Ab 1945 - Die Geschichte Nordrhein-Westfalens von 1945 bis 2017

Andreas Burtscheidt (München)

1. „Operation Marriage“ – die Gründung des Landes

Mit dem 8.5.1945 war das na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche „Drit­te Reich“ end­gül­tig be­siegt und die Sie­ger­mäch­te über­nah­men mit der Ber­li­ner Er­klä­rung vom 5.6.1945 die ge­setz­ge­ben­de und voll­zie­hen­de Ge­walt in Deutsch­land. Es wur­den vier Be­sat­zungs­zo­nen ge­bil­det, nach­dem im An­schluss an die Pots­da­mer Kon­fe­renz vom 17.7.-2.8.1945 zu den Bri­ten, Ame­ri­ka­nern und So­wjets die Fran­zo­sen hin­zu­ka­men. Ein Al­li­ier­ter Kon­troll­rat der vier Mäch­te soll­te die Ober­auf­sicht be­züg­lich al­ler Deutsch­land als Gan­zes be­tref­fen­den Fra­gen re­geln. Die­ses zen­tra­le Steue­rungs­or­gan ver­lor aber in dem Ma­ße rasch an Funk­ti­on, in­dem sich die drei west­li­chen Sie­ger­mäch­te mit der so­wje­ti­schen in ei­nem sich mehr und mehr zu­spit­zen­den Ost-West-Ge­gen­satz be­fan­den und ein Kal­ter Krieg be­gann, des­sen Front­li­nie mit­ten durch Deutsch­land ver­lief und das Land so­wie die Haupt­stadt Ber­lin im­mer wei­ter aus­ein­an­der­riss. Da­her agier­ten die Be­sat­zungs­mäch­te in ih­ren je­wei­li­gen Zo­nen zu­nächst ein­mal ei­gen­ver­ant­wort­lich. Zur bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne ge­hör­ten ne­ben den Vor­gän­ger­ter­ri­to­ri­en des heu­ti­gen Nie­der­sach­sen und Schles­wig Hol­stein un­ter an­de­rem die preu­ßi­sche Pro­vinz West­fa­len, das Land Lip­pe so­wie von der bis­he­ri­gen preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz nur der Nord­teil, die Re­gie­rungs­be­zir­ke Aa­chen, Köln und Düs­sel­dorf, die nun ei­ne Nord­rhein-Pro­vinz bil­de­ten. Der Süd­teil ge­hör­te zur fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­zo­ne und ging spä­ter im Land Rhein­land-Pfalz auf.

 

In den Städ­ten an Rhein und Ruhr so­wie in West­fa­len und dar­über hin­aus bot sich der bri­ti­schen Be­sat­zungs­macht ein Bild der Ver­wüs­tung und ei­ne ka­ta­stro­pha­le Ver­sor­gungs­la­ge. Woh­nun­gen und In­fra­struk­tu­ren wa­ren ins­be­son­de­re in den von Bom­ben­an­grif­fen schwer be­trof­fe­nen in­dus­tri­el­len Zen­tren des Lan­des weit­ge­hend zer­stört. Die Be­völ­ke­rung in den ur­ban ver­dich­te­ten Ge­bie­ten wie dem Ruhr­ge­biet hat­te kaum ei­ne Mög­lich­keit, sich selbst zu ver­sor­gen. Hun­ger und Elend, ver­stärkt durch den har­ten Hun­ger­win­ter 1946/1947, lie­ßen die oft­mals zur Im­pro­vi­sa­ti­on ge­zwun­ge­ne Be­völ­ke­rung Über­le­bens­stra­te­gi­en er­fin­den – Be­grif­fe wie „Schwarz­mark­t“, „hams­tern“ und „frings­en“ gin­gen schnell in den Wort­schatz ein. Der po­pu­lä­re Köl­ner Erz­bi­schof Jo­seph Kar­di­nal Frings recht­fer­tig­te in sei­ner be­rühm­ten Sil­ves­ter­pre­digt 1946 den sich aus Not er­ge­ben­den Koh­len­klau, fort­an - wie an­de­re klei­ne Dieb­stäh­le auch - als „frings­en“ be­zeich­net. Bis 1950 ka­men zu­dem 1,7 Mil­lio­nen Flücht­lin­ge aus den deut­schen Ost­ge­bie­ten in den Wes­ten.

Die Bri­ten sa­hen ei­ne ih­rer haupt­säch­li­chen Auf­ga­ben im Auf­bau der De­mo­kra­tie von un­ten, von der Ebe­ne der Kom­mu­nen her. Der nächs­te Schritt war die Bil­dung von Län­dern, um den fö­de­ra­len Auf­bau ei­nes neu­en deut­schen Staa­tes vor­an­zu­trei­ben. So wur­de am 23.8.1946 im Stahl­hof in Düs­sel­dorf das Land Nord­rhein-West­fa­len of­fi­zi­ell ge­grün­det.

Es han­del­te sich um ei­ne Län­der­neu­grün­dung, ei­nen Vor­gän­ger­staat glei­chen Ge­biets oder ein iden­ti­täts­stif­ten­des Ter­ri­to­ri­um gin­gen dem neu­en Land an Rhein und Ruhr nicht vor­aus, un­ab­hän­gig da­von, wie ge­schichts­träch­tig die ver­schie­de­nen Ge­biets­tei­le des neu zu­ge­schnit­te­nen Lan­des auch wa­ren. Der bri­ti­schen Be­sat­zungs­macht kam es nicht dar­auf an, an his­to­risch-kul­tu­rel­le Be­zü­ge in ei­nem ho­mo­ge­nen Raum an­zu­knüp­fen, son­dern Nord­rhein-West­fa­len ent­stand vor al­lem aus geo­po­li­tisch-geo­stra­te­gi­schen Über­le­gun­gen. Ein we­sent­li­cher Grund war für die Bri­ten das Ein­he­gen des Ruhr­ge­biets. We­der Wün­sche Frank­reichs nach ei­nem staat­li­chen Son­der­sta­tus des Mon­tan­re­viers noch Jo­sef Sta­lins (1879-1953) wäh­rend der Pots­da­mer Kon­fe­renz ge­äu­ßer­te Idee ei­nes Vier­mäch­te­sta­tus für das Ruhr­ge­biet soll­ten wei­ter ver­folgt wer­den kön­nen. Be­reits am 21.6.1946 war in­tern der Be­schluss zur Grün­dung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len ge­fal­len, am 17.7.1946 teil­te der bri­ti­sche Mi­li­tär­gou­ver­neur Shol­to Dou­glas (1893-1969) auf ei­ner Kon­fe­renz beim Al­li­ier­ten Kon­troll­rat in Ber­lin mit, dass das nörd­li­che Rhein­land mit West­fa­len zu­sam­men­ge­legt wer­de. Am 20.7.1947 wur­de Düs­sel­dorf zur künf­ti­gen Lan­des­haupt­stadt be­stimmt.

Das Land Nord­rhein-West­fa­len setz­te sich nach sei­ner staats­recht­li­chen Grund­la­ge, der Mi­li­tär­ver­ord­nung Nr. 46 der bri­ti­schen Mi­li­tär­re­gie­rung vom 23.8.1946 zur „Auf­lö­sung der Pro­vin­zen des ehe­ma­li­gen Lan­des Preu­ßen in der Bri­ti­schen Zo­ne und ih­re Neu­bil­dung als selb­stän­di­ge Län­der“, zu­nächst zu­sam­men aus dem Nord­teil der preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz so­wie der preu­ßi­schen Pro­vinz West­fa­len. Am 21.1.1947 kam das Ge­biet des ehe­ma­li­gen Fürs­ten­tums Lip­pe hin­zu, was die Mi­li­tär­ver­ord­nung Nr. 77 mit der Ein­glie­de­rung des ei­gen­stän­di­gen Lan­des Lip­pe (Frei­staat seit 1918) in das Land Nord­rhein-West­fa­len re­gel­te. Da­mit wa­ren die ter­ri­to­ria­len Gren­zen des neu­en Lan­des wei­test­ge­hend um­schrie­ben - spä­ter gab es mit Bel­gi­en und den Nie­der­lan­den noch ei­ni­ge klei­ne­re Grenz­klä­run­gen -, wie sie bis heu­te gel­ten. Am 25.2.1947 kam es durch das Kon­troll­rats­ge­setz Nr. 46 zur for­mel­len Auf­lö­sung des Lan­des Preu­ßen, das aus Sicht der Bri­ten als Trä­ger des Mi­li­ta­ris­mus und der Re­ak­ti­on ge­brand­markt war und sei­ne Exis­tenz­be­rech­ti­gung ver­wirkt hat­te. Bis da­hin wa­ren auch die neu­en Län­der Schles­wig-Hol­stein (eben­falls am 23.8.1946) und Nie­der­sach­sen (1.11.1946) in der bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne ge­schaf­fen wor­den.

Das Land Nord­rhein-West­fa­len trat die Rechts­nach­fol­ge des auf­ge­lös­ten Frei­staats Preu­ßen an. Die Men­schen in den neu­en Gren­zen des ge­ra­de ge­schaf­fe­nen Lan­des ein­te noch am ehes­ten, dass sie sich mit dem un­ge­lieb­ten Preu­ßen als Vor­gän­ger­staat so gut wie nicht iden­ti­fi­zie­ren konn­ten – ei­ne Aver­si­on, die be­son­ders die Rhein­län­der in ih­rem Be­wusst­sein seit 1815 ge­prägt hat­te. An­sons­ten lief die Grün­dung des neu­en Lan­des bei den Bri­ten nicht völ­lig zu Un­recht un­ter dem Code­na­men „Ope­ra­ti­on Mar­ria­ge“ we­gen der ei­gent­lich doch sehr un­ter­schied­li­chen Lan­des­tei­le Rhein­land und West­fa­len, die hier ver­eint wur­den.

