Der Kölner Arbeiterverein (1848/1849)

Klaus Schmidt (Köln)

Unausgefüllte Eintrittskarte des Kölner Arbeitervereins, 1848. (Gemeinfrei)

1848 er­reich­te die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der bür­ger­li­chen De­mo­kra­ten ei­nen ers­ten Hö­he­punkt in Deutsch­land. In Köln ver­sam­mel­ten sich am 3. März, an­ge­führt von dem Ar­men­arz­t Dr. An­dre­as Gott­schalk, un­ge­fähr 5.000 Men­schen, über­wie­gend Hand­werks­ge­sel­len in Sonn­tags­klei­dung vor dem Rat­haus, um den Ge­mein­de­rat – al­ler­dings er­folg­los - zur An­nah­me von sechs „For­de­run­gen des Vol­kes“ zu be­we­gen, die als Flug­blät­ter be­reits von Hand zu Hand gin­gen. Sie ziel­ten vor al­lem auf Ge­setz­ge­bung und Ver­wal­tung durch das Volk, all­ge­mei­nes Wahl­recht, Pres­se­frei­heit so­wie „Schutz der Ar­beit und Si­cher­stel­lung der mensch­li­chen Le­bens­be­dürf­nis­se für al­le“.

1. Andreas Gottschalks Initiative

Durch die Pro­kla­ma­ti­on der „For­de­run­gen des Vol­kes“ am Vor­abend der März­re­vo­lu­ti­on hat­te Gott­schalk weit über Köln hin­aus Be­deu­tung er­langt. Nach der spek­ta­ku­lä­ren Ak­ti­on im dor­ti­gen Rat­haus dräng­te es ihn zu kon­ti­nu­ier­li­cher po­li­ti­scher Pra­xis. Bei der Be­hand­lung sei­ner Pa­ti­en­ten hat­te er im­mer wie­der fest­ge­stellt, wie vie­le Krank­hei­ten durch mi­se­ra­ble Le­bens- und Ar­beits­be­din­gun­gen her­vor­ge­ru­fen wur­den. Die­se Er­fah­rung führ­te ihn über den Rah­men sei­ner Be­rufs­pra­xis hin­aus und mach­te den bis­her re­li­giö­sen Hu­ma­nis­ten dar­über hin­aus schlie­ß­lich zum So­zia­lis­ten. Da­mit wur­de er als Arzt zu­gleich ein Pio­nier der frü­hen Ar­bei­ter­be­we­gung, die von ihm we­sent­li­che Im­pul­se er­hal­ten soll­te.

Am 6. April er­klär­te er per An­zei­ge in der Köl­ni­sche Zei­tung: „Ich be­ab­sich­ti­ge mit Un­ter­stüt­zung meh­re­rer Freun­de, ei­nen de­mo­kra­tisch-so­zia­lis­ti­schen Klub zu er­öff­nen und er­su­che al­le Ge­sin­nungs­ge­nos­sen und al­le, die sich für ei­ne ent­schie­de­ne, fort­schrei­ten­de Be­hand­lung der Ta­ges­fra­gen in­ter­es­sie­ren, ih­re Teil­nah­me durch bal­di­ge Ein­zeich­nung in die bei mir of­fen­lie­gen­de Lis­te be­kun­den zu wol­len. Ei­ne vor­be­rei­ten­de Ver­samm­lung wird statt­fin­den, so­bald Hun­dert ge­zeich­net ha­ben.“ 

Andreas Gottschalk, Porträt, Gemälde von Wilhelm Kleinenbroich (1812-1896), 1849, Foto: Vera de Kok. (Kölnischen Stadtmuseum)

 

Ei­ne Wo­che spä­ter fan­den sich et­wa 300 Män­ner, meist Ar­bei­ter und Hand­wer­ker, in ei­ner Köl­ner Wirt­schaft zu­sam­men. Gott­schalk schlug vor, der Klub sol­le sich zu­nächst mit den In­ter­es­sen der ar­bei­ten­den Klas­sen be­schäf­ti­gen, de­nen „die Ein­sicht in ih­re ei­ge­nen Ver­hält­nis­se am meis­ten not tu­e“. Ne­ben or­ga­ni­sa­to­ri­schen Fra­gen be­fass­te sich die Ver­samm­lung mit Vor­schlä­gen zur Ver­bes­se­rung der La­ge der Ar­bei­ter. Sie wähl­te Gott­schalk zum Vor­sit­zen­den, so­dann die So­zia­lis­ten Fritz An­ne­ke (1818-1872) und Ni­ko­laus Ho­cker (1822-1900), den Sprach­leh­rer An­dre­as Renard , den Geo­me­ter­kan­di­da­ten Jo­hann Jo­seph Jan­sen (1825-1849)und Jo­hann Wil­helm Prinz zu Se­kre­tä­ren. Als Ba­sis des Ver­eins wur­de ein pro­vi­so­ri­sches Ko­mi­tee aus Ver­tre­tern ein­zel­ner Ge­wer­ke ge­wählt. Die meis­ten Be­ru­fe wa­ren schon jetzt im bis­her 32-köp­fi­gen Ko­mi­tee ver­tre­ten: Stein­bau­er, Schus­ter, Schnei­der, Schmie­de, An­strei­cher, Li­tho­gra­phen, Schrei­ner, Fär­ber, Bä­cker, Bar­bie­re, Buch­bin­der, Ma­ler, Ge­wer­be­trei­ben­de, Kauf­leu­te, Ma­schi­nen­bau­er, Fass­bin­der, Schif­fer, Schlos­ser, Klemp­ner, Ger­ber, Satt­ler, Gold­ar­bei­ter, Ta­pe­zie­rer, In­stru­men­ten­ma­cher, Uhr­ma­cher, Ver­gol­der, Fa­brik­ar­bei­ter, Bier­brau­er, Brannt­wein­bren­ner, Metz­ger, Drechs­ler, Zim­mer­leu­te und Sil­ber­ar­bei­ter. Man­che Ko­mi­te­e­mit­glie­der ver­tra­ten zwei Be­ru­fe. Für die Grup­pe der „Ge­lehr­ten“ wur­de Gott­schalks Freun­d Mo­ses Hess no­mi­niert, der Köln al­ler­dings we­nig spä­ter ver­ließ. Aus dem al­ten so­zia­lis­ti­schen „Kränz­chen“, das sich um die aus West­fa­len ge­kom­me­nen Mat­hil­de und Fritz An­ne­ke ge­bil­det hat­te, ka­men Ni­ko­laus Ho­cker, der Bar­bier (Egel­bert) Be­dorf und der Schus­ter (Jo­sef) Heymann. Nach leb­haf­ten Dis­kus­sio­nen wur­de „nach dem Bei­spiel der Schwes­ter­stadt Main­z“ der Na­me „Ar­bei­ter­ver­ein“ ein­stim­mig an­ge­nom­men.

Ei­ne der ers­ten Pe­ti­tio­nen des Ar­bei­ter­ver­eins rich­te­te sich an Mi­nis­ter­prä­si­den­t Lu­dolf Cam­phau­sen. An ihn wur­den drin­gen­de, von Höf­lich­keits­for­men freie For­de­run­gen ge­stellt: „Von der so ver­ha­ß­ten Steu­er auf den not­hwen­digs­ten Le­bens­mit­teln ha­ben Sie nur die Mahl­steu­er au­gen­blick­lich ent­fernt. Er­war­te­ten oder wünsch­ten Sie et­wa, daß die gro­ße Klas­se der Hand­wer­ker und Ar­bei­ter fort­an nur Rog­gen­brot zur Nah­rung neh­men sol­le? Be­ru­fen Sie sich nicht dar­auf, daß ei­ner spä­te­ren ge­setz­ge­ben­den Ver­samm­lung die gänz­li­che Ent­fer­nung der Le­bens­mit­tel­steu­er müs­se vor­be­hal­ten blei­ben. Wo­zu wä­re dann wohl Ih­re Mi­nis­ter-Ver­ant­wort­lich­keit? Wir sa­gen Ih­nen, die ar­bei­ten­de Klas­se hat kei­ne Zeit zu ver­lie­ren – sie hun­gert! Weh­ren Sie, Herr Mi­nis­ter­prä­si­dent, dem Elen­de der Mas­sen, und kei­ne ge­setz­ge­ben­de Ver­samm­lung wird es wa­gen dür­fen, kei­ne, die aus dem Vol­ke wirk­lich her­vor­ge­gan­gen, wird es wa­gen wol­len, ei­ner Le­bens­mit­tel­steu­er das Wort zu re­den.“ Wei­ter for­der­te die Pe­ti­ti­on für Ar­bei­ter die Er­rich­tung ei­ner Un­ter­stüt­zungs­kas­se, die es, aus­ge­stat­tet mit ei­ner Mil­li­on Mark, für Fa­bri­kan­ten und Kauf­leu­te be­reits gab; au­ßer­dem die Be­ru­fung ei­nes Ko­mi­tees, das über den Er­lass rück­stän­di­ger Mie­ten be­ra­ten soll­te.

Moses Hess, Gemälde von Gustav A. Köttgen, Foto: Vera de Kok, Original im Kölnischen Stadtmuseum, ca. 1846.

 

Ein Brief an den Main­zer Ar­bei­ter­ver­ein ver­riet Gott­schalks Spra­che: „Brü­der! Durch den glor­rei­chen Bar­ri­ka­den­kampf am 18. und 19. März hat das Ber­li­ner Volk be­wie­sen, daß es sei­ne po­li­ti­sche Mün­dig­keit er­langt ha­be, und daß es für Preu­ßen eben­so wie für ganz Deutsch­land an der Zeit sei, al­le die Ver­spre­chun­gen, wel­che, mit den An­stren­gun­gen und dem Blu­te von Hun­dert­tau­sen­den auf den Schlacht­fel­dern von Leip­zig und Wa­ter­loo be­sie­gelt wor­den, nicht al­lein auf dem Pa­pie­re, son­dern auch in der Wirk­lich­keit be­ste­hen zu las­sen.“ Der Brief en­de­te mit der Pa­ro­le: „Wir wol­len Al­les für das Volk, Al­les durch das Volk und un­se­re Lo­sung sei: Frei­heit, Ver­brü­de­rung, Ar­beit!“

2. Publikation und Wachstum des Arbeitervereins

In den Ko­mi­tee-Sit­zun­gen der fol­gen­den Wo­che dräng­te Gott­schalk auf ra­sches Er­schei­nen ei­ner Ver­eins­zei­tung. Das Blatt soll­te ein­mal oder zwei­mal wö­chent­lich mit der ge­mein­sam be­schlos­se­nen Pa­ro­le „Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Ar­beit“ er­schei­nen. Die ers­te Aus­ga­be er­schien mit ei­nem Be­richt über die bis­he­ri­ge Ar­beit und ei­nem Ap­pell: „Ar­bei­ter! Eu­re Brü­der in den Haupt­städ­ten Deutsch­lands und Frank­reichs ha­ben den Op­fer­tod für die Frei­heit nicht ge­scheut, ha­ben hel­den­mü­t­hig für Euch Al­le ge­kämpft, ge­siegt. - An Euch ist es jetzt, die­sen Sieg zu be­nut­zen und Euch wür­dig zu zei­gen Eue­rer tap­fe­ren Brü­der und der Frei­heit, für die sie in den Tod ge­gan­gen! Ar­bei­ter al­ler Ge­wer­be, die Ihr küm­mer­lich von dem Wer­ke Eu­rer Hän­de lebt, hal­tet fest zu­sam­men! Ver­ei­nigt Euch zur Be­rathung Eu­rer In­ter­es­sen! Kei­ne des­po­ti­sche Ge­walt hin­dert Euch mehr, Eu­re An­ge­le­gen­hei­ten ge­mein­sam zu be­spre­chen, Eu­er Be­schwer­den öf­fent­lich vor­zu­brin­gen und Män­ner aus Eu­rer Mit­te zu wäh­len, wel­che das Recht ha­ben, Ge­set­ze im In­ter­es­se der Ar­bei­ter zu ge­ben, da­mit auch Eu­re Klas­se end­lich ih­ren ge­rech­ten An­teil er­lan­ge an den Früch­ten des Le­bens, die sie selbst her­vor­bringt! In vie­len Städ­ten Deutsch­lands ha­ben sich be­reits zu die­sem Zwe­cke Ar­bei­ter­ver­ei­ne ge­bil­det, wel­che mit­ein­an­der in Ver­bin­dung tre­ten, und auch hier, es wird Euch ge­wiss nicht un­be­kannt ge­blie­ben sein, auch hier in Köln ha­ben sich schon zu glei­chem Zwe­cke vie­le Ar­bei­ter aus al­len Ge­wer­ken brü­der­lich die Hand ge­reicht und ei­nen Ver­ein ge­grün­det, des­sen Lo­sung ist: Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Ar­beit. Ihm schliesst Euch al­le an in Eu­rem, in des Va­ter­lands In­ter­es­se!“

Ludolf Camphausen, Skulptur am Kölner Rathausturm, 1991, Bildhauer: Michael Eichhorn. (Kölner Stadtkonservator)

 

Die Köl­ner Ar­bei­ter und Hand­wer­ker re­agier­ten prompt, der Ver­ein wuchs rasch auf 4.000, bis zum Mai auf 5.000 Mit­glie­der an. Sechs Un­ter­ver­ei­ne be­trie­ben in ver­schie­de­nen Lo­ka­len zwei­mal wö­chent­lich Auf­klä­rungs- und Bil­dungs­ar­beit. Als Prä­si­dent des Ge­samt­ver­eins war Gott­schalk die un­be­strit­te­ne Füh­rungs­fi­gur. Am 1. Mai nahm die Köl­ni­sche Zei­tung ei­ni­ge sei­ner Re­den aufs Korn. In ei­ner Ex­tra­bei­la­ge der Ver­eins­zei­tung hat­te er ver­kün­det: „Ich bin stolz auf Euch! In­mit­ten der Ver­leum­dun­gen und Be­dro­hun­gen, wel­che mich ver­fol­gen, er­hebt mich der Ge­dan­ke, daß Ihr mich kennt, daß Ihr mich liebt wie Eue­ren Freund, Eue­ren Bru­der.“  Die Köl­ni­sche Zei­tung at­ta­ckier­te ihn auf­grund sol­cher Be­mer­kun­gen mit ei­ner „von ei­nem Freun­de der Ar­bei­ter“ un­ter­zeich­ne­ten An­zei­ge. „Wir ha­ben zu deut­lich ge­se­hen, daß die Ar­bei­ter nur die Mit­tel sind, ihm zu sei­nen selbst­süch­ti­gen Zwe­cken zu ver­hel­fen, ob­gleich er sich bis da­hin so klug hin­ter dem Man­tel der Brü­der­lich­keit ver­steck­te.“ Die Ar­bei­ter soll­ten sich nicht von ei­nem ehr­gei­zi­gen Mann „be­tö­ren“, vor al­lem aber sich nicht von ihm „ge­gen die be­sit­zen­de Klas­se auf­rei­zen“ las­sen. Er zer­stö­re „das so not­wen­di­ge Ver­hält­nis zwi­schen Ar­beit­ge­bern und Ar­bei­tern“. Noch di­rek­ter ent­hüll­te der an­ony­me An­grei­fer sei­ne wah­ren In­ter­es­sen, wenn er die Ar­bei­ter er­mahn­te: „Es gibt Män­ner ge­nug, die Euch vor­ste­hen wer­den, die eu­re Wün­sche be­rück­sich­ti­gen wer­den und ge­eig­ne­te Mit­tel be­sit­zen, sie hö­he­ren Orts vor­zu­brin­gen.“ Dass sol­che und ähn­li­che Hetz­re­den in Köln nicht oh­ne Wir­kung blie­ben, zeig­te das öf­fent­li­che An­ge­bot ei­nes Bier­brau­ers, dem­je­ni­gen 25 Ta­ler zu ge­ben, der ihm „die Haut oder das Fell des Dr. Gott­schalk brin­gen wer­de, „selbst wenn sie durch­lö­chert wä­re“. Die Ver­eins­zei­tung kon­ter­te: „Wir ge­ben 50 Thlr. dem, wel­cher uns au­gen­schein­lich be­wei­sen kann, daß Herr Kon­zen nicht Stroh, son­dern Grüt­ze im Kopf hat.“

3. Reformvorschläge und Wahlboykott

„Voll­stän­di­ge Er­zie­hung al­ler Kin­der auf öf­fent­li­che Kos­ten“ hat­te Gott­schalk am 3. März vor dem Köl­ner Ge­mein­de­rat ge­for­dert. In ei­nem Schrei­ben an Ober­bür­ger­meis­ter, Bei­ge­ord­ne­te und Stadt­rä­te er­läu­ter­te er nun im Na­men des Ver­eins­ko­mi­tees sei­ne For­de­run­gen. Die eu­ro­päi­sche Re­vo­lu­ti­on ha­be den „Grund­satz der Ver­schmel­zun­g“ al­ler Stän­de und Klas­sen und der „Ver­brü­de­rung al­ler Men­schen“ aus­ge­spro­chen. Da­mit wand­te er sich von der The­se des Kom­mu­nis­ti­schen Ma­ni­fests ab, die klas­sen­lo­se Ge­sell­schaft sei nur durch den Klas­sen­kampf zu er­rei­chen. Um die Ver­brü­de­rung zu er­rei­chen ge­he es zu­nächst dar­um, „al­le Hin­der­nis­se, al­le Tren­nun­gen, die aus ei­ner ver­al­te­ten An­schau­ung, die aus der An­sicht von der Not­hwen­dig­keit ei­ner Son­de­rung der Stän­de oder Klas­sen her­vor­ge­gan­gen sind, aus dem We­ge zu räu­men“.

Die­ses Ziel kon­kre­ti­sier­te er im Blick auf den pro­ble­ma­ti­schen Un­ter­schied von Pfarr- und Ar­men­schu­len. In letz­te­re ka­men die Kin­der sol­cher El­tern, die das Schul­geld nicht auf­brin­gen konn­ten. Des­halb müs­se zu­erst ein­mal die ge­trenn­te Er­zie­hung in Pfarr- und Ar­men­schu­len be­en­det wer­den und ei­ne Art von Ele­men­tar­schu­len für al­le Kin­der an de­ren Stel­le tre­ten. Durch die Tren­nung da­ge­gen le­ge man schon früh „den Keim zu Dün­kel und Über­he­bung bei den Kin­dern der Wohl­ha­ben­den, den Keim zu ei­ner knech­ti­schen De­muth oder zum Haß bei den Kin­dern der Ar­men“. Auch soll­ten kei­ne Schul­gel­der mehr er­ho­ben, son­dern sämt­li­che Kos­ten „durch ei­ne di­rek­te Steu­er­um­la­ge nach dem Ver­mö­gen ge­deckt wer­den, daß aus die­ser Steu­er zu­gleich für die Kin­der der un­be­mit­tel­ten Bür­ger ei­ne or­dent­li­che Klei­dung be­schafft wer­de“.

Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln, erste Ausgabe vom 23. April 1848. (Digitalisat der UB Köln - RHPER441-1848)

 

In den ers­ten Wo­chen sei­nes Be­ste­hens ver­fass­te der Ar­bei­ter­ver­ein ei­ne Fül­le von Ge­su­chen an kom­mu­na­le und staat­li­che Stel­len. Die Mi­nis­ter des In­ne­ren und der Jus­tiz for­der­te er auf, die Ar­beit der Ver­gol­der, Satt­ler, Schuh­ma­cher, Na­gel­schmie­de und We­ber vor der Kon­kur­renz bil­li­ger Häft­lings­ar­beit zu schüt­zen. Das Kriegs­mi­nis­te­ri­um soll­te aus ähn­li­chem Grund Mi­li­tär­bä­cke­rei­en ver­bie­ten. Die städ­ti­schen Be­hör­den soll­ten die Köl­ner Hand­wer­ker ge­gen aus­wär­ti­ge Kon­kur­renz schüt­zen wie auch Miss­stän­de im Hos­pi­tal und in der In­va­li­den­an­stalt un­ter­su­chen las­sen.

In­ten­siv wur­de die Bil­dung von Ge­wer­be- und Schieds­ge­rich­ten ver­folgt. Sie soll­ten gleich­ge­wich­tig aus Meis­tern, Ar­beit­ge­bern und Fa­brik­her­ren, auf der an­dern Sei­te aus Ge­sel­len und Ar­bei­tern be­ste­hen und über Streit­fäl­le zwi­schen ge­winn­süch­ti­gen Ar­beit­ge­bern und dar­ben­den Ar­beit­neh­mern ent­schei­den. Gott­schalk mach­te ein­stim­mig an­ge­nom­me­ne Vor­schlä­ge: Je­des Ge­wer­be soll­te in frei­er Wahl je zwei Fa­bri­kan­ten, Meis­ter, Ge­sel­len und Ar­bei­ter für ein Jahr wäh­len und Kom­mis­sio­nen er­nen­nen, die ge­setz­lich bin­den­de Ent­schei­dun­gen tref­fen könn­ten.

Im April hat­te Kölns de­mo­kra­ti­sche Lin­ke ein „Volks­wahl­pro­gram­m“ auf­ge­stellt, in dem di­rek­te Wah­len ge­for­dert, die Be­tei­li­gung an in­di­rek­ten aber nicht aus­ge­schlos­sen wur­de. Gott­schalk da­ge­gen hat­te das in­di­rek­te Wahl­sys­tem kom­pro­miss­los ab­ge­lehnt, weil es dem Volk die Be­tei­li­gung an der Ge­setz­ge­bung rau­be. Die Mehr­heit des Ko­mi­tees und der Ver­eins­mit­glie­der folg­te ihm. Die meis­ten an­de­ren Ar­bei­ter-Ver­ei­ne im Rhein­land da­ge­gen nah­men das ge­plan­te Wahl­sys­tem in Kauf – in der Hoff­nung, dass end­lich ein­mal auch Ar­bei­ter Volks­ver­tre­ter wür­den.

Johannes von Geissel, Porträtfoto. (Historisches Archiv des Erzbistums Köln)

 

Die Köl­ner De­mo­kra­ten hat­ten trotz ih­rer Kri­tik an den in­di­rek­ten Wah­len den­noch zur Wahl auf­ge­ru­fen, um mög­lichst ge­eig­ne­te Ver­tre­ter in die preu­ßi­sche Na­tio­nal­ver­samm­lung und ins deut­sche Na­tio­nal­par­la­ment nach Frank­furt zu sen­den. Die­ses Ziel wur­de nur teil­wei­se er­reicht, weil von 21.000 Köl­ner Wahl­be­rech­tig­ten al­lein 5.000 dem Ar­bei­ter-Ver­ein an­ge­hör­ten, die den De­mo­kra­ten mehr­heit­lich ih­re Stim­me ver­sag­ten. So zo­gen denn im Mai Mi­nis­ter­prä­si­dent Lu­dolf Cam­phau­sen, Erz­bi­schof Jo­han­nes Geis­sel, Po­li­zei­di­rek­tor Fried­rich Mül­ler und ein ka­tho­li­scher Land­ge­richts­rat in die preu­ßi­sche Na­tio­nal­ver­samm­lung nach Ber­lin. Im­mer­hin er­ziel­te der Zi­gar­ren­händ­ler Franz Ra­veaux als er­folg­rei­cher De­mo­krat das bes­te Er­geb­nis für  das Frank­fur­ter Na­tio­nal­par­la­ment: 109 der 166 Wahl­män­ner hat­ten ihm ih­re Stim­me ge­ge­ben.

4. Zwischen Kapital, Thron und Altar

Sein po­li­ti­sches und so­zia­les En­ga­ge­ment führ­te den Köl­ner Ar­bei­ter­ver­ein im­mer wie­der zu Kon­flik­ten mit kirch­li­chen Krei­sen. So hat­te sich An­fang Mai der ka­tho­li­sche Pfar­rer von St. Ge­re­on ge­wei­gert, ei­nem kin­der­rei­chen Mau­rer ei­ne fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung zu ge­wäh­ren. Er kön­ne „un­ter den Dürf­tigs­ten nur die Wür­digs­ten“ un­ter­stüt­zen. Gott­schalk schrieb ihm, der Ar­bei­ter­ver­ein kön­ne sich für sei­ne „lei­der sehr spär­li­chen, wohl­t­hä­ti­gen Be­mü­hun­gen ein Rich­ter­amt über den sitt­li­chen Werth ir­gend­ei­nes Men­schen nicht an­ma­ßen“. Der Ar­men­va­ter der Pfar­re zu St. Ge­re­on ent­zog dar­auf­hin ei­ner Frau die mo­nat­li­che Un­ter­stüt­zung, weil ihr Mann Mit­glied „je­nes Ver­eins schlech­ter Men­schen“ sei, der den Pfar­rer be­lei­digt ha­be. Auf Gott­schalks In­ter­ven­ti­on hin nahm der Ar­men­va­ter sei­ne Maß­nah­me zu­rück, nicht aber sein Ver­dikt über den Ver­ein.

Franz Raveaux, nach einem Porträt von Valentin Schwertle, 1848/1849.

 

Län­ger schon war Ent­frem­dung zwi­schen Gott­schalk und den rei­chen pro­tes­tan­ti­schen Un­ter­neh­mern ge­wach­sen, de­ren Pa­tri­ar­cha­lis­mus die so­zia­le Be­nach­tei­li­gung der Ar­bei­ter fi­xier­te. Durch ih­re Bin­dung an Thron und Al­tar ver­tief­te sich die Kluft, da er die Mon­ar­chie im­mer stär­ker in Fra­ge stell­te, die Ideo­lo­gie des Got­tes­gna­den­tums ab­lehn­te und schlie­ß­lich die Re­pu­blik for­der­te. En­de April et­wa hat­te ein Ar­bei­ter im Ar­bei­ter-Ver­ein über un­ge­rech­tes und un­so­zia­les Ver­hal­ten der Zu­cker­raf­fi­ne­rie C. Joest & Söh­ne ge­klagt, de­ren Be­sit­zer zu den wohl­ha­bends­ten Pro­tes­tan­ten in Köln ge­hör­te. Zu­spät­kom­men und feh­ler­haf­te Ar­bei­ten wür­den fi­nan­zi­ell hart ge­straft. Die Meis­ter ty­ran­ni­sier­ten und schi­ka­nier­ten ih­re Un­ter­ge­be­nen, Über­stun­den wür­den meist nicht be­zahlt und Ak­kord­ar­beit nicht red­lich ver­gü­tet. Die Zei­tung des Ver­eins ver­öf­fent­lich­te die Kla­ge. Dar­auf­hin droh­te der Sohn des Fir­men­chefs Carl Joest (1786-1849) ei­nem alt­ge­dien­ten Ar­bei­ter als an­geb­li­chem Ur­he­ber der Be­schwer­de ei­ni­ge Ta­ge lang mit Ent­las­sung. Joe­sts Ver­hal­ten führ­te zu neu­en Vor­wür­fen der Zu­cker­ar­bei­ter. Zwar ge­be es ei­ne be­trieb­li­che Kran­ken­kas­se, doch der Be­triebs­arzt sei un­qua­li­fi­ziert, kran­ke Ar­bei­ter müss­ten ihr Geld beim Chef er­bet­teln und Ge­sun­de die Ar­beit der Kran­ken mit er­le­di­gen. Es sei „die Po­li­tik die­ser Her­ren, daß sie al­le al­ten Ar­bei­ter mit der grö­ß­ten Grob­heit be­han­deln, ihr Al­ter ih­nen stän­dig zum Vor­wurf ma­chen, den ge­rings­ten Lohn ih­nen ge­ben und bei der ers­ten bes­ten Ge­le­gen­heit die Thü­re wei­sen“. So die Kri­tik der Be­trof­fe­nen; zu ei­ner Dar­stel­lung aus Fir­men­sicht feh­len die Quel­len.

Der Kon­flikt hat­te stadt- und kir­chen­po­li­ti­sche Re­le­vanz, denn Carl Joest war nicht nur dem Na­men nach Pro­tes­tant. Er war Mit­glied des Pres­by­te­ri­ums, sei­ne Frau Mit­ar­bei­te­rin in der evan­ge­li­schen Ar­men­frei­schu­le. Sei­ne Zu­cker­raf­fi­ne­rie ge­hör­te zu den neun grö­ß­ten Un­ter­neh­men Kölns und ver­füg­te mit 60.000 Ta­lern über das höchs­te Fir­men­ein­kom­men in Köln. Mit­in­ha­ber war bis zum Er­werb ei­ner ei­ge­nen Raf­fi­ne­rie der evan­ge­li­sche Un­ter­neh­mer Jo­hann Ja­kob Lan­gen, der Be­sit­zer der Trois­dor­fer Fried­rich-Wil­helms-Hüt­te. Nicht zu­fäl­lig ver­such­te Joest spä­ter, Gott­schalk durch ei­nen an­ony­men Brief an die Köl­ner Re­gie­rung zu scha­den – al­ler­dings er­folg­los.

5. Ein protestantisches Bekenntnis

Wie Joest und Lan­gen wa­ren – bis auf ei­nen Hand­wer­ker – al­le Kir­chen­rats­mit­glie­der wohl­ha­ben­de Bür­ger: Kauf­leu­te, Fa­bri­kan­ten, Kom­mu­nal­be­am­te, Ju­ris­ten, Ärz­te. Be­reits am 1.5.1848 hat­te Gott­schalk sich in ei­ner Ko­mi­tee­sit­zung des Ar­bei­ter­ver­eins ge­gen An­grif­fe aus ih­ren Rei­hen ver­tei­digt: „Man sagt, ich sei Com­mu­nist, das hei­ßt ein Mensch, der das ar­me Volk in die Ab­grün­de des Un­glau­bens füh­ren, der ihm den Trost der Hoff­nung auf ein bes­se­res Le­ben neh­me, um es in sei­ner Ver­zweif­lung dann bes­ser be­herr­schen zu kön­nen. Ich ant­wor­te dar­auf, daß mei­ne un­ge­fähr neun­jäh­ri­ge ärzt­li­che Lauf­bahn in die­ser Stadt da­für zeu­gen wird, daß ich im­mer be­reit ge­we­sen, wie es auch mei­ne Pflicht ge­bot, je­dem den Trost der Re­li­gi­on zu bie­ten, dem mei­ne Kunst kei­ne zu bie­ten hat­te.“

Lau­ter Bei­fall be­glei­te­te sei­ne Wor­te, die ihn wei­ter von Marx ent­fern­ten, für den Re­li­gi­on „Opi­um des Vol­kes“ war, le­dig­lich Trost im „Jam­mer­tal, des­sen Hei­li­gen­schein die Re­li­gi­on is­t“. Gott­schalk fuhr fort: „Man hat ge­sagt, ich sei Com­mu­nist, das hei­ßt ein Mensch, der Raub und Tot­schlag pre­di­ge oder den Ar­bei­tern Al­les neh­men wol­le. Wahr­lich, Sie müs­sen 35 Jah­re un­ter der Herr­schaft ei­nes sol­chen Com­mu­nis­mus ge­lebt ha­ben, denn heu­te ist Ih­nen fast gar nichts, kaum das nack­te Le­ben ge­blie­ben; schlim­mer kön­nen Sie es un­ter kei­nem an­de­ren Re­gi­ment mehr ha­ben, aber gern ge­ste­he ich, daß ich den Sieg der Ar­beit, die Ver­nich­tung des Mü­ßig­gan­ges will.“ Je­sus Chris­tus sei ihr Hei­land, weil er „für das ar­me Volk stand, leb­te und litt; weil er die Geld­wechs­ler aus dem Tem­pel peitsch­te, weil er den Schrift­ge­lehr­ten, Pha­ri­sä­ern und stol­zen Pries­tern ent­ge­gen­trat, die die Las­ten des ar­men Vol­kes nur ver­meh­ren hel­fen, die sie selbst nicht ein­mal mit dem Fin­ger an­rüh­ren […] Ihm ha­be ich nach mei­nen schwa­chen Kräf­ten nach­zu­fol­gen ge­sucht und fürch­te mich nicht, vor kei­ner Macht der Er­de. Das ist mein Com­mu­nis­mus.“ Von „Le­be­hoch“-Ru­fen be­glei­te­ter Bei­fall folg­te sei­ner Re­de.

Sei­ne re­li­giö­se Auf­fas­sung wur­de von vie­len ge­teilt, so et­wa vom Faß­bin­der Chris­ti­an Jo­seph Es­ser: Die er­streb­te neue Re­gie­rung be­ste­he „auf den Grund­sät­zen der Ach­tung des Ne­ben­men­schen, der Lie­be und Re­li­gi­on“.

Die Zeitung des Arbeiter-Vereines vom 14. Januar 1849 mit einem Angriff auf den 'Demokratischen Verein' und seine Vertreter Raveaux und Schneider. (Digitalisat der UB Köln: RHPER443-1849)

 

6. Freiligraths "Trotz Alledem"

Hö­he­punkt der Ge­ne­ral­ver­samm­lung vom 4. Ju­ni war der Be­su­ch Fer­di­nand Frei­li­graths. Nicht en­den wol­len­der Bei­fall bran­de­te auf, als er den gro­ßen Saal des Gür­ze­nich be­trat. „Mei­ne Her­ren!“ rief Gott­schalk. „Der ers­te Dich­ter des deut­schen Vol­kes, der Sän­ger der Frei­heit ist hier er­schie­nen, um Ih­nen sei­ne Theil­nah­me zu be­kun­den. Herr Frei­li­grath wird Ih­nen sei­nen Dank für Ih­re war­me An­er­ken­nung, zu­gleich als Zei­chen des in­nigs­ten An­schlus­ses an Ih­re Be­stre­bun­gen da­durch zu be­kun­den su­chen, daß er Ih­nen das jüngs­te Er­zeug­nis sei­ner Mu­se vor­trägt.“ Mit lei­ser Stim­me re­zi­tiert Frei­li­grath erst­mals sein Ge­dicht „Trotz al­le­de­m“:

Das war 'ne hei­ße Mär­zen­zeit, 
Trotz Re­gen, Schnee und al­le­dem! 
Nun aber, da es Blü­ten schneit, 
Nun ist es kalt, trotz al­le­dem, 
Trotz al­le­dem und al­le­dem, 
Trotz Wien, Ber­lin und al­le­dem, - 
Ein schnö­der schar­fer Win­ter­win­d 
Durch­frös­telt uns trotz al­le­dem![…]

Denn ob der Reichs­tag sich bla­miert
Pro­fes­sor­haft trotz al­le­dem!
Und ob der Teu­fel re­agiert
Mit Huf und Horn und al­le­dem -
Trotz al­le­dem und al­le­dem,
Trotz Dumm­heit, List und al­le­dem,
Wir wis­sen doch: die Mensch­lich­keit
Be­hält den Sieg trotz al­le­dem! […]

Nur was zer­fällt, zer­tre­tet ihr! 
Seid Kas­ten nur, trotz al­le­dem! 
Wir sind das Volk, die Mensch­heit wir, 
Sind ewig drum, trotz al­le­dem! 
Trotz al­le­dem und al­le­dem! 
So kommt denn an, trotz al­le­dem! 
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht - 
Un­ser die Welt trotz al­le­dem.

Mit sei­ner Ent­täu­schung über die bis­her er­geb­nis­lo­sen De­bat­ten des Frank­fur­ter Par­la­ments sprach Frei­li­grath den Mit­glie­dern des Ar­bei­ter­ver­eins aus dem Her­zen. Wie­der er­tön­te lang an­hal­ten­der Bei­fall.

7. Politisches Wetterleuchten - der Juni 1848

Der Ju­ni brach­te in Köln zwar ei­ne Po­la­ri­sie­rung in­ner­halb der de­mo­kra­ti­schen Be­we­gung, in Deutsch­land ins­ge­samt je­doch ei­ne Stär­kung der de­mo­kra­ti­schen Kräf­te mit sich, frei­lich auch ei­ne Zu­nah­me der re­ak­tio­nä­ren Ge­walt, die sich in Preu­ßen noch ver­hal­ten äu­ßer­te, im fer­nen Pa­ris ein furcht­ba­res Aus­maß an­nahm. Im Mai hat­te der Ha­nau­er Ar­bei­ter­ver­ein dem Köl­ner Ver­ein vor­ge­schla­gen, ei­nen deut­schen Ar­bei­ter­kon­gress zu or­ga­ni­sie­ren. Gott­schalk hat­te das mit der Be­grün­dung ab­ge­lehnt, es müss­ten sich erst noch mehr Ar­bei­ter-Ver­ei­ne bil­den. Doch noch im glei­chen Mo­nat be­tei­lig­te er sich selbst an ei­ner bünd­nis­po­li­ti­schen In­itia­ti­ve: der Ver­bin­dung al­ler De­mo­kra­ti­schen Ver­ei­ne in Deutsch­land zu ei­nem Ge­samt­ver­ein, der sich nach ei­nem Vor­schlag von Mar­bur­ger De­mo­kra­ten „mit den Ar­bei­ter- und Turn­ver­ei­nen in Ver­bin­dung set­zen und sei­ne Kraft durch die­se ver­stär­ken“ soll­te.

Vom 14. bis 16. Ju­ni fand in Frank­furt ein De­mo­kra­ten­kon­gress statt, gleich­zei­tig auch ein vom Mar­bur­ger Ar­bei­ter­ver­ein an­ge­reg­ter Treff vie­ler Ar­bei­ter­ver­ei­ne, die ei­ne so­zia­le de­mo­kra­ti­sche Re­pu­blik an­stre­ben woll­ten. Gott­schalk setz­te sich jetzt für ei­nen Ar­bei­ter­ge­samt­kon­gres­sein. Und ent­schie­den for­der­te er jetzt die de­mo­kra­ti­sche Re­pu­blik als ein­zi­ge für das deut­sche Volk mög­li­che Ver­fas­sung. Zwar schei­ter­te sein Miss­trau­ens­an­trag ge­gen die Par­la­men­te in Ber­lin und Frank­furt, aber man er­klär­te sich auf sei­nen Vor­schlag hin mit al­len Völ­kern so­li­da­risch, die die de­mo­kra­ti­sche Ver­fas­sung be­reits er­langt hat­ten oder noch er­streb­ten. Sein Haupt­ziel blieb frei­lich, die Ar­bei­ter „zu ei­ner gro­ßen, star­ken, in sich eng ver­ei­nig­ten Par­tei zu or­ga­ni­sie­ren“. Die Marx-An­hän­ger in Frank­furt ver­foch­ten dem­ge­gen­über vor al­lem ei­ne Stär­kung al­ler de­mo­kra­ti­schen Kräf­te – ge­treu der De­vi­se des Kom­mu­nis­ti­schen Ma­ni­fests, vor­erst „ge­mein­sam mit der Bour­geoi­sie ge­gen die ab­so­lu­te Mon­ar­chie, das feu­da­le Grund­ei­gen­tum und die Klein­bür­ge­rei“ zu kämp­fen.

8. Die Generalversammlung des Kölner Arbeitervereins

Nach der Rück­kehr aus Frank­furt wur­de Gott­schalk von sei­nen An­hän­gern tri­um­phal emp­fan­gen und auf den Schul­tern zur Ko­mi­tee­sit­zung ge­tra­gen, auf der er von den Frank­fur­ter Er­geb­nis­sen be­rich­te­te. Da­nach reis­te er nach Düs­sel­dorf und Aa­chen, um die dor­ti­gen Ver­ei­ne zu stär­ken. Am 24. Ju­ni wur­de in Köln ein Gre­mi­um ge­bil­det, das die Ar­beit des Ar­bei­ter­ver­eins, der De­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft und des eben­falls de­mo­kra­ti­schen, je­doch sehr auf In­ter­es­sen­aus­gleich be­dach­ten „Ver­eins der Ar­bei­ter und Ar­beit­ge­ber“ ko­or­di­nie­ren soll­te. Gott­schalk be­an­trag­te trotz sei­ner Skep­sis ge­gen­über den De­mo­kra­ten ei­nen sol­chen Zu­sam­men­schluss. Bei über 7.000 An­hän­gern hät­te er da­bei den grö­ß­ten Ein­fluss. Doch die De­mo­kra­ti­sche Ge­sell­schaft, die sich nur auf 700 Mit­glie­der stüt­zen konn­te, lehn­te ab.

Vor­erst kam es am 25. Ju­ni nur zu ei­ner von über 2.000 Mit­glie­dern des Ar­bei­ter­ver­eins be­such­ten Ge­ne­ral­ver­samm­lung. Sie tru­gen ro­te Bän­der in ih­ren Knopf­lö­chern und for­der­ten den Auf­stand. Wenn Waf­fen nicht aus­reich­ten, müs­se man not­falls mit Ha­cken, Schüp­pen und Stei­nen los­schla­gen. Gott­schalk, der sol­che Auf­stän­de ab­lehn­te, woll­te gleich­wohl ver­mei­den, als Ab­wieg­ler da­zu­ste­hen. Des­halb ver­si­cher­te er der Ver­samm­lung, in Süd­deutsch­land sei man ent­schlos­sen, an die Er­rin­gung der Re­pu­blik „Gut und Blut zu set­zen“. Auch er sei für den Kampf ge­gen die Ty­ran­nei der Gro­ßen, aber nun hän­ge al­les von Ber­lin ab. Ei­ne Pro­vinz- und Fes­tungs­stadt wie Köln kön­ne kei­ne Re­vo­lu­ti­on ma­chen, son­dern nur ei­nen Kra­wall, al­len­falls ei­ne Re­vol­te. Mit Freu­de ver­wies er auf die Er­fol­ge der Re­vo­lu­ti­on in Frank­reich. In die­sem Au­gen­blick wuss­te er noch nicht, dass in Pa­ris die Ar­bei­ter­re­pu­blik im Blut der Ar­bei­ter er­stickt wur­de.

Ferdinand Freiligrath, Gemälde von Johann Peter Hasenclever (1810-1853), 1851. (Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie)

 

Trotz mi­li­tä­ri­schen Ver­bots war die Ge­ne­ral­ver­samm­lung auch von ei­ni­gen Sol­da­ten be­sucht wor­den. Ei­ner von ih­nen wand­te sich in der nächs­ten Aus­ga­be der Ver­eins­zei­tung un­ter dem Pseud­onym „Fü­se­lier Fürch­te dich nich­t“ an sei­ne Ka­me­ra­den. Er frag­te: „War­um durf­ten wir, Sol­da­ten, die Ge­ne­ral­ver­samm­lung des Ar­bei­ter-Ver­eins nicht be­su­chen, oder war­um mu­ß­ten wir von 3 bis 7 Uhr in der Ka­ser­ne blei­ben?“ Sei­ne Ant­wort: „Weil Ihr dort ge­hört ha­ben wür­det: 1) daß al­le Men­schen gleich­be­rech­tig­te Brü­der sind; 2) daß ein Men­schen­mord ein Bru­der­mord ist. Aber, wer­det Ihr fra­gen: 'Ist dies denn so ge­fähr­lich und schlimm, so steht's ja doch in der Bi­bel?' - Ei, frei­lich nicht, aber man fürch­tet, Ihr könn­tet Euch Eu­res Chris­ten­tums zur un­rech­ten Zeit er­in­nern, et­wa wenn der Herr Ma­jor v.S. oder Oberst v.E. Euch be­föh­le, wehr­lo­se und hun­gern­de Ar­bei­ter nie­der­zu­schie­ßen, da­mit der Herr Ma­jor Oberst und der Herr Oberst Ge­ne­ral wür­de.“

Der Fü­se­lier nann­te noch vier wei­te­re Grün­de, war­um den Sol­da­ten der Be­such der Ge­ne­ral­ver­samm­lung ver­bo­ten wur­de: Ers­tens wür­de es in der ge­plan­ten Re­pu­blik nicht mehr das üb­li­che Mi­li­tär, son­dern nur noch die Land­wehr ge­ben, die sich ih­re Of­fi­zie­re sel­ber wäh­len wür­de. Zwei­tens wür­den al­le Dienst­tu­en­den mehr oder we­ni­ger das glei­che Ge­halt be­kom­men. Drit­tens wür­den Steu­ern dann nicht mehr da­zu be­nutzt wer­den, „um Eh­ren­zei­chen, Or­den, Waf­fen­rö­cke, Hel­me und al­ler­lei sol­chen kin­di­schen und lee­ren Schnick­schnack zu be­zah­len, der noch kei­nen vor Hun­ger und Durst be­wahrt hat, son­dern um da­mit Er­zie­hungs­häu­ser zu grün­den, wor­in al­le Kin­der und nicht bloß ad­li­ge Ca­det­ten tüch­tig er­zo­gen wer­den kön­nen; und um da­mit Zu­fluchts­stät­ten für al­te, schwa­che Ar­bei­ter zu stif­ten, um da­mit Un­ter­stüt­zungs­kas­sen für al­le Wit­wen und Wai­sen an­zu­le­gen, wie sie jetzt bloß für Of­fi­ziers­wei­ber und ih­re Fräu­lein be­ste­hen.“ Vier­tens und letz­tens de­fi­nier­te der Fü­se­lier den zu­künf­ti­gen Zu­stand der Ge­sell­schaft im Ver­gleich zum jet­zi­gen kurz und bün­dig so: „In ei­ner Re­pu­blik ist al­les er­laubt, was nicht aus­drück­lich ver­bo­ten ist, in un­se­rem Land da­ge­gen ist al­les ver­bo­ten, was nicht aus­drück­lich er­laubt ist.“

Er kön­ne gut ver­ste­hen, dass Of­fi­zie­re den Ver­ein ab­lehn­ten. War­um aber Un­ter­of­fi­zie­re und Feld­we­bel, die es nach zwölf­jäh­ri­gem Dienst „höchs­tens zu ei­nem Hun­de­pos­ten auf der Chaus­see oder im Ar­rest­hau­se oder auf der Post oder, wenn es hoch kommt, in ei­nem Re­gie­rungs­ge­bäu­de als Bo­te oder als Po­li­zist brin­gen oder end­lich mit al­ler­höchs­ter Er­laub­nis als Lei­er­mann oh­ne Steu­er­ab­ga­be durch das Land zie­hen“, das kön­ne er nicht be­grei­fen – „wenn es nicht mehr Dumm­köp­fe als ge­scheu­te Leu­te in der Welt gä­be“.

9. Reaktionen auf das Massaker in Paris

Die po­li­ti­schen Kon­flik­te in Frank­reich hat­ten sich im Jahr 1848 im­mer mehr zu­ge­spitzt. Der Er­folg, den die Ar­bei­ter noch in der Fe­bru­ar­re­vo­lu­ti­on er­run­gen hat­ten, schien sich an­fäng­lich fort­zu­set­zen. Der re­form­ori­en­tier­te So­zia­list Louis Blanc (1811-1882), Mit­glied der bür­ger­li­chen Re­gie­rung, reg­te Pro­duk­ti­vas­so­zia­tio­nen an, die durch die Kre­dit­po­li­tik ei­ner im öf­fent­li­chen Ei­gen­tum be­find­li­chen Na­tio­nal­bank die ka­pi­ta­lis­ti­sche Wirt­schafts- und Ge­sell­schafts­ord­nung lang­sam über­win­den soll­ten. Doch in den Na­tio­nal­werk­stät­ten, die in die­sem Zu­sam­men­hang ent­stan­den, kam es le­dig­lich zu Not­stands­ar­bei­ten. Der per De­kret durch­ge­setz­te Aus­schluss un­ver­hei­ra­te­ter Ar­bei­ter pro­vo­zier­te im Ju­ni ei­nen Mas­sen­pro­test, dem die Schlie­ßung der Werk­stät­ten folg­te. Als Ar­bei­ter und Ar­beits­lo­se da­ge­gen re­bel­lier­ten, wur­den 10.000 von ih­nen un­ter Füh­rung des Ge­ne­rals Louis-Eu­gè­ne Ca­vai­gnac (1802-1857) in ei­nem vier­tä­gi­gen Bar­ri­ka­den­kampf nie­der­ge­met­zelt oder als Ge­fan­ge­ne um­ge­bracht. Der als An­stif­ter des Auf­stands de­nun­zier­te Louis Blanc floh nach Eng­land.

In ei­ner Ko­mi­tee­sit­zung des Köl­ner Ar­bei­ter­ver­eins wur­den dar­auf­hin am 26. Ju­ni Stim­men laut, die ei­nen Auf­stand nach Pa­ri­ser Vor­bild for­der­ten. Gott­schalk lehn­te das ab. Dar­auf­hin warf man ihm Un­ent­schlos­sen­heit vor; man müs­se Par­tei er­grei­fen und ei­ne Ent­schei­dung her­beizwin­gen. Der An­ge­grif­fe­ne warn­te: „Mir bangt, der Hun­ger, die Ver­zweif­lung hat die Ar­men in den Kampf ge­trie­ben, in dem sie der Mas­se ih­rer Fein­de er­lie­gen wer­den. Bür­ger, Ar­bei­ter, la­ßt euch die Vor­gän­ge in Pa­ris zur War­nung die­nen, ta­delt mich nicht mehr, wenn ich Euch von Ex­zes­sen ab­hal­te.“ Trotz Ein­wän­den und Zwi­schen­ru­fen be­harr­te er auf sei­ner Be­fürch­tung: „Eu­er Blut wür­de um­sonst ge­flos­sen sein!“

Die herr­schen­den Krei­se in Köln wa­ren in höchs­tem Ma­ße be­un­ru­higt. Am 22. Ju­ni hat­te die Köl­ni­sche Zei­tung über den Man­gel an öf­fent­li­cher Ord­nung ge­klagt und Po­li­zei und Mi­li­tär Feig­heit vor­ge­wor­fen: „Je un­ru­hi­ger und re­vo­lu­tio­nä­rer die Zeit, um­so stren­ger und erns­ter muß das Ge­setz ge­hand­habt wer­den.“ Ein Ge­ne­ral­ma­jor mein­te, die Be­reit­schaft zum Auf­ruhr müs­se sich „durch Tät­lich­kei­ten pro­non­ciert ha­ben“. Die lie­ßen nun nicht lan­ge auf sich war­ten. Am 28. Ju­ni wur­de nach ei­ner er­reg­ten Ver­samm­lung ei­ne mit Lär­min­stru­men­ten pro­du­zier­te „Kat­zen­mu­sik“ vor dem Haus des preu­ßi­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Lu­dolf Cam­phau­sen ver­an­stal­tet. Am nächs­ten Tag zo­gen Grup­pen mit ro­ten Fah­nen durch die Stadt. Dar­auf­hin for­der­te der Ge­mein­de­rat auf An­ra­ten der Bür­ger­wehr, Kin­der und Dienst­bo­ten soll­ten bei Un­ru­hen zu Hau­se und die Häu­ser ge­schlos­sen blei­ben. Gott­schalk warn­te die Ar­bei­ter er­neut vor Kra­wal­len – nicht je­doch vor Kla­gen der Ar­bei­ter.

Erste Ausgabe der nun unter dem Titel 'Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit' firmierenden Zeitung des Arbeiter-Vereines, Köln, 8. Februar 1849.. (Digitalisat der UB Köln: RHPER442-1849)

 

10. Die Klagen eines Seilergesellen und eines „versprengten Arbeiters“

Im Mai be­reits war in der „Zei­tung des Ar­bei­ter­ver­eins zu Köln“ die Kla­ge des Seil­er­ge­sel­len Hein­rich S. über sei­nen Ar­beit­ge­ber er­schie­nen. Er war – so sei­ne Dar­stel­lung – seit dem ach­ten Le­bens­jahr bei der Fir­ma Guil­leau­me be­schäf­tigt. Im 18. Jahr war ihm das rech­te Bein durch ein Seil ge­bro­chen wor­den. Da­nach kam er für fünf Mo­na­te in die Kli­nik und war ins­ge­samt drei Jah­re lang fast ge­hun­fä­hig. Der Kli­nik be­zahl­te er 36 Tha­ler, die ihm trotz Ver­spre­chun­gen von sei­nem Ar­beit­ge­ber nicht er­stat­tet wur­den. Trotz Mah­nung der Ärz­te, das Bein zu scho­nen, ging er „aus No­t“ rasch wie­der ar­bei­ten – von mor­gens fünf bis abends acht Uhr. Wer zehn Mi­nu­ten zu spät kann, muss­te zwei­ein­halb Sil­ber­gro­schen, wer ei­nen hal­ben Tag fehl­te, fünf Sil­ber­gro­schen Stra­fe zah­len. „Sehr of­t“ – so Hein­rich S. – „wenn der ro­he Stoff schlecht war, wur­de die Schuld dem Ar­bei­ter zur Last ge­legt und der­sel­be mit 10 Sgr. Stra­fe be­legt, noch öf­ter aber wur­de die gan­ze Ar­beit, wel­che oft ei­ne drei­tä­gi­ge war, für un­brauch­bar er­klärt, und der Ar­bei­ter er­hielt für sei­nen Fleiß und sei­ne Mü­he gar nichts, der Herr aber ließ sich nicht ab­hal­ten, die so ge­nann­te schlech­te Ar­beit für gu­te zu ver­kau­fen, von wel­chem Fal­le wir uns nur zu oft über­zeugt ha­ben.“ Hein­rich S. wur­de nach Ak­kord­ar­beit mehr­fach ge­hun­fä­hig und krank. Doch Kran­ken­geld wur­de ihm mit dem Hin­weis ver­wei­gert, er wä­re „sau­fen ge­gan­gen“. Nur ein­mal er­hielt er ei­ne Nach­zah­lung von fünf Sil­ber­gro­schen. Sein Hil­fe­ruf an den Köl­ner Ar­bei­ter­ver­ein en­de­te mit dem Satz: „Das ist gar nicht mehr zu er­tra­gen und ich er­su­che Sie, mit Herrn Guil­leau­me zu re­den, oder die Sa­che durch die Zei­tung be­kannt zu ge­ben.“  Ei­ne Re­ak­ti­on der Seil­fa­brik ist nicht über­lie­fert.

Im Ju­li 1848 ver­öf­fent­lich­te die Zei­tung des Ar­bei­ter­ver­eins ei­nen Bei­trag („Von ei­nem ver­spreng­ten Ar­bei­ter“) vol­ler Zorn und Selbst­be­wusst­sein. „Der Ar­bei­ter ver­langt kei­nen Um­sturz der Re­gie­run­g“, hieß es dar­in, „ihm ist’s gleich, ob der Teu­fel oder sei­ne Gro­ß­mut­ter auf dem Thro­ne sitzt, aber er will nicht wie das Vieh be­han­delt sein. Ihr sollt ihm sei­ne Kräf­te nicht in sei­nen Ju­gend­jah­ren rau­ben, und sollt ihn in sei­nem Al­ter nicht dar­ben las­sen. Der Ar­bei­ter wird trotz der Ar­beit äl­ter als die Thee trin­ken­den Geld ver­schwen­den­den Blass­ge­sich­ter der Rei­chen. […] Bei un­se­ren Kin­dern fährt kein Dok­tor in der Ka­ros­se an, aber bei Euch al­le Ta­ge. So ge­ra­de wie es bei dem Ar­bei­ter mit sei­nen Kräf­ten steht, so steht es auch mit sei­nem Geis­te; er ist nie stumpf, nie unt­hä­tig, es sei denn durch über­mä­ßi­ge Ar­beit, es sei um sich zu er­ho­len und neue Kräf­te zu sam­meln. Un­ter­drü­cket ihn so hart und so lan­ge ihr könnt, ent­beh­ren könnt Ihr ihn nicht. Wer schafft Eu­er Ka­pi­tal? Könnt Ihr viel­leicht auch ar­bei­ten? Nein, sa­ge ich Euch, Ihr könnt das Geld ver­geu­den, wel­ches Euch der Ar­bei­ter ver­dient, aber Ihr könnt kein Ka­pi­tal schaf­fen. Das ver­gan­ge­ne Un­recht, wel­ches Ihr an uns ver­übt habt, könnt Ihr schwer­lich wie­der gut­ma­chen.Ihr seid die Red­li­chen, wel­che ar­me Fa­mi­li­en um ihr er­spar­tes Geld, wel­ches sie bei euch auf Zin­sen leg­ten, be­trü­gen. Ihr seid die­je­ni­gen, wel­che den Bür­ger an den Bet­tel­stab brin­gen, in­dem Ihr mit dem an­ver­trau­ten Gel­de Bank­rott macht.“ 

Firma Felten und Guilleaume Carlswerke AG, 1899. (Rheinisches Bildarchiv)

 

11. Verhaftungen, Flucht und Proteste

Am 3.7.1848 ver­haf­te­te die Staats­ge­walt mit Gott­schalk und An­ne­ke zwei der wich­tigs­ten Wort­füh­rer des Köl­ner Ar­bei­ter­ver­eins. Gott­schalk wur­de zum Ar­rest­haus trans­por­tiert, und Jus­tiz­ver­tre­ter durch­such­ten sein Haus. „Al­les wur­de durch­stö­bert und durch­schnup­pert nach hoch- und lan­des­ver­ä­te­ri­schen Kor­re­spon­den­zen“ – so drei Ta­ge spä­ter die Ar­bei­ter­ver­eins-Zei­tung. „Doch Was fand man? Ma­ku­la­tur, gut ge­nug, um Wurst und Kä­se hin­ein­zu­pa­cken! Ver­bo­te­ne Schrif­ten führt der Dok­tor nur in sei­nem Kop­fe mit sich.“ Bei Fritz An­ne­ke dran­gen sie­ben Gen­dar­men in sein Schlaf­zim­mer, in dem er und sei­ne hoch­schwan­ge­re Frau schlie­fen. Er wur­de ab­trans­por­tiert.  Flug­schrif­ten, Kor­re­spon­den­zen an­de­re Pa­pie­re wur­den kon­fis­ziert, oh­ne sie auf­zu­lis­ten oder zu ver­sie­geln.

Jo­hann Jo­seph Jan­sen, in­zwi­schen stell­ver­tre­ten­der Prä­si­dent des Ar­bei­ter­ver­eins, ließ nach der Ver­haf­tungs­ak­ti­on Pla­ka­te an zahl­rei­chen Mau­ern an­schla­gen. So wur­den die Men­schen noch vor Er­schei­nen ei­ner Zei­tung über das Ge­sche­he­ne in­for­miert: „Mit­glie­der des Ar­bei­ter-Ver­eins! Bür­ger! Man hat heu­te zwei Eu­rer Füh­rer ver­haf­tet, Eu­ren Prä­si­den­ten Dr. Gott­schalk und den Bür­ger An­ne­ke. La­ßt Euch aber nicht zu Ge­waltstrei­chen hin­rei­ßen, wie man es wünscht. Ich er­mah­ne Euch und ru­fe Euch zu: Be­hal­tet Eu­re Ru­he wie bis­her, la­ßt es nicht da­hin­kom­men, daß Bür­ger­blut flie­ßt. Wir strei­ten nicht für Per­so­nen, son­dern für Sa­chen, für un­ser hei­li­ges Recht, und das wird sie­gen, trotz al­ler bru­ta­len Ge­walt.“ Die Po­li­zei ent­fern­te die Pla­ka­te. Die Ver­eins­zei­tung schil­der­te den ver­geb­li­chen Ver­such, den in­zwi­schen nach Straß­burg Ent­flo­he­nen zu er­grei­fen, mit un­ver­hoh­le­ner Scha­den­freu­de.

Die den Köl­nern auf der an­de­ren Rhein­sei­te ver­bun­de­ne Mül­hei­mer Zei­tung re­agier­te mit fri­schem Zorn: „Das sind die Er­run­gen­schaf­ten der neu­en Zeit, das ist die ver­hei­ße­ne Volks­sou­ve­rä­ni­tät! Nein! Gen­dar­mensou­ve­rä­ni­tät! Das ist die Volks­ver­tre­tung zwei­fel­haf­ter Per­so­nen. Sie sind jetzt nicht zwei­fel­haft mehr; ihr Trug und ih­re Rän­ke lie­gen of­fen am Ta­ge.“

Das Ko­mi­tee des Köl­ner Ar­bei­ter­ver­eins pro­tes­tier­te zu­sam­men mit Ab­ge­ord­ne­ten des „Volks­clubs zu Düs­sel­dor­f“ in ei­nem höf­li­chen Brief an den Köl­ner Ge­ne­ral­pro­ku­ra­tor ge­gen die Ver­haf­tungs­ak­ti­on. Im Bei­trag ei­nes „ver­spreng­ten Ar­bei­ter­s“ wur­de in der Köl­ner Ver­eins­zei­tung kurz dar­auf die ge­gen­wär­ti­ge Si­tua­ti­on mit der ur­christ­li­chen ver­gli­chen: „Seit Ent­ste­hung des Chris­ten­tums wur­den die Ver­fech­ter der Wahr­heit stets mit al­ler zu Ge­bo­te ste­hen­den Ge­walt ver­drängt, die Ge­wal­ti­gen und Gro­ßen der Län­der glaub­ten durch die neue Leh­re des Evan­ge­li­ums ih­re Rei­che zer­trüm­mert, ih­re ge­wal­ti­ge Ho­heit nicht mehr an­er­kannt, weil sie das Licht scheu­ten. So auch jetzt; kaum ha­ben die Völ­ker sich ei­ne Bahn durch kost­ba­res Blut zur Frei­heit ge­bro­chen, kaum fan­gen sie an, sich in et­wa ih­rer Frei­heit zu freu­en, kaum hat die Leh­re für Men­schen­recht und Men­schen­werth in ih­nen Wur­zel ge­fa­ßt, so tritt der Feind des Lichts und der Wahr­heit ih­nen feind­se­lig ent­ge­gen und be­raubt sie ih­rer Leh­rer, ih­rer Freun­de.“

Die Sym­pa­thi­san­ten der Ob­rig­keit ver­brei­te­ten nach der Ver­haf­tungs­ak­ti­on die wil­des­ten Ge­rüch­te. Die Ver­haf­tung von Gott­schalk und An­ne­ke sei auf Mit­tei­lung aus Pa­ris er­folgt, wo sie hoch­ver­rä­te­ri­sche Be­zie­hun­gen ge­habt hät­ten. Gott­schalk sei­en 5.000 Fran­ken aus Pa­ris ge­sandt wor­den, er ha­be aber ei­ne Mil­li­on ge­for­dert. Er bil­de ähn­lich wie Fried­rich He­cker (1811-1881) nächt­lich sei­ne Spie­ß­ge­sel­len an der Waf­fe aus, sei au­ßer­dem im Be­sitz von drei Guil­lo­ti­nen und vier Ton­nen Gol­des. Um­so über­rasch­ter war die Re­gie­rung in Köln vom Aus­blei­ben al­ler be­fürch­te­ten Kra­wal­le.

Porträt des Fritz Anneke, sitzend auf einem Stuhl, vermutlich in den USA nach 1849.

 

12. Der Prozess

Grund ih­rer Ver­haf­tung, so er­klär­te man den An­ge­klag­ten, sei­en haupt­säch­lich ih­re Re­den. Haupt­an­kla­ge­punkt: Pla­nung ei­nes „At­ten­tats zum Um­sturz der be­ste­hen­den Re­gie­rung oder Rei­zen zu die­sem Ver­bre­chen“.  Am 5. Ju­li wur­de hin­zu­ge­fügt: „Sie ha­ben auf­ge­for­dert, sich zu be­waff­nen, zum Zwe­cke des Um­stur­zes der Re­gie­rung, des Rau­bes, des Mor­des und der Plün­de­rung.“ Die Zei­tung des Ar­bei­ter­ver­eins kom­men­tier­te: „Es ist ein al­ter Rechts­grund­satz: Je­der gilt für un­schul­dig, bis man ihm sei­ne Schuld be­wie­sen hat. Im Ap­pel­la­ti­ons­be­zirk zu Cöln herrscht das gra­de Ge­gen­teil.“ Die Zei­tung warn­te die Staats­ge­walt: „Nehmt uns den Arzt, über­lie­fert ihn dem Ker­ker­wär­ter, werft die An­ar­chie in un­se­ren Kör­per, be­raubt uns der Füh­rer, die al­lein im Stan­de wa­ren, dem Um­sturz vor­zu­beu­gen: und Ihr mögt es Euch selbst zu­schrei­ben, wenn der Um­sturz er­folgt, die An­ar­chie ein­tritt.“

Die von Pro­tes­ten des Ar­bei­ter­ver­eins be­glei­te­ten, im­mer wie­der ver­schlepp­ten und ver­zö­ger­ten Pro­zess­vor­be­rei­tun­gen neig­ten sich En­de Sep­tem­ber mit der Über­wei­sung der An­kla­ge­ak­ten an den An­kla­ge­se­nat dem En­de zu. Die An­ge­klag­ten Gott­schalk, An­ne­ke und Es­ser wur­den nun be­schul­digt, im Lauf des Jah­res 1848 „durch Re­den in öf­fent­li­chen Ver­samm­lun­gen so wie durch Druck­schrif­ten ih­re Mit­bür­ger zur ge­walt­sa­men Än­de­rung der Staats­ver­fas­sung, zur be­waff­ne­ten Auf­leh­nung ge­gen die Kö­nigl. Macht und zur Be­waff­nung ei­nes Thei­les der Bür­ger ge­gen den An­dern ge­ra­de­zu an­ge­reizt zu ha­ben, oh­ne daß je­doch die­se An­rei­zun­gen ei­nen Er­folg ge­habt ha­ben“. Mit dem letz­ten Halb­satz mil­der­te der Ap­pel­la­ti­ons­ge­richts­hof die ihm bis­her vor­ge­schla­ge­ne le­bens­be­dro­hen­de An­kla­ge ent­schei­dend ab. Denn bei Er­folg­lo­sig­keit der an­ge­ge­be­nen Ver­bre­chen soll­te lau­t  Straf­ge­setz­buch die an­sons­ten vor­ge­se­he­ne To­des­stra­fe – durch Ab­hau­en der rech­ten Hand und des Kop­fes – in De­por­ta­ti­on um­ge­wan­delt wer­den. Auch mach­te sich der Ge­richts­hof die ihm vor­ge­schla­ge­nen straf­recht­lich re­le­van­ten Be­grif­fe „At­ten­ta­t“ und „Kom­plot­t“ nicht zu ei­gen, so dass vor al­lem ein ge­plan­ter An­griff auf die Per­son des Kö­nigs nicht mehr un­ter­stellt wur­de. Mit die­sen Ein­schrän­kun­gen wur­de die An­kla­ge nun an das Schwur­ge­richt wei­ter­ge­reicht. Nach noch gül­ti­gem fran­zö­si­schen Straf­recht hat­te in der Rhein­pro­vinz an­ders als im preu­ßi­schen Kern­land nur die­ses Ge­richt zu ent­schei­den und nicht der Mon­arch.

Auf­grund der Be­richt­er­stat­tung der Zei­tung des Ar­bei­ter­ver­eins wur­de auch sein Dru­cker J. A. Bro­cker-Ever­a­erts straf­recht­lich ver­folgt und zu ei­ner vier­wö­chi­gen Ge­fäng­nis­stra­fe ver­ur­teilt. Falls die Zei­tung wei­ter er­schei­nen wür­de, müss­te ei­ne Kau­ti­on von 4.000 Ta­lern er­bracht wer­den - ein gro­tesk ho­he Sum­me! Doch der Ver­ein über­lis­te­te Jus­tiz und Zen­sur und ließ ein neu­es Blatt mit un­ver­än­der­ter Ziel­rich­tung und dem Ti­tel „Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Ar­beit“ er­schei­nen – dem Un­ter­ti­tel des frü­he­ren! Im Ok­to­ber wur­de Karl Marx an die Spit­ze des Ar­bei­ter-Ver­eins ge­wählt. Er woll­te da­mit „pro­vi­so­risch bis zur Frei­las­sung Dr. Gott­schalks dem Wunsch der Ar­bei­ter nach­kom­men“, ob­gleich er, wie er dem we­gen dro­hen­der Ver­haf­tung nach Bel­gi­en ge­flo­he­nen Fried­rich En­gels schrieb, mit sei­ner ei­ge­nen Ar­beit, mit der Neu­en rhei­ni­schen Zei­tung, „bis über die Oh­ren be­schäf­tig­t“ war.

Prozess gegen die Mitglieder des Bundes der Kommunisten in Köln, 1852.

 

Die de­mo­kra­ti­sche Be­we­gung er­litt in den kom­men­den Wo­chen har­te Rück­schlä­ge. In der Bri­git­ten­au bei Wien wur­de Ro­bert Blum er­schos­sen. Die Re­gie­rung in Preu­ßen ver­schärf­te ih­re Maß­nah­men und hol­te zum Staats­streich aus. Marx sprach in der Neu­en Rhei­ni­schen Zei­tung (NRZ) vom „Kan­ni­ba­lis­mus der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on“. In Köln kam es je­doch zu ei­nem für Gott­schalk und den Ar­bei­ter­ver­ein po­si­ti­vem Er­eig­nis.

13. Freispruch für die Angeklagten

Am 21. De­zem­ber be­gann end­lich der Köl­ner Pro­zess vor dem Köl­ner Ge­schwo­re­nen­ge­richt. Die Zu­hö­rer ström­ten in Mas­sen her­bei, ap­plau­dier­ten den An­ge­klag­ten und re­agier­ten wü­tend, weil sie Ket­ten tra­gen muss­ten. Die NRZ re­agier­te auf die ge­sell­schaft­li­chen Po­si­tio­nen der meis­ten Ge­schwo­re­nen mit der Be­mer­kung „Das 'Ge­wis­sen' der Pri­vi­le­gier­ten ist ein pri­vi­le­gier­tes Ge­wis­sen“, rech­ne­te we­gen der du­bio­sen An­kla­ge­punk­te den­noch nicht mit ei­ner Ver­ur­tei­lung. Nach ei­ner be­ein­dru­cken­den Ver­tei­di­gungs­re­de von An­dre­as Gott­schalk en­de­te der  Pro­zess zwei Ta­ge spä­ter mit Frei­spruch für al­le drei An­ge­klag­ten. Froh­lo­cken­de Ver­se der Ar­bei­ter mach­ten so­gleich in der Stadt die Run­de:

An­ne­ke, Gott­schalk, Es­ser. 
Es ging stets schlim­mer an­statt bes­ser. 
Ei­ne Kla­ge oh­ne Halt und Kraf­t 
Hielt sie­ben Mo­na­te uns in Haft. 
Ge­straft so von Rich­tern und Po­li­zei, 
Sprach uns der Ge­schwo­re­ne von Stra­fe frei. 
Der Rich­ter Un­ab­hän­gig­keit, so be­lob­t 
In Preu­ßen, die hat sich an uns er­probt.

14. Sozialer Protest

Wie schon im Früh­jahr 1848 hat­ten Köl­ner Ar­bei­ter auch im Spät­herbst den Ge­mein­de­rat auf­grund ei­ner mi­se­ra­blen Ar­beits­markt­la­ge um Schutz ge­gen den Hun­ger ge­be­ten. Auf An­re­gung der Ver­wal­tung wur­den dar­auf­hin um­fäng­li­che Ab­riss- und Erd­ar­bei­ten in der Stadt und der Aus­bau der Rö­mer­stra­ße nach Zül­pich in Auf­trag ge­ge­ben. Da be­reits meh­re­re Hand­werks­meis­ter mo­niert hat­ten, die Stadt zah­le hö­he­re Löh­ne als Pri­vat­be­trie­be, mach­te sich der Ge­mein­de­rat mehr­heit­lich den Vor­schlag des Stadt­bau­meis­ters zu­ei­gen, die Ta­ge­löh­ne von elf auf zehn Sil­ber­gro­schen zu sen­ken. Auf kei­nen Fall dür­fe der An­schein er­weckt wer­den, die Stadt kon­kur­rie­re mit den Un­ter­neh­mern, ar­gu­men­tier­te der lang­jäh­ri­ge städ­ti­sche Ar­men­arzt Dr. Jo­hann Nü­ckel (1792-1873) in ei­ner kon­tro­vers ver­lau­fen­den Sit­zung. Nü­ckel for­der­te dar­über hin­aus so­gar ei­ne ver­bind­li­che Er­klä­rung, die Stadt wer­de zu­künf­tig nied­ri­ge­re Löh­ne zah­len als die sonst üb­li­chen. Die Be­fürch­tung, die Ar­bei­ter wür­den bei nied­ri­gen Löh­nen der Ar­men­ver­wal­tung zur Last fal­len, blieb un­be­ach­tet. Gott­schalk war über Nü­ckels Ver­hal­ten em­pört. „Ge­wiß hat­ten Sie wie kein An­de­rer Ge­le­gen­heit“, schrieb er ihm in der Zei­tung des Ar­bei­ter­ver­eins, „die Küm­mer­nis­se und Lei­den, die Wün­sche und Hoff­nun­gen des grö­ß­ten Thei­les Ih­rer Mit­bür­ger ken­nen zu ler­nen.“ Ver­ge­bens: „Für Sie ha­ben die Ar­men kein Recht, ih­re Ge­mein­de­ver­tre­ter um Ar­beit an­zu­ge­hen. Gibt es denn für Sie über­haupt noch ein an­de­res Recht als das Recht des au­gen­blick­li­chen Ge­nus­ses? Und Sie wol­len ihn je­nen ver­sa­gen, die zu ver­tre­ten Sie sich her­vor­ge­drängt ha­ben?“

Robert Blum, Gemälde von August Hunger, um 1848.

 

15. Niederlagen

Im Mai 1849 be­gann in Deutsch­land der be­waff­ne­te Auf­stand. An­ge­sichts zu­neh­men­der preu­ßi­scher Re­pres­sio­nen und der schwäch­li­chen Hal­tung der Frank­fur­ter Par­la­ments­mehr­heit es­ka­lier­ten die Kon­flik­te. Bar­ri­ka­den­kämp­fe schei­ter­ten an der Über­macht des Mi­li­tärs. 

In Köln wur­de der Ar­bei­ter­ver­ein durch Flü­gel­kämp­fe und den Ver­lust ak­tivs­ter Mit­glie­der ge­schwächt. Wie im Mai die NRZ stell­te an­ge­sichts ver­schärf­ter Pres­se­ge­set­ze auch die Zei­tung „Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Ar­beit“ ihr Er­schei­nen ein. Der Ver­ein wan­del­te sich En­de Ju­ni in ei­nen „Ar­bei­ter- und Le­se­ver­ein“ um und lös­te sich ein Jahr spä­ter auf.

Gott­schalk hat­te sich in­zwi­schen wie­der ver­stärkt sei­ner ärzt­li­chen Tä­tig­keit ge­wid­met, die ihn mehr und mehr zu un­ent­gelt­li­cher Be­hand­lung der Ob­dach­lo­sen, der Ar­men und ins­be­son­de­re der Kin­der dräng­te. Als im Som­mer 1849 ei­ne Cho­le­ra­epi­de­mie aus­brach, die in Köln mehr als 10.000 To­te for­der­te, ver­such­te er, vor al­lem den er­krank­ten Ar­men zu hel­fen. Da­bei in­fi­zier­te er sich und starb an der Seu­che. An sei­ner Be­er­di­gung im Sep­tem­ber 1849 auf dem Me­la­ten-Fried­hof nah­men tau­sen­de Köl­ner teil. Auf dem Grab­stein stand: „Eins ist nö­thig, dass das Gu­te stets ge­sche­he, ob man fal­le oder ste­he, ist und bleibt dann ei­ner­lei.“

Quellen

An­ne­ke, Mat­hil­de, Der po­li­ti­sche Ten­denz­pro­zeß ge­gen Gott­schalk, An­ne­ke und Es­ser, hg. nach den Ak­ten, nach Mitt­hei­lun­gen der An­ge­klag­ten und nach ste­no­gra­phi­schen Auf­zeich­nun­gen der münd­li­chen Ver­hand­lun­gen, Köln 1848.
Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Ar­beit. Or­gan des Ar­bei­ter-Ver­eins zu Köln (I), Köln, 26.10.-31.12.1848; Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Ar­beit. Or­gan des Ar­bei­ter-Ver­eins zu Köln (II), Köln, 8.2.-24.6.1849, Nach­druck, hg. v. Die­ter Do­we, Ber­lin/Bonn 1980.
Frei­heit, Ar­beit. Or­gan des Köl­ner Ar­bei­ter­ver­eins (1849), Neu­druck Glas­hüt­ten im Tau­nus 1972. 

Literatur

Beu­scher, Ar­min [u.a.], Me­la­ten er­zählt von pro­tes­tan­ti­schem Le­ben. Ein Rund­gang. Hg. von An­net­te Scholl im Auf­trag der Evan­ge­li­schen Ge­mein­de Köln, Köln 2010.
Heit­mann, Alexis, Ar­bei­ter an Rhein und El­be. Ver­gleich zwei­er Zen­tren der frü­hen deut­schen Ar­bei­ter­be­we­gung. Ham­burg und Köln 1845-50, Mün­chen 2009.
Her­zog, Ar­no, An­dre­as Gott­schalk und der Köl­ner Ar­bei­ter­ver­ein, in: Köln und das rhei­ni­sche Ju­den­tum. Fest­schrift Ger­ma­nia Ju­dai­ca 1959-1984, Köln 1984, S. 177-182. 
Schmidt, Klaus, An­dre­as Gott­schalk. Ar­men­arzt und Pio­nier der Ar­bei­ter­be­we­gung, Ju­de und Pro­tes­tant, Köln 2002.
Stein, Hans, Der Köl­ner Ar­bei­ter­ver­ein (1848-1849). Ein Bei­trag zur Früh­ge­schich­te des rhei­ni­schen So­zia­lis­mus, Gils­bach/ Köln 1921. Nach­druck 2011.
Stom­mel, Karl, Der Ar­men­arzt Dr. An­dre­as Gott­schalk, der ers­te Köl­ner Ar­bei­ter­füh­rer 1848, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 166 (1964), S. 55-105.
Dr. An­dre­as Gott­schalk, in: Dress­ler, Hel­mut, Ärz­te um Karl Marx. Volk und Ge­sund­heit, Ber­lin 1970, S. 73-84. 

Barrikadenkampf auf dem Alexanderplatz in Berlin in der Nacht vom 18. auf den 19. März 1848.

 
Zitationshinweis

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Schmidt, Klaus, Der Kölner Arbeiterverein (1848/1849), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-koelner-arbeiterverein-18481849/DE-2086/lido/5cc028654cbab9.02823820 (abgerufen am 19.03.2024)