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Obwohl im westfälischen Warendorf geboren, verband den Schriftsteller Paul Schallück zeitlebens eine enge Beziehung zu Köln, wohin er 1947 übersiedelte und sich dort neben Heinrich Böll (1917-1985) zu einem der führenden Vertreter der "Trümmerliteratur", auch "Kölner Realismus" genannt, entwickelte, die für die 1950er Jahre als Antwort auf die Kriegserlebnisse und -nachwirkungen vor allem im völlig kriegszerstörten Westen Deutschlands so charakteristisch werden sollte.
Paul Schallück wurde am 17.6.1922 in Warendorf als zweites von drei Kindern des Buchbinders und Warendorfer Heimatdichters Heinrich Schallück (1894-1972) und der aus Sibirien stammenden Mutter Olga Valerianowa Nowikowa (1901-1989), die als Bibliothekarin arbeitete, geboren. Er hatte einen älteren Bruder Valerian und eine jüngere Schwester Resi. Der Vater hatte die Mutter als Kriegsgefangener im Ersten Weltkrieg in Sibirien kennengelernt. Die Eltern flohen 1920/1921 auf abenteuerlichen Wegen über China und Indien. Heinrich Schallück war gleich 1914 an die Front gerufen, ein Jahr später an der russischen Front vor Warschau schwer verwundet worden und in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Den darüber verfassten Erlebnisbericht veröffentlichte er unter dem Titel "Die Sklaven in Sibirien. Erinnerungen aus schwerer Zeit 1915-1921" nach seiner Rückkehr.
Von 1928-1935 besuchte Paul Schallück die katholische Volksschule in seiner Heimatstadt Warendorf, anschließend fünf Jahre lang Klosterschulen, um sich auf ein Leben als Missionar vorzubereiten, so von 1935-1937 das Herz-Jesu-Missionshaus in Boppard, 1937/1938 das Missionshaus in Hiltrup und bis 1940 ebenso dort die Apostolische Schule. 1940 wechselte er auf die Oberschule für Jungen in Warendorf, das sogenannte Gymnasium "Laurentianum", das er vorzeitig Anfang Oktober 1941 wegen seiner Einberufung zum Militär verlassen musste. Mit Datum vom 1.4.1942 wurde ihm vorzeitig das Abitur zuerkannt.
Als Gefreiter der Luftwaffe war Schallück ab 1.11.1942 als Funker eingesetzt, ab Oktober 1943 als Obergefreiter. Mit einer schweren Verwundung im Kampf mit französischen Widerstandskämpfern endete sein Kriegseinsatz am 20.8.1944 in Paris. Ein Schuss in den Oberschenkel am Pont Neuf verursachte einen Oberschenkelbruch, der zu einer Beinverkürzung führte, die Schallück zeitlebens behinderte. Französische Medizinstudenten des Roten Kreuzes retteten den verwundeten Schallück. Vom 3.9.1944-13.6.1945 dauerte sein Lazarettaufenthalt im Hospital Villemin in Paris. Am 31.12.1945 wurde er aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassen. Seine Erlebnisse am Pont Neuf schilderte er später in der Erzählung "Am Ufer der Seine".
Am 8.1.1946 meldete sich Paul Schallück wieder in Warendorf an und begann zum Sommersemester 1946 für drei Semester an der Universität Münster ein Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte. Zum Wintersemester 1947/1948 wechselte er schließlich an die Universität des schwer kriegszerstörten Köln, das fortan seine Heimat blieb. Der Blick auf die in Trümmern liegende Domstadt sollte seinen weiteren Lebensweg mehr beeinflussen als er damals vielleicht denken mochte. An der dortigen Universität belegte er zunächst bis zum Wintersemester 1949/1950 Theaterwissenschaften vor allem bei Carl Niessen (1890-1969), Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik. Er spielte mit dem Gedanken über die Schauspielerin Louise Dumont-Lindemann eine Dissertation zu verfassen, wovon ihn aber andere Pläne abhielten. Lieber arbeitete er als Theater- und Kunstkritiker, so für das "Neue Tageblatt" und die "Münstersche Zeitung", und verfolgte ein erstes anderes Langzeitprojekt – das Verfassen seines ersten Romans, der 1951 unter dem Titel "Wenn man aufhören könnte zu lügen" erschien.
