Matthias Kremer

Theologe (1465-1557)

Martin Bock (Frechen)

Matthias Kremer, Gemälde in der Kölner Studienstiftungsverwaltung, Gemälde vor 1905.

Stadt und Kur­fürs­ten­tum Köln wa­ren in der ers­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts kei­nes­wegs ge­fes­tig­te Boll­wer­ke des al­ten Glau­bens, son­dern Schau­platz teil­wei­se hef­ti­ger Kämp­fe zwi­schen den sich aus­dif­fe­ren­zie­ren­den Kon­fes­si­ons­par­tei­en. Vor al­lem die der über­kom­me­nen scho­las­ti­schen Leh­re ver­pflich­te­te Uni­ver­si­tät be­zog mas­siv Stel­lung ge­gen je­den Re­for­ma­ti­ons­ver­such, wenn­gleich die meis­ten Ge­lehr­ten durch­aus die Not­wen­dig­keit zur Re­form er­kann­ten – ge­nannt sei­en hier bei­spiels­wei­se Jo­han­nes Grop­per oder Bern­hard von Ha­gen. Auch der aus Aa­chen stam­men­de Mat­thi­as Kre­mer ge­hört zu die­ser Grup­pe von Theo­lo­gen.

Ge­bo­ren wur­de Kre­mer im Jahr 1465 als Sohn des Woll­händ­lers Ja­kob Kre­mer (ge­bo­ren 1435) und sei­ner Frau Mar­ga­re­the Pelt­zer. Kre­mer führ­te zu­nächst bei­de Na­men und nann­te sich zu­wei­len auch nach sei­ner Mut­ter, wie auch sein jün­ge­rer Bru­der Her­mann (1466-1537), der Va­ter des spä­te­ren Aa­che­ner Bür­ger­meis­ters Mat­thi­as Pelt­zer (1508-1591). An der Köl­ner Uni­ver­si­tät im­ma­tri­ku­lier­te Kre­mer sich 1482 als Mat­thä­us Aquen­sis und be­gann sein phi­lo­so­phi­sches Grund­stu­di­um an der Mon­t­an­er­bur­se, ei­ner von drei Schu­len, die zu­sam­men die Ar­tis­ten­fa­kul­tät  der Uni­ver­si­tät bil­de­ten und auf die ei­gent­li­chen Stu­di­en der Theo­lo­gie, Rechts­wis­sen­schaft oder Me­di­zin hin­führ­ten.

Hier zeich­ne­te sich Kre­mer durch be­son­de­re Ge­lehr­sam­keit aus und konn­te nach dem Er­werb des Ma­gis­ter­grads im Jahr 1505 ei­ne An­stel­lung als Lek­tor er­hal­ten; 1507 pro­mo­vier­te er sich zum Dok­tor der Theo­lo­gie. Va­len­tin En­gel­hard von Gelders­heim (ge­stor­ben 1526), der durch gro­ßzü­gi­ge Stif­tun­gen ei­ne er­heb­li­che Ver­grö­ße­rung der Bur­se  er­mög­licht hat­te, för­der­te den jun­gen Aka­de­mi­ker und be­stimm­te ihn tes­ta­men­ta­risch zu sei­nem Nach­fol­ger als Re­gens. Da­zu kam es je­doch erst nach En­gel­hards Tod; zu­nächst stieg Kre­mer in der Uni­ver­si­täts­hier­ar­chie auf und wur­de 1510 und ein zwei­tes Mal 1516 zum De­kan  der phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät  ge­wählt. Im glei­chen Jahr pro­mo­vier­te er sich zum Dok­tor der Theo­lo­gie und er­hielt zur ma­te­ri­el­len Ab­si­che­rung sei­nes Stan­des ei­ne Stifts­her­ren­stel­le an St. An­dre­as in Köln.

In die­sen Jah­ren litt das An­se­hen der Köl­ner Uni­ver­si­tät un­ter der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen re­form­wil­li­gen, vom Hu­ma­nis­mus be­ein­fluss­ten Ge­lehr­ten wie Pie­tro To­ma­si aus Ra­ven­na (um 1448-1508) oder Jo­han­nes Cae­sa­ri­us (1468-1550) auf der ei­nen und den auf ei­ner star­ren Aus­le­gung der scho­las­ti­schen Leh­re be­har­ren­den Kräf­te auf der an­de­ren Sei­te, zu de­nen als Wort­füh­rer Ja­kob von Hoogstra­ten und in des­sen Um­feld auch Mat­thi­as Kre­mer ge­hör­te. Die Af­fä­re um die Dun­kel­män­ner­brie­fe, wel­che die Scho­las­ti­ker und ins­be­son­de­re die Do­mi­ni­ka­ner ver­spot­te­ten und von den Hu­ma­nis­ten als geist­rei­che Sa­ti­re ge­lobt wur­den, ist ein blei­ben­des und sicht­ba­res Zei­chen die­ses Streits, durch den die Uni­ver­si­tät zahl­rei­che Stu­den­ten ver­lor, die in Scha­ren zu den neu­en und mo­der­nen Bil­dungs­zen­tren ab­wan­der­ten. Zwei von Kre­mer im Jahr 1520 her­aus­ge­ge­be­ne Stu­di­en­bü­cher do­ku­men­tie­ren, wie sehr er im al­ten Den­ken ver­haf­tet war, wenn sie auch in­halt­lich stark von Hoogstra­ten be­ein­flusst wa­ren, der seit 1519 den Kampf ge­gen die lu­the­ri­sche Leh­re auf­ge­nom­men hat­te.

