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Forster zählt zu den bekanntesten Reisenden und Naturforschern seiner Zeit. Gleichwohl blieb ihm, ungeachtet seines frühen literarischen Ruhms, eine dauerhafte Anerkennung verwehrt. Durch den Kontakt mit zahlreichen deutschen Intellektuellen geriet Forster unter den Einfluss aufklärerischer Ideen, die er im Rahmen der „Mainzer Republik“ als einer ihrer profiliertesten Exponenten auch praktisch werden lassen wollte.
Geboren wurde Georg Forster am 27.11.1754 in Nassenhuben bei Danzig, das zum Herzogtum Preußen königlich polnischen Anteils gehörte. Sein Vater Johann Reinhold Forster (1729-1798) amtierte dort als reformierter Pfarrer. Seine Mutter hieß Justina Elisabeth und war eine geborene Nicolai. Schon als Kind zeigte Forster eine starke Faszination für naturkundliche Fragen, die ihn ein Leben lang bestimmen sollte. Seine Ausbildung oblag im Wesentlichen dem Vater, der die naturwissenschaftlichen Interessen des Sohnes teilte und nach Kräften zu fördern trachtete. Dazu gehörte auch die Teilnahme an einer Expedition, die Vater und Sohn Forster im Auftrag der russischen Zarin Katharina II. (Regierungszeit 1762-1796) im Jahre 1764 unternahm. Sie diente der Inspektion der neu angelegten deutschen Siedlungen an der Wolga, gab den beiden aber auch Gelegenheit zu intensiven naturkundlichen und ethnologischen Studien. Forsters Interesse galt dabei in erster Linie den fremden Kulturen, denen er hier begegnete und die bei ihm ein Bewusstsein für die Verschiedenartigkeit menschlicher Lebensformen erzeugten. Diese Reise bildete den Auftakt für eine Reihe weiterer, die Forster – zunächst in Begleitung des Vaters – in nahezu alle Gegenden der damals bekannten Welt führten. „Deutschen“ Boden, also den des Heiligen Römischen Reiches, betrat er erstmals im Alter von 24 Jahren.
Die russische Reise war für Reinhold Forster eine Enttäuschung, da sie ihm nicht die erhoffte Professur an einer Universität des Zarenreiches bescherte. Vater und Sohn segelten darauf im Jahre 1765 nach England, dem Land der Vorfahren Johann Reinhold Forsters, um dort wissenschaftliche Reputation zu erlangen. Bei dieser Gelegenheit erlernte Georg Forster die englische Sprache innerhalb weniger Monate, was es ihm später ermöglichte, auf Englisch zu publizieren. Unter anderem legte er 1767 eine Übersetzung von Michail Lomonossows (1711-1765) „Kurzer russischer Geschichte“ vor, die er vom Russischen ins Englische übertrug. Russisch hatte er während der Wolgaexpedition gelernt. Das Polnische beherrschte er aufgrund seiner Herkunft ohnehin und die Umgangssprache in der Familie war Deutsch.
Nach mancherlei wissenschaftlichen Gelegenheitsarbeiten, mit denen sich die Forsters während ihres Englandaufenthalts über Wasser hielten, erreichte sie 1772 das Angebot, an der zweiten Weltumsegelung James Cooks (1728-1779) teilzunehmen. Ihre Aufgabe bestand in der Erfassung und Beschreibung der fremden Flora und Fauna, wobei Georg Forster offiziell als Gehilfe seines Vaters fungierte. Die Reise dauerte von Juli 1772 bis Juli 1775 und führte hauptsächlich in die Südsee, die bis dahin nur unzureichend erforscht war. Zwar machte man keine nennenswerten Entdeckungen, hatte dafür aber Gelegenheit, die Kultur der Südseeinsulaner näher zu studieren. Die Berichte über die zweite Weltumsegelung Cooks haben maßgeblich dazu beigetragen, die Südseebegeisterung der Europäer zu entfachen.
