Zu den Kapiteln
Der Geistliche Franz Hartz ist vor allem aufgrund seiner Stellung als Prälat der Freien Prälatur Schneidemühl von Interesse, eines kirchlichen Territoriums, das bei der Neuordnung der Diözesen im Osten des Reiches nach dem Ersten Weltkrieg gebildet wurde. Nach 1945 wirkte er unter anderem als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsangelegenheiten.
Franz Hartz wurde am 15.6.1882 als jüngstes von acht Kindern des Hauswebers Johann Jakob Hartz und seiner Frau Maria Agnes, geborene Nauw, in Hüls bei Krefeld geboren. Er besuchte das Gymnasium Thomaeum in Kempen und studierte anschließend Theologie in Münster, wo er am 13.6.1908 zum Priester geweiht wurde. Er war vorübergehend als Kaplan in Rheinhausen (heute Stadt Duisburg) eingesetzt, wurde aber bereits im Jahr darauf als Domvikar und Kaplan von Weihbischof Everhard Illigens (1851–1914) nach Münster zurückberufen. Dort trat er der im Jahre 1908 gegründeten Katholischen Studentenvereinigung "Osning" (KV) bei. 1912 wurde er Regens des Collegium Dettenianum in Münster, eines Schülerkonvikts für junge Adlige; zeitweise erteilte er auch Religionsunterricht am Gymnasium Paulinum. 1914 promovierte er in Münster bei dem Moraltheologen Joseph Mausbach (1861–1931) mit der Dissertation „Wesen und Zweckbestimmung der Strafe. Eine ethische Würdigung der absoluten und relativen Rechtstheorie“. Der Anregung seines Bischofs, sich für Moraltheologie zu habilitieren, folgte Hartz nicht, weil er kein Interesse an einer wissenschaftlichen Laufbahn hatte. 1921 ging er an die von Priestern der Diözese Münster betreute Pfarre St. Matthias in Berlin, an der Clemens August Graf von Galen (1878–1946), der spätere Bischof von Münster (Episkopat 1933-1946) und Kardinal, von 1919 bis 1929 Pfarrer war. 1924 wurde Hartz Kurat und Pfarradministrator in der Pfarre St. Elisabeth, 1928 Pfarrer an Liebfrauen (beide in Berlin, im Sprengel der letzteren lag die Apostolische Nuntiatur). Nach der Errichtung des Bistums Berlin 1930 ernannte ihn Bischof Christian Schreiber (1872–1933, Episkopat als Bischof von Berlin ab 1930) zum Domkapitular an St. Hedwig in Berlin.
Die Errichtung des Bistums Berlin stand im Zusammenhang mit der Neuordnung der kirchlichen Verwaltungsstrukturen in Ostdeutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Da kein deutsches Gebiet der Jurisdiktion eines Bischofs unterstehen sollte, der außerhalb der Reichsgrenzen seinen Sitz hatte (dieses war im Hinblick auf die Ostgebiete vor allem der Erzbischof von Gnesen-Posen), war die preußische Staatsregierung bestrebt, in Verhandlungen mit dem Vatikan eine Neuordnung der Diözesangrenzen zu erwirken, die im Vertrag des Freistaats Preußen mit dem Heiligen Stuhl vom 14.6.1929 grundsätzlich geregelt wurde. In der Folge wurde das Fürstbistum Breslau zum Erzbistum erhoben, ein neues Bistum Berlin errichtet, der Sprengel des Bistums Ermland dem Gebiet der Provinz Ostpreußen angepasst und für das Gebiet der preußischen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen eine Freie Prälatur mit Sitz in Schneidemühl errichtet. Deren kanonische Errichtung erfolgte durch die Apostolische Konstitution Pius XI. (Pontifikat 1922-1939) „Pastoralis officii Nostri“ vom 13.8.1930 (Artikel III.4): „Außerdem errichten Wir … eine Prälatur ‚nullius‘, die Wir Prälatur Schneidemühl genannt wissen wollen. Sie bestimmen wir als Suffraganprälatur der Breslauer Metropolitankirche und unterstellen deren jeweilige Prälaten dem Metropolitanrecht des Breslauer Erzbischofs.“ Freie Prälaturen, im Codex iuris Canonici von 1917 (Can. 215) praelatures nullius genannt, treten im deutschen Raum kaum auf. Im heutigen Kirchenrecht firmieren sie als praelatura territorialis beziehungsweise Gebietsprälatur (Can. 370). Man mag sie vereinfacht als ein einer Diözese vergleichbares kirchliches Verwaltungsgebiet bezeichnen, an deren Spitze aber kein Bischof steht, sondern ein Prälat.
Zuvor war das fragliche Gebiet seit 1922 von der Erzbischöflichen Delegatur (ab 1923 Apostolische Administratur) Tütz (1926 verlegt nach Schneidemühl) verwaltet worden. Apostolischer Administrator in Schneidemühl war seit 1926 Maximilian Kaller (1880–1947), der nach seiner Wahl zum Bischof von Ermland die am 31.8.1930 errichtete Freie Prälatur in Schneidemühl zunächst als Apostolischer Administrator weiter verwaltete. Der Prälatus nullius hatte Sitz und Stimme in der Fuldaer Bischofskonferenz.