Im­mer­hin er­spar­te die­se Po­li­tik der Köl­ner Uni­ver­si­tät viel­leicht man­chen wei­te­ren Kampf. Zwar be­tei­lig­ten sich die Pro­fes­so­ren wei­ter am aka­de­mi­schen Dis­kurs über die rich­ti­ge und wahr­haf­ti­ge Re­li­gi­on; nach in­nen hin aber ent­wi­ckel­te die Uni­ver­si­tät ei­ne star­ke Ab­gren­zung zum neu­en Glau­ben und ge­wann da­durch auch an Sta­bi­li­tät. In die­ser Pha­se re­la­ti­ver Ru­he er­rei­che Kre­mer mit der Über­nah­me des Rek­to­rats im Jahr 1533 den Hö­he­punkt sei­ner aka­de­mi­schen Lauf­bahn. Erst, als der Kur­fürst  und Erz­bi­schof Her­mann von Wied mit der Ver­öf­fent­li­chung der stark von dem in Bonn le­ben­den Re­for­ma­tor Mar­tin Bu­cer be­ein­fluss­ten Denk­schrift „Ein­fäl­ti­ges Be­den­ken“ ganz of­fi­zi­ell die Re­for­ma­ti­on in sei­nem Ter­ri­to­ri­um ein­füh­ren woll­te, setz­ten die kon­ser­va­ti­ven Köl­ner Pro­fes­so­ren wie­der zu ei­ner öf­fent­lich­keits­wirk­sa­men Re­ak­ti­on an. In meh­re­ren Schrif­ten und Gut­ach­ten at­ta­ckier­ten Kre­mer und sei­ne Kol­le­gen Bu­cer, des­sen Wir­ken den Hö­he- und Wen­de­punkt im Köl­ner Kir­chen­streit  mar­kiert.

Als ei­ner der ers­ten er­kann­te Kre­mer da­bei, dass ei­ne blo­ße theo­lo­gi­sche oder ju­ris­ti­sche Wi­der­le­gung Bu­cers und der neu­en Leh­re nicht aus­rei­chen wür­de, um Bo­den für den al­ten Glau­ben gut zu ma­chen, son­dern dass es ei­nes ak­ti­ven Ge­gen­an­ge­bots be­durf­te, für wel­ches man sich die schlag­kräf­ti­ge Hil­fe des jun­gen Je­sui­ten­or­dens zu­nut­ze ma­chen woll­te. Kre­mer nahm des­halb noch 1543 Kon­takt zu Pe­trus Ca­ni­si­us (1521-1597) auf, wohl wis­send, dass da­mit auch die tra­di­tio­na­lis­ti­sche Hal­tung der Uni­ver­si­tät in­fra­ge ge­stellt wer­den wür­de. Denn das Ziel der bei­den war, die kon­ser­va­ti­ve Mon­t­an­er­bur­se, Kre­mers Aus­bil­dungs­stät­te al­so, zum Stütz­punkt der Je­sui­ten in Köln zu ma­chen. Dies ge­lang je­doch nur in­di­rekt, nach­dem in­fol­ge der Über­tra­gung der Drei­kö­ni­gen­bur­se an die Je­sui­ten im Jahr 1556 zahl­rei­che ehe­ma­li­ge Mon­ta­ner dort­hin wech­sel­ten.

In der Zeit des Erz­bi­schofs Adolfs von Schaum­burg ge­hör­te Kre­mer nicht mehr zu den füh­ren­den Ge­lehr­ten und Be­ra­tern in Stadt und Kur­fürs­ten­tum Köln. Man wird da­bei nicht über­se­hen dür­fen, dass er zum Zeit­punkt des Re­for­ma­ti­ons­ver­suchs Her­manns von Wied be­reits et­wa 80 Jah­re war. Bei­des, in die­sem ho­hen Al­ter über­haupt noch ei­ne der­art re­ge in­tel­lek­tu­el­le Tä­tig­keit ent­fal­tet zu ha­ben, die dar­über hin­aus of­fen­bar kei­nes­wegs starr war, son­dern sich fle­xi­bel an den zeit­li­chen Er­for­der­nis­sen ori­en­tier­te, wie die frü­he Ein­bin­dung der Je­sui­ten zeigt, deu­tet auf ei­nen sehr wa­chen Geist hin, in dem sich über­leg­tes und ent­schie­de­nes Han­deln ver­ein­ten.