Joseph Kardinal Frings. (Historisches Archiv des Erzbistums Köln)

 

2. Zwischen Bizone und Bundesrepublik – die ersten Jahre 1946-1949

Der Re­gio­nal Com­mis­sio­ner für die Pro­vinz Nord­rhein, Wil­liam As­bu­ry (1889-1961), bot am 24.7.1946 dem Ober­prä­si­den­ten der preu­ßi­schen Pro­vinz West­fa­len, Ru­dolf Ame­lun­xen, an, ers­ter Mi­nis­ter­prä­si­dent des neu­en Lan­des Nord­rhein-West­fa­len - frei­lich un­ter bri­ti­scher Kon­trol­le - zu wer­den und in Düs­sel­dorf ein Ka­bi­nett zu bil­den, nach­dem sich die bri­ti­sche Mi­li­tär­re­gie­rung in ei­ner Be­spre­chung zwei Ta­ge zu­vor auf ihn ge­ei­nigt hat­te. Die Bri­ten woll­ten wohl mit der Er­nen­nung des west­fä­li­schen Ober­prä­si­den­ten zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten der Ent­täu­schung vie­ler West­fa­len, die auf die Er­rich­tung ei­nes selb­stän­di­gen Lan­des West­fa­len mit der Haupt­stadt Müns­ter ge­hofft hat­ten, ent­ge­gen­wir­ken. Die Er­nen­nung Ame­lun­xens wur­de be­reits am Abend des 26.7.1946 be­kannt­ge­ge­ben. Seit März 1946 hat­te Ru­dolf Ame­lun­xen der bri­ti­schen Be­sat­zungs­macht schon als Mit­glied des Zo­nen­bei­rats ge­dient. Vor 1933 hat­te er der ka­tho­li­schen Zen­trums­par­tei an­ge­hört, in die er 1947 zu­rück­kehr­te. Die Bri­ten ga­ben dem da­mals noch Par­tei­lo­sen den Vor­zug ge­gen­über rhei­ni­schen Christ­de­mo­kra­ten wie Karl Ar­nold oder Her­mann Pünder, die be­reits in der Grün­dungs­pha­se der Christ­lich De­mo­kra­ti­schen Uni­on den Weg in die neue – im Un­ter­schied zum Zen­trum – über­kon­fes­sio­nell christ­lich aus­ge­rich­te­te Par­tei ge­fun­den hat­ten.

Die Wahl Düs­sel­dorfs als Lan­des­haupt­stadt kam un­er­war­tet, ob­wohl die Ver­le­gung des Ver­wal­tungs­sit­zes der Pro­vinz Nord­rhein von Bonn nach Düs­sel­dorf im Ok­to­ber 1945 be­reits ge­zeigt hat­te, dass die Bri­ten Düs­sel­dorf be­vor­zug­ten. Am 1.5.1946 sie­del­ten sie ei­ne wich­ti­ge zi­vi­le Ver­wal­tungs­be­hör­de, den Re­gio­nal Com­mis­sio­ner (Zi­vil­gou­ver­neur für Nord­rhein), eben­falls in Düs­sel­dorf an, der sei­nen Sitz im Stahl­hof nahm. Düs­sel­dorf bot ein ge­wis­ses Po­ten­zi­al an Bü­ro- und Ver­wal­tungs­ka­pa­zi­tä­ten, weil es schon vor dem Zwei­ten Welt­krieg Sitz gro­ßer Un­ter­neh­men und wich­ti­ger in­dus­tri­el­ler In­ter­es­sen­ver­ei­ni­gun­gen ge­we­sen war, an­de­rer­seits blieb die An­sied­lung der Be­hör­den und po­li­ti­schen In­sti­tu­tio­nen des neu ge­grün­de­ten Lan­des in der stark kriegs­zer­stör­ten Stadt lan­ge Zeit nur pro­vi­so­risch.

Rudolf Amelunxen. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

 

So wie der Mi­nis­ter­prä­si­dent wur­de auch die ers­te Lan­des­re­gie­rung er­nannt. Ame­lun­xens ers­tes Ka­bi­nett tag­te erst­mals am 30.8.1946 und be­stand aus Par­tei­lo­sen so­wie aus Mit­glie­dern des Zen­trums, der FDP, der SPD und der KPD. Die neu ent­stan­de­ne CDU un­ter dem zu­nächst als Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der in den neu­en Land­tag ein­ge­zo­ge­nen Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Kon­rad Ade­nau­er zog die Op­po­si­ti­on vor, nach­dem sie das In­nen- und Kul­tus­mi­nis­te­ri­um nicht er­lan­gen konn­te. Nach ei­ner Ka­bi­netts­um­bil­dung En­de 1946 und nach der für die CDU güns­tig ver­lau­fe­nen ers­ten Kom­mu­nal­wahl im Ok­to­ber 1946, bei der sie lan­des­weit 46 Pro­zent der ab­ge­ge­be­nen Stim­men er­hal­ten hat­te, stell­te im zwei­ten Ka­bi­nett Ame­lun­xens auch die CDU erst­mals Lan­des­mi­nis­ter. Von Au­gust 1946 bis zum 1.4.1953 be­zog die Lan­des­re­gie­rung das Man­nes­mann-Haus am Rhein­knie als Staats­kanz­lei und Amts­sitz des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten.

Die Er­öff­nungs­sit­zung des ers­ten Land­tags fand am 2.10.1946 in der Düs­sel­dor­fer Oper. statt. Die 200 Ab­ge­ord­ne­ten wa­ren er­nannt und hat­ten zu­vor im We­sent­li­chen den bei­den Pro­vin­zi­al­rä­ten an­ge­hört; ver­tre­ten wa­ren SPD, KPD, CDU, Zen­trum und FDP, da­zu wa­ren ei­ni­ge Ab­ge­ord­ne­te par­tei­los. Die Kom­pe­ten­zen des Land­tags und der Lan­des­re­gie­rung wa­ren ge­gen­über den Rech­ten der Be­sat­zer noch stark be­schränkt. Sit­zun­gen fan­den zu­nächst in Pro­vi­so­ri­en statt. Erst 1949 war das im Krieg schwer be­schä­dig­te Stän­de­haus so­weit in Stand ge­setzt, dass der Land­tag dort für die nächs­ten Jahr­zehn­te sei­ne Hei­mat fand.

Das vor­ma­li­ge ei­gen­stän­di­ge Land Lip­pe muss­te 1947 auf Be­trei­ben der Bri­ten sei­ne Selbst­stän­dig­keit auf­ge­ben. Das klei­ne Land soll­te zu­nächst mit Nie­der­sach­sen ver­ei­nigt wer­den, was der Men­ta­li­tät der Be­völ­ke­rung wohl auch eher ent­spro­chen hät­te. Doch die lip­pi­sche Re­gie­rung un­ter Lan­des­prä­si­dent Hein­rich Dra­ke (1881-1970) ent­schied sich nach Ver­hand­lun­gen für den An­schluss an Nord­rhein-West­fa­len. Das Land Lip­pe ließ sich von der Düs­sel­dor­fer Re­gie­rung um­fas­sen­de po­li­ti­sche Zu­sa­gen ge­ben (Lip­pi­sche Punk­ta­tio­nen). Sein Lan­des­ver­mö­gen et­wa wur­de grö­ß­ten­teils nicht nord­rhein-west­fä­li­scher Staats­be­sitz, son­dern dem ei­gens ge­grün­de­ten Lan­des­ver­band Lip­pe über­tra­gen. Zu­sätz­lich muss­te die Be­zirks­re­gie­rung aus Min­den ih­ren Sitz für den neu­en Re­gie­rungs­be­zirk Min­den-Lip­pe (spä­ter Re­gie­rungs­be­zirk Det­mold) in der ehe­mals lip­pi­schen Lan­des­haupt­stadt Det­mold neh­men. Den Lip­pern wur­de au­ßer­dem ge­stat­tet, ih­re Ge­mein­schafts­schu­len bei­zu­be­hal­ten, wäh­rend in West­fa­len und im Rhein­land die Kon­fes­si­ons­schu­le („Be­kennt­nis­schu­le“) bis in die 1960er Jah­re die Re­gel­schu­le war. Die Bri­ten ver­spra­chen den Lip­pern ei­ne Volks­ab­stim­mung in­ner­halb von fünf Jah­ren, in der sie über den Bei­tritt ab­schlie­ßend ab­stim­men soll­ten. Die bis 1952 vor­ge­se­he­ne Ab­stim­mung fand je­doch nie statt. Am 5.11.1948 wur­de mit Ver­ab­schie­dung des „Ge­set­zes über die Ver­ei­ni­gung des Lan­des Lip­pe mit Nord­rhein-West­fa­len“ die Ein­glie­de­rung Lip­pes durch den Land­tag Nord­rhein-West­fa­len recht­lich ab­schlie­ßend ge­re­gelt.

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, New York 23.6.1952, Foto: Katherine Young. (Bundesarchiv B 145 Bild-F078072-0004 / CC-BY SA 3.0)

 

Am 20.4.1947 fan­den die ers­ten Land­tags­wah­len in Nord­rhein-West­fa­len statt. Die CDU wur­de mit 37,6 Pro­zent stärks­te Par­tei und stell­te fort­an mit dem CDU-Po­li­ti­ker Karl Ar­nold, der dem lin­ken Par­tei­flü­gel zu­ge­ord­net wur­de, den zwei­ten Mi­nis­ter­prä­si­den­ten. Der ge­bür­ti­ge Ober­schwa­be Ar­nold scheu­te sich nicht, in der für das Land wirt­schaft­lich und po­li­ti­schen schwe­ren Zeit, ne­ben dem na­he­lie­gen­den po­li­ti­schen Part­ner, der Zen­trums­par­tei (9,8 Pro­zent), auch die SPD (32,0 Pro­zent), bis 1948 so­gar die KPD (14,0 Pro­zent), an sei­ner ers­ten Re­gie­rung zu be­tei­li­gen.