Durch Dekret vom 21.2.1931 ernannte Papst Pius XI. den Berliner Domkapitular Dr. Franz Hartz zum Praelatus nullius von Schneidemühl, seine Inthronisation fand am 25.3.1931 in der Kirche zur Heiligen Familie in Schneidemühl statt. Als Wappenspruch wählte Hartz „Consilio et Constantia“ („Mit Rat und Festigkeit“). Die Freie Prälatur, die damals 134.000 Katholiken in 75 Pfarreien und zwölf Seelsorgestationen zählte, erlebte unter der Leitung von Hartz einen Aufschwung durch Neubauten von Kirchen, Caritasheimen, Bildung neuer Pfarreien, Ausbau und Festigung kirchlicher Organisationen. Als erster deutscher Oberhirte ordnete er die Feier sogenannter Betsingmessen an. In seiner biographischen Skizze über Hartz schreibt Hans-Jürgen Brandt, das NS-Regime habe „seinen Aktivitäten schon bald Grenzen“ gesetzt, doch sei es „dem klug taktierenden“ Prälaten gelungen, „die herkömmliche Seelsorge aufrechtzuerhalten“. Über sein Verhältnis gegenüber dem Nationalsozialismus sind keine aussagekräftigen Quellen bekannt, die Schriften über sein Leben und Werk klammern diesen Aspekt aus oder beschönigen ihn. Ein Gegner des Regimes war er mutmaßlich nicht, und er fand 1934/1935 Aufnahme im „Deutsche[n] Führerlexikon“, das die damalige Prominenz in Text und Bild präsentierte. Auf der anderen Seite konnte er offenbar manchen vom NS-Regime verfolgten Priestern der Prälatur helfen oder erreichen, dass verhängte Strafen gemildert wurden.
Vor dem Einmarsch der Russen verließ Prälat Hartz am 26.1.1945 Schneidemühl, teilweise zu Fuß, zunächst nach Demmin, und es wird berichtet, er habe nur sein Brevier retten können. Von Demmin gelangte er in den letzten Kriegswochen noch mit Hilfe der Wehrmacht nach Fulda, nach dessen Zerstörung lebte er vorübergehend in Hainzell. In Fulda, wo er ab Fronleichnam 1945 bis zu seinem Lebensende im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern lebte, pflegte er rege Kontakte zur früheren Schneidemühler Geistlichkeit. Im September 1948 hatte er Gelegenheit, Papst Pius XII. (Pontifikat 1939-1958), den er aus dessen Zeit als Nuntius in Berlin kannte, anlässlich einer Privataudienz im Vatikan über das Schicksal seines Sprengels zu berichten. 1949 trat Hartz das Amt des Päpstlichen Beauftragten für die Seelsorge der Heimatvertriebenen an, zugleich das des Beauftragten der deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsangelegenheiten. Beiden Aufgaben ging er in den folgenden Jahren mit großem Einsatz nach. Auf seine Anregung ging etwa die Schaffung eines zentralen katholischen Kirchenbuchamtes für die Heimatvertriebenen sowie die vorläufige Versorgung der ostvertriebenen Kirchenpensionäre aus dem geistlichen und Laienstand zurück. In der Diözese Fulda half er durch die Übernahme von Firmreisen, besonders in der Diaspora. Seinen unermüdlichen Einsatz würdigte Papst Pius XII. 1951 durch die Verleihung des Titels „Hochwürdigste Exzellenz“.
Während seines übliches Weihnachtsbesuchs in Hüls im Winter 1952/1953 erkrankte Hartz und starb am 15.2.1953 in seiner Heimatgemeinde. Am 18. Februar wurde er in Anwesenheit zahlloser Geistlicher, darunter 21 Priester aus der Freien Prälatur, in der Hülser Pfarrkirche St. Cyriakus beigesetzt, nachdem der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings die absolutio ad tumbam erteilt hatte. Hartz blieb übrigens bis zu seinem Tod nicht nur nominell Prälat der Freien Prälatur Schneidemühl. Diese bestand kirchenrechtlich bis 1972, ihre Verwesung erfolgte aus der Bundesrepublik, ihr Sitz war Fulda.
In Krefeld-Hüls erinnert eine Straße an Franz Hartz.
Werke
Wesen und Zweckbestimmung der Strafe. Eine ethische Würdigung der absoluten und relativen Rechtstheorie, Diss. Münster 1914, VIII, 55 S.; vollständige Veröffentlichung unter gleichem Titel , Münster 1914: IX, 258 S.
Literatur
Brandt, Hans-Jürgen, Franz Hartz, in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803–1945. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1983, S. 289-290.
Franz Hartz, in: Internationales Biographisches Archiv 16/1953 vom 6. April 1953.
Koß, Siegfried/Löhr, Wolfgang, Biographisches Lexikon des KV. 1. Teil, Schernfeld 1991, S. 44f.
Prälat Dr. Franz Hartz – Vater der Vertriebenen. Zum Gedenken am 50. Jahrestage seiner Hl. Priesterweihe. Hg. von Priestern der Freien Prälatur Schneidemühl, o.O. [Hildesheim?] 1958.
Stasiewski, Bernhard, Die Errichtung der Breslauer Kirchenprovinz. Erzbistum Breslau – Bistum Berlin – Bistum Ermland – Freie Prälatur Schneidemühl, in: Stasiewski, Bernhard (Hg.), Adolf Kardinal Bertram. Sein Leben und Wirken auf dem Hintergrund der Geschichte seiner Zeit, Teil 1, Köln [u.a.] 1992, S. 77–98.
Online
Father Franz Hartz.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Lilla, Joachim, Franz Hartz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-hartz/DE-2086/lido/57c827928155b1.50628484 (abgerufen am 03.10.2024)