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Jupp Schmitz zählt zu den populärsten Vortragskünstlern des rheinischen Karnevals nach dem Zweiten Weltkrieg. Seinen Spitznamen „Schnäuzer“ verdankte er einem auffälligen Oberlippenbart, der ihm bis ins hohe Alter ein unverwechselbares äußeres Erscheinungsbild verlieh.
Josef „Jupp“ Schmitz wurde am 15.2.1901 als Sohn des Trompeters Philipp Schmitz im Kölner Severinsviertel geboren. Die Eltern trugen gezielt zur Förderung seiner musischen Begabung bei, indem sie ihren Sohn über einen Zeitraum von sieben Jahren am städtischen Konservatorium zum Konzertpianisten ausbilden ließen.
Nach dem Ersten Weltkrieg verdiente sich Schmitz seinen Lebensunterhalt als musikalischer Begleiter bei der Aufführung von Stummfilmen sowie als Kaffeehausmusiker. Mit einer im Jahr 1925 von ihm gegründeten Kapelle erhielt er Engagements in renommierten Kölner Hotels wie dem „Monopol“ oder dem „Dom-Hotel“. Darüber hinaus machte er als Pianist des Volkssängers Willi Ostermann auf sich aufmerksam.
Ab 1934 war Jupp Schmitz an der Seite des Pianisten Leo Kowalski (1911-1984) als freier Mitarbeiter für den Reichssender Köln tätig. Hier lernte er den aufstrebenden Schlagerproduzenten Kurt Feltz (1910-1982) kennen, für den er den Tango „Gib acht auf dein Herz, Margarethe“ komponierte. Der 1935 mit großem Erfolg von Rudi Schuricke (1913-1973) interpretierte Titel bedeutete den Beginn seiner Laufbahn als Komponist leichter Unterhaltungsmusik. Der Zusammenarbeit mit Feltz entsprang 1938 auch das humoristische und von ihm selbst gesungene Mundartlied „Et es an einem Stöck am rähne“.
Nach seiner Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft komponierte und textete Jupp Schmitz im Angesicht seiner zerstörten Heimatstadt das wehmütige, zugleich aber Zuversicht ausstrahlende Lied „Ming herrlich Kölle“. In der Folge wandte er sich dem lukrativen Genre des rheinischen Stimmungsliedes zu, wobei er die von ihm komponierten und zum Teil auch geschriebenen Werke selbst auf der Bühne zum Vortrag brachte. Mit eingängigen Schunkelmelodien und klamaukigen Liedtexten wie „Fitzlafutzlakaja“ (1948) und „Ölldi sölldi sippdisa“ (1949) traf er präzise den Publikumsgeschmack der Nachkriegsjahre.
In der Session 1948/49, wenige Monate nach der Währungsreform, feierten Jupp Schmitz und Kurt Feltz mit dem Titel „Wer soll das bezahlen?“ ihren größten gemeinsamen Erfolg. 1950 wurde das populäre Lied jedoch zum Gegenstand eines skurrilen Urheberrechtsstreits. Nach Ansicht des Berliner Komponisten Wilhelm Gabriel (1897-1964) hatte Schmitz darin die Melodie seines bereits in den 1930er Jahren komponierten Marsches „Sie hieß Marie“ plagiiert. Obwohl der Vorwurf durch die Gutachten mehrerer Sachverständiger bestätigt schien, ging Schmitz letztlich als Sieger aus dem Verfahren hervor. Er hatte nachweisen können, dass beide Melodien auf einer alten Volksweise basierten und daher in keinem urheberrechtlichen Zusammenhang standen. Die Klage wurde abgewiesen, Gabriel musste die Kosten des Prozesses tragen.
In den folgenden Jahren etablierte sich Schmitz über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus als einer der beliebtesten Botschafter des sprichwörtlichen „rheinischen Frohsinns“. Getreu dem von ihm selbst formulierten Motto „Ich mache Rhein- und Weinlieder für jede Tages- und Jahreszeit“ veröffentlichte und verlegte er eine Vielzahl trivialer Stimmungslieder, durch die er auch in kommerzieller Hinsicht zu den erfolgreichsten Akteuren des Kölner Karnevals aufstieg. Zu den bekanntesten Werken der 1950er Jahre zählt jedoch auch der melancholische Abgesang „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ (1952), zu dem der renommierte Schriftsteller Hans Jonen (1892-1958) den Text beisteuerte.
Mit Kurt Feltz schuf Schmitz zur gleichen Zeit den nicht minder publikumswirksamen Titel „Wir kommen alle in den Himmel“. Mehrfach arbeitete er auch mit dem Hamburger Schriftsteller Walter Rothenburg (1899-1975) zusammen. Zu den bekanntesten gemeinsamen Werken zählen „Ich fahr mit meiner Lisa zum schiefen Turm nach Pisa“ (1949) und „Der alte Dattelbaum“ (1959). Für weitere Erfolgstitel der Wirtschaftswunderjahre wie „Em Winter, da schneit et“ (1957) oder „Es war im Zillertal“ (1958) schrieb Schmitz die Texte selbst.