Un­ter Mi­nis­ter­prä­si­dent Ar­nold war Nord­rhein-West­fa­len in dem 1948 ein­be­ru­fe­nen Par­la­men­ta­ri­schen Rat an der Aus­ar­bei­tung des Grund­ge­set­zes ver­tre­ten, auf des­sen Grund­la­ge die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land 1949 ge­grün­det wur­de. In die­ser Ver­fas­sung wur­de – als Kon­se­quenz aus den ne­ga­ti­ven Er­fah­run­gen mit dem to­ta­li­tä­ren NS-Re­gime und des­sen Gleich­schal­tungs­po­li­tik der Län­der – der fö­de­ra­le Cha­rak­ter der neu­en Staats­ord­nung fest­ge­schrie­ben. Nord­rhein-West­fa­len war und blieb das be­völ­ke­rungs­reichs­te Land der neu­en Re­pu­blik, die in der An­fangs­pha­se nie­mand mehr präg­te als der ehe­ma­li­ge Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er, der von 1949 bis 1963 ers­ter Bun­des­kanz­ler wur­de. Bonn, das be­reits als Ta­gungs­ort für den Par­la­men­ta­ri­schen Rat ge­dient hat­te und wo auch das Grund­ge­setz von den Mi­nis­ter­prä­si­den­ten der Län­der un­ter­zeich­net wor­den war, wur­de Bun­des­haupt­stadt und gab – trotz des pro­vi­so­ri­schen Cha­rak­ters – der Ge­schich­te der Bun­des­re­pu­blik bis zum Jah­re 1990 mit der Be­zeich­nung „Bon­ner Re­pu­bli­k“ ih­ren prä­gen­den Na­men.

Karl Arnold am Schreibtisch, Porträtfoto. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

 

Gut ein Jahr nach Kriegs­en­de gab es be­reits wie­der 19 li­zen­zier­te Zei­tun­gen in Nord­rhein-West­fa­len. 1946 wur­de der Vor­läu­fer der spä­te­ren Hoch­schu­le für Mu­sik Det­mold ge­grün­det und die Kunst­aka­de­mie Düs­sel­dorf wie­der­er­öff­net. Ein Jahr spä­ter wur­de die Sport­hoch­schu­le Köln als ers­te neue Hoch­schu­le er­rich­tet. Im Jahr 1947 fan­den auch die ers­ten Ruhr­fest­spie­le un­ter dem Mot­to „Kunst ge­gen Koh­le“ statt. Die Ham­bur­ger Büh­nen dank­ten so den Kum­peln in Reck­ling­hau­sen, die ih­nen heim­lich Koh­le für ih­re Schau­spiel­häu­ser ge­schenkt hat­ten. In­mit­ten der Rui­nen des kriegs­zer­stör­ten Kölns fand 1949 der ers­te Köl­ner Ro­sen­mon­tags­zug nach dem Krieg statt. In ih­rer stets zum Op­ti­mis­mus nei­gen­den Art be­san­gen sich die Köl­ner in die­ser Ses­si­on als die „Ein­ge­bo­re­nen von Tri­zo­ne­si­en“, da kurz vor Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik die ame­ri­ka­nisch-bri­ti­sche Bi­zo­ne um die fran­zö­si­sche Be­sat­zungs­zo­ne zur Tri­zo­ne ver­ei­nigt wor­den war.

Der be­son­de­ren wirt­schafts- und rüs­tungs­po­li­ti­schen Be­deu­tung des Ruhr­ge­biets trug das am 29.4.1949 be­schlos­se­ne Ruhr­sta­tut Rech­nung. Im nach­fol­gen­den Pe­ters­ber­ger Ab­kom­men ak­zep­tier­te die jun­ge Bun­des­re­pu­blik die zur Um­set­zung des Ruhr­sta­tuts vor­ge­se­he­ne in­ter­na­tio­na­le Be­hör­de, die die Mon­tan­in­dus­trie der Re­gi­on kon­trol­lie­ren soll­te. Die Kon­troll­be­hör­de, zu de­ren Sitz das At­lan­tik­haus im heu­ti­gen Re­gie­rungs­vier­tel Düs­sel­dorfs be­stimmt wur­de (heu­te Sitz des nord­rhein-west­fä­li­schen Bau­mi­nis­te­ri­ums), war al­ler­dings nur bis zum In­kraft­tre­ten der Eu­ro­päi­schen Ge­mein­schaft für Koh­le und Stahl im Jahr 1952 tä­tig. Pro­duk­ti­ons­be­schrän­kun­gen wur­den nach kur­zer Zeit ge­lo­ckert, um den wirt­schaft­li­chen Wie­der­auf­bau zu för­dern und nicht zu­letzt auch die fran­zö­si­sche Stahl­in­dus­trie mit deut­scher Koh­le zu ver­sor­gen. Gleich­zei­tig be­en­de­te das Pe­ters­ber­ger Ab­kom­men die De­mon­ta­ge wich­ti­ger In­dus­trie­an­la­gen im Ruhr­ge­biet.

3. Die Regierungen Arnold, Steinhoff und Meyers bis 1966

Die zwei­te Land­tags­wahl am 18.6.1950 be­stä­tig­te Mi­nis­ter­prä­si­dent Karl Ar­nold (CDU) im Amt. Die CDU wur­de mit 36,9 Pro­zent wie­der die stärks­te Kraft im Par­la­ment, ge­folgt von der SPD mit 32,3 Pro­zent; letzt­mals ge­lang der KPD mit 5,5  Pro­zent der Ein­zug. Ge­win­ner war die FDP mit 12,1 Pro­zent, das Zen­trum ver­lor leicht und kam auf 7,5 Pro­zent. Wich­ti­ge The­men wa­ren die Vor­schlä­ge der SPD zur Ein­füh­rung der All­ge­mein­schu­len und die Mon­tan­mit­be­stim­mung. Letz­te­re fiel zwar vor al­lem in die Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Bun­des, hat­te aber für Nord­rhein-West­fa­lens In­dus­trie na­tur­ge­mäß ei­ne be­son­de­re Be­deu­tung. Die CDU, die bis­her ei­ne Ko­ali­ti­on mit SPD und Zen­trum an­ge­führt hat­te, ging nach der Wahl ei­ne Ko­ali­ti­on mit der Zen­trums­par­tei oh­ne die SPD ein, was ihr auf­grund ei­ni­ger Über­hang­man­da­te mög­lich war. Karl Ar­nold galt als ka­tho­li­scher So­zi­al­po­li­ti­ker, der den For­de­run­gen nach ei­ner Mit­be­stim­mung der Ar­bei­ter und so­gar nach Ein­füh­rung kon­fes­si­ons­lo­ser Schu­len re­la­tiv un­vor­ein­ge­nom­men ge­gen­über­stand – im Ge­gen­satz zu Kon­rad Ade­nau­er. Die­ser stell­te sich ge­gen Ar­nold und wirk­te mas­siv auf die Bil­dung ei­ner Re­gie­rungs­ko­ali­ti­on oh­ne Be­tei­li­gung der SPD hin.

Mit der Land­tags­wahl 1950 wur­de auch über die An­nah­me der Ver­fas­sung für das Land Nord­rhein-West­fa­len ab­ge­stimmt, de­ren Ent­wurf vom Land­tag kurz zu­vor mit 110 Stim­men von CDU und Zen­trum ge­gen 97 von SPD, FDP und KPD be­schlos­sen wor­den war. Am um­strit­tens­ten war die von CDU und Zen­trum durch­ge­setz­te Kon­fes­si­ons­schu­le. Bei der Volks­ab­stim­mung stimm­ten 57 Pro­zent mit Ja, 35,2 Pro­zent mit Nein, 7,8 Pro­zent der ab­ge­ge­be­nen Stim­men wa­ren un­gül­tig. In den über­wie­gend ka­tho­li­schen Ge­bie­ten er­gab sich über­all ei­ne deut­li­che Mehr­heit für die Ver­fas­sung, wäh­rend in den mehr­heit­lich pro­tes­tan­ti­schen Lan­des­tei­len häu­fig die Nein-Stim­men über­wo­gen. Die stärks­te Ab­leh­nung gab es im ehe­ma­li­gen Land Lip­pe (58,6 Pro­zent Ab­leh­nung). Die da­mit aus­ge­drück­te kri­ti­sche Hal­tung der Lip­per zu ih­rem neu­en Land ver­an­lass­te die Lan­des­re­gie­rung mög­li­cher­wei­se, die er­war­te­te Volks­ab­stim­mung über den An­schluss des Lan­des Lip­pe nicht ab­zu­hal­ten. Die Krei­se Det­mold und Lem­go, die ge­gen die­se Be­hand­lung vor das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ge­zo­gen wa­ren, setz­ten sich mit ih­rer Rechts­auf­fas­sung dort am 28.7.1955 al­ler­dings nicht durch.

Konstituierende Sitzung des Parlamentarischen Rates am 1. September 1948 in Bonn. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

 

Ar­nold wirk­te als Mi­nis­ter­prä­si­dent in der ers­ten Le­gis­la­tur­pe­ri­ode auf die Mon­tan­mit­be­stim­mung hin, die 1951 im Mon­tan-Mit­be­stim­mungs­ge­setz ver­an­kert wur­de und zum Vor­bild für wei­te­re Mit­be­stim­mungs­ge­set­ze in der So­zia­len Markt­wirt­schaft der Bun­des­re­pu­blik wur­de. Al­li­ier­te Plä­ne zur Neu­ord­nung der Be­sitz­ver­hält­nis­se der deut­schen Mon­tan­un­ter­neh­men und ei­ner Kon­trol­le der ge­sam­ten Stahl­in­dus­trie, dem Ruhr­sta­tut als Idee zu­grun­de lie­gend, wur­den im Zu­ge der Grün­dung der Mon­tan­uni­on auf­ge­ge­ben. Durch das Mon­tan-Mit­be­stim­mungs­ge­setz war die Ge­werk­schafts­be­we­gung oh­ne­hin als Ge­gen­pol zum Gro­ß­ka­pi­tal in den Mon­tan­un­ter­neh­men auf­ge­stie­gen.