Paul Schallücks Romandebüt erzählt die Geschichte einer Studentenclique. Der Student Thomas, ein charismatischer Typ und Frauenschwarm, ist mit Bärbel liiert und lebt in den Tag hinein. Die Erfahrungen des Krieges haben aus ihm einen Nihilisten und Existentialisten gemacht. Überall erkennt er nur Mittelmaß und Verlogenheit. Als er die attraktive Marion kennenlernt, verlässt er Bärbel. Marion umweht etwas Unnahbares. Thomas versucht, ihr Geheimnis zu ergründen und bezahlt dies fast mit seinem Leben. Schallücks Erstlingswerk ist ein rebellischer Roman. Er bringt das Lebensgefühl einer jungen Generation zum Ausdruck, die mehr oder weniger geprägt war vom Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen. Der 29-jährige Autor schrieb sich seine eigenen Gewissenskonflikte in einer impulsiven und suggestiven Sprache ungeschminkt von der Seele, auch die Nähe zum französischen Existentialismus nach 1945 ist unverkennbar.
Im September 1952 heiratete Paul Schallück in der Pariser Kirche Saint-Germain-des-Prés die Buchhändlerin Ilse Nelsen (1926-1978) aus Köln. Die Ehe blieb kinderlos. Ab 1952 veröffentlichte Schallück seine ersten Werke auch in Frankreich. Noch im selben Jahr erhielt er den Preis der Zuckmayer-Stiftung und nahm zum ersten Mal an einem Treffen der "Gruppe 47" teil. In den Jahren 1952-1964 gehörte Paul Schallück zum festen Teilnehmerkreis der bedeutendsten Gruppe bundesrepublikanischer Nachkriegsliteratur, erst ab Mitte der 1960er Jahre zog er sich mehr und mehr zurück.
1953 erschien Schallücks nächster Roman "Ankunft null Uhr zwölf". 1954 las er auf der Tagung der "Gruppe 47" in Cap Cicero in Italien den "Monolog eines Süchtigen" aus seinem ein Jahr später fertiggestellten Roman "Die unsichtbare Pforte". Im Juni 1955 erhielt er gemeinsam mit Walter Vollmer (1903-1965) den "Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis".
Mit seinen Arbeiten als freier Journalist und Schriftsteller hatte sich Paul Schallück Mitte der 1950er Jahre einer ganz bestimmten Literaturrichtung innerhalb der neuen Schriftstellergeneration nach dem Zweiten Weltkrieg verschrieben – der sogenannten "Trümmerliteratur", deren Vertreter eine unprätentiöse Sicht auf eine nüchterne, aber nicht hoffnungslose Gegenwart einer zerrütteten, langsam wieder Fuß fassenden Gesellschaft vermitteln wollten. Schon seit einigen Jahren hatte er einen bedeutenden Mitstreiter an seiner Seite, in dessen Schatten er im Laufe seines Schaffens allerdings auch bleiben sollte: Heinrich Böll. Privat kannten sich Schallück und Böll spätestens seit 1950, als sie gemeinsam unter anderem mit Hans Bender (1919-2015) eine Rundfunksendung gestalteten. Böll brachte Schallück auch mit dem Verleger Friedrich Middelhauve aus Opladen (heute Stadt Solingen) zusammen, in dessen Verlag 1951 Schallücks erster Roman "Wenn man aufhören könnte zu lügen" erschien. Böll war gewiss der erfolgreichere von beiden und blieb mit seinen frühen Nachkriegsromanen und Erzählungen im literarischen Gedächtnis bis heute nachhaltiger in Erinnerung als Schallück.
