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Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts war auch in Köln von einer großen konfessionellen Unruhe gekennzeichnet. Im Kampf um eine Erneuerung des Glaubens und der Kirche positionierten sich Fürsten, Gelehrte und Geistliche und rangen um die Deutungshoheit über religiöse Fragestellungen. Eberhard Billick gehörte dabei zu den Theologen, die nicht in erster Linie die wissenschaftliche Auseinandersetzung suchten, sondern durch die Macht des Faktischen der neuen Lehre Grenzen setzen wollten – mehr als ‚Macher‘ denn als ‚Denker‘ und dadurch sowohl populär wie zuweilen auch populistisch.
Billicks Familie stammte aus dem heute zu Düsseldorf gehörenden Ort Bilk; darauf verweist jedenfalls der Name, der sich um seine Geburt herum eingebürgert und den ursprünglichen Familiennamen Steinberger abgelöst hatte. Nur selten hat Billick diesen Namen in seiner latinisierten Fassung Lapicida später noch verwendet. Geboren wurde er 1499 oder 1500 in Köln, wo seine Eltern es zu einigem Ansehen und Vermögen gebracht hatten. Im Alter von 14 Jahren trat er, einer Familientradition folgend, in den Karmeliterorden ein.
Damit war ihm eine gute Ausbildung sicher, die ihm ein späteres Studium an der Kölner Universität ermöglichte. Der dortige Karmeliterkonvent am Waidmarkt hatte bereits vor der Universitätsgründung im Jahr 1388 ein studium generale eingeführt und war seit jeher eng mit der akademischen Gemeinschaft verbunden. Schon 1514 empfing Billick die niederen Weihen; nach dem philosophischen Grundstudium bekleidete er das Amt des Studienpräfekten und war damit für die Organisation der Lehre mitverantwortlich. 1528 führte er dann seine Studien an der theologischen Fakultät fort und wurde im gleichen Jahr erster Lektor seines Klosters. Das Bakkalaureat erwarb er 1530, das Doktorat erst 1540. Die insgesamt recht lange Ausbildungszeit Billicks wird auf seine vielfältigen Verpflichtungen und Aufgaben innerhalb seines Ordens und der Kölner Kirche zurückgeführt.
So war Billick schon früh in seinen verschiedenen Ordensfunktionen mit dem Gedanken einer grundlegenden Reform befasst. Der Karmeliterorden, der vor allem im 14. Jahrhundert viele Anhänger in ganz Europa gefunden hatte, stand zu Anfang des 16. Jahrhunderts nicht nur wie viele andere Gemeinschaften vor der Frage, wie der spätmittelalterlichen Verweltlichung und dem Verfall der genuinen Ordensregeln zu begegnen sei, sondern auch vor der in der zweiten Jahrhunderthälfte tatsächlich erfolgten Spaltung in beschuhte und unbeschuhte Karmeliter.
Billick zeigte zunächst wenig Motivation zu tief greifenden Veränderungen; bei einer Provinzialsynode der Karmeliter im Jahr 1526 lehnte er Reformvorschläge sogar ab. Erst im Laufe seiner weiteren Laufbahn erkannte er ihre Notwendigkeit, um den alten Glauben gegen den auch im Kurfürstentum Köln erstarkenden Protestantismus zu behaupten. 1536 war Billick zum Prior des Kölner Karmeliterklosters gewählt worden, 1540 konnte er zudem eine Universitätsprofessur übernehmen. In diesen Funktionen nahm er 1540 und 1541 an den Religionsgesprächen in Hagenau, Worms und Regensburg teil, bei denen er allerdings nicht zu den gemäßigten Theologen gehörten, die sich um die Glaubenseinheit in Verbindung mit einer Kirchenreform bemühten. Vielmehr vertrat er einen dezidiert altgläubigen Kurs mit dem Ziel, die Standpunkte der Confessio augustana zu widerlegen.
Gestützt wurde er dabei von seinem Orden, der bei allem Willen zur Reform fest an der Seite der Verteidiger des alten Glaubens stand. So war etwa der Provinzial Dietrich von Gouda einer der Kölner Gesandten gewesen, die in dem hauptsächlich von Jakob von Hoogstraten ausgetragenen Streit mit Johannes Reuchlin (1455-1522) die Pariser Universitätsprofessoren für die Interpretation ihrer Kölner Kollegen gegen die Humanisten gewann. Nach Goudas Tod übernahm Billick zunächst übergangsweise als Provinzialvikar die Leitung des Ordens, und 1542 wurde er endgültig zum Oberen gewählt, nachdem Martin Cuperus nach nur zwei Jahren in diesem Amt resignierte, um Weihbischof in Cambrai zu werden. Als Provinzial stieß Billick dringend notwendige organisatorische und inhaltliche Reformen an, so zum Beispiel die Neueinteilung der niederdeutschen Ordensprovinz und die Gewinnung neuer Ordensmitglieder. Allerdings galt Billicks Bemühen auch vornehmlich dem Schutz der durch die neue Lehre bedrohten Klöster, für welchen Zweck er auch am Kaiserhof vorstellig wurde und dabei seine altgläubige Gesinnung nachhaltig dokumentierte.
