Franz Lenze

Pionier der Ferngasversorgung (1878–1937)

Michael A. Kanther (Duisburg)

Franz Lenze, Porträtfoto. (o.A.)

Der In­ge­nieur Franz Len­ze, ein Fach­mann für Ko­ke­rei­tech­nik, den Bau und Be­trieb von Lei­tungs­sys­te­men und die in­dus­tri­el­le so­wie kom­mu­na­le Gas- und Was­ser­ver­sor­gung, war seit 1906 in Un­ter­neh­men des Thys­sen-Kon­zerns am Nie­der­rhein tä­tig und schuf im Sin­ne Au­gust (1842–1926) und Jo­seph (1844–1915) Thys­sens aus den Gas- und Was­ser­ver­sor­gungs­be­trie­ben des Kon­zerns das ers­te und zeit­wei­lig grö­ß­te deut­sche Fern­gas­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men, die Thys­sen­sche Gas- und Was­ser­wer­ke GmbH. Die Be­lie­fe­rung ei­ner Stadt mit auf­be­rei­te­tem Ko­ker­ei­gas, das über ei­ne Ent­fer­nung von 52 Ki­lo­me­tern trans­por­tiert wur­de (1910), stand am Be­ginn der Ge­schich­te der deut­schen und der eu­ro­päi­schen Gas-Fern­ver­sor­gung. Auch durch Er­fin­dun­gen för­der­te Len­ze den tech­ni­schen Fort­schritt in der in­dus­tri­el­len Fern­gas­wirt­schaft. Das un­ter sei­ner Lei­tung ge­schaf­fe­ne Fern­gas­werk in Ham­born (heu­te Stadt Duis­burg) war 1937 das grö­ß­te sei­ner Art in der Welt. Von 1927 bis zu sei­nem Tod ent­wi­ckel­te Len­ze fer­ner im Auf­trag des Berg­werks­ei­gen­tü­mers Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za (1875–1947) das mo­der­ne, mit ei­nem ei­ge­nen Rhein­ha­fen aus­ge­stat­te­te Ver­bund­berg­werk Wal­s­um (heu­te Stadt Duis­burg).

Franz Len­ze wur­de am 5.11.1878 als Sohn des städ­ti­schen Gas­werks­di­rek­tors Phil­ipp Len­ze und sei­ner Ehe­frau Ma­ria Eli­sa­beth ge­bo­re­ne Hüls­ter in Dü­ren ge­bo­ren und war rö­misch-ka­tho­li­schen Be­kennt­nis­ses. Er stu­dier­te Ma­schi­nen­bau und Che­mie an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Karls­ru­he, die er 1903 als Di­plom-In­ge­nieur in der Fach­rich­tung Che­mie ver­ließ. In der fol­gen­den Zeit mach­te er in dem 1902 in Be­trieb ge­nom­me­nen Gas­werk der Thü­rin­ger Gas­ge­sell­schaft (Leip­zig) in Nie­der­sed­litz bei Dres­den ers­te prak­ti­sche be­ruf­li­che Er­fah­run­gen. Von dort wech­sel­te er zum Gas- und Was­ser­werk der Stadt Mül­heim an der Ruhr.