Der Land­tag be­schloss 1952 auch die von den Bri­ten be­reits 1945 per Be­schluss in Grund­zü­gen ein­ge­führ­te Ge­mein­de­ord­nung. Die neue Ge­mein­de­ord­nung war nach den Prin­zi­pi­en der Nord­deut­schen Rats­ver­fas­sung auf­ge­baut und wies dem Ge­mein­de­rat, das als ein­zi­ges Or­gan di­rekt ge­wählt wur­de, ei­ne we­sent­li­che Stel­lung zu. Die­se Ge­mein­de­ord­nung wur­de erst 1994 grund­le­gend ge­än­dert. Die Kom­mu­nen im Lan­des­teil Rhein­land so­wie in West­fa­len-Lip­pe er­hiel­ten 1953 in Nach­fol­ge der preu­ßi­schen Pro­vin­zi­al­ver­bän­de zur bes­se­ren Er­fül­lung ih­rer kom­mu­na­len Auf­ga­ben Land­schafts­ver­bän­de, die in be­son­de­rem Ma­ße den kul­tu­rel­len Ei­gen­ar­ten der Rhein­län­der und den West­fa­len (LVR und LWL) ge­recht wer­den soll­ten. 1953 wur­den auch die Lan­des­flag­ge und das Lan­des­wap­pen fest­ge­legt. Das Wap­pen zeigt die Sym­bo­le der drei Lan­des­tei­le Rhein­land (den Rhein), West­fa­len (das West­fa­len­ross) und Lip­pe (Lip­per Ro­se).

Bei der Land­tags­wahl 1954 er­hielt die CDU (wie schon bei der Bun­des­tags­wahl 1953) mit deut­li­chem Ab­stand die meis­ten Stim­men mit 41,3 Pro­zent, die SPD kam auf 34,5 Pro­zent und die FDP auf 11,5 Pro­zent. Die KPD ver­pass­te den Ein­zug in den Land­tag. Karl Ar­nold ge­lang es, die FDP in ei­ne Re­gie­rung ein­zu­bin­den. In sei­nem drit­ten Ka­bi­nett war ne­ben den FDP-Mi­nis­tern wei­ter­hin auch der ehe­ma­li­ge Mi­nis­ter­prä­si­dent, jet­zi­ge Lan­des­jus­tiz­mi­nis­ter und im­mer noch dem Zen­trum an­ge­hö­ren­de Ru­dolf Ame­lun­xen ver­tre­ten, des­sen Par­tei mit ei­ner ein­ma­li­gen Aus­nah­me­re­ge­lung knapp im Land­tag noch ver­tre­ten war, ob­wohl sie an der 5-Pro­zent-Hür­de ge­schei­tert war.

Die Luft­han­sa mit Haupt­sitz in Köln wur­de 1955 neu ge­grün­det, an der auch das Land Nord­rhein-West­fa­len di­rek­te Ka­pi­tal­be­tei­li­gun­gen hielt. In­fol­ge des 1955 ge­schlos­se­nen An­wer­be­ab­kom­men mit Ita­li­en ka­men vie­le Ita­lie­ner ins Land, um den Ar­beits­kräf­te­man­gel in der nord­rhein-west­fä­li­schen In­dus­trie ab­zu­fe­dern. Bis heu­te stel­len die Ita­lie­ner nach den Tür­ken die zweit­grö­ß­te Aus­län­der­grup­pe im Land. Mit der Tür­kei schloss Nord­rhein-West­fa­len 1961 ein An­wer­be­ab­kom­men, das ab den 1960er Jah­ren zu ei­nem noch stär­ke­ren Zu­zug tür­ki­scher Ar­bei­ter führ­te. Ins­be­son­de­re die In­dus­tri­en im Bal­lungs­raum Rhein-Ruhr er­hiel­ten so die im Wirt­schafts­wun­der ge­such­ten zu­sätz­li­chen Ar­beits­kräf­te.

Durch deutsch-bel­gi­schen Grenz­ver­trag wur­den 1956 die Gren­zen zwi­schen Nord­rhein-West­fa­len und Bel­gi­en end­gül­tig fest­ge­legt. Da­bei wur­den un­ter an­de­rem auch von Bel­gi­en be­an­spruch­te Ge­bie­te wie­der nord­rhein-west­fä­lisch.

Be­reits nach zwei Jah­ren zer­brach 1956 die CDU/FDP-Ko­ali­ti­on, da die FDP aus Pro­test ge­gen ei­ne von Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er an­ge­streb­te Wahl­rechts­re­form, die sich zu Las­ten klei­ner Par­tei­en aus­ge­wirkt hät­te, die Ko­ali­ti­on auf­kün­dig­te. Im Land­tag wähl­ten FDP und SPD per kon­struk­ti­vem Miss­trau­ens­vo­tum den ehe­ma­li­gen Berg­mann Fritz Stein­hoff (1897-1969) (SPD) zum neu­en Mi­nis­ter­prä­si­den­ten, der ei­ne SPD-FDP-Re­gie­rung mit aber­ma­li­ger Be­tei­li­gung Ame­lun­xens vom Zen­trum form­te, de­ren Amts­zeit aber nur ein kur­zes In­ter­mez­zo blei­ben soll­te.

1956 spal­te­te sich der Nord­west­deut­sche Rund­funk (NW­DR) in den Nord­deut­schen Rund­funk (NDR) und den West­deut­schen Rund­funk (WDR). Das Sen­de­ge­biet des WDR um­fass­te das Land Nord­rhein-West­fa­len, wäh­rend der NDR für die nord­deut­schen Län­der pro­du­zier­te. Seit 1955 durf­ten die Bür­ger des Lan­des wie­der Lot­to spie­len, 1957 wur­de die lan­des­ei­ge­ne West­deut­sche Lot­te­rie ei­gen­stän­dig. Die rö­misch-ka­tho­li­sche Kir­che er­rich­te­te 1958 mit dem Bis­tum Es­sen ein ei­ge­nes Bis­tum für das be­völ­ke­rungs­rei­che Ruhr­ge­biet.

Die Unterzeichner der Gründungsurkunde für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Weitere Unterzeichner waren (v.l.): Paul von Zeeland (Belgien), Joseph Beck (Luxemburg), Joseph Maurice (Belgien), Count Carlo Sforza (Italien), Robert Schuman (F. (Bundespresseamt)

 

Die Land­tags­wahl 1958 be­en­de­te die so­zi­al­li­be­ra­le Ko­ali­ti­on nach nur zwei Jah­ren. Der 1956 aus dem Amt ge­dräng­te und recht be­lieb­te ehe­ma­li­ge Mi­nis­ter­prä­si­dent Karl Ar­nold trat 1958 er­neut als Spit­zen­kan­di­dat der CDU an. Kurz vor der Land­tags­wahl starb Ar­nold je­doch un­er­war­tet im Al­ter von nur 57 Jah­ren. Die CDU ge­wann die Land­tags­wah­len den­noch erst­mals mit ab­so­lu­ter Mehr­heit (50,5 Pro­zent, SPD 39,2 Pro­zent und FDP 7,1 Pro­zent), wo­bei ihr wie­der­um der Bun­des­trend half und die gro­ße Po­pu­la­ri­tät Ade­nau­ers, der ein Jahr zu­vor eben­falls ei­ne ab­so­lu­te Mehr­heit für die Uni­on bei den Bun­des­tags­wah­len er­reicht hat­te. Ar­nolds Er­be und neu­er Mi­nis­ter­prä­si­dent wur­de sein rhei­ni­scher Par­tei­freund Franz Mey­ers. Das Zen­trum ver­pass­te 1958 erst­mals den Ein­zug in den Land­tag.

En­de des Jahr­zehnts ge­riet die Mon­tan­in­dus­trie des Lan­des in ih­re ers­te gro­ße Kri­se. Die Koh­le­kri­se hat­te ver­schie­de­ne tech­ni­sche, öko­no­mi­sche und po­li­ti­sche Ur­sa­chen und führ­te zum Aus­fall von Schich­ten und zu Ent­las­sun­gen. Ei­ne der ers­ten Ze­chen im Re­vier, die we­gen der Koh­le­kri­se ih­ren Be­trieb 1959/1960 still­le­gen muss­te, war die Ze­che Prinz Re­gent in Bo­chum. Die Koh­le­kri­se, die spä­ter auch auf die Stahl­in­dus­trie über­schlug, läu­te­te den an­dau­ern­den Struk­tur­wan­del im Re­vier ein, der zum gro­ßen po­li­ti­schen The­ma der kom­men­den Jahr­zehn­te wur­de.

Am 8.4.1960 wur­de der Hol­land-Ver­trag („Al­ge­me­en Ver­dra­g“) ab­ge­schlos­sen. Die­ser deutsch-nie­der­län­di­sche Grenz­ver­trag re­gel­te die Rück­ga­be un­ter nie­der­län­di­scher Auf­trags­ver­wal­tung ste­hen­der Ge­bie­te an Deutsch­land bis 1963 und stell­te ei­nen ers­ten Schritt zur Ver­bes­se­rung der deutsch-nie­der­län­di­schen Be­zie­hun­gen dar. Ge­bie­te wie der Self­kant, El­ten (heu­te Stadt Em­me­rich) und Su­der­wick-West ka­men im Au­gust 1963 zu Nord­rhein-West­fa­len, wäh­rend der Wy­ler­berg un­ter nie­der­län­di­sche Sou­ve­rä­ni­tät fiel.

In Jü­lich nahm 1962 der For­schungs­re­ak­tor sei­nen Be­trieb auf. Heu­te gilt das dar­aus er­wach­se­ne For­schungs­zen­trum Jü­lich als ei­ne der grö­ß­ten For­schungs­ein­rich­tun­gen des Lan­des.