Diese durchweg konservative Haltung nahm er auch im Kölner Streit um den Reformationsversuch des Erzbischofs Hermann von Wied ein, der sich seit dem Ende der 1530er Jahre der neuen Lehre öffnete und 1543 mit der Publikation des „Einfältigen Bedenkens“ die Reformation in seinem Territorium einführen wollte. Dabei stieß er nicht nur auf den Widerstand des Kaisers und eines Teiles des Stiftsadels, sondern vor allem auch den der Kölner Geistlichkeit, der schon lange, spätestens seit der Veröffentlichung der so genannten Dunkelmännerbriefe und der darin enthaltenen Verspottung der scholastischen Gelehrten sowie der Hinrichtung Adolf Clarenbachs und Peter Fliestedens (gestorben 1529), ein ultraorthodoxer Ruf anhing. Gemeinsam mit Johannes Gropper, dem Rektor der Universität, Heinrich Buschers von Tongern (gestorben1564), und Weihbischof Johannes Nopel (gestorben 1556) gehörte Billick, der zwischenzeitlich auch zum Vorsteher der niederdeutschen Ordensprovinz der Karmeliter gewählt worden war, in der Folge zu den Wortführern gegen den Erzbischof, wobei Billick unter den genannten wohl die größte Wirkung als zu Polemik und Scharfzüngigkeit neigender Prediger hatte.
Ebenso wie die Gunst des Volkes erwarb Billick sich die der neuen Obrigkeit. Der Kodadjutor und spätere Erzbischof Adolf von Schaumburg sammelte den konservativen Klerus um sich und ernannte Billick nach seiner Inthronisierung im Jahr 1547 zu seinem geistlichen Beirat. Gemeinsam nahmen sie an den Reichsversammlungen der späten 1540er Jahre teil, unter anderem am „Geharnischten Reichstag“, den Karl V. (1500-1558) infolge seines militärischen Siegs gegen die Protestanten als Wende im Konfessionsstreit nutzen wollte und bei dem mutmaßlich Billick die „Formula reformationis“ verfasste, eine Denkschrift zur Reform des Klerus unter altgläubigen Vorzeichen. Als gelehrter Rat, aber auch als Ordensprovinzial begleitete er den Erzbischof 1551 zum Trienter Konzil, wo er mehrfach predigte. Besondere Beachtung fand seine Neujahrspredigt des Jahres 1552, eine Ehre, die ihm wegen seines vorangegangenen leidenschaftlichen Vortrags zum Weihesakrament zuteil wurde.
Ende 1556 ernannte ihn der Bruder und Nachfolger Adolf von Schaumburgs, Anton, in Anerkennung seiner Verdienste um den rechten Glauben zum Weihbischof der Diözese Köln. Dieses Amt konnte Billick jedoch nicht mehr ausüben, da er bereits am 12.1.1557 nach bereits länger anhaltender Krankheit verstarb. In seinen letzten Lebensjahren hatte Billick sich intensiv mit kirchenhistorischen Fragen beschäftigt und unter anderem eine Vita der Heiligen Ursula sowie eine Geschichte des Trienter Konzils verfasst. Beigesetzt wurde er im Karmeliterkloster. Billick bleibt vor allem als vehementer Gegner des Reformationsversuches Hermanns von Wied in Erinnerung; zur Reform seines Ordens leistete er in erster Linie faktische Beiträge, indem er sich beispielsweise für den Erhalt und den Neubau von Klöstern engagierte, nicht jedoch inhaltliche. Gleichwohl setzte er sich vehement für die Reform des Klerus ein; anders als beispielsweise Gropper erkannte er hierin jedoch keine Möglichkeit der Annäherung zu den Protestanten, sondern die Notwendigkeit zur Abgrenzung und Profilschärfung innerhalb des alten Glaubens, eine Haltung, die langfristig zur Zementierung der verschiedenen konfessionellen Lager führte.
Werke (Auswahl)
De libero hominis arbitro & divina gratia, 1542.
Judicium deputatorum universitatis et secundarii cleri Coloniensis de vocatione et doctrina Martini Buceri ad Bonnam, 1543.
Iudicii Universitatis Et Cleri Coloniensis, adversus calumnias Philippi Melanchthonis, Martini Buceri, Oldendropii & eorum asseclarum, defensio, 1545.
Oratio habita die festo circumcisionis domini in concilio oecumenico Tridentino, 1552.
De ratione summovendi praesentis temporis dissidia, 1557.
De dissidiis ecclesiae componendis, 1559.
Literatur
Bautz, Friedrich Wilhelm, Art. „Billick, Eberhard“, in: BBKL, Bd. 1, S. 591.
Fabisch, Peter, Eberhard Billick OCarm (1499/1500-1557), in: Iserloh, Erwin (Hg.), Katholische Theologen der Reformationszeit, Band 5, Münster 1988, S. 97-116.
Molitor, Hansgeorg, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe (Geschichte des Erzbistums Köln, 3), Köln 2008, S. 167-168, bes. S. 437-441.
Postina, Alois, Der Karmelit Eberhard Billick. Ein Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert, Freiburg i. Br. 1901.
Online
Ennen, Leonard, „Billick, Eberhard“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 2 (1875), S. 639-640. [Online]
Haaß, Robert, „Billick, Eberhard“, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 238-239. [Online]
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Bock, Martin, Eberhard Billick, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/eberhard-billick/DE-2086/lido/57c82c73340ad6.64932356 (abgerufen am 12.12.2024)