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Mitglieder der Familie (von) Guilleaume waren im 19. Jahrhundert führend in der Seil- und Kabelherstellung. Die Verdienste Franz Carl Guilleaumes des Jüngeren um die Draht- und Kabelindustrie trugen ihm den Namen „Siemens des Westens" ein. Um die Jahrhundertwende standen seine Söhne Theodor, Max und Arnold von Guilleaume an erster Stelle der Kölner Millionäre.
Den Einstieg in das Seilergewerbe verdankte Franz Carl Guilleaume der Ältere (1798-1837) seiner Hochzeit mit Christine Felten, Tochter des Johann Theodor Felten (1747-1827), der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts als Seilermeister in Köln Kordeln, Bindfäden und leichte Seile herstellte sowie andere Seiler mit Rohmaterial belieferte und diese im Verlagssystem beschäftigte.
Als Sohn des Christoph Guilleaume in Solingen geboren, wurde Franz Carl in den 1820er Jahren von seinem Schwiegervater in das Geschäft aufgenommen, nachdem dessen letzter Sohn Adolf Felten gestorben war. Das Jahr 1826 gilt als das offizielle Gründungsdatum des Unternehmens Theodor Felten & Guilleaume. Guilleaume arbeitete sich schnell in das Seilerhandwerk ein und erwarb ein an der Kölner Stadtmauer gelegenes Grundstück am Kartäuserwall, in dem im gleichen Jahr erstmalig ein zentraler Betrieb zur Seilproduktion entstand. Daneben bestand im Zentrum Kölns immer noch die handwerklich betriebene Seilerei und ein Geschäft zum Verkauf von Seilerwaren, Hanf- und Pferdehaaren.
Guilleaume verbesserte die Produktion von Rundseilen aus Hanf und experimentierte vor seinem Tod mit der Herstellung von Drahtseilen. Ferner betrieb er am gleichen Standort eine Weizenstärkefabrik. Bevor der Sohn von Franz Carl, Theodor Guilleaume (1812-1879), in den 1840er Jahren zunehmend die Geschäftsleitung übernahm, führte seine Mutter Christine von 1827 bis 1853 die Firma. 1830 war Theodor in das väterliche Unternehmen eingetreten. Seine Mutter übertrug ihm die Leitung von Seilerwarengeschäft und -produktion, während sein jüngerer Bruder Carl August (geboren 1820) die Weizenstärkefabrik übernahm.
Theodor Guilleaume widmete sich verstärkt der Produktion von Drahtseilen und eröffnete dem Unternehmen neue Absatzmärkte in den rheinisch-westfälischen Grubenbetrieben. Eine Ausweitung der Produktion sowie der Aufbau eines weiteren Betriebsstandortes bei Köln-Wahn, der „Theodorshöhe", war die Folge. Gleichzeitig begann er mit der Fabrikation von Telegraphenkabeln. Dabei wurde dem Drahtseil anstelle einer Hanfseele ein isolierter elektrischer Leiter eingesetzt. 1853 verlegte man das erste Telegraphenkabel in der von Guilleaume gefertigten Art. 1857 trennten die Brüder die Unternehmenszweige: Carl August betrieb die Weizenstärkefabrik, und Theodor konzentrierte sich auf den Ausbau der maschinellen Drahtseilproduktion. Kurze Zeit später errichtete er auf Theodorshöhe ein Walzwerk, in dem die Drahtproduktion mit der Herstellung vom Walzdraht und Drahtseil bis zum verzinkten Leitungsdraht zusammengefasst wurde.
Theodor Guilleaumes unternehmerisches Wirken zeichnete sich durch Gespür für die technischen Neuerungen seines Gewerbes, deren systematische Umsetzung in der Produktion und letztlich durch die konsequente Weiterentwicklung seiner Betriebe aus. Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit war er Mitglied des Kölner Stadtrats (1846-1850). Er war verheiratet mit Wilhelmine Dahmen (1811-1838) aus Ahrweiler, in zweiter Ehe mit Henriette Büttgen (1823-1902) aus Köln.
Der älteste Sohn, Franz Carl Guilleaume (1834-1887), der 1860 Teilhaber im Betrieb wurde, erhielt eine umfassende praktische Ausbildung in der Produktionstechnik, eignete sich aber auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse durch Auslandsaufenthalte in Belgien und Großbritannien an. Seit 1865 Alleininhaber, erkannte Franz Carl schon früh die in der Herstellung von Kabeln zum Transport elektrischer Energie liegende Herausforderung und entwickelte Pläne für ein unterirdisches Kabelnetz, dessen Bau in privater Verantwortung erfolgen sollte. Dieses übernahm jedoch die deutsche staatliche Telegraphenverwaltung. Bis 1876 waren Felten & Guilleaume das einzige Unternehmen des Kontinents, das Kabelherstellung betrieb. Guilleaume konzentrierte daher sein Interesse auf die Produktion von Draht und Kabeln. 1874 gründete er in Köln-Mülheim das Carlswerk. Die Seilerei am Kartäuserwall überließ er überwiegend seinem Mitarbeiter Albert Hardenacke, und der Betrieb Theodorshöhe wurde aufgegeben.
