Caspar Anton Reichsgraf von Belderbusch

Erster Minister Kurkölns und Landkomtur des Deutschen Ordens (1722-1784)

Wolf D. Penning (Herzogenrath)

Caspar Anton Reichsgraf von Belderbusch, Gemälde. (StadtMuseum Bonn)

In ei­ner Dop­pel­kar­rie­re ge­lang es dem aus ei­nem lim­bur­gi­schen Adels­ge­schlecht stam­men­den Cas­par An­ton von Bel­der­busch zum Land­kom­tur des Deut­schen Or­dens auf­zu­stei­gen und als Ers­ter Mi­nis­ter na­he­zu un­um­schränkt die Ge­schi­cke des Kur­staa­tes Köln zu len­ken.

Cas­par An­ton von Bel­der­busch wur­de am 5.1.1722 auf dem Stamm­sitz der Fa­mi­lie, Burg Stre­vers­dorp bei Mont­zen (Bel­gi­en), als drit­ter Sohn von Vin­cenz Phil­ipp An­ton Frei­herrn von der Heyden ge­nannt Bel­der­busch (1690-1771) und der Ma­ria Cla­ra Eu­ge­nia von Westrem (1687-1775) ge­bo­ren. Nach dem Be­such des Gym­na­si­ums der Je­sui­ten in Aa­chen von 1731 bis 1734 wur­de er Pa­ge am kur­k­öl­ni­schen Hof in Bonn und setz­te am dor­ti­gen Gym­na­si­um so­wie an der Uni­ver­si­tät Lö­wen sei­ne Stu­di­en fort. 1741 er­warb er den Ti­tel ei­nes Li­zen­tia­ten bei­der Rech­te.

Ge­gen sei­nen An­trag auf Auf­nah­me in den Deut­schen Or­den 1740 er­hob sich er­heb­li­cher Wi­der­stand – vor­geb­lich we­gen nicht hin­rei­chend be­leg­ter Ah­nen­nach­wei­se –, der erst acht Jah­re spä­ter dem nach­hal­ti­gen Druck des Hoch­meis­ters und Köl­ner Kur­fürs­ten Cle­mens Au­gust wich, so dass er 1749 in den Or­den auf­ge­nom­men wer­den konn­te. Zwi­schen­zeit­lich Rei­se­be­glei­ter des Kur­fürs­ten und von die­sem 1745 zum Hof­käm­me­rer er­nannt, er­hielt er durch des­sen Pro­tek­ti­on be­reits 1749 die Er­nen­nung zum Kom­tur der Kom­men­de Ra­mers­dorf bei Bonn. In der Kar­rie­re­lei­ter des Or­dens stieg er in den Fol­ge­jah­ren kon­ti­nu­ier­lich durch Über­nah­me hö­her­wer­ti­ger Kom­men­den auf (1751 Or­din­gen, 1757 St. Gil­les [Aa­chen], 1762 Grui­tro­de). Durch die Auf­nah­me in die Rit­ter­ku­rie der Stän­de wur­de der Land­frem­de 1755 „na­tu­ra­li­siert". Noch im glei­chen Jahr be­glei­te­te er den Kur­fürs­ten nach Ita­li­en.

Die en­ge Ver­traut­heit mit dem Lan­des­herrn führ­te 1756 zur Er­nen­nung zum Ober­bau­kom­mis­sar – ein Amt, dass bei der Bau­lei­den­schaft Cle­mens Au­gusts von er­heb­li­chem Ge­wicht war – und zum Hof­kam­mer­prä­si­den­ten. In die­ser Funk­ti­on weil­te er sich 1757/ 1758 in Frank­reich, um dort we­gen der von den ver­bün­de­ten fran­zö­si­schen Trup­pen wäh­rend des Sie­ben­jäh­ri­gen Krie­ges ver­ur­sach­ten Schä­den zu ver­han­deln. Die sich hier­bei ab­zeich­nen­de Er­folgs­bi­lanz war ver­mut­lich ei­ner der Grün­de, dass Cle­mens Au­gust als Hoch­meis­ter es durch­setz­te, Cas­par An­ton un­ter Hint­an­set­zung der Ver­diens­te we­sent­lich äl­te­rer Mit­be­wer­ber in den üb­li­chen Drei­er­vor­schlag für die Wahl zum Ko­ad­ju­tor der Bal­lei Al­den Bie­sen auf­zu­neh­men. Da­mit war zu­gleich der Weg für die Wahl zum Land­kom­tur ge­eb­net.