Zu Beginn der 1960er Jahre geriet der Kölner Sitzungskarneval in eine schwere Krise. Im Vergleich zu den Veranstaltungen der Mainzer Fastnacht bemängelten die Kritiker vor allem das geringe intellektuelle Niveau der in Köln zum Vortrag gebrachten Büttenreden und Lieder. Bei der vom WDR am 22.1.1964 erstmals live übertragenen Prinzenproklamation im Gürzenich schienen sich die Vorbehalte vollauf zu bestätigen. Jupp Schmitz stand als Aushängeschild des Karnevals im Fokus der Kritik.
Im Gegensatz zu seinen üblichen Auftritten hatte er anlässlich der Fernsehübertragung weder einen eleganten Smoking noch die gewohnte Narrenkappe, sondern auf Wunsch des Veranstalters kurze Lederhosen und einen Filzhut mit Gamsbart getragen. Das Publikum quittierte seine Darbietung, in deren Verlauf er zunächst das zu seiner Kostümierung passende Lied „Der Hirtenknabe von St Kathrein“ und später den wenig tiefgängigen Titel „Risotto-Otto und Spaghetti-Betty“ präsentierte, mit Buhrufen und Pfiffen. Der launige Vortrag veranlasste auch den Kommentator des WDR zu der entschuldigenden Aussage: „Bleiben Sie noch ein bißchen am Apparat, es wird gleich wieder ganz nett.“
Acht Jahre später präsentierte Jupp Schmitz am Ort seiner größten Demütigung eine vielumjubelte Persiflage auf das geschmähte Lied vom „Hirtenknaben“. Wenngleich er kurzzeitig die Niveaukrise des Kölner Karnevals zu personifizieren schien, blieb er auch in den 1960er und 1970er Jahren erfolgreich. In diese Schaffensperiode datieren zahlreiche weitere Schunkel- und Stimmungslieder wie „De Schwimmbotz“ (1971), „Der muß noch wachsen“ (1971) oder „Jetz sin ming Schoh kapott“ (1976). Er komponierte aber auch Moritaten und Rheinlieder. 1968 gelang ihm mit dem besonders eingängigen Titel „Es ist noch Suppe da“, bei dem er sowohl für den Text wie auch für die Musik verantwortlich zeichnete, ein weiterer zeitloser Gassenhauer.
1970 wurde Schmitz in Anerkennung seiner Verdienste um das Kölner Liedgut die Goldene Willi-Ostermann-Medaille verliehen. Zudem war er Träger des Goldenen Spinnrades der Stadt Mönchengladbach. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch seine Auftritte in Rundfunk und Fernsehen. Zu einer festen Institution wurde er unter anderem in der vom Hessischen Rundfunk produzierten jährlichen Fastnachtsausgabe der Unterhaltungsshow „Zum Blauen Bock“. Erst im Alter von 80 Jahren zog sich Schmitz vorübergehend in sein Privatleben zurück, feierte jedoch bereits auf der Prinzenproklamation des Jahres 1983 ein ebenso überraschendes wie umjubeltes Comeback.
In seinen letzten Lebensjahren begeisterte Jupp Schmitz sein Publikum vor allem durch seine Auftritte als Conférencier, in denen er sich nicht mehr auf vordergründigen Klamauk beschränkte, sondern zunehmend mit feinsinnigen Humoresken zu überzeugen wusste. Die Mischung aus zumeist doppeldeutigen Lebensweisheiten, Anekdoten und Liedern prägte auch die am 20.1.1991 aufgezeichnete und anlässlich seines 90. Geburtstages vom WDR ausgestrahlte Sondersendung, die zugleich sein letzter großer öffentlicher Auftritt war.
Wenige Wochen später starb Jupp Schmitz am 26.3.1991 in Köln. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof Melaten, sein Grabstein trägt die Gravur seines wohl bekanntesten Liedes: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. Im Jahr 1994 wurde an der Salomonsgasse in Köln ein vom Bildhauer Olaf Höhnen (1933-2009) gestaltetes Denkmal für den Verstorbenen eingeweiht. Es zeigt Schmitz in einer für ihn typischen Pose am Flügel sitzend und eine Narrenkappe tragend. Der beschauliche Winkel inmitten der Kölner Innenstadt trägt heute den Namen „Jupp-Schmitz-Plätzchen“.
Literatur
Büttner, Heinz: Discographie der deutschen Kleinkunst, Bd. 6, Bonn 2002, S. 1799-1801.
Schmidt, Gérard: Kölsche Stars, Köln 1992, S. 127-32.
Online
Kölsche Liedtexte (Titel, Interpreten und Texte der Lieder von Jupp Schmitz auf der Homepage der Akademie für uns kölsche Sproch). [online]
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Thomann, Björn, Jupp Schmitz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/jupp-schmitz/DE-2086/lido/5e4bbea3c0b4b4.17474924 (abgerufen am 10.12.2024)