Die naturkundlichen Ergebnisse dieser Expedition hat Georg Forster bereits zwei Jahre später (1777) in englischer Sprache unter dem Titel „A Voyage Round the World“ publiziert; eine deutsche Übersetzung, die im Übrigen nicht von Forster selbst besorgt wurde, erschien im Jahr darauf. Dieses Buch hat den Ruhm des jungen Forster begründet, der sich damit schlagartig eine europaweite wissenschaftliche Reputation verschaffte. Unter anderem wurde er kurz darauf zum Mitglied mehrerer naturwissenschaftlicher Akademien und Gesellschaften ernannt. Dies ermutigte ihn auch, nunmehr eine akademische Karriere ins Auge zu fassen, wobei er diese an einer kontinentaleuropäischen Universität anstrebte.
Die Jahre zwischen 1778 und 1790 gehören zu den literarisch fruchtbarsten seines Lebens. In zahllosen Aufsätzen, zumeist für renommierte Zeitschriften, hat er sich nicht nur über naturwissenschaftliche und ethnologische, sondern bald auch über philosophische Fragen ausgelassen, was Forster wiederum in näheren Kontakt zu vielen Intellektuellen seiner Zeit brachte, die er während seiner ausgedehnten Reisen quer durch Europa kennen lernte. Darunter befand sich auch der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi, den Georg Forster im Sommer 1778 in seinem Haus in Düsseldorf-Pempelfort besuchte.
Seine erste feste Anstellung erhielt Georg Forster 1778 am Collegium Carolinum in Kassel, wo er durch die Vermittlung von Freunden eine Professur für Naturgeschichte (eine Kombination aus Geographie, Zoologie, Botanik und Völkerkunde) erhielt. Entscheidend für die Annahme dieser Professur war wohl die Nähe zu Göttingen, das damals die bedeutendste Universität Deutschlands beherbergte. Anlässlich eines seiner häufigen Besuche in Göttingen lernte Forster auch Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. In seiner Kasseler Zeit kam Forster – wohl vermittelt durch seinen Freund Samuel Thomas Soemmering (1755-1830) – freilich auch in Kontakt zur damals modischen „Geheimbündelei“, der auch esoterische Züge nicht fremd waren. Es überrascht von daher zu sehen, dass Forster für einige Zeit nicht nur mit den Freimaurern, sondern auch mit dem Orden der Rosenkreuzer sympathisierte, dessen Okkultismus seinem präzisen naturwissenschaftlichen Denken eigentlich zuwider lief.
Die wissenschaftliche Tätigkeit in Kassel war für Forster indes keineswegs befriedigend und brachte ihm auch materiell wenig ein, weswegen er dankbar das Angebot zur Übernahme einer naturgeschichtlichen Professur an der Universität Wilna (heute Vilnius) annahm, das ihn im Jahre 1783 erreichte. Die Verhältnisse, die Forster in Polen vorfand, waren allerdings nicht so beschaffen, dass sie seinen Vorstellungen entsprachen. Immerhin lässt sich anhand der damaligen Vorlesungsverzeichnisse erkennen, dass Forsters wissenschaftliche Interessen sich mehr und mehr in Richtung auf die Anthropologie verschob, die ja schon am Beginn seiner Studien eine wesentliche Rolle bespielt hatte. Auch die Medizin - und hier vor allem die Anatomie -, mit der er schon in Kassel in Kontakt gekommen war, faszinierte ihn, so dass er kurzeitig sogar erwog, einen medizinischen Doktorgrad zu erwerben.
Auch um wieder in näheren Kontakt zu seinen Freunden in Deutschland zu kommen, nahm Georg Forster 1788 das Angebot des Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal (Episkopat 1774-1802) an, als Bibliothekar an die kurz zuvor gegründete Universität nach Mainz zu kommen. Die Bedeutung dieser scheinbar subalternen Position lässt sich auch daran ablesen, dass Forster ein höheres Einkommen bezog als die meisten Professoren. Außerdem wurde ihm das Recht zu eigenen Vorlesungen eingeräumt.