Dass der Nach­fol­ger des am 6.2.1761 ver­stor­be­nen Kur­fürs­ten, der bis­he­ri­ge Dom­de­chant Ma­xi­mi­li­an Fried­rich von Kö­nigs­egg-Ro­then­fels, be­reits am 9. Mai Bel­der­busch in sei­nem Amt als Hof­kam­mer­prä­si­dent be­stä­tig­te, war fast zwangs­läu­fig: Der in An­ge­le­gen­hei­ten der Ver­wal­tung un­er­fah­re­ne Kur­fürst be­nö­tig­te ei­ne Per­sön­lich­keit, wel­che die Staats­fi­nan­zen kon­so­li­dier­te. Dies ge­lang Cas­par An­ton bin­nen ver­gleichs­wei­se kur­zer Zeit durch ei­ne äu­ßerst re­strik­ti­ve Hand­ha­bung des Fi­nanz­ge­bah­rens. Er be­schränk­te sich da­bei nicht auf die Haus­halts­po­li­tik, son­dern er­griff auch In­itia­ti­ven in den Res­sorts der In­nen- und Au­ßen­po­li­tik, so dass es nur ei­ne Fra­ge der Zeit war, dass er 1766 zum „Staats­mi­nis­ter" er­nannt wur­de und nach dem To­de des (al­ler­dings nur pro­to­kol­la­risch vor­ge­setz­ten) Gra­fen An­ton von Ho­hen­zol­lern (1699-1767) zu Be­ginn des Fol­ge­jahrs de fac­to die wich­tigs­ten Re­gie­rungs­funk­tio­nen in sei­ner Hand ver­ei­nig­te. Die 1768 er­folg­te Er­nen­nung zum stän­di­gen kur­fürst­li­chen Be­auf­trag­ten („com­mis­sa­ri­us per­pe­tuus") bei den rhei­ni­schen wie den west­fä­li­schen Land­stän­den – von Be­deu­tung für die Be­wil­li­gung der Lan­des­steu­ern – run­de­te die Fül­le sei­ner Funk­tio­nen und Voll­mach­ten ab.

Der Tod des Land­kom­turs von Al­den Bie­sen, Wiric Leo­pold Frei­herrn von Stei­nen im Jah­re 1766 öff­ne­te Cas­par An­ton den Weg zu des­sen Nach­fol­ge und da­mit zu ei­ner Spit­zen­po­si­ti­on im Deut­schen Or­den. Um die Ver­wal­tung sei­ner Bal­lei küm­mer­te er sich je­doch nur am Ran­de, zu sehr nah­men ihn die Staats­ge­schäf­te in Kur­k­öln in An­spruch. Des­halb er­rich­te­te er, des­sen Dienst­räu­me sich im Bon­ner Schloss be­fan­den, sich 1767-1772 in Miel (heu­te Ge­mein­de Swist­tal) ei­ne „Mai­son de plaisance" als Re­fu­gi­um, das durch ei­ne neu an­ge­leg­te Stra­ße di­rekt mit der Re­si­denz ver­bun­den war. Im Jah­re 1766 hat­te Carl Alex­an­der von Loth­rin­gen (1761-1780), der Hoch­meis­ter des Deut­schen Or­dens, Bel­der­busch die not­wen­di­ge Be­wil­li­gung für die Aus­übung sei­ner Tä­tig­keit in kur­k­öl­ni­schen Diens­ten ge­ge­ben. Wenn er sie in Ab­spra­che mit sei­nem kai­ser­li­chen Bru­der sie­ben Jah­re spä­ter wi­der­rief, so ist dies auf den au­ßen­po­li­ti­schen Kurs Cas­par An­tons zu­rück­zu­füh­ren, der nicht in Über­ein­stim­mung mit den In­ter­es­sen Ös­ter­reichs stand. Ein Sub­si­di­en­ver­trag mit den (nie­der­län­di­schen) Ge­ne­ral­staa­ten droh­te den Ein­fluss Wiens im nord­west­deut­schen Raum zu re­du­zie­ren und zu ei­ner Macht­ver­schie­bung zu füh­ren. Der hier ent­stan­de­ne Kon­flikt soll­te durch die Ent­fer­nung Bel­der­buschs aus Bonn ge­löst wer­den, was zwangs­läu­fig zum En­de von des­sen po­li­ti­scher Kar­rie­re ge­führt hät­te. Dass es so­weit nicht kam, ver­dank­te er den in­stän­di­gen Bit­ten des Kur­fürs­ten, der sich oh­ne sei­nen Ers­ten Mi­nis­ter hilf­los fühl­te – ein Wunsch, dem sich Wien nicht ver­schlie­ßen konn­te. Bel­der­busch zog je­den­falls aus die­ser „Af­fai­re" sei­ne Kon­se­quen­zen: Er schwenk­te auf die Bah­nen der ös­ter­rei­chi­schen Po­li­tik ein – ein Vor­ge­hen, das 1774 durch die Er­nen­nung zum kai­ser­li­chen Rat ho­no­riert wur­de.