In Mül­heim wur­de der dort le­ben­de In­dus­tri­el­le und Kon­zern­chef Au­gust Thys­sen auf Len­ze auf­merk­sam. Er hol­te Len­ze am 1.10.1906 als Ober­inge­nieur und Mit­ge­schäfts­füh­rer in die Was­ser­werk Thys­sen & Cie. GmbH (WTC), das da­ma­li­ge Kern­stück der im Auf­bau be­grif­fe­nen Gas- und Was­ser­wirt­schaft des Kon­zerns mit sei­nen Wer­ken im Raum Ham­born, in Mül­heim und Dins­la­ken. Der Thys­sen-Kon­zern be­stand im Kern aus der Ge­werk­schaft Deut­scher Kai­ser (GDK), die Berg­wer­ke, zwei Ko­ke­rei­en, ein Stahl­werk und ein Walz­wer­ke be­trieb, und den stahl­ver­ar­bei­ten­den Be­trie­ben der Thys­sen & Co. OHG in Mül­heim. Die WTC war 1903 aus der Ver­selb­stän­di­gung des Was­ser­wer­kes der Thys­sen & Co. an der Ruhr in Styrum bei Mül­heim her­vor­ge­gan­gen. Sie hat­te 1907 ne­ben dem Ruhr­was­ser­werk ei­ne Be­triebs­stät­te in Ham­born mit ei­nem 52 Me­ter ho­hen Was­ser­turm und ei­ne An­la­ge zur Rei­ni­gung von Ko­ker­ei­gas so­wie ei­ne Ge­blä­se­sta­ti­on bei der Ko­ke­rei 4/8 der GDK, eben­falls in Ham­born. 1907 ver­sorg­te die WTC au­ßer den Kon­zern­wer­ken Ham­born und wei­te­re Ge­mein­den mit Was­ser so­wie Ham­born und Wal­s­um mit auf­be­rei­te­tem Ko­ker­ei­gas, das die Ge­mein­den vor al­lem zur Stra­ßen­be­leuch­tung nutz­ten.
Bei der WTC war­te­te auf Len­ze die Auf­ga­be, ge­mein­sam mit den schon dort tä­ti­gen Gas- und Was­ser­tech­ni­kern die von Au­gust und Jo­seph Thys­sen be­ab­sich­tig­te Er­schlie­ßung ei­nes grö­ße­ren Ver­sor­gungs­ge­bie­tes des Un­ter­neh­mens vor­an­zu­trei­ben. Das Kon­zept be­stand im Ver­kauf des für die Zwe­cke der Kon­zern­be­trie­be nicht be­nö­tig­ten „Über­schuss­ga­ses“ an kom­mu­na­le Gas­wer­ke, die bis da­hin selbst Gas pro­du­ziert hat­ten, und pri­va­te Ab­neh­mer.
1907 hei­ra­te­te Len­ze Pau­la Schief­fer; aus der Ehe ging ei­ne Toch­ter her­vor. Der Ers­te Welt­krieg be­ding­te ei­ne Un­ter­bre­chung der be­ruf­li­chen Lauf­bahn bei Thys­sen & Cie.; Len­ze leis­te­te Kriegs­dienst als Haupt­mann der Pio­nier­trup­pen an der Front und er­hielt das Ei­ser­ne Kreuz I. Klas­se.
In Len­zes ers­tem Dienst­jahr bei der WTC stell­te das Un­ter­neh­men ei­ne Gas­lei­tung nach Mül­heim zur Ver­sor­gung der dor­ti­gen Thys­sen­wer­ke fer­tig, die bis da­hin ein ei­ge­nes Gas­werk be­trie­ben hat­ten; zu­gleich wur­de die Gas­ver­sor­gung der Städ­te Mül­heim und Ober­hau­sen auf­ge­nom­men. Zu ei­nem Meis­ter­stück ge­riet die 1910 ge­bau­te, 52 Ki­lo­me­ter lan­ge Gas­fern­lei­tung von Ham­born nach Bar­men (heu­te Stadt Wup­per­tal), das am 9.3.1910 ei­nen Ver­trag mit der WTC ge­schlos­sen hat­te, wo­nach die­se den ge­sam­ten Gas­be­darf der In­dus­trie­stadt be­frie­di­gen und das dor­ti­ge Gas­werk nur noch als Wei­ter­ver­tei­ler die­nen soll­te. Die „Bar­me­ner Lei­tun­g“ der WTC war da­mals die längs­te Rohr­lei­tung Eu­ro­pas. Am 25.11.1910 wur­de mit der Gas­lie­fe­rung nach Bar­men be­gon­nen; die­ser Tag gilt als Ge­burts­tag der Gas-Fern­ver­sor­gung. Zur Ver­sor­gung Bar­mens und der an­de­ren Ver­trags­part­ner wur­de auf dem Gas­werks­ge­län­de in Ham­born ei­ne Gas­rei­ni­gungs-Ap­pa­ra­te-Kom­pres­sor­an­la­ge für ei­ne Ta­ges­leis­tung von 150.000 Ku­bik­me­ter er­rich­tet. 1912, als au­ßer den Thys­sen­schen Kon­zern­wer­ken die Städ­te und Ge­mein­den Ham­born, Wal­s­um, Dins­la­ken, We­sel, Ober­hau­sen, Mül­heim an der Ruhr, Hei­li­gen­haus, Vel­bert, Ne­vi­ges (heu­te Stadt Vel­bert) und Bar­men ver­sorgt wur­den, stieg die Gas­ab­ga­be auf 30,4 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter (1907 hat­te sie nur 4,5 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter be­tra­gen). Das Gas­rohr­netz der WTC war En­de 1912 143,4 Ki­lo­me­ter lang.