Bei der Land­tags­wahl 1962 ver­lor die CDU zwar ih­re ab­so­lu­te Mehr­heit und er­reich­te nur noch 46,4  Pro­zent der Stim­men, wäh­rend die SPD mit 43,3 Pro­zent den Ab­stand zur Uni­on deut­lich ver­kürz­te. Mi­nis­ter­prä­si­dent Franz Mey­ers (CDU) ge­lang aber die Bil­dung ei­ner schwarz-gel­ben Ko­ali­ti­on (FDP 6,8 Pro­zent) und konn­te wei­te­re vier Jah­re Mi­nis­ter­prä­si­dent blei­ben.

Franz Meyers, Porträtfoto, 1966, Foto: Bouserath. (Archiv für Christlich Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung)

 

Be­reits wäh­rend des Bun­des­tags­wahl­kamp­fes 1957 hat­te Franz Mey­ers den jun­gen auf­stre­ben­den Wis­sen­schaft­ler und Po­li­ti­ker Paul Mi­kat ken­nen- und schät­zen ge­lernt. Nun be­rief er den knapp 38-Jäh­ri­gen als Kul­tus­mi­nis­ter in sein neu­es Ka­bi­nett. Mi­kat mach­te sich in den nur vier Jah­ren sei­ner Amts­zeit ei­nen blei­ben­den Na­men als wich­ti­ger Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tor und Schul­po­li­ti­ker. Al­lein vier Uni­ver­si­tä­ten wur­den wäh­rend sei­ner Amts­zeit ge­grün­det: in Bo­chum, Düs­sel­dorf, Bie­le­feld und Dort­mund. Sei­ne Maß­nah­men zur Be­he­bung des Leh­rer­man­gels in Nord­rhein-West­fa­len mach­ten ihn schlag­ar­tig ei­ner brei­ten Öf­fent­lich­keit be­kannt: et­wa 4.500 feh­len­de Leh­rer­stel­len im Volks­schul­be­reich lie­ßen ihn gleich nach Amts­über­nah­me zu ei­ner un­ge­wöhn­li­chen Maß­nah­me grei­fen. Es soll­ten Aus­hilfs­kräf­te, die zu­min­dest das Ab­itur hat­ten, nach ei­nem ein­jäh­ri­gen Lehr­gang auf den Volks­schul­dienst vor­be­rei­tet wer­den. Ab­sol­ven­ten die­ses Schnell­ver­fah­rens hie­ßen im Volks­mund bald „Mi­kätz­chen“ und „Mi­ka­ter“. Zu­sätz­li­che Wei­ter­bil­dun­gen soll­ten die­se Quer­ein­stei­ger all­mäh­lich auf den Stand ih­rer stu­dier­ten Kol­le­gen brin­gen. Fast 2.500 Frau­en und Män­ner in Nord­rhein-West­fa­len be­gan­nen 1963 ih­re Lehr­gän­ge und un­ter­rich­ten schon ab Ja­nu­ar 1964.

4. Politischer Wechsel und beginnender Strukturwandel – die lange Ära Kühn und Rau bis 1998

Nach der Land­tags­wahl 1966 konn­te sich die CDU/FDP-Ko­ali­ti­on, wenn auch nur knapp, zu­nächst be­haup­ten; nur hauch­dünn ver­pass­te die SPD mit 49,5 Pro­zent ei­ne ei­ge­ne ab­so­lu­te Mehr­heit, die CDU er­reich­te 42,8 Pro­zent und die FDP kam auf 7,4 Pro­zent. Die be­gin­nen­de Re­zes­si­on, die be­son­ders das Ruhr­ge­biet hart traf, ließ die op­po­si­tio­nel­len So­zi­al­de­mo­kra­ten je­doch deut­lich pro­fi­tie­ren und an Zu­stim­mung ge­win­nen.

Paul Mikat, Wahlplakat zur Bundestagswahl 1980. (Konrad-Adenauer-Stiftung/Archiv für Christlich-Demokratische Politik - Fotoarchiv. 10-001: 2462 CC-BY-SA 3.0 DE)

 

CDU und FDP, die nur noch über 101 der 200 Sit­ze ver­füg­ten, ei­nig­ten sich zu­nächst auf ei­ne Fort­set­zung ih­rer Ko­ali­ti­on. In der kon­sti­tu­ie­ren­den Sit­zung des Land­tags am 25. Ju­li schaff­te Franz Mey­ers die Wie­der­wahl als Mi­nis­ter­prä­si­dent aber erst im zwei­ten Wahl­gang mit 100 zu 99 Stim­men ge­gen Kühn, wo­bei ihm hier die ein­fa­che Mehr­heit reich­te. Die neue CDU/FDP-Re­gie­rung hielt sich aber nur kurz. Nach­dem die SPD am 5.11.1966 ein Miss­trau­ens­vo­tum an­ge­kün­digt hat­te, be­schloss die CDU, Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen mit der SPD auf­zu­neh­men. Dies ver­an­lass­te die FDP da­zu, eben­falls ei­ne Ko­ali­ti­on mit der SPD an­zu­stre­ben. Am 1.12.1966 ent­schied sich die SPD-Frak­ti­on mehr­heit­lich für ei­ne Ko­ali­ti­on mit der FDP. Am 8.12.1966 wur­de Heinz Kühn (1912-1992) durch ein zwei­tes kon­struk­ti­ves Miss­trau­ens­vo­tum (nach 1956) mit 112 zu 85 Stim­men zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten ge­wählt. We­ni­ge Ta­ge vor­her hat­te die SPD auch bun­des­weit nach dem En­de der CDU/CSU/FDP-Ko­ali­ti­on un­ter Bun­des­kanz­ler Lud­wig Er­hard (1897-1977) als Teil der erst­mals un­ter dem neu­en Bun­des­kanz­ler Kurt-Ge­org Kie­sin­ger (1904-1988) ge­bil­de­ten Gro­ßen Ko­ali­ti­on von CDU/CSU und SPD nach 1945 Re­gie­rungs­ver­ant­wor­tung über­nom­men.

Die Volks­schu­len wur­den Mit­te der 1960er Jah­re ge­mäß dem Ham­bur­ger Ab­kom­men lan­des­weit durch ein Schul­sys­tem mit Grund­schu­len und Haupt­schu­len als Re­gel­schu­len er­setzt. Da­ne­ben exis­tier­ten wei­ter die Gym­na­si­en. 1968 ver­stän­dig­ten sich SPD und CDU auf die Ein­füh­rung der Ge­mein­schafts­schu­le als Re­gel­schu­le. Ei­ne Kon­fes­si­ons­schu­le (Haupt- oder Re­al­schu­le) konn­te nach die­ser Ver­stän­di­gung in Nord­rhein-West­fa­len auf Wunsch der El­tern und bei aus­rei­chend ge­währ­leis­te­ter Schul­grö­ße gleich­wohl wei­ter in staat­li­cher Trä­ger­schaft ein­ge­rich­tet be­zie­hungs­wei­se bei­be­hal­ten wer­den.

Heinz Kühn als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, 22. Dezember 1966, Foto: Renate Patzek. (Bundesarchiv, B 145 Bild-F023752-0007 / Patzek, Renate / CC-BY-SA 3.0)

 

Das Ze­chenster­ben wei­te­te sich 1966 mit der Still­le­gung der Ze­che Graf Bis­marck in Gel­sen­kir­chen auch auf bis­her ren­ta­ble Ze­chen aus. Still­le­gun­gen aus mut­ma­ß­lich öko­no­mi­schen Grün­den, um ho­he Still­le­gungs­prä­mi­en zu er­hal­ten, wa­ren be­son­ders um­strit­ten. Die Bun­des­re­gie­rung griff mit Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Karl Schil­ler (1911-1994) 1967 in die Kri­se des Berg­baus ein und in­iti­ier­te ei­ne kon­zer­tier­te Ak­ti­on. Die Re­gie­rung droh­te mit Strei­chung der Sub­ven­tio­nen, falls sich Ta­rif­part­ner und Re­gie­rung nicht auf ein neu­es Koh­le­ge­setz ei­ni­gen wür­den. Die­ses Ge­setz trat 1968 in Kraft. Auf den Druck der Bun­des­re­gie­rung hin schlos­sen sich die meis­ten der Berg­bau­un­ter­neh­men zur Ruhr­koh­le AG zu­sam­men. Die­ses Gro­ß­un­ter­neh­men soll­te im Wett­be­werb mit aus­län­di­scher Koh­le schlag­kräf­ti­ger sein, konn­te das Ze­chenster­ben letzt­lich aber nur ver­zö­gern.

Die Land­tags­wahl 1970 er­mög­lich­te SPD-Mi­nis­ter­prä­si­dent Heinz Kühn mit 46,1 Pro­zent die Fort­set­zung sei­ner Re­gie­rung. Sein Ko­ali­ti­ons­part­ner FDP schaff­te aber mit 5,5 Pro­zent nur knapp den Ein­zug in den Land­tag, und die CDU wur­de mit knap­pem Vor­sprung mit 46,3 Pro­zent stärks­te Par­tei. Die Wahl war die ers­te Land­tags­wahl nach Sen­kung des Wahl­al­ters von 21 auf 18 Jah­re und die Wahl­pe­ri­ode wur­de von vier auf fünf Jah­re an­ge­ho­ben. Die SPD grün­de­te 1970 als ers­te der gro­ßen Volks­par­tei­en ei­nen Lan­des­ver­band, der das ge­sam­te Land Nord­rhein-West­fa­len um­fass­te. Die bei­den CDU-Par­tei­ver­bän­de für das Rhein­land und für West­fa­len-Lip­pe zur CDU Nord­rhein-West­fa­len fu­sio­nier­ten erst 1986.

