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Im „Dritten Reich“ ist Gerdy Troost eine der engsten und einflussreichsten Beraterinnen Hitlers in Fragen von Kunst und Kultur. Für Hitler besorgt sie federführend auch mehrere Inneneinrichtungen, die eine enorme Wirkung auf die gehobene Innenarchitektur während des Nationalsozialismus in Deutschland haben.
Sophie Gerhardine Wilhelmine Andresen, besser bekannt als Gerdy Troost, wurde am 3.3.1904 in Stuttgart geboren. Ihre Eltern waren der Möbelfabrikant Johannes Adolf Gerhard (geboren 1877) und Maria Luise Andresen, geborene Müller. Die Familie war protestantisch. Der 1909 geborene Bruder Friedel kam 1935 bei einem Motorradunfall ums Leben.
Die Schulzeit verbrachte Gerdy Troost in Düsseldorf, wo sie von 1910 bis 1920 die Höhere Mädchenschule besuchte. Im Anschluss zog sie nach Bremen, wo sie im elterlichen Einrichtungsbetrieb, den Deutschen Holzkunstwerkstätten, in nicht näher bekannter Funktion mitarbeitete. Hier lernte sie 1923 den 26 Jahre älteren Architekten Paul Ludwig Troost kennen, der bei den Holzkunstwerkstätten Schiffseinrichtungen für den Norddeutschen Lloyd ausführen ließ. 1924 zog Gerdy zu ihm nach München, im darauffolgenden Jahr heiratete das Paar. Fortan arbeitete sie im Atelier ihres Mannes mit, diskutierte mit ihm seine Gestaltungsideen und begleitete ihn auf Dienstreisen.
Nachdem ihr Mann ab September 1930 Aufträge von Adolf Hitler (1889-1945) erhielt, lernte Gerdy Troost den Parteiführer persönlich kennen und war sofort eingenommen von seiner „genialen Persönlichkeit“. Als glühende Anhängerin Hitlers, die sie zeitlebens bleiben sollte, trat sie im August 1932 der NSDAP bei.
Einen massiven Einschritt bedeutete für Gerdy Troost der Tod ihres Mannes am 21.1.1934. Auf Veranlassung Hitlers übernahm sie, die sich bis dahin bewusst im Schatten ihres Mannes gehalten hatte, die Leitung von dessen Architekturbüro, unterstützt von Troosts ältestem Mitarbeiter Leonhard Gall (1884–1952). Dass Hitler der 30 Jahre jungen Frau seines Architekten, die zudem nie eine ordentliche künstlerische oder kaufmännische Ausbildung absolviert hatte, die Verantwortung für seine wichtigsten Bauprojekte übertrug, ist ein erstaunlicher Vorgang, der näherer Erklärung bedarf.
Voraussetzung dafür dürfte zum einen gewesen sein, dass Gerdy Troost während der gut dreijährigen Zusammenarbeit ihres Mannes mit Hitler ebenfalls dessen Vertrauen gewinnen konnte. Zum anderem dürfte Hitler, der seit seiner Wiener Zeit eine starke Abneigung gegen Akademien und Universitäten hegte, die fehlende fachliche Ausbildung der Troost-Witwe nicht als Nachteil, sondern eher mit Sympathie betrachtet haben, da sich Gerdy Troost ihre Fachkenntnisse ebenso autodidaktisch angeeignet hatte wie er selbst. Ausschlaggebend war schließlich, dass Gerdy Troost nach dem Tod ihres Mannes mit beachtlichem Selbstbewusstsein als dessen künstlerische Erbverwalterin auftrat und für sich in Anspruch nahm, die einzige zu sein, die sich in die künstlerischen Intentionen Paul Ludwig Troosts einfühlen könne. Nach wenigen Wochen konnte sie auch Hitler davon überzeugen, dass nur sie eine Fertigstellung jener Bauten im Geiste ihres Mannes gewährleisten könne, woraufhin sie im Februar 1934 den entsprechenden Auftrag erhielt.
In der Tat gelang es Gerdy Troost und Gall bis 1937, die Münchner Bauten ihres Mannes – die Parteibauten am Königsplatz und das „Haus der Deutschen Kunst“ – zu Hitlers völliger Zufriedenheit fertigzustellen und einzurichten. Darüber hinaus wurde das „Atelier Troost“, wie sich die Bürogemeinschaft ab 1934 bezeichnete, von Hitler mit weiteren repräsentativen Einrichtungsaufträgen betraut, etwa für dessen Privatwohnung und das Prinz-Carl-Palais in München, den „Berghof“ auf dem Obersalzberg sowie die Alte Reichskanzlei in Berlin. Im Atelier Troost gestaltete sich die Arbeitsteilung derart, dass Leonhard Gall den Entwurf von Möbel sowie die technisch-konstruktive Umsetzung verantwortete, während Gerdy Troost die farbliche Gestaltung der Räume und die Ausschmückung mit Kunstwerken vornahm.
Neben den architektonischen Arbeiten beauftragten Hitler und andere führende Nationalsozialisten Gerdy Troost noch mit der Herstellung von Kleinkunstobjekten zur persönlichen Verwendung oder zu Geschenkzwecken. Dazu zählten beispielsweise Schmuckkassetten, Telefonbuchtruhen, Schreibmappen sowie prachtvolle Bucheinbände. Die Ausführung jener Arbeiten erfolgte in der Regel durch die Kunstbuchbinderin Frieda Thiersch (1889–1947), die Grafikerin Franziska Kobell (?–?) und die Goldschmiede und Bildhauerei der Brüder Franz (1897–1961) und Hermann Wandinger (1897–1976).