 

Wie die Gas­ver­sor­gung, wei­te­te die WTC durch Lie­fer­ver­trä­ge mit Ge­mein­den auch die Was­ser­ver­sor­gung aus. 1907/1908 bau­te sie ein Was­ser­werk am Rhein­ufer in Laar bei Duis­burg-Ruhr­ort, das durch 17 Kes­sel­brun­nen Grund­was­ser und ufer­fil­trier­tes Rhein­was­ser för­der­te. Die Was­ser­ver­sor­gung der WTC er­streck­te sich 1912 auf ein Ge­biet, in dem 425.000 Ein­woh­ner leb­ten; Ab­neh­mer der in die­sem Jahr ab­ge­setz­ten 49,77 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter Was­ser wa­ren die GDK mit den Ham­bor­ner Be­trie­ben, dem Walz­werk Dins­la­ken und den an­ge­glie­der­ten Ge­werk­schaf­ten Rhein I und Loh­berg, die AG für Hüt­ten­be­trieb in Duis­burg-Mei­de­rich, die Ze­che Neu­mühl in Ham­born, ei­ni­ge wei­te­re in­dus­tri­el­le Gro­ß­ab­neh­mer, die je­wei­li­gen Ge­mein­de­ein­rich­tun­gen und sämt­li­che Haus­hal­te in Ham­born und Wal­s­um. 1913 ver­äu­ßer­te Thys­sen das Ruhr­was­ser­werk der WTC an die Rhei­nisch-West­fä­li­sche Was­ser­werks-GmbH in Mül­heim, die auch die Ver­sor­gung der Was­ser­ab­neh­mer öst­lich der Stadt­gren­zen von Ham­born und Duis­burg über­nahm, wäh­rend das Rhein­was­ser­werk Laar mit dem Ver­sor­gungs­ge­biet in Ham­born, Wal­s­um und Dins­la­ken der GDK an­ge­glie­dert wur­de. Mit dem Werk Laar fie­len die Hälf­te des be­ste­hen­den Was­ser­rohr­net­zes (rund 180 Ki­lo­me­ter Län­ge) und drei Fünf­tel des Was­se­r­um­sat­zes (rund 31 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter) der WTC an die GDK. 1914/1915 wur­de ei­ne neue Was­ser­ge­win­nungs­an­la­ge am Rhein un­ter­halb von Haus Knipp an­ge­legt, von der das Was­ser durch ein elek­trisch be­trie­be­nes Zu­satz­pump­werk dem Haupt­pump­werk in Laar zu­ge­führt wur­de. Seit 1916 be­lie­fer­te die GDK auch die Städ­te Wer­den und Kett­wig (bei­de heu­te Stadt Es­sen) mit Was­ser.

Bei der Auf­lö­sung der WTC im Jahr 1913 gin­gen auch die Ham­bor­ner Gas­auf­be­rei­tungs­an­la­gen und al­le Gas­lie­fer­ver­trä­ge der WTC an die GDK über, die den Gas- und Was­ser­be­reich ne­ben dem Berg­bau- und dem Hüt­ten­be­reich als be­son­de­re Ab­tei­lung führ­te. Len­ze trieb die Aus­wei­tung des Lie­fer­ge­bie­tes durch Ver­trä­ge mit wei­te­ren Städ­ten und Ge­mein­den wie Bo­cholt und Kett­wig vor der Brü­cke (heu­te Stadt Es­sen) vor­an. 1918 reich­te das Lei­tungs­netz im Nor­den bis zur nie­der­län­di­schen Gren­ze. Die Gas­ab­ga­be stieg von knapp 38 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter im Jahr 1914 auf 71,7 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter im Jahr 1919.