Das In­kraft­tre­ten der 1969 be­reits be­gon­ne­nen, aber hef­tig um­strit­te­nen kom­mu­na­len Ge­biets­re­form war in die­ser Le­gis­la­tur­pe­ri­ode ei­nes der wich­tigs­ten Pro­jek­te, das nach dem Schei­tern ei­nes Volks­be­geh­rens im Jahr 1974 bis 1975 ab­ge­schlos­sen wer­den konn­te. Aus über 2.300 kreis­an­ge­hö­ri­gen Ge­mein­den wur­den rund 373 Ge­mein­den. Durch die Kreis­re­form wur­den aus 57 (Land-) Krei­sen im Jahr 1966 bis 1975 31 Krei­se; die An­zahl der kreis­frei­en Städ­te wur­de von 38 im Jahr 1966 auf 23 im Jahr 1975 re­du­ziert. Nord­rhein-West­fa­len ord­ne­te da­mit in nur we­ni­gen Jah­ren wie kein zwei­tes Land sei­ne Ge­mein­de­zu­schnit­te ra­di­kal neu. Im Bun­des­ver­gleich hat bis heu­te kein an­de­res Flä­chen­land ähn­lich be­völ­ke­rungs­rei­che Ge­mein­den. 1972 wur­de auch der Re­gie­rungs­be­zirk Aa­chen auf­ge­löst und sein Ge­biet dem Re­gie­rungs­be­zirk Köln zu­ge­schla­gen.

Ab 1971 wur­den die Fach­schu­len in Nord­rhein-West­fa­len in 15 Fach­hoch­schu­len um­ge­wan­delt; 1972 folg­ten fünf Ge­samt­hoch­schu­len. Die in Deutsch­land ein­zig­ar­ti­ge Fern­uni­ver­si­tät Ha­gen wur­de 1975 ge­grün­det.

Kumpel bei der Schließung der Zeche Amalie in Essen-Altendorf währen des 'Zechensterbens', 1966. (Haus der Essener Geschichte / Stadtarchiv)

 

Bei der Land­tags­wahl 1975 trat Mi­nis­ter­prä­si­dent Kühn er­neut als Spit­zen­kan­di­dat der SPD an - die SPD konn­te mit 45,1 Pro­zent die Re­gie­rung mit der FDP (6,7 Pro­zent) fort­set­zen. Stärks­te Kraft wur­de aber wie­der die CDU mit 47,1 Pro­zent. Die Re­gie­rung kün­dig­te 1976 die Ein­füh­rung der Ko­ope­ra­ti­ven Schu­le an und stieß da­mit auf gro­ßen Wi­der­spruch in der Be­völ­ke­rung. Das bis­lang ein­zi­ge er­folg­rei­che Volks­be­geh­ren ge­gen die Ein­füh­rung wur­de or­ga­ni­siert und er­hielt die nö­ti­ge Un­ter­stüt­zung der Bür­ger. Die Ein­füh­rung der neu­en Schul­form wur­de 1978 dar­auf­hin ge­stoppt. Die Ge­samt­schu­len wur­den schlie­ß­lich 1981 nach aus­gie­bi­ger Test­pha­se end­gül­tig ins nord­rhein-west­fä­li­sche Schul­sys­tem in­te­griert. We­gen die­ser Nie­der­la­ge und ei­ner Ver­wick­lung in der West­LB-Af­fä­re trat der mehr und mehr amts­mü­de wir­ken­de Heinz Kühn 1978 vor­zei­tig von sei­nem Amt zu­rück. An sei­ne Stel­le wähl­te der Land­tag den bis­he­ri­gen Wis­sen­schafts­mi­nis­ter Jo­han­nes Rau zum neu­en Mi­nis­ter­prä­si­den­ten.

Bis Mit­te der 1970er Jah­re war die Stahl­in­dus­trie kon­kur­renz­fä­hig. Sie er­ziel­te noch 1974 ei­nen Re­kord­aus­stoß, ge­riet dann aber zu­neh­mend, wie zu­vor schon der Stein­koh­len­berg­bau, in ei­ne gro­ße Kri­se, die teils der auf­kom­men­den aus­län­di­schen Kon­kur­renz, teils der Öl­kri­se, die zu ho­hen En­er­gie­prei­sen ge­führt hat­te, ge­schul­det war. Die Mil­de­rung der Aus­wir­kun­gen die­ser Struk­tur­kri­se und die Ge­stal­tung des Struk­tur­wan­dels blie­ben ein zen­tra­les The­ma al­ler fol­gen­den Lan­des­re­gie­run­gen.

1979 star­te­te die Lan­des­re­gie­rung das Ak­ti­ons­pro­gramm Ruhr. Das durch Luft­ver­schmut­zung im­mer stär­ker be­las­te­te Ruhr­ge­biet soll­te sau­be­rer und die Be­woh­ner soll­ten durch Bil­dung in die La­ge ver­setzt wer­den, an­de­re Tä­tig­kei­ten au­ßer­halb der Mon­tan­in­dus­trie aus­zu­üben. Die Lan­des­re­gie­rung ver­wand­te da­für gro­ße Tei­le des Haus­hal­tes, wo­bei sich das Land je­doch im­mer stär­ker ver­schul­de­te. Die Er­trags­kraft des Lan­des war En­de der 1970er Jah­re durch Stahl- und Koh­len­kri­se so­weit ge­fal­len, dass Nord­rhein-West­fa­len 1979 erst­mals kein Ge­ber­land im Län­der­fi­nanz­aus­gleich mehr war. Auch im fol­gen­den Jahr­zehnt soll­te es un­ter den Net­to­emp­fän­gern im Fi­nanz­aus­gleich blei­ben. En­de der 1980er Jah­re ar­bei­te­ten nur noch rund 4 Pro­zent der Be­schäf­tig­ten in der Mon­tan­in­dus­trie.

Der 1980 un­ter­zeich­ne­te „Jahr­hun­dert­ver­tra­g“ soll­te die hei­mi­sche Stein­koh­le ge­gen­über im­por­tier­ter Stein­koh­le zur Ver­stro­mung be­vor­tei­len. Der 1980 ein­ge­führ­te „Koh­le­pfen­ni­g“ dien­te der Fi­nan­zie­rung die­ser Sub­ven­ti­on hei­mi­scher Stein­koh­le. 1986 wur­de der „Koh­le­pfen­ni­g“ we­gen ver­fas­sungs­recht­li­cher Be­den­ken aber wie­der ab­ge­schafft; die nord­rhein-west­fä­li­schen Ze­chen wur­den seit­dem durch di­rek­te staat­li­che Sub­ven­tio­nen in die La­ge ver­setzt, ih­ren Be­trieb auf­recht­zu­er­hal­ten. 1982 er­reich­te die Stahl­kri­se ih­ren Hö­he­punkt. Die Krupp Stahl AG kün­dig­te die Schlie­ßung des Stahl­wer­kes in Rhein­hau­sen (Stadt Duis­burg) an, weil die hei­mi­sche Stahl­pro­duk­ti­on ge­gen­über aus­län­di­scher Im­port­wa­re nicht kon­kur­renz­fä­hig sei. Die Schlie­ßung soll­te 1988 er­fol­gen. Durch mas­si­ve Pro­tes­te und Ar­beits­kämp­fe im Jahr 1987 wur­de das Über­le­ben des Wer­kes noch ein­mal ver­län­gert, aber 1993 letzt­lich doch still­ge­legt.

Johannes Rau, Porträtfoto, Berlin, 2000. (Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland)

 

Die Land­tags­wahl 1980 führ­te zu ei­nem Land­tag, der aus­schlie­ß­lich aus den Frak­tio­nen CDU und SPD be­stand, da die FDP knapp an der 5-Pro­zent-Hür­de schei­ter­te. Als grö­ße­re Frak­ti­on hat­te die SPD (48,4 Pro­zent) zwangs­läu­fig ei­ne ab­so­lu­te Mehr­heit im Land­tag. Die Uni­on hat­te mit 43,2 Pro­zent leich­te Ver­lus­te zu ver­zeich­nen. Ihr Spit­zen­kan­di­dat Hein­rich Köpp­ler (1925-1980), der zum drit­ten Mal in­fol­ge an­ge­tre­ten war, starb drei Wo­chen vor dem Wahl­ter­min (wie schon 1958 Karl Ar­nold). Für ihn sprang kurz­fris­tig der CDU-Ge­ne­ral­se­kre­tär der Bun­des­par­tei, Kurt Bie­den­kopf (ge­bo­ren 1930), ein. Zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten wähl­te die SPD-Frak­ti­on aber­mals Jo­han­nes Rau. Sei­ne Po­pu­la­ri­tät si­cher­te der NRW-SPD für ins­ge­samt drei Le­gis­la­tur­pe­ri­oden ei­ne ab­so­lu­te Mehr­heit. 1985 er­ziel­te die SPD nach dem ho­hen Uni­ons­sieg bei der Bun­des­tags­wahl 1983 ihr bes­tes Er­geb­nis im Land mit 52,1 Pro­zent (CDU 36,5 Pro­zent, FDP 6,0 Pro­zent). Das Land wur­de in der Fol­ge oft­mals als „Herz­kam­mer der So­zi­al­de­mo­kra­tie“ oder als „Stamm­land der SPD“ be­zeich­net, de­ren Ba­sis die Ar­bei­ter­mi­lieus des Ruhr­ge­bie­tes bil­de­ten. Dies führ­te 1987 zur Kanz­ler­kan­di­da­tur von Jo­han­nes Rau bei der Bun­des­tags­wahl, doch un­ter­lag er hier deut­lich ge­gen Bun­des­kanz­ler Hel­mut Kohl (1930-2017).

Der neue Land­tag des Lan­des wur­de 1988 am Rhein­ufer in Düs­sel­dorf ein­ge­weiht. Das Lan­des­par­la­ment er­hielt da­mit ein erst­mals für sei­ne Be­dürf­nis­se kon­zi­pier­tes Ge­bäu­de. Mit ihm wur­de auch der Grund­stein für die Ent­wick­lung ei­nes Re­gie­rungs­vier­tels am Düs­sel­dor­fer Rhein­knie ge­legt.

Die Kern­re­ak­to­ren in Jü­lich und der Schnel­le Brü­ter THTR 300 in Hamm wur­den 1989 still­ge­legt. Bei Letz­te­rem kam es zu er­heb­li­chen Be­triebs­stö­run­gen bis hin zu ei­nem Aus­tritt von Ra­dio­ak­ti­vi­tät im Jahr des Tscher­no­byl-Un­glücks 1986.