Eine andere Bühne für die beiden Kölner Vertreter der "Trümmerliteratur" boten die legendären "Mittwochsgespräche", die der Buchhändler Gerhard Ludwig (1909-1994) unter regem Publikumsinteresse im sogenannten "Dritten Wartesaal" im Kölner Hauptbahnhof durchführte und die überregionale Bekanntheit erlangten. Die Themen dieser öffentlichen und zunächst als Werbung gedachten Gesprächsrunden fanden große Resonanz bei Publikum und Medien.
Ludwig erhielt im Juni 1946 von der britischen Militärverwaltung die Lizenz für den Presseverkauf im Kölner Hauptbahnhof und eröffnete im Dezember 1949 die erste Sortimentsbuchhandlung auf dem Gebiet der Deutschen Bundesbahn. Damit entstand eine der bekanntesten deutschen Bahnhofsbuchhandlungen, die mit den zur Instanz gewordenen politisch-kulturellen "Mittwochgesprächen" unter dem Motto "Freier Eintritt, Freie Fragen, Freie Antworten" in den 1950er Jahren zum Schauplatz einer ersten deutschen Talkshow avancierte. Prominente Gäste aus der ganzen Republik hielten Vorträge oder lasen aus ihren neuesten Veröffentlichungen. Gestalter und Betroffene aus der Politik, der bildenden Kunst, Musik und Literatur lieferten sich in diesen Treffen zum Teil heftige Diskussionen, die später auch auf Tonband aufgezeichnet wurden. Zu den Teilnehmern gehörten zum Beispiel Joseph Beuys, Ludwig Erhard (1897-1977), Theodor W. Adorno (1903-1969), Rudolf Augstein (1923-2002) oder Gustaf Gründgens (1899-1963). Es ging um brisante Themen wie "Pressefreiheit" (21.5.1952), die "Wiederbewaffnung" (3.11.1954) oder "Todesstrafe ja oder nein?" (16.3.1955). Am 4.7.1956 wurden die Mittwochsgespräche nach 260 Folgen umbaubedingt beendet.
Anlässlich der vom 2.-16.12.1951 durchgeführten Reihe "Tag des Autors" las Paul Schallück im "56. Mittwochsgespräch" am 10. Dezember aus dem Roman "Wenn man aufhören könnte zu lügen" und wurde als "erfreuliche Entdeckung" gefeiert. Der eher konservative Kritiker Rudolf Krämer-Badoni (1913-1989) führte durch den Abend. Nur zwei Abende später stand Heinrich Böll Rede und Antwort. Beide gemeinsam gestalteten dann am 23.7.1952 das "90. Mittwochsgespräch" unter dem Titel "Warum Trümmerliteratur?"
Köln gewann als aufsteigende Medienstadt in den 1950er Jahren als Produktions- und Wirkungsstätte für viele Autoren eine zunehmende Bedeutung. Seit 1945 sandte der "NWDR" sein Programm, ab 1956 entstand aus dem Sender der eigenständige "WDR". 1953 ließ sich die "Deutsche Welle" in Köln nieder und 1960 folgte der "Deutschlandfunk". Das Medium Radio brauchte Autoren, die wiederum mithife des Genres "Hörspiel" neue Wege beschreiten konnten, die ihnen zudem eine weitere materielle Absicherung gewährte. Dazu gehörte Paul Schallück als einer der meistbeschäftigten Schriftsteller im NWDR/WDR, der beim Hörfunk und seit Mitte der 1960er Jahre auch beim Fernsehen bis in die 1970er Jahre hinein für den Sender arbeitete. Schallück erwies sich als äußerst politisch engagierter Rundfunkpublizist und fertigte für diverse Ressorts Beiträge an, auch für den Schulfunk, von denen eine Reihe anschließend in Zeitschriften oder Buchanthologien erschienen. Mindestens 164 Rundfunkarbeiten unterschiedlichster Genres, davon ungefähr knapp die Hälfte im NWDR/WDR gesendet, sind nachweisbar. Schallück ließ sich nicht davon abbringen, besonders Themen der NS-Geschichte zu behandeln.
