr­schaft un­term Ha­ken­kreuz be­gon­nen hat­te: „Grohé stand im Ze­nit sei­ner Macht.“ (Mat­z­er­ath, Köln, S. 172). 

Sol­cher­ma­ßen „Statt­hal­ter Hit­ler­s“ (wie Mar­tin Schwa­e­be 1936 Grohé im „West­deut­schen Be­ob­ach­ter“ ha­gio­gra­phier­te) und „Vi­ze­kö­ni­g“ in sei­nem Gau Köln-Aa­chen, wid­me­te sich der Gau­lei­ter fort­an nicht nur dem Aus­bau sei­ner „Gau­haupt­stadt“ zu ei­ner „Han­se­stadt“ und „Me­tro­po­le des Wes­ten­s“, son­dern auch und be­son­ders sei­nen ideo­lo­gi­schen Grund­über­zeu­gun­gen in Ge­stalt von Kir­chen­feind­lich­keit und Ju­den­hass. Schon im Som­mer 1934 hat­te er bei­spiels­wei­se an­läss­lich ei­ner HJ-Ver­samm­lung aus­ge­ru­fen, dass „(…) der Ju­de ster­ben mus­s“, und wann im­mer sich die Ge­le­gen­heit bot, bau­te der 1936 aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus­ge­tre­te­ne Köl­ner Gau­lei­ter an der von Go­eb­bels ge­for­der­ten „NS-Ka­the­dra­le“ ei­nes ein­zi­gen ge­leb­ten (Hit­ler-) Glau­bens mit, wes­halb Grohé En­de 1939 ei­nen Dü­re­ner HJ-Bann­füh­rer, der Hit­ler­jun­gen in wüs­ter Wei­se zum Aus­tritt aus der Kir­che auf­ge­ru­fen hat­te, ge­gen Reichs­kir­chen­mi­nis­ter Hanns Kerrl (1887-1941) und „Reichs­ju­gend­füh­rer“ Bal­dur von Schi­rach (1907-1974) in Schutz nahm und schlie­ß­lich im Pos­ten­di­ckicht „sei­nes“ Gau­es si­cher un­ter­brach­te. Der­ge­stalt vol­ler „Hit­ler-Glau­be“, Kir­chen- und Ju­den-Hass er­leb­te der äm­ter- und ti­tel­be­la­de­ne Köl­ner Gau­lei­ter (bei­spiels­wei­se Staats­kom­mis­sar der Uni­ver­si­tät zu Köln, Preu­ßi­scher Staats­rat, NSKK-Ober­grup­pen­füh­rer) dann im Ju­li 1944 ei­nen neu­er­li­chen und letz­ten Kar­rie­re­schub, als Hit­ler ihn zum „Reichs­kom­mis­sar“ für Bel­gi­en und Nord­frank­reich er­nann­te, ein Amt aber, das durch den zü­gi­gen Vor­marsch der Al­li­ier­ten ein Mus­ter oh­ne Macht blei­ben soll­te. 

Im Kon­text sei­nes „Füh­rer“-Glau­bens war es nur kon­se­quent, wenn der Köln-Aa­che­ner Gau­lei­ter Hit­lers Be­fehl der „Ver­brann­ten Er­de“ ra­di­kal be­folg­te und so im Früh­jahr 1945 die Spren­gung der fünf gro­ßen Köl­ner Brü­cken ver­an­lass­te und zum „End­kampf“ auf­rief. Als aber An­fang März 1945 der Vor­marsch der US-Trup­pen auf Köln be­gann, setz­te sich Grohé auf das rechts­rhei­ni­sche Ufer und schlie­ß­lich Mit­te April nach Mit­tel­deutsch­land ab. Nach der deut­schen Ka­pi­tu­la­ti­on am 8. Mai kehr­te er in den Wes­ten zu­rück, un­ter­nahm ei­nen Selbst­mord­ver­such und tauch­te letzt­lich im Ju­ni 1945 in Hes­sen mit fal­scher Iden­ti­tät als Land­ar­bei­ter un­ter, bis er im Ju­li 1946 von den bri­ti­schen Be­hör­den fest­ge­nom­men wer­den konn­te. Mehr­fach in­ter­niert und zwi­schen­zeit­lich an Bel­gi­en aus­ge­lie­fert, zeig­te er sich in sei­nem Ver­fah­ren vor dem Spruch­ge­richt Bie­le­feld im Sep­tem­ber 1950 so ge­schickt und mit­nich­ten ge­läu­tert, dass er le­dig­lich zu vier­ein­halb Jah­ren Ge­fäng­nis ver­ur­teilt wur­de, die durch die In­ter­nie­run­gen be­reits ver­bü­ßt wa­ren, so­dass er den Ge­richts­saal als frei­er Mann ver­las­sen konn­te. Grohé „wi­der­rie­f“ nie und starb am 27.12.1987 im rechts­rhei­ni­schen Köl­ner Stadt­teil Brück. 

Literatur

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Wall­raff, Horst, Na­tio­nal­so­zia­lis­mus in den Krei­sen Dü­ren und Jü­lich. Tra­di­ti­on und „Tau­send­jäh­ri­ges Reich“ in ei­ner rhein­län­di­schen Re­gi­on 1933 bis 1945, 2. Auf­la­ge, Dü­ren 2000.
Zer­lett, Rolf, Jo­sef Grohé (1902-1987), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 17 (1997). S. 247-276.

Online

Jo­sef Gro­he (In­for­ma­tio­nen auf NRW2000)
Jo­sef Grohé (In­for­ma­tio­nen in der Da­ten­bank der Reichs­tags­ab­ge­or­de­ne­ten)

 
Zitationshinweis

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Wallraff, Horst, Josef Grohé, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/josef-groh%25C3%25A9/DE-2086/lido/57c6d70360f040.65100512 (abgerufen am 19.03.2024)