Die Land­tags­wahl 1990 be­scher­te der SPD mit Mi­nis­ter­prä­si­dent Jo­han­nes Rau mit 50,0 Pro­zent er­neut ei­ne ab­so­lu­te Mehr­heit (CDU 36,7 Pro­zent). Die Grü­nen schaff­ten mit 5,0 Pro­zent erst­mals den Ein­zug in das Lan­des­par­la­ment. 1991 be­schloss der Bun­des­tag den Um­zug der Re­gie­rung und des Par­la­ments von Bonn nach Ber­lin. Den­noch ver­blie­ben Tei­le der Re­gie­rung und an­de­re Bun­des­ein­rich­tun­gen in Bonn, das für den Ver­lust sei­ner Haupt­stadt­funk­ti­on den Ti­tel „Bun­des­stadt“ er­hielt. Als Stand­ort be­deu­ten­der (ehe­ma­li­ger) Staats­un­ter­neh­men wie die Nach­fol­ge­un­ter­neh­men der Deut­schen Bun­des­post und durch den Zu­zug wich­ti­ger UN-Ein­rich­tun­gen konn­te der Weg­zug der Re­gie­rung und des Par­la­ments weit­ge­hend kom­pen­siert wer­den. Neu­bau­ten be­deu­ten­der staat­li­cher Mu­se­en – Bun­des­kunst­hal­le und Haus der Ge­schich­te – schu­fen im al­ten Re­gie­rungs­vier­tel zu­sam­men mit der Kunst­samm­lung Bonn ei­ne neue Mu­se­ums­mei­le.

Das be­reits 1985 fast fer­tig­ge­stell­te Kern­kraft­werk Kal­kar wur­de nicht in Be­trieb ge­nom­men, 1991 wur­de das Pro­jekt end­gül­tig auf­ge­ge­ben. 1994 wur­de mit dem Kern­kraft­werk Wür­gas­sen auch das letz­te nord­rhein-west­fä­li­sche Kern­kraft­werk still­ge­legt. Die von der an­hal­ten­den Stahl­kri­se schwer an­ge­schla­ge­nen Stahl­kon­zer­ne des Lan­des kon­so­li­dier­ten in den 1990er Jah­ren ih­re Un­ter­neh­men. Zu­nächst wur­de aus der Hoesch AG und Krupp 1992 die Fried­rich Krupp AG Hoesch-Krupp ge­formt, die ih­rer­seits 1997 mit Thys­sen in der Thys­sen­Krupp AG auf­ging.

Heinrich Köppler auf dem CDU-Bundesparteitag in Ludwigshafen, 25. Oktober 1978, Foto: Engelbert Reineke. (Bundesarchiv, B 145 Bild-F054635-0020 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0)

 

Die SPD ver­fehl­te 1995 erst­mals seit 1980 mit 46,0 Pro­zent die ab­so­lu­te Mehr­heit (CDU 37,7, Grü­ne 10,0 Pro­zent). Jo­han­nes Rau konn­te Mi­nis­ter­prä­si­dent blei­ben, war aber auf ei­ne Ko­ali­ti­on der Frak­tio­nen SPD und Grü­ne an­ge­wie­sen. Die Ge­neh­mi­gung des Ta­ge­baus Garz­wei­ler II führ­te die sich nur schwer zu­sam­men­fin­den­de rot-grü­ne Ko­ali­ti­on be­reits 1996 an den Rand des Schei­terns.

5. Die Kabinette Clement, Steinbrück und Rüttgers bis 2010

Nach 20 Jah­ren trat 1998 Jo­han­nes Rau als ei­ner der am längs­ten am­tie­ren­den Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Deutsch­lands zu­rück. 1999 wähl­te ihn die Bun­des­ver­samm­lung schlie­ß­lich zum ach­ten Bun­des­prä­si­den­ten. Nach­fol­ger als Mi­nis­ter­prä­si­dent wur­de Lan­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Wolf­gang Cle­ment (ge­bo­ren 1940). Er ver­leg­te die Staats­kanz­lei des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len in das Bü­ro­hoch­haus Stadt­tor. Die Ent­schei­dung Cle­ments, das Jus­tiz- und In­nen­mi­nis­te­ri­um zu­sam­men­zu­le­gen, pro­vo­zier­te er­heb­li­chen Wi­der­spruch, schlie­ß­lich be­en­de­te 1999 der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof die Fu­si­on. Die Kom­mu­nal­wah­len 1999 brach­ten gleich meh­re­re Neue­run­gen mit sich: Das Wahl­al­ter sank auf 16 Jah­re, die 5-Pro­zent-Hür­de wur­de für un­gül­tig er­klärt und die Dop­pel­spit­ze ab­ge­schafft, so dass die nun haupt­amt­li­chen (Ober-) Bür­ger­meis­ter und Land­rä­te erst­mals di­rekt zu wäh­len wa­ren.

Die Land­tags­wahl 2000 konn­te trotz Ver­lus­ten die SPD mit 42,8 Pro­zent ge­win­nen, wäh­rend die CDU trotz der bun­des­wei­ten Spen­den­af­fä­re sta­bil bei 37,0 Pro­zent blieb. Der Ge­win­ner der Wahl war die FDP mit 9,8 Pro­zent und über 5 Pro­zent Zu­wachs. Mit den Grü­nen (7,1 Pro­zent) konn­te Mi­nis­ter­prä­si­dent Cle­ment knapp die rot-grü­ne Ko­ali­ti­on fort­set­zen, doch wech­sel­te er schon nach der Bun­des­tags­wahl 2002 als Mi­nis­ter für Ar­beit und Wirt­schaft in das Ka­bi­nett von Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schrö­der (ge­bo­ren 1944) nach Ber­lin in die Bun­des­re­gie­rung. Der Land­tag wähl­te dar­auf­hin den bis­he­ri­gen Lan­des­fi­nanz­mi­nis­ter Peer Stein­brück (ge­bo­ren 1947) zu sei­nem Nach­fol­ger als Mi­nis­ter­prä­si­den­ten. 2003 wur­den die Ge­samt­hoch­schu­len in re­gu­lä­re Uni­ver­si­tä­ten über­führt.

Abbau von Braunkohle im Revier Garzweiler, Juni 2013, Foto: Raimond Spekking. (Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons))

 

Zur Land­tags­wahl 2005 trat Stein­brück erst­mals als SPD-Spit­zen­kan­di­dat an. Auf­grund der ho­hen Zahl an Wahl­be­rech­tig­ten schon im­mer als „klei­ne Bun­des­tags­wahl“ an­ge­se­hen, er­hielt die­se Land­tags­wahl ei­ne er­heb­li­che bun­des­po­li­ti­sche Be­deu­tung. Die Wäh­ler er­mög­lich­ten ein schwarz-gel­bes Bünd­nis (FDP und Grü­ne ka­men bei­de auf 6,2 Pro­zent) und die Wahl des be­reits im Jahr 2000 an­ge­tre­te­nen ehe­ma­li­gen Bun­des­mi­nis­ters Jür­gen Rütt­gers (ge­bo­ren 1951) (CDU mit 44,8 Pro­zent) zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten. Da­mit war die SPD (37,1 Pro­zent) in ih­rem als Stamm­land an­ge­se­he­nen Nord­rhein-West­fa­len erst­mals seit fast 40 Jah­ren auf die Op­po­si­ti­ons­bän­ke ver­wie­sen. Die rot-grü­ne Bun­des­re­gie­rung un­ter Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schrö­der ent­schloss sich auf­grund die­ser Nie­der­la­ge und des deut­lich schwin­den­den Rück­halts in der Be­völ­ke­rung noch im Herbst 2005 da­zu, vor­ge­zo­ge­ne Bun­des­tags­wah­len an­zu­stre­ben, was schlie­ß­lich de­ren vor­zei­ti­ge Ab­wahl her­bei­führ­te.

Die neue CDU/FDP-Re­gie­rung er­mög­lich­te 2006 den Hoch­schu­len des Lan­des die Er­he­bung von Stu­di­en­ge­büh­ren. In meh­re­ren län­der­ver­glei­chen­den PI­SA-Stu­di­en be­leg­te Nord­rhein-West­fa­lens Schul­sys­tem im Bun­des­ver­gleich in vie­len Fä­chern nur un­te­re Plät­ze, was Dis­kus­sio­nen um die Qua­li­tät des nord­rhein-west­fä­li­schen Schul­sys­tems aus­lös­te. Als ei­ne Kon­se­quenz führ­te die Lan­des­re­gie­rung 2007 erst­mals das Zen­tral­ab­itur im Land ein.

Der 2007 ver­ein­bar­te Aus­stieg aus der Sub­ven­tio­nie­rung des Stein­koh­le­berg­baus führ­te bis 2018 zur Schlie­ßung der we­ni­gen noch im Land be­ste­hen­den Ze­chen, die sich al­le im Be­sitz der RAG Deut­sche Stein­koh­le AG be­fin­den. Die neu ge­grün­de­te RAG-Stif­tung als Be­sit­zer der Deut­schen Stein­koh­le soll die Be­glei­chung der Ewig­keits­kos­ten si­chern. Vor­aus­sicht­lich wirt­schaft­lich wei­ter be­trie­ben wer­den kann nach die­ser Ver­ein­ba­rung der Braun­koh­len­ab­bau im Ta­ge­bau­ver­fah­ren im Rhei­ni­schen Braun­koh­le­re­vier. 2006 wur­de mit der För­de­rung im jah­re­lang stark um­strit­te­nen Re­vier Garz­wei­ler II be­gon­nen.

Zum ers­ten Mal seit den 1970er Jah­ren wur­de 2009 wie­der ei­ne Kreis­re­form im Land durch­ge­führt. Die Stadt Aa­chen und der Kreis Aa­chen wur­den in der Städ­te­re­gi­on Aa­chen zu­sam­men­ge­fasst, um da­mit ein neu­ar­ti­ges Re­gi­ons­mo­dell zu er­pro­ben.