Eine weitere wesentliche Betätigung Paul Schallücks war sein gesellschaftlich-politisches Engagement, so zum Beispiel in Köln in der Mitbegründung der "Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit" und der "Germania Judaica – Kölner Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums". Schallücks vielfältiges Eintreten für die christlich-jüdische, insbesondere die deutsch-jüdische Verständigung, resultierte aus der Überzeugung, dass eine dauerhafte friedliche Koexistenz der Menschen, Völker und Religionen nur durch einen lebendigen Dialog erreicht werden könnte – eine Haltung, die auf den von ihm sehr verehrten jüdischen Philosophen und Theologen Martin Buber (1878-1965) zurückging. Schallück hat in vielfachen Bemühungen einen bemerkenswerten Beitrag zur Aufarbeitung der Judenverfolgung in Deutschland geleistet. Dabei ging es ihm nicht allein um Vergangenheitsbewältigung, er trat auch für ein zukünftiges Zusammenleben von Christen und Juden in Deutschland ein.
Die "Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit", heute die größte Christlich-Jüdische Gesellschaft in Deutschland, wurde am 30.3.1958 mit den Zielen Antisemitismus und Intoleranz zu bekämpfen, das wechselseitige Verständnis der jüdischen und christlichen Gemeinschaft zu fördern und den christlich-jüdischen Dialog zu vertiefen, gegründet. Die Geschichte der christlich-jüdischen Zusammenarbeit reicht bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück: Die 1928 in die USA gegründete "National Conference of Christians an Jews" wurde zum Vorbild für die Christlich-Jüdischen Gesellschaft, die nach 1945 in Deutschland, unter anderem in München, Stuttgart, Berlin und Frankfurt gegründet wurden. Zu den zahlreichen Veranstaltungen, die Schallück mit dieser und für diese Gesellschaft durchführte, gehörte auch die Teilnahme an der im Frühjahr 1968 veranstalteten Podiumsdiskussion unter dem Titel "Zivilcourage – gestern – heute – morgen" im Rahmen der Kölner "Woche der Brüderlichkeit".
Die "Germania Judaica" wurde am 17.6.1958 von dem Kölner Oberbürgermeister Theo Burauen (1906-1987), dem Literaturkritiker Wilhelm Unger (1904-1985), dem Verleger Ernst Brücher (1925-2006) und Schallück begründet. Bis zur offiziellen Vereinsgründung 1959 stießen unter anderem Heinrich Böll, der Bankier Iwan David Herstatt und der Kulturdezernent Kurt Hackenberg zu der Gruppe. Gemeinsam waren sie der Überzeugung, dass Unkenntnis Vorurteile begünstige und wollten eine Einrichtung schaffen, die den nachfolgenden Generationen Zeugnis von Geschichte und Kultur des vernichteten deutschen Judentums geben sollte. Schallück wirkte an den ersten beiden Bänden der Schriftenreihe der "Germania Judaica" mit und formulierte in seinem Vorwort des ersten Bandes Sinn und Ziele der Vereinigung.
Sowohl Böll als auch Schallück standen auch in freundschaftlichem Kontakt zu dem aus Rumänien stammenden deutsch-jüdischen Schriftsteller Paul Celan (1920-1970), der auf viel Unverständnis bei seinen übrigen Kollegen, vor allem im Umfeld der "Gruppe 47" stieß. Die Verbindung zu ihm mag das Engagement Bölls und Schallücks für die "Germania Judaica" forciert haben. Ebenso ließ Celans Nähe zu Frankreich ihn zu einem Freund Schallücks werden.
Als der Vorstand sich aber 1962 entschloss, Ziele und Satzung der "Germania Judaica" zu ändern, nahm Schallücks Engagement in dem Verein ein abruptes Ende. Obwohl er den Vorsitz gerade von Böll übernommen hatte, konnte er sich in einer Vorstandssitzung nicht durchsetzen, als man die Ziele des Vereins auf den reinen Auf- und Ausbau der Sammlung reduzieren wollte. Das in den Vereinssatzungen festgelegte Programm, das neben der Herausgabe der Schriftenreihe auch ein Bulletin sowie die Bildung eines Referentenstabes für Informationsveranstaltungen in Schulen und Universitäten plante, war nach Ansicht Schallücks unzulässig reduziert worden. Die schriftliche Ankündigung der Geschäftsführerin Jutta Bohnke-Kollwitz (geboren 1923), der Enkelin der Künstlerin Käthe Kollwitz (1867-1945), die Geschäftsführung des Vereins wegen Arbeitsüberlastung niederzulegen, hatte den Vorstand zu diesem Schritt gezwungen.