Daneben übernahmen Gerdy Troost und die ihr zuarbeitenden Werkstätten 1937 im Auftrag Hitlers die Produktion der höherrangigen Verleihungsurkunden des Deutschen Reiches mitsamt der dazugehörigen Aufbewahrungsmappen und –kassetten. Nach der Auflösung des Ateliers Troost Anfang 1939 war die serienmäßige Fertigung der Urkunden Gerdy Troosts Haupttätigkeitsfeld: Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fielen die höherwertigen Militärurkunden, vor allem für das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, unter ihre Regie. Charakteristisch waren für die unter Gerdy Troost produzierten Kleinkunstobjekte und Urkunden eine „griechisch“ anmutende Gestaltung und die Verwendung kostbarster Materialien.
Wegen der kunsthandwerklichen und architektonischen Arbeiten stand Gerdy Troost in regelmäßigen Kontakt mit Hitler. Auch sonst schätzte der Diktator ihren Rat und besuchte sie häufig im Atelier, um künstlerische oder kulturpolitische Fragen zu erörtern oder ihre Meinung einzuholen. Dank ihrer Vertrauensstellung bei Hitler konnte Gerdy Troost auch ohne ein offizielles Amt, einen erheblichen Einfluss auf künstlerische und kulturpolitische Fragen, vor allem in München, ausüben. Dies betraf insbesondere ihre Tätigkeit als Jurorin bei der Auswahl der Werke für die Kunst- und Architekturausstellungen im „Haus der Deutschen Kunst“ oder auch ihre Tätigkeit im „Kunstausschuss“ der Bavaria-Filmkunst GmbH (ab 1938), der als Zensurgremium Filmproduktionen vor der Veröffentlichung begutachtete.
1938 und 1943 gab sie im Gauverlag zwei Bände „Das Bauen im Neuen Reich“ heraus, die zu den auflagenstärksten Architekturpublikationen des Nationalsozialismus zählen. Die Texte zu beiden Bänden stammen von dem NS-Publizisten Kurt Trampler (1904–1969). Während der erste Band das ganze Spektrum der staatlichen Repräsentationsarchitektur zeigt, thematisiert der zweite Band die Architektur im Krieg, weshalb überwiegend Rüstungs- und Industriebauten sowie Denkmalentwürfe präsentiert werden.
Aufgrund ihrer vielfältigen Tätigkeiten war Gerdy Troost neben Winifred Wagner (1897–1980) und Leni Riefenstahl (1902–2003) eine der führenden Frauen im nationalsozialistischen Kulturbetrieb. Ihre Verdienste um die Architektur und Kultur des NS-Regimes honorierte Hitler 1937 mit der Verleihung des Professoren-Titels und 1943 des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.
Ungeachtet ihrer einflussreichen Stellung im nationalsozialistischen Kulturbetrieb wurde Gerdy Troost nach Kriegsende in ihrem Entnazifizierungsverfahren als „Minderbelastete“ eingestuft und mit vorübergehendem Berufsverbot belegt. Zurückgezogen von der Öffentlichkeit, versuchte sie in der Bundesrepublik als Einrichtungsberaterin wieder Fuß zu fassen, jedoch mit nur geringem Erfolg. Sie starb am 30.1.2003 in Bad Reichenhall.
Werke
[Herausgeberschaft] Das Bauen im Neuen Reich, 2 Bände, Bayreuth 1938/1943. [Diverse Auflagen]
Werke als Innenarchitektin
Inneneinrichtung „Führerbau“, München, 1934–1937
Inneneinrichtung „Verwaltungsbau“, München, 1934–1937
Inneneinrichtung „Haus der Deutschen Kunst“, München, 1934–1937
Inneneinrichtung der Privatwohnung Hitlers, München, 1935/36
Inneneinrichtung der Privatwohnung Eva Brauns, München, 1935/36
Inneneinrichtung des Berghofs, Obersalzberg bei Berchtesgaden, 1935/36
Inneneinrichtung des Prinz-Carl-Palais, München, 1936/37
Inneneinrichtung der Kaulbach-Villa als Dienstsitz von Gauleiter Adolf Wagner, München, 1937
Literatur
Brantl, Sabine, Haus der Kunst, München. Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus, München 2007.
Dörhöfer, Kerstin, Pionierinnen der Architektur, Tübingen/Berlin 2004, S. 146–149.
Lauterbach, Iris/Rosefeldt, Julian/Steinle, Piero (Hg.), Bürokratie und Kult. Das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München. Geschichte und Rezeption, München 1995.
Nüßlein, Timo, Gerdy Troost – Urkunden und kunsthandwerkliche Arbeiten 1937–1945, in: Militaria. Fachjournal für Auszeichnungen, Uniformierung, Militär- und Zeitgeschichte 34/Heft 4 (2011), S. 128–136.
Nüßlein, Timo, Paul Ludwig Troost. 1878–1934, Wien/Köln/Weimar 2012, S. 174–183.
Schad, Martha, Sie liebten den Führer. Wie Frauen Hitler verehrten, München 2009, S. 150–184.
Steinkamp, Maike, Fotografierte Weltanschauung. Gerdy Troosts Das Bauen im Neuen Reich (1938), in: Architektur im Buch, hg. v. Burcu Dogramaci und Simone Förster, Dresden 2010, S. 155–168.
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Nüßlein, Timo, Gerdy Troost, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gerdy-troost/DE-2086/lido/5b3b3f2b0772c5.88610785 (abgerufen am 12.12.2024)