Mat­thi­as Kre­mer er­reich­te ein für die Zeit er­staun­li­ches Al­ter und starb am 12.11.1557 mit 92 Jah­ren. Be­gra­ben wur­de er auf dem Fried­hof in der Stolk­gas­se na­he der Mon­t­an­er­bur­se. Durch sei­ne lang­jäh­ri­ge Tä­tig­keit, den Be­sitz von Pfrün­den und vor al­lem durch die rei­che el­ter­li­che Erb­schaft war er ein ver­mö­gen­der Mann; nach sei­nem Tod hin­ter­ließ Kre­mer des­halb ins­ge­samt vier be­reits im Jahr 1539 er­rich­te­te Stif­tun­gen, zwei für Köln und zwei für sei­ne Hei­mat­stadt Aa­chen: in Köln be­güns­tig­te er den Kon­vent  des Hei­li­gen Igna­ti­us, um ei­ne jähr­li­che Fest­mes­se für die theo­lo­gi­sche Fa­kul­tät zu hal­ten, de­ren Teil­neh­mer ei­ne Auf­wands­ent­schä­di­gung er­hal­ten soll­ten. Auf die­se Wei­se si­cher­te Kre­mer dem Je­sui­ten­or­den, der über­dies die be­acht­li­che Sum­me von 1.000 Gold­gul­den erb­te, dau­er­haf­ten Ein­fluss auf die theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung in der Dom­stadt. Je ei­ne wei­te­re Stif­tung ging an die Stadt Aa­chen und das dor­ti­ge Klos­ter Ma­ri­en­thal zur Auf­nah­me und Ver­sor­gung be­dürf­ti­ger Fa­mi­li­en­mit­glie­der; die Zahl der po­ten­ti­ell Be­güns­tig­ten re­du­zier­te sich je­doch noch zu Leb­zei­ten Kre­mers, da ein gro­ßer Teil sei­ner Aa­che­ner Ver­wandt­schaft, Iro­nie der Ge­schich­te, pro­tes­tan­tisch wur­de. Die bei­den Köl­ner Stif­tun­gen sind spä­ter im Gym­na­si­al- und Stif­tungs­fonds auf­ge­gan­gen.

Werke (Auswahl)

As­ser­tio­nem Ca­tho­li­cam con­tra Lu­ther­um, in quar­to editam, o. J.
Ca­tho­li­cae ac or­tho­do­xae re­li­gio­nis ad­ver­sus Lu­thera­nam hae­re­sim, Köln 1542.
Christ­lich be­richtt, wa­ruff zu grunt­fes­ti­genn der stant­haft­lich will blei­ben in dem uf­f­rech­ti­gen Chris­ten glau­ben: mit wi­der­lä­gung der prin­ci­pal. ar­ti­cu­len den ver­fü­ri­gen lehr M. Bu­ce­ri im buch zu Bon au­ß­ge­gan­gen, Köln 1543.
Christ­lich Be­richt, wor­auf sich die­je­ni­gen grund­fes­ti­gen sol­len, die stand­haft wol­len blei­ben im christ­li­chen Glau­ben, wi­der die Leh­re Mar­ti­ni Bu­ce­ri …, Köln 1543.
Chris­tia­na Ac Pia De Ca­tho­li­cae Fidei Re­gu­la As­ser­tio: cum di­luci­da per­ni­cio­sorum pra­eci­puè hui­us ca­la­mi­to­sis­si­mi s[a]ecu­li dog­ma­tum con­fu­ta­tio­ne, Köln 1556.
Ca­tho­li­cae Doc­tri­nae As­ser­tio, Köln 1560 (post­hum).

Literatur

Fell­mann, Do­ro­thea, Das Gym­na­si­um Mon­tanum in Köln 1550-1798. Zur Ge­schich­te der Ar­tes-Fa­kul­tät ­der al­ten Köl­ner Uni­ver­si­tät, Köln 1999.
Mac­co, Her­mann Fried­rich, Mat­thi­as Creme­ri­us, in: Aus Aa­chens Vor­zeit 13 (1888), S. 52-58.
Pel­zer, H., De fa­mi­lie Pel­zer. Vi­jf ee­uwen fa­mi­lie­ge­schie­de­nis, Ge­leen 1996.

Online

Mac­co, Her­mann Fried­rich, Ge­schich­te und Ge­nea­lo­gie der Fa­mi­li­en Pelt­zer, Aa­chen 1901, S. 38-42. [On­line]
Ramm, Hans-Joa­chim, „Pelt­zer, Fa­mi­lie“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie, Band 20, 2001, S. 168-170. [On­line] 

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Matthias Kremer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/matthias-kremer-/DE-2086/lido/57c939b8507a55.41741914 (abgerufen am 09.12.2024)