Nach dem En­de des Ers­ten Welt­krie­ges nahm die Fa­mi­lie Thys­sen ei­ne Neu­ord­nung ih­res Kon­zerns vor. Mit Wir­kung vom 1.1.1919 wur­de die GDK auf­ge­löst. Für den Hüt­ten­be­reich wur­de die Ge­werk­schaft Au­gust Thys­sen-Hüt­te (ATH) ge­schaf­fen, die zu­gleich Mehr­heits­ge­wer­kin der Ge­werk­schaft Fried­rich Thys­sen (Berg­bau-Be­reich) war; bei­de hat­ten ih­ren Sitz in Ham­born. Als ei­ner der wich­tigs­ten Be­ra­ter Au­gust Thys­sens wur­de Len­ze in den Gru­ben­vor­stand der ATH be­ru­fen, dem er bis zur Grün­dung der Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG im Früh­jahr 1926 an­ge­hör­te. Die Gas- und Was­ser­wer­ke wur­den zu­nächst mit der ATH ver­bun­den und am 25.1.1921 in der Gas­ge­sell­schaft mbH in Ham­born zu­sam­men­ge­fasst, de­ren Ge­schäfts­füh­rung Ju­li­us Thys­sen (ein Sohn Jo­seph Thys­sens) und Len­ze über­nah­men (Ju­li­us Thys­sen schied 1932 aus Krank­heits­grün­den aus). Die be­reits En­de 1918 ge­grün­de­te Nie­der­rhei­ni­sche Gas- und Was­ser­wer­ke GmbH (NGW) er­hielt die Auf­ga­be, die Klein­ver­brau­cher in der Stadt Ham­born, der Ge­mein­de Wal­s­um und wei­te­ren Ge­mein­den mit Gas und Was­ser zu ver­sor­gen, wo­bei Gas und Was­ser von der ATH, dann von der Gas­ge­sell­schaft be­zo­gen wur­den. In der Ge­schäfts­füh­rung und bei der Be­leg­schaft von Gas­ge­sell­schaft und NGW be­stand ei­ne voll­stän­di­ge Per­so­nal­uni­on. 1927 nahm die Gas­ge­sell­schaft den Na­men Thys­sen­sche Gas- und Was­ser­wer­ke GmbH (TGW) an. Ob­schon die bei­den Thys­sen-Ko­ke­rei­en in Ham­born nicht der Gas­ge­sell­schaft, son­dern der Au­gust Thys­sen-Hüt­te (Ko­ke­rei 3/7) und der Ge­werk­schaft Fried­rich Thys­sen (Ko­ke­rei 4/8) ge­hör­ten, lei­te­te Len­ze die 1919 be­gon­ne­ne Voll­me­cha­ni­sie­rung die­ser Be­trie­be, auf de­nen die ers­ten Koh­len-Misch- und Zer­klei­ne­rungs­an­la­gen im Ruhr­ge­biet in­stal­liert wur­den. Im Grün­dungs­jahr der Gas­ge­sell­schaft setz­te die­se knapp 83 Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter Gas ab. Die Auf­be­rei­tungs­an­la­gen in Alt-Ham­born wur­den zu ei­nem gro­ßen Fern­gas­werk aus­ge­baut. Mit die­sem Werk ver­bun­den war ein 1926 ge­bau­ter Gro­ßgas­be­häl­ter in Ham­born-Bruck­hau­sen, der als Puf­fer zwi­schen der kon­ti­nu­ier­lich Gas lie­fern­den Ko­ke­rei und der un­re­gel­mä­ßi­gen Ab­ga­be des Fern­gas­wer­kes fun­gier­te; der 107,5 Me­ter ho­he, 300.000 Ku­bik­me­ter fas­sen­de Gas­spei­cher war bei sei­ner In­be­trieb­nah­me – für zwei Jah­re – der grö­ß­te Gas­be­häl­ter der Welt. Auch im Was­ser­be­reich wur­de in­ves­tiert; zu­sätz­lich zu dem Was­ser­werk in Laar bau­ten die Gas­ge­sell­schaft und die NGW 1922 ein zwei­tes Werk am Rhein in Beecker­werth, un­ter­halb von Haus Knipp, da­mals das grö­ß­te Was­ser­werk Eu­ro­pas.

Die Bil­dung der Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG (VSt) 1926 ging mit ei­ner Tei­lung des Thys­sen-Kon­zerns ein­her. An­ders als die ATH, die Berg­wer­ke Fried­rich Thys­sen, We­ho­fen und Loh­berg, die Ham­bor­ner Ko­ke­rei­en und die Wer­ke in Mül­heim, Duis­burg-Mei­de­rich und Dins­la­ken wur­den die Un­ter­neh­men der Gas- und Was­ser­ver­sor­gung, die noch un­ver­ritz­ten Gru­ben­fel­der am Nie­der­rhein und an­de­res nicht in den neu­en Kon­zern ein­ge­bracht, son­dern blie­ben im Be­sitz der Fa­mi­lie Thys­sen. Len­ze über­nahm als Ge­ne­ral­di­rek­tor im Auf­trag von Ba­ron Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za die Füh­rung des deut­schen in­dus­tri­el­len Teils der neu­en Un­ter­neh­mens­grup­pe Thys­sen-Bor­n­emis­za, zu der ne­ben TGW und NGW die Press- und Walz­wer­ke AG (Düs­sel­dorf-Reis­holz) und die Ober­bil­ker Stahl­wer­ke AG (Düs­sel­dorf) ge­hör­ten. Als ei­ner von sie­ben Ver­tre­tern des al­ten Thys­sen-Kon­zerns wur­de Len­ze auch in den Auf­sichts­rat der VSt be­ru­fen, dem er bis 1933 an­ge­hör­te.
Lang­fris­ti­ge Ver­trä­ge zwi­schen Gas­ge­sell­schaft / TGW ei­ner­seits und der Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG an­de­rer­seits stell­ten si­cher, dass die TGW ge­nü­gend Ko­ker­ei­gas aus der Ham­bor­ner Ko­ke­rei Fried­rich Thys­sen 4/8 be­zie­hen konn­te; aber Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za und Len­ze hiel­ten die Schaf­fung ei­ner ei­ge­nen Koks­ba­sis für die TGW für un­ver­zicht­bar. Sie be­schlos­sen, die 1923 un­ter­bro­che­ne Ab­teu­fe des Berg­werks Wal­s­um nord­west­lich von Ham­born wie­der­auf­zu­neh­men und spä­ter ne­ben dem Berg­werk ei­ne Ko­ke­rei zu bau­en. Letz­te­res un­ter­blieb aus ver­schie­de­nen Grün­den, doch mit der bis 1953 im Ei­gen­tum der TGW ste­hen­den, von 1936 bis 2008 för­dern­den Ze­che Wal­s­um ent­stand un­ter Len­zes Lei­tung das mo­derns­te Ver­bund­berg­werk Deutsch­lands. Bei der Ent­wick­lung Wal­s­ums wur­de Len­ze von dem Ber­gin­ge­nieur Wil­helm Ro­elen (1889–1958) un­ter­stützt, den Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za 1937 zu Len­zes Nach­fol­ger an der Spit­ze der TGW be­rief.
In den 1920er Jah­ren wur­de Gas als En­er­gie­trä­ger in Deutsch­land von in­dus­tri­el­len Ab­neh­mern und Kom­mu­nen im­mer stär­ker nach­ge­fragt. Die TGW woll­te am lin­ken Nie­der­rhein und im Raum KölnAa­chen–Dü­ren neue Gas­kun­den ge­win­nen und ent­schloss sich zu ei­ner Ko­ope­ra­ti­on mit dem Eschwei­ler Berg­werks-Ver­ein (EBV). 1927–1930 ent­stand ein zwei­tes Fern­gas­werk in Als­dorf bei Aa­chen, das von der Gro­ß­ko­ke­rei An­na des EBV mit Ko­ker­ei­gas be­lie­fert wur­de und die­ses dann zur Ab­ga­be an die Kun­den auf­be­rei­te­te. Durch das zwei­te Fern­gas­werk lo­cker­te sich auch die Ab­hän­gig­keit von der Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG bei der Gas­be­schaf­fung. Ge­mein­sam mit der 1926 von meh­re­ren Berg­bau­un­ter­neh­men ge­grün­de­ten Ruhr­gas AG in Es­sen bau­te die TGW 1929/1930 ei­ne Fern­gas­lei­tung von Duis­burg nach Köln, das nach ei­nem 1929 ge­schlos­se­nen Ver­trag je zur Hälf­te von TGW und Ruhr­gas be­lie­fert wur­de. Der Bau ei­ner An­schluss­lei­tung von Köln in den neu­en In­dus­trie­raum Wes­se­ling 1936 ge­hör­te schon in den Kon­text des zwei­ten Vier­jah­res­plans des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staa­tes. 1937 über­schritt die Gas­ab­ga­be der TGW die Men­ge von ei­ner Mil­li­ar­de Ku­bik­me­ter.

Len­ze war nicht nur Un­ter­neh­mens­lei­ter und Pla­ner, son­dern auch Er­fin­der. Sei­ne bei­den wich­tigs­ten Pa­ten­te wa­ren die zu­sam­men mit An­dre­as Bor­chardt ent­wi­ckel­te „Tief­küh­lung zur Ent­fer­nung von Naph­ta­lin, Am­mo­ni­ak und Was­ser­dampf aus Koh­le­de­stil­la­ti­ons­ga­sen“, die nicht nur für die Gas­ver­ede­lung, son­dern auch für die Käl­te­tech­nik be­deut­sam wur­de, und das Turm­rei­ni­gungs­ver­fah­ren für Ko­ker­ei­gas („Ver­fah­ren Len­ze“), das die tro­cke­ne Gas­rei­ni­gung ra­tio­na­li­sier­te und ver­bil­lig­te. 1931 wur­de Franz Len­ze von der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Karls­ru­he „in An­er­ken­nung sei­nes rich­tungs­ge­ben­den Wir­kens auf dem Ge­bie­te der Koh­len­wei­ter­ver­ar­bei­tung, ins­be­son­de­re der Ko­ke­rei­tech­nik und der Gas­wirt­schaf­t“ zum Dr.-Ing. h.c. er­nannt. Der Ver­ein der Deut­schen Gas- und Was­ser­fach­män­ner ver­lieh Len­ze die Bun­sen-Pet­tenk­o­fer-Eh­ren­ta­fel. Len­ze ge­hör­te dem Ku­ra­to­ri­um des Kai­ser-Wil­helm-In­sti­tuts für Koh­len­for­schung in Mül­heim an der Ruhr an.

Len­ze, der po­li­tisch der Zen­trums­par­tei na­he stand, wohn­te auf dem von der WTC er­wor­be­nen, dann im Ei­gen­tum der TGW ste­hen­den Schloss Styrum in Mül­heim-Styrum und ge­hör­te von 1919 bis 1933 der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung der Stadt Mül­heim an der Ruhr an; nach der Auf­lö­sung die­ses Gre­mi­ums im Zu­ge der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen „Macht­er­grei­fung“ auf der kom­mu­na­len Ebe­ne am­tier­te er bis 1935 als er­nann­ter Rats­herr der Stadt Mül­heim. Len­ze war von 1920 bis 1933 Mit­glied des Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tags und fer­ner über län­ge­re Zeit Mit­glied des Bei­ra­tes der Nie­der­rhei­ni­schen In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer zu Duis­burg.

Wäh­rend ei­ner Dienst­rei­se nach Ber­lin ver­un­glück­te Len­ze am 11.11.1937 auf ei­ner Land­stra­ße bei Nau­en in Bran­den­burg und starb am fol­gen­den Tag im Kran­ken­haus von Nau­en im Al­ter von 59 Jah­ren. Das Be­gräb­nis fand am 16.11.1937 auf dem Ka­tho­li­schen Fried­hof (Ab­tei-Fried­hof) in Ham­born statt.

Quellen

Thys­sen­Krupp Kon­zernar­chiv (Duis­burg): A/1786.
Ar­chiv der Stif­tung für In­dus­trie­ge­schich­te Thys­sen (Duis­burg): NROE/46.

Literatur

Kan­ther, Mi­cha­el A., Sys­temin­no­va­ti­on im Ruhr­ge­biet: Die west­deut­sche Gas-Fern­ver­sor­gung von den An­fän­gen bis zum Be­ginn der Erd­gas­lie­fe­run­gen (1910–1966), in: Fo­rum Ge­schichts­kul­tur Ruhr, Heft 2/2011, S. 45–51.
Mil­ke­reit, Ger­trud, Franz Len­ze – Der Fach­mann für Gas und Was­ser, in: Nie­der­rhein­kam­mer, Aus­ga­be Ja­nu­ar 1987, S. 40.

Franz Lenze, Konrad Adenauer und dessen Ehefrau Gussi (sitzend v.l.n.r.) begleiten August Thyssen (rechts sitzend) auf seiner letzten Grubenfahrt, 21. Juli 1924. (ThyssenKrupp AG)

 
Zitationshinweis

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Kanther, Michael A., Franz Lenze, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-lenze/DE-2086/lido/57c93f6e0e2762.27748222 (abgerufen am 09.06.2023)