In Mülheim fertigte man Eisen- und Stahldrähte unterschiedlicher Querschnitte für Zäune, Kabelbewehrungen, oberirdische Telegraphen, Fernsprech- und Starkstromanlagen, Zugdrähte und Litzen für Eisenbahn-Sicherungsanlagen, Drahtseile (unter anderem aus Patent-Gussstahl), Telegraphenkabel für Erd-, Tunnel-, Fluss- und Seeleitungen, Sprungfedern, Stacheldraht und sogar Klaviersaitendraht. Im gleichen Jahr führte Guilleaume die bekannte F&G-Fabrikmarke ein: ein Dreizack, der später durch die Initialen F&G und den Namen „Neptun" ergänzt wurde. Im Carlswerk gründete er zahlreiche soziale Einrichtungen: Fabrikkrankenkasse, Werkssparkasse, Konsumanstalt, Kindergarten und Invaliditätsfonds. Darüber hinaus ließ er in Mülheim Wohnhäuser mit Werkswohnungen bauen.
Franz Carl Guilleaume war unter anderem Mitglied der Kölner Handelskammer, des Elektrotechnischen Vereins und der Deutschen Kolonialgesellschaft. 1876 wurde ihm der Titel des preußischen Kommerzienrats verliehen. Er war verheiratet mit Antoinette Gründgens (1837-1923) aus Aachen, Tante des Schauspielers, Regisseurs und Theaterintendanten Gustaf Gründgens. Er hatte zwei Töchter und drei Söhne, die sein Unternehmen fortführten. Theodor (1861-1933) und Max (1866-1932) von Guilleaume leiteten ab 1892 das Carlswerk gemeinschaftlich, Arnold von Guilleaume (1868-1939) führte den Seilereibetrieb am Kartäuserwall. Theodor widmete sich dem Ausbau des Stromkabelgeschäfts und lieferte Anfang der 1890er Jahre die erste Wechselstromanlage, das heißt ein komplettes Kabelnetz für die Stadt Barmen (1929 Wuppertal). Darüber hinaus forcierte er die Seekabelprojekte, darunter die siebenadrige Telegraphenverbindung zwischen Deutschland und Dänemark sowie die erste unterseeische Fernsprechverbindung von Buenos Aires nach Montevideo. Die deutschen Kabelwerke versuchte Felten & Guilleaume teils oder vollständig einzugliedern. 1899 kam es zur Gründung der Felten & Guilleaume Carlswerk Aktiengesellschaft. Die um die Jahrhundertwende gesteigerte Nachfrage an Fernsprech- und Starkstromkabeln, Drahtwaren und Maschinengeflechten machte eine Erweiterung des Carlswerks und damit neue Kapitalien notwendig. 1900 beschäftigte allein das Carlswerk rund 4.900 Arbeiter, 1853 waren es noch 205 gewesen.
Arnold von Guilleaume modernisierte die Seilerei weiter, die sich seit dem Tod Franz Carl Guilleaumes zu einem großen Betrieb mit mechanischer Hanfspinnerei, Bindfaden- und Tauwerkfabrik entwickelte hatte und in der einfacher Zwirn wie auch verschiedene Seile unterschiedlicher Größe für Schiffs- und Hebezwecke hergestellt wurden. Spezialitäten waren Seile für Kraftübertragungszwecke und Bindegarn für landwirtschaftliche Mäh- und Dreschmaschinen. Guilleaume erwarb weitere Produktionsstandorte und suchte seine Rohstoffbasis durch die Einführung von tropischen Hanfsorten statt des überwiegend italienischen Hanfes zu vergrößern.
Darüber hinaus war er Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte, besonders in dem seit 1904 in Köln entstehenden Konzern von Robert Gerling. Er war verheiratet mit Elisabeth Deichmann (1875-1972), Tochter des Kölner Bankiers Otto Deichmann (1838-1911).
Auch seine Brüder verbanden sich mit bedeutenden Kölner Familien, Theodor heiratete Hortense von Mallinckrodt (1867-1950) und Max Clara Michels (1869-1930), die Tochter des Kölner Handelskammerpräsidenten Gustav Michels. 1904 wurden die Brüder Guilleaume in den erblichen Adelsstand erhoben, Theodor wurde 1914 der Titel eines Freiherrn verliehen. 1929 wurde die Seilerei am Kartäuserwall zugunsten der Zweigniederlassungen aufgegeben, die ihrerseits bis in die 1950er Jahre bestanden. Das Carlswerk hingegen entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ausbau der Produktion von Stahlseilen, Starkstrom- und Telekommunikationskabeln zu einem der führenden Arbeitgeber Kölns. 1960 hatten Felten & Guilleaume 23.560 Mitarbeiter. Das Kabelwerk in Köln-Mülheim wurde in Drahtwerke Köln umbenannt und ging Ende der 1990er Jahre in den nktcables (Dänemark) auf. Die 1986 gegründete F&G Energietechnik AG fusionierte 2004 mit der Moeller Holding GmbH, Bonn.
Literatur
Brill, Franz, Franz Carl Guilleaume, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien 7 (1966), S. 25-47.
Oepen-Domschky, Gabriele, Kölner Wirtschaftsbürger im Deutschen Kaiserreich. Eugen Langen, Ludwig Stollwerck, Arnold von Guilleaume und Simon Alfred von Oppenheim, Köln 2003.
Schulz, Günther, Die Arbeiter und Angestellten bei Felten & Guilleaume, Wiesbaden 1979.
Wessel, Horst A., Die Unternehmerfamilie Felten & Guilleaume, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien 13 (1986), S. 3-112.
Online
Brill, Franz, Artikel "Guilleaume", in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 298-299. [Online]
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Oepen-Domschky, Gabriele, Familie Guilleaume, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-guilleaume/DE-2086/lido/57c81422035491.84495711 (abgerufen am 06.10.2024)