6. Der Regierungswechsel 2010 unter Hannelore Kraft

Im Mai 2010 wur­de die bis­he­ri­ge CDU/FDP-Re­gie­rung nicht wie­der be­stä­tigt, bei­de gro­ßen Volks­par­tei­en wa­ren et­wa gleich stark (CDU 34,6 Pro­zent und SPD 34,5 Pro­zent), Grü­ne (12,1 Pro­zent) und FDP (6,7 Pro­zent) zo­gen eben­so in das Par­la­ment ein wie die Lin­ke mit 5,6 Pro­zent. SPD und Grü­ne bil­de­ten nach wo­chen­lan­gen Ver­hand­lun­gen un­ter Han­ne­lo­re Kraft (ge­bo­ren 1961) (SPD) ei­ne Min­der­heits­re­gie­rung oh­ne ei­ne To­le­rie­rungs­ver­ein­ba­rung mit an­de­ren Frak­tio­nen zu schlie­ßen. Die rot-grü­ne Ko­ali­ti­on schaff­te im Fe­bru­ar 2011 die Stu­di­en­ge­büh­ren zum kom­men­den Win­ter­se­mes­ter wie­der ab. In ei­nem bis­her im Land bei­spiel­lo­sen Vor­gang er­klär­te der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof Nord­rhein-West­fa­len am 15.3.2011 den von der rot-grü­nen Ko­ali­ti­on ver­ab­schie­de­ten Nach­trags­haus­halt für das Haus­halts­jahr 2010 für ver­fas­sungs­wid­rig. Auch der Haus­halt für 2011 wur­de im März 2013 für ver­fas­sungs­wid­rig er­klärt. Als Be­grün­dung wur­de in bei­den Ur­tei­len vom Ge­richt die un­zu­läs­sig ho­he Ver­schul­dung an­ge­führt. Be­reits im Jahr 2012 kam es zu ei­ner vor­ge­zo­ge­nen Land­tags­wahl, nach­dem sich der Land­tag erst­mals in sei­ner Ge­schich­te selbst auf­ge­löst hat­te, weil der Haus­halts­ent­wurf im Par­la­ment kei­ne Mehr­heit fin­den konn­te. Die Land­tags­wahl 2012 be­stä­tig­te die rot-grü­ne Re­gie­rung al­ler­dings deut­lich im Amt, die fort­an mit ei­ner ei­ge­nen Mehr­heit re­gie­ren konn­te (SPD 39,1 Pro­zent und Grü­ne 11,3 Pro­zent). Die CDU stürz­te mit ih­rem Spit­zend­kan­di­da­ten Nor­bert Rött­gen (ge­bo­ren 1965) auf ih­ren his­to­ri­schen Tiefst­stand mit 26,3 Pro­zent ab, die FDP er­reich­te 8,6 Pro­zent.  Die Lin­ke ver­fehl­te den Ein­zug in den Land­tag, wo­hin­ge­gen die Pi­ra­ten erst­mals mit 7,8 Pro­zent den Ein­zug in den Land­tag schaff­ten.

Bis Mit­te 2011 konn­te die sich spä­tes­tens seit der Fi­nanz­kri­se ab 2007 in exis­tenz­be­dro­hen­den Tur­bu­len­zen be­find­li­che zum Teil lan­des­ei­ge­ne West­LB nicht sa­niert wer­den. Ein an­ge­streb­ter Ver­kauf oder ei­ne in Er­wä­gung ge­zo­ge­ne Fu­si­on mit ei­ner an­de­ren Lan­des­bank schei­ter­ten. Im Ju­ni 2011 ent­schlos­sen sich die Ei­gen­tü­mer da­her, die West­LB – als ers­te Lan­des­bank in Deutsch­land – zu zer­schla­gen. Die seit 2002 zur Stüt­zung der Bank aus dem Lan­des­haus­halt ge­flos­se­nen Mit­tel in Mil­li­ar­den­hö­he sind da­mit weit­ge­hend ver­lo­ren.

Das Ruhr­ge­biet war 2010 Kul­tur­haupt­stadt Eu­ro­pas. Un­ter dem Mot­to „RUHR.2010 – Kul­tur­haupt­stadt Eu­ro­pa­s“ stand die Ent­wick­lung ei­ner der grö­ß­ten In­dus­trie­re­gio­nen der Welt zu ei­ner kul­tu­rell le­ben­di­gen Me­tro­pol­re­gi­on im Vor­der­grund. Der Kul­tur­haupt­stadt­ti­tel war erst­mals nach Nord­rhein-West­fa­len ver­ge­ben wor­den. In die­sem Zu­sam­men­hang er­hielt das be­deu­ten­de Es­se­ner Mu­se­um Folk­wang ei­nen Neu­bau.

Am 23.8.2016 fei­er­te das Land Nord­rhein-West­fa­len sei­nen 70. Ge­burts­tag, un­ter an­de­rem mit ei­nem Fest­akt in der Ton­hal­le in Düs­sel­dorf, in dem ei­ne durch­weg po­si­ti­ve Ge­samt­bi­lanz des Zeit­ab­schnit­tes von 1946 bis zur Ge­gen­wart ge­zo­gen wur­de. Der Land­tag kam am 5.10.2016 zu ei­ner Fei­er­stun­de zu­sam­men, um des 70. Jah­res­ta­ges sei­nes ers­ten Zu­sam­men­tritts am 2.10.1946 zu ge­den­ken.

7. Der Regierungswechsel 2017 unter Armin Laschet

Der ge­gen­wär­ti­ge Land­tag von Nord­rhein-West­fa­len wur­de am 14.5.2017 ge­wählt und führ­te in sei­ner Zu­sam­men­set­zung aber­mals zu ei­nem Re­gie­rungs­wech­sel, nach­dem die rot-grü­ne Lan­des­re­gie­rung ei­ne er­heb­li­che Nie­der­la­ge hin­neh­men muss­te. Die CDU trat erst­mals mit ih­rem Lan­des- und Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Ar­min La­schet (ge­bo­ren 1961) an, mit dem sie ein Er­geb­nis von 33,0 Pro­zent er­reich­te, was zwar das zweit­schlech­tes­te in der Ge­schich­te des Lan­des war, aber im Ver­gleich zum Er­geb­nis der letz­ten Wahl ei­nen Zu­ge­winn von 6,7 Pro­zent be­deu­te­te. Da­mit wur­de die Uni­on stärks­te Par­tei, wo­hin­ge­gen die SPD un­ter Han­ne­lo­re Kraft auf ihr bis­her schlech­te­tes Er­geb­nis seit 1947 ab­stürz­te und nur noch 31,2 Pro­zent er­hielt. Auch die Grü­nen ver­lo­ren er­heb­lich und er­reich­ten nur noch 6,4 Pro­zent der Stim­men, die Pi­ra­ten zo­gen nicht mehr in den Land­tag ein und die Lin­ke ver­pass­te mit 4,9 Pro­zent knapp den Ein­zug. Durch das his­to­risch bes­te Er­geb­nis der FDP mit 12,6 Pro­zent reich­te es zu ei­ner par­la­men­ta­ri­schen Ein-Stim­men-Mehr­heit für ei­ne er­neu­te schwarz-gel­be Ko­ali­ti­on (ins­ge­samt 100 von 199 Man­da­ten) und mit die­ser Mehr­heit wähl­te der nord­rhein-west­fä­li­sche Land­tag am 27.6.2017 Ar­min La­schet zum elf­ten Mi­nis­ter­prä­si­den­ten von Nord­rhein-West­fa­len.

Literatur

Brie­sen, Det­lef/Brunn, Ger­hard/El­kar, Rai­ner S./Reule­cke, Jür­gen, Ge­sell­schafts- und Wirt­schafts­ge­schich­te Rhein­lands und West­fa­lens, Köln 1995.
Brunn, Ger­hard/Reule­cke, Jür­gen, Klei­ne Ge­schich­te von Nord­rhein-West­fa­len 1946-1996, Köln [u.a.] 1996.
En­gel­brecht, Jörg, Nord­rhein-West­fa­len in his­to­ri­scher Per­spek­ti­ve, in: Kün­zel, Wer­ner/Rel­le­ke, Wer­ner (Hg.), Ge­schich­te der deut­schen Län­der. Ent­wick­lun­gen und Tra­di­tio­nen vom Mit­tel­al­ter bis zur Ge­gen­wart, Müns­ter 2005, S. 255–278.
Gös­mann, Sven, Un­se­re Mi­nis­ter­prä­si­den­ten in Nord­rhein-West­fa­len. Neun Por­traits von Ru­dolf Ame­lun­xen bis Jür­gen Rütt­gers, Düs­sel­dorf 2008.
Hand­buch der His­to­ri­schen Stät­ten, Band 3: Nord­rhein-West­fa­len. 3. Auf­la­ge, Stutt­gart 2006.
Nonn, Chris­toph, Ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens, Mün­chen 2009.
NRW-Le­xi­kon. Po­li­tik, Ge­sell­schaft, Wirt­schaft, Recht, Kul­tur, 2. Auf­la­ge, Le­ver­ku­sen 2000.
Stei­nin­ger, Rolf, Ein neu­es Land an Rhein und Ruhr. Die Ent­ste­hungs­ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens 1945/46, Stutt­gart 2016. 

Der damalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Hamm, 2010. (Dirk Vorderstraße / CC BY 3.0)

 
Zitationshinweis

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Burtscheidt, Andreas, Ab 1945 - Die Geschichte Nordrhein-Westfalens von 1945 bis 2017, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Epochen/ab-1945---die-geschichte-nordrhein-westfalens-von-1945-bis-2017/DE-2086/lido/57ab2615284a73.54609767 (abgerufen am 24.05.2025)

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 05.06.2019, zuletzt geändert am 28.04.2025