Im Denken und literarischen Schaffen Paul Schallücks nahm Köln einen besonderen Platz ein - eine Wahlheimat, die ihm wie Heinrich Böll es einmal formulierte, zu einem Architypus einer freiheitlich-liberalen und offenen Lebenswelt wurde. In Rundfunk- und Fernsehsendungen wie "Köln, alte heilige und schöne Dinge" (1956), in Prosabeiträgen wie "Zum Beispiel die Hohe Straße" (1953), "Mönche und Landstreicher" (1958), "Menschen am Rhein" (1961) oder "Kölscher Klüngel" (1965) und Gedichten wie "Gesichter. Köln II" (1967) pries er diesen besonderen Ort. Seine beiden bekanntesten Plädoyers für Köln, seine Liebeserklärungen für die "nördlichste Stadt Italiens", erschienenen 1959 unter dem Titel "Köln – Porträt einer Stadt" und "Der Platz, an dem ich schreibe" (1960).
Auch Schallücks letztem Roman sollte das Köln-Thema zugrunde liegen, als er im Herbst 1967 "Don Quichotte in Köln" erscheinen ließ. Er nimmt im Schallückschen Œuvre eine Sonderrolle ein und weist nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit den in den zuvor erschienenen Werken verarbeiteten Themen auf: Schallück hatte sein ursprüngliches Thema, die Aufarbeitung der Nachkriegsjahre, aufgegeben. Die Hauptfigur des Redakteurs Anton Schmitz trägt viele Züge seiner selbst und der Schallückschen Resignation, die im Spätwerk zunehmend deutlich wird. Aber wie der Protagonist scheitert Schallück mit seinem Roman - für den Autor eine ernüchternde Erfahrung, mit der er nicht gerechnet hatte. Schallück gab seinen ursprünglichen Plan einer "Don Quichotte"-Trilogie resigniert auf. Weitere literarische Erfolge blieben ihm danach verwehrt: Das Kinderbuch "Karlsbader Ponys" (1968) brachte – trotz Verfilmung durch den WDR– nur wenig Erfolg; verschiedene Erzählungen fanden nur noch Kleinverlage; die Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper am Rhein scheiterte ebenso wie seine Neuorientierung hin zum Theater – einzig sein Engagement als Drehbuchautor hatte noch einen bescheidenen Erfolg.
Politisch engagierte sich Schallück seit Mitte der 1960er Jahre wie viele andere Schriftstellerkollegen, die der Generation der "Gruppe 47" entstammten, für die SPD und besonders für Bundeskanzler Willy Brandt (1913-1992, Bundeskanzler 1969-1974). Am 12.9.1965 unterstützte Schallück Günter Grass (1927-2015) auf einer seiner ersten Wahlkampfreisen für die SPD in Köln. Auf dem Neumarkt fand vor rund 5.000 Zuhörern eine Veranstaltung mit Schallück, Grass und Hans-Jürgen Wischnewski statt. Er beteiligte sich im Vorfeld der Bundestagswahl 1969 an einer Wählerinitiative für die SPD, hielt Reden bei SPD-Veranstaltungen und schrieb die Rede von Bundeskanzler Brandt auf dem ersten Kongress des Verbandes Deutscher Schriftsteller in Stuttgart 1970.
Von 1971 bis 1976 leitete er noch als Chefredakteur die deutsch-französische Zeitschrift "Dokumente", herausgegeben von der Gesellschaft für übernationale Zusammenarbeit, die für die deutsch-französische Freundschaft nach 1945 eintrat. Sein bundespolitisches Engagement vor allem zum Schutze von Minderheiten setzte er bis zu seinem frühen Tod fort. Schallück stand dem "Grünwalder Kreis" nah, einem Zusammenschluss demokratisch engagierter Publizisten, Wissenschaftler und Juristen gegen rechtsradikale Tendenzen, war Mitglied des PEN-Clubs Deutschland, der "Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung", Darmstadt (seit 1969) und im "Verband Deutscher Schriftsteller" (seit 1970).
Ein letzter Höhepunkt für sein Schaffen war noch die Zuerkennung des renommierten, mit 10.000 DM dotierten "Nelly-Sachs-Preis" der Stadt Dortmund (1973). Infolge eines Bronchialkarzinoms starb Schallück bereits am 29.2.1976 im Alter von 53 Jahren in seiner Wahlheimat Köln. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Müngersdorf.
Der Nachlass Paul Schallücks wurde nach dem ebenso frühen Tod seiner Frau Ilse Schallück 1978 zusammen mit seiner Bibliothek an die Stadt Köln gegeben und im März 1978 in das "Historische Archiv der Stadt Köln" gebracht. Eine am Justizzentrum Köln nach ihm benannte Straße erinnert heute noch an ihn.
Werke (Auswahl)
Wenn man aufhören könnte zu lügen, Opladen 1951.
Ankunft null Uhr zwölf, Frankfurt a.M. 1953.
Die unsichtbare Pforte, Frankfurt a.M. 1954.
Q 3 und die hohe Straße, Stierstadt, Taunus 1956 (zusammen mit Jens Baggesen).
Weiße Fahnen im April, Münster 1956.
Engelbert Reineke, Frankfurt a.M. [u. a.] 1959.
Zum Beispiel, Frankfurt a.M. 1962.
Wettlauf mit dem Tode, Bonn 1963.
Hohe festliche Versammlung, Stierstadt im Taunus 1966.
Lakrizza und andere Erzählungen, Baden-Baden 1966.
Don Quichotte in Köln, Frankfurt a.M. 1967.
Gesichter, Berlin 1967.
Orden, Berlin 1967.
Karlsbader Ponys, Baden-Baden 1968.
Gegen Gewalt und Unmenschlichkeit, Köln 1969.
Hierzulande und anderswo, Wuppertal 1974.
Dein Bier und mein Bier, Leverkusen 1976.
Countdown zum Paradies, Leverkusen 1976.
Gesamtwerk, 5 Bände, Köln 1976-1977.
Moment mal!, Köln 2003.
Herausgeberschaft
Allemagne 1945–1965, Paris 1965.
Im Namen des Volkes? Ausgeschlossen, eingesperrt, Köln 1973.
Übersetzungen
William Shakespeare: Troilus und Cressida, Frankfurt am Main 1970.
Literatur
Gödden, Walter (Hg.), "Wenn man aufhören könnte zu lügen ...", Bielefeld 2002.
Keele, Alan Frank, Paul Schallück and the post-war German Don Quixote, Bern [u.a.] 1976.
Leidiger, Paul, "Asien und Europa". Olga und Paul Schallück zum Gedenken, in: Warendorfer Schriften 19/20 (1989/1990), S. 45–51. Schallück, Heinrich, Die Sklaven in Sibirien. Erinnerungen aus schwerer Zeit 1915–1921, Warendorf 1921.
Wacker, Friedhelm, Erlebnisse am Laurentianum in meine Schulzeit – Erinnerung an Paul Schallück und andere, in: Schäffer, Klaus (Hg.), Wie die Pommes nach Warendorf kamen. Ein Jahrhundertspaziergang, Warendorf 1999, S. 46–53.
Online
Delseit, Wolfgang, "Eine Stadt mit tausend Gesichtern". Paul Schallück und Köln. [online]
Gödden, Walter, Schallück, Paul, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 554-555. [online]
Paul Schallück in: Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren 1750 bis 1950. [online]
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Burtscheidt, Andreas, Paul Schallück, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-schallueck-/DE-2086/lido/5e1ddb5614cdf0.48124298 (abgerufen am 06.10.2024)