In seine ersten Mainzer Jahre fällt auch eine dreimonatige Reise, die ihn – in Begleitung des jungen Alexander von Humboldt (1769-1859) – im Frühjahr 1790 nach England führte. Diese Reise hat ihren literarischen Niederschlag bereits im Jahr darauf in Gestalt der „Ansichten vom Niederrhein“ gefunden, Forsters wohl politischstem Buch. Ausführlich reflektiert er über die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Französischen Revolution, deren Ausläufer auch die Niederlande erreicht hatten. Überhaupt war Forster durch den Umgang mit französischen Freunden und Bekannten besser als die meisten seiner Landsleute über die Vorgänge in Frankreich informiert und nahm daran lebhaften Anteil. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass er sich im Herbst 1792, nachdem die französische Revolutionsarmee die Stadt Mainz eingenommen hatte, mit voller Überzeugung auf die Seite der neuen Herren stellt, die zu diesem Zeitpunkt noch die Revolutionierung Deutschlands erstrebten. Forster wird eines der führenden Mitglieder des Mainzer Jakobinerklubs und engagiert sich im Rahmen der kurzlebigen „Mainzer Republik“ (Oktober 1792-Juli 1793), jenes ersten demokratischen Experiments auf deutschem Boden, das freilich bei der Mehrzahl der Deutschen wenig Widerhall fand. Die Republik blieb die Sache verhältnismäßig weniger Intellektueller, darunter auch Georg Forster.
Schon vor der Wiedereroberung durch preußische Truppen im Juli 1793 war Forster nach Paris gereist. Er gehörte einer Delegation an, die mit dem Ziel nach Paris entsandt worden war, die staatsrechtliche Verbindung des Gebiets zwischen Landau und Bingen (dem Territorium des so genannten „rheinisch-deutschen Nationalkonvents“) mit der französischen Republik zu erreichen. Aus dieser letzten Phase seines Lebens datieren auch die Fragment gebliebenen „Parisischen Umrisse“, in denen allerdings die zunehmende Radikalisierung der Revolution, der Beginn der „Grande Terreur“ keinen Niederschlag gefunden hat. Forster starb nach längerer Krankheit am 10.1.1794 in Paris, das gezwungenermaßen für ihn zum Exil geworden war.
Forsters Schriften haben auch nach seinem Tode noch eine Zeit lang Beachtung gefunden, unter anderem durch Weggefährten, die sich um eine Sammlung und Edition seiner Schriften bemühten, darunter vor allem auch Johann Gottfried Herder (1744-1803). Die erste Gesamtausgabe seiner Werke erschien gleichwohl erst 1843. Zu dieser Zeit genoss Forster allerdings schon einen denkbar schlechten Ruf, weil man in ihm weniger den Entdeckungsreisenden, Forscher und Anthropologen, sondern in erster Linie den „Jakobiner“ sah. Erst mit der Neubewertung des Komplexes „Deutschland und die Französische Revolution“, also erst seit den ausgehenden 1960er Jahren hat Georg Forster eine Renaissance erfahren. Ausgehend von der Historiographie der DDR, wurden seine Werke dann wenig später auch in der Bundesrepublik neu entdeckt. In den letzten Jahren gilt dies nicht nur für den politisch engagierten Forster, sondern auch für den Naturwissenschaftler.
Werke (Auswahl)
Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (ab 1974 Akademie der Wissenschaften der DDR, ab 2003 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften), Berlin 1958ff.
Ansichten vom Niederrhein, hg. v. Gerhard Steiner, Frankfurt/M. 1989.
Reise um die Welt, illustriert von eigener Hand, Frankfurt/M. 2007.
Literatur (Auswahl)
Dumont, Franz, Die Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, Alzey 1982.
Georg Forster in interdisziplinärer Perspektive, hg. von Claus Volker Klenke in Zusammenarbeit mit Jörn Garber und Dieter Heintze, Berlin 1994.
Georg-Forster-Studien, hg. im Auftrag der Georg-Forster-Gesellschaft von Horst Dippel und Helmut Scheuer, Berlin / Kassel (ab Band 3) 1997ff.
Scheel, Heinrich, Die Mainzer Republik, 3 Bände, Berlin (DDR) 1984-1989.
Uhlig, Ludwig, Georg Forster. Lebensabenteuer eines gelehrten Weltbürgers (1754-1794), Göttingen 2004.
Online
Georg Forster 1754-1794, Homepage der Georg-Forster Gesellschaft. [online]
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Engelbrecht, Jörg, Georg Forster, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/georg-forster/DE-2086/lido/5cbefbaf545b21.91761743 (abgerufen am 06.10.2024)