Epochen
Nr. 93, Linnich, bearb. von Wolfgang Löhr, 24 S. Text, 6 Tafeln mit 3 s/w u. 6 farbigen Abb., ISBN 978-3-412-20590-4, 27,50 Euro
Nr. 94, Neuss, bearb. von Klaus Müller, 48 S. Text, 14 Tafeln mit 5 s/w u. 13 farbigen Abb., ISBN 978-3-412-20589-8, 32,50 Euro
Nr. 95, Titz, bearb. von Elfi Pracht-Jörns, 15 S. Text, 6 Tafeln mit 7 s/w u. 6 fabrfigen Abb., ISBN 978-3-412-2652-9, 24,50 Euro
Die XVIII. Lieferung des Rheinischen Städteatlasses enthält mit Neuss eine der wichtigsten rheinischen Städte, mit Linnich eine im Spätmittelalter entstandene kleine Landstadt, die spätestens 1530 an das Herzogtum Jülich kam, zu dem auch Titz gehörte – ein wohl um 1600 zur Freiheit erhobener Ort, der keine städtische Entwicklung erfuhr.
Linnichs Anfänge gehen mindestens in das 9. Jahrhundert zurück. 888 gehörte es zu den 43 villae, deren Neunten Kaiser Lothar I. dem Aachener Marienstift schenkte. 893 besaß die Abtei Prüm den Königshof in Linnich, der Mittelpunkt eines Fronhofsverbandes war. 1368 verkaufte Prüm Fronhof (er lag wohl nordwestlich der heutigen Kirche) und Gericht in Linnich an Arnold von Randerath, der Linnich zu einer bescheidenen Stadt ausbaute (um 1370 erstmals bezeugt). Spätestens 1530 kam Linnich an das Herzogtum Jülich-Berg und war Sitz des Amtes Boslar-Linnich.
Im 9. Jahrhundert könnte in Linnich schon eine Kirche bestanden haben, gesichert ist ihre Existenz erst für das 12./13. Jahrhundert. Die kleine Stadt war Ende des 14. Jahrhunderts mit Wall und Graben umgeben, eine Mauerbefestigung erfolgte erst in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Der Nordteil der Stadt wurde beim Herannahen der französischen Revolutionstruppen 1794 in Brand geschossen, wobei Rathaus, reformierte Kirche und das Minoritenkloster mitsamt seiner Kirche zerstört wurden. Mit Ausnahme von Kloster und Klosterkirche wurden die Gebäude an alter Stelle wieder errichtet. Auch beim Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs orientierte man sich an der historisch gewachsenen Struktur des Stadtkerns.
Für die wirtschaftliche Entwicklung im Mittelalter spielte Linnichs Lage an der Handelsstraße vom Rheinland nach Brabant eine wichtige Rolle. Linnicher Kaufleute beteiligen sich am Warenaustausch nach dort und genossen die ihnen 1448 verliehene Zollfreiheit in Antwerpen. Auch für das Gastgewerbe war die Anbindung an das mitteleuropäische Verkehrsnetz, das unter anderem die Aachenpilger nutzten und hier Station machten, wichtig. Der Mitte 15. Jahrhundert nachgewiesene Markt diente vornehmlich dem Warenaustausch mit dem bäuerlichen Hinterland. In der Frühen Neuzeit gewannen die Linnicher Viehmärkte, insbesondere mit Pferden, eine herausragende Stellung; bis in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts bestehend, prägten sie Linnich als agrarisches Zentrum und bedeutendsten Marktort im Norden des Aachener Regierungsbezirks. Die 1857 gegründete Werkstätte für Glasmalerei Dr. H. Oidtmann wurde weit über die Grenzen des Rheinlands hinaus bekannt. Die Errichtung eines katholischen Lehrerseminars 1876, seit 1905 mit Präperandenanstalt und bis 1925 bestehend, machte Linnich zur überregionalen Schulstadt. Das 1952 in Linnich angesiedelte Polizeiausbildungsinstitut („Polizeischule“) knüpfte ein wenig an diese Tradition an (Schließung 2007). Die späte Anbindung (1911) an das Eisenbahnnetz verhinderte wohl die Industrialisierung der Stadt vor dem 20. Jahrhundert. Der Durchbruch zum Industriestandort gelang erst 1958, während die Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung verlor, wobei jedoch die Zahl der Höfe nach der Kommunalen Neuordnung von 1969/1972 wieder anstieg. Heute werden über 80 Prozent der Gesamtfläche der Stadt landwirtschaftlich genutzt.
Neuss war bis zum 16. Jahrhundert eine der bedeutendsten niederrheinischen Städte. Die Besiedlung des historischen Stadtkerns erfolgte auf dem Boden der um 25 n. Chr. entstandenen Zivilsiedlung (vicus) des römischen Militärlagers. Siedlungskontinuität zwischen Antike und Frühmittelalter ist nicht nachweisbar, aber anzunehmen, wofür nicht zuletzt der seit Tacitus (um 55 – nach 115) durchgehend belegte Name Novaesium spricht. Nach den Wikingereinfällen wurde der Ort als Handelsplatz ausgebaut, der spätestens seit der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts befestigt war. Seit etwa 1200 entstand ein neuer, die Stadtfläche vergrößernden Mauerring.
In Neuss war neben Reichsbesitz und Adelsgut schon früh der Kölner Erzbischof begütert; er besaß auch die Gerichts- und die Landesherrschaft. Stadt im vollen Wortsinne war Neuss von etwa 1200 an. Sie war Oberhof für die meisten Städte des Kölnischen Niederstifts. Die Pfarrei wird um 800 entstanden sein; ihr ursprünglicher Eigentümer, der Kölner Erzbischof, dürfte sie dem im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts gegründeten Benediktinerinnenkloster geschenkt haben. Um 1200 wurde es in ein Stift umgewandelt. Mit dem Bau der heutigen Kirche, die auch dem Pfarrgottesdienst diente, wurde 1209 auf dem Boden eines im 9. oder 10. Jahrhundert entstandenen karolingischen Gotteshauses begonnen.
Ihre Blüte verdankte die Stadt der Lage am Rhein sowie im Schnittpunkt wichtiger Straßen. Handel und Handwerk bildeten die Grundlage der Wirtschaft. Vor allem als Folge des Truchsessischen Kriegs und des Brandes von 1586 erlebte sie einen bis ins 19. Jahrhundert anhaltenden Abschwung. Erst die Entfestigung sowie die 1938 abgeschlossene Kanalisierung der Erft und der Ausbau des Hafens bescherten der Stadt eine neue Blüte. Es siedelten sich Betriebe der Metall-, Papier- und Lebensmittelherstellung an oder verlagerten ihre Fabriken dorthin. 2003 fusionierten der Neusser und der Düsseldorfer Hafen. Großstadt ist Neuss seit 1963.
Titz, 1166 erstmals erwähnt und um 1185 als villa bezeichnet, war seit dem 13. Jahrhundert Sitz der Herren von Titz (bis Anfang 16. Jahrhundert) und Teil der Grafschaft beziehungsweise des Herzogtums Jülich. Größter Grundherr im Titzer Raum war die Abtei Altenberg. Wichtig für die Entwicklung des Ortes wurde die mittelalterliche Handelsstraße von Aachen über Jülich nach Neuss und Düsseldorf, die spätere Landstraße. Ende des 13. Jahrhunderts wird ein landesherrlicher Hof in Titz erwähnt, der als Kern der Siedlung gilt und zeitweise Witwensitz des Jülicher Grafenhauses war. Im 15. Jahrhundert beherbergte Titz einen Teil der Marställe des Herzogtums Jülich und war Sitz eines Rittmeisteramts. Der landesherrliche Hof wurde zum befestigten Haus ausgebaut, der Ort mit Wall und Graben befestigt und um 1600 zur Freiheit erhoben, eine städtische Entwicklung erfuhr er jedoch nicht. Auch ein Markt oder differenzierte Gewerbe konnten sich dort nicht entwickeln. Die einzigen Gewerbe von einiger Bedeutung waren die der Fuhrleute und Gastwirte, die vom Durchgangsverkehr auf der Landstraße profitierten. Titz blieb ein Dorf, das an der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts keinen Anteil hatte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg dehnte sich Titz über die 1807 aus dem Ortszentrum verlegte Landstraße aus, wo ein neuer Siedlungsschwerpunkt entstand. Mit der kommunalen Neugliederung 1972 übernahm Titz zentralörtliche Funktionen für die eingemeindeten Ortschaften und wurde zum Zentrum einer weitläufigen Landgemeinde. (Selbstanzeige).
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Wensky, Margret, Rheinischer Städteatlas, hg. vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Gesamtredaktion Margret Wensky, Kartographie Esther Weiss, XVIII. Lieferung, Köln/Weimar/Wien, Böhlau Verlag 2010, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Verzeichnisse/Literaturschau/rheinischer-staedteatlas-hg.-vom-lvr-institut-fuer-landeskunde-und-regionalgeschichte-gesamtredaktion-margret-wensky-kartographie-esther-weiss-xviii.-lieferung-koelnweimarwien-boehlau-verlag-2010/DE-2086/lido/5d1b6ff3368364.94168551 (abgerufen am 10.10.2024)