Ge­prägt von der Geis­tes­hal­tung des Ra­tio­na­lis­mus schuf Cas­par An­ton in be­wuss­ter Ab­leh­nung der den päpst­lich-or­tho­do­xen An­schau­un­gen streng ver­pflich­te­ten Uni­ver­si­tät der Reichs­stadt Stadt auf Reichs­gut, auch die ehe­ma­li­ge Bi­schofs­stadt, die nicht ei­nem Lan­des­herrn, son­dern al­lein Kö­nig, Kai­ser und Reich un­ter­stand.  Die ehe­ma­li­gen Bi­schofs­städ­te, die sich von der (welt­li­chen) Herr­schaft der Bi­schö­fe be­freit hat­ten,  wur­den zu­nächst als "Freie Städ­te" be­zeich­net. Seit 1489 wur­den al­le Reichs­städ­te als "Freie Reichs­städ­te" (Frei­reichs­städ­te, li­be­rae im­pe­rii ci­vi­ta­tes) be­zeich­net.  Köln in Bonn ei­ne Hoch­schu­le, die nicht zu­letzt der Aus­bil­dung der nun­mehr stär­ker ge­för­der­ten bür­ger­li­chen Schicht für den Lan­des­dienst die­nen soll­te. Ge­grün­det 1777, er­folg­te die fei­er­li­che Er­öff­nung der „Ma­xi­schen Aka­de­mie" am 11.11.1783 (Uni­ver­si­tät 1786). Prä­si­dent des Aka­de­mie­ra­tes war der Hof­rats­vi­ze­prä­si­dent und äl­tes­te Nef­fe des Mi­nis­ters Carl Leo­pold von Bel­der­busch, der die­se Funk­ti­on auch be­hielt, als es 1778/ 1779 zu ei­nem Fa­mi­li­en­zwist und da­mit ver­bun­de­nen Hof­in­t­ri­gen ge­kom­men war, wel­che die Stel­lung Cas­par An­tons er­heb­lich zu er­schüt­tern droh­ten. Der Kon­flikt wur­de von die­sem je­doch durch die Ver­set­zung Carl Leo­polds als Ge­sand­ter nach Pa­ris ge­löst. Zu­nächst als Haupter­be des be­trächt­li­chen Ver­mö­gens des On­kels vor­ge­se­hen, trat an sei­ne Stel­le nun­mehr der jüngs­te Nef­fe An­ton von Bel­der­busch .

Die von Bel­der­busch 1780 mit Er­folg be­trie­be­ne Wahl des Habs­bur­gers Ma­xi­mi­li­an Franz zum Ko­ad­ju­tor in Köln und in Müns­ter brach­te ihm nicht nur die Zu­sa­ge Wiens ein, dass er auch künf­tig im Amt blei­ben kön­ne, son­dern führ­te zu­gleich zur Aus­schal­tung sei­nes ein­zi­gen ernst­haf­ten Ri­va­len, dem für die Ver­wal­tung des Fürst­bis­tums Müns­ter zu­stän­di­gen Franz Wil­helm Frei­herrn von Fürs­ten­berg (1729-1810). Die­ser hat­te den Feh­ler ge­macht, sich eben­falls zu be­wer­ben. Sei­nen Lohn fand Bel­der­busch in der 1782 er­folg­ten Er­he­bung in den Reichs­gra­fen­stand, in die auch sei­ne drei Nef­fen ein­be­zo­gen wur­den. Durch die Er­nen­nung zum Obrist­land-, Obrist- und Erb­hof­meis­ter (den pro­to­kol­la­risch höchs­ten Äm­tern des Lan­des und Ho­fes) durch den Kur­fürs­ten im Au­gust 1780 war sei­ne un­ein­ge­schränk­te Macht­po­si­ti­on im Kur­staat schon zu­vor sicht­bar ge­wor­den.

Sein über­ra­schen­der Tod als Fol­ge ei­ner zu spät er­kann­ten Lun­gen­ent­zün­dung am 2.1.1784 in Bonn be­en­de­te ein Le­ben, das durch ei­ne ein­zig­ar­ti­ge Dop­pel­kar­rie­re ge­kenn­zeich­net war, die ihn in Kur­k­öln zum „Herr­scher oh­ne Kro­ne" wer­den ließ. Die nach sei­nem To­de kur­sie­ren­den Pam­phle­te, die das Ab­le­ben des all­mäch­ti­gen Mi­nis­ters auf hä­mi­sche Wei­se be­grü­ß­ten, zei­gen al­ler­dings deut­lich, dass sein au­to­ri­tä­rer Füh­rungs­stil auch für er­heb­li­chen Un­mut ge­sorgt hat­te. Dass Kur­fürst Ma­xi­mi­li­an Fried­rich im glei­chen Jah­re ver­starb (wäh­rend die lang­jäh­ri­ge Le­bens­ge­fähr­tin des zum Zö­li­bat ver­pflich­te­ten Deut­schor­dens­rit­ters, Ca­ro­li­ne von Satz­en­ho­ven, die­sem 1785 folg­te), stell­te na­he­zu das En­de ei­ner Epo­che dar. Dem neu­en Lan­des­herrn Ma­xi­mi­li­an Franz blieb nur ein Jahr­zehnt, die von Bel­der­busch ge­schaf­fe­nen Struk­tu­ren nach sei­nen Vor­stel­lun­gen zu mo­di­fi­zie­ren, be­vor die fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­ons­trup­pen die Ge­schich­te Kur­k­ölns auf ih­re Wei­se be­en­de­ten.

Literatur (Auswahl)

Brau­bach, Max, Der Mi­nis­ter Bel­der­busch und sei­ne Nef­fen, in: Kur­k­öln. Ge­stal­ten und Er­eig­nis­se aus zwei Jahr­hun­der­ten rhei­ni­scher Ge­schich­te, Müns­ter 1949, S. 321-400.
Hin­sen, Her­mann, Kas­par An­ton von Bel­der­busch und der Ein­bruch der Auf­klä­rung in Kur­k­öln. Kur­k­öl­ni­sche In­nen­po­li­tik von 1761-1784, Bonn 1952.
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, 3., ver­bes­ser­te und er­wei­ter­te Auf­la­ge, Bonn 2011, S. 43-44.
Pen­ning, Wolf D., Cas­par An­ton von Bel­der­busch (1722-1784). Per­sön­lich­keit und Po­li­tik im Um­kreis drei­er Kur­fürs­ten. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te des „Auf­ge­klär­ten­ ­Ab­so­lu­tis­mus" in Kur­k­öln, in: Im Wech­sel­spiel der Kräf­te. Po­li­ti­sche Ent­wick­lun­gen des 17. und 18. Jahr­hun­derts in Kur­k­öln, Köln 2000, S. 96-159.
Pen­ning, Wolf D., Cas­par An­ton von Bel­der­busch, sei­ne Nef­fen und ihr Bon­ner Stadt­pa­lais. Zur Ge­schich­te des Bel­der­bu­scher (Boe­sel­ager) Hofs, in: Bon­ner Ge­schichts­blät­ter 57/ 58 (2008), S. 147-184.
Pen­ning, Wolf D., Vom Pa­gen am kur­k­öl­ni­schen Hof zum Kom­tur des Deut­schen Or­dens. Zur Ju­gend- und Fa­mi­li­en­ge­schich­te Cas­par An­tons von Bel­der­busch, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 211 (2008), S. 103-155.
Pen­ning, Wolf D., „Pour en­ri­chir sa fa­mil­le" (I). Das Tes­ta­ment des Land­kom­turs des Deut­schen Or­dens und kur­k­öl­ni­schen Staats­mi­nis­ters Cas­par An­ton von Bel­der­busch von 1781, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 212 (2009), S. 267-314.

Online

Brau­bach, Max, "Bel­der­busch, Kas­par An­ton Graf von" in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 2 (1955), S. 28. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Penning, Wolf D., Caspar Anton Reichsgraf von Belderbusch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/caspar-anton-reichsgraf-von-belderbusch/DE-2086/lido/57c57a6bb02434.04620799 (abgerufen